TE OGH 2020/6/23 27Ds5/19w

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Veröffentlicht am 23.06.2020
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Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 23. Juni 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden und den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm als weiteren Richter sowie die Rechtsanwälte Dr. Schlager und Dr. Kretschmer als Anwaltsrichter in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, AZ D 69/19, über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 14. Juni 2019, GZ D 69/19-16, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 14. Juni 2019, GZ D 69/19-16, wurde dem Disziplinarbeschuldigten als einstweilige Maßnahme gemäß § 19 Abs 1 Z 1 und Abs 3 Z 1 lit b DSt das Vertretungsrecht vor dem Oberlandesgericht Wien in Strafsachen, dem Landesgericht für Strafsachen Wien, den diesen in Strafsachen nachgeordneten Bezirksgerichten und den diesen Gerichten beigeordneten Strafverfolgungsbehörden entzogen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten kommt keine Berechtigung zu.

Das Beschwerdevorbringen bietet zunächst Anlass zur Klarstellung, dass Gegenstand der Beschwerdeanfechtung der Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 14. Juni 2019, GZ D 69/19-16, und nicht die darauf abzielende Antragstellung des Kammeranwalts vom 24. Mai 2019 (ON 10) ist. Die auf diese bezogene Beschwerdekritik verfehlt daher das Anfechtungsobjekt und entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung.

Da das Verfahren über die einstweilige Maßnahme gemäß § 19 Abs 1 DSt kein Strafverfahren ist, kommt es insofern weder auf den Nachweis einer gerichtlich strafbaren Handlung noch darauf an, dass die vom Gesetz vorausgesetzten schweren Nachteile bereits eingetreten sind; vielmehr genügt für die Anordnung der einstweiligen Maßnahme die Anhängigkeit eines Strafverfahrens und die Besorgnis des Eintretens schwerer Nachteile im Falle der weiteren Tätigkeit des betroffenen Rechtsanwalts (RIS-Justiz RS0119609 [T1, T2], RS0102722, RS0056748, RS0104960 [T2, T3]).

Dies verkennt die Beschwerde, soweit sie Ausführungen zur strafrechtlichen Beurteilung der Gegenstand des Ermittlungsverfahrens AZ 609 St 2/19s der Staatsanwaltschaft Wien bildenden Verdachtslage (insbesondere in Richtung § 94 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und § 107 Abs 1 StGB) sowie zur Diversionswürdigkeit der in Rede stehenden Suchtmitteldelinquenz (nach § 27 Abs 1 erster, zweiter, siebter und achter Fall, Abs 2 SMG) tätigt, werden doch solcherart keine Argumente aufgezeigt, welche die vom Disziplinarrat angenommenen Voraussetzungen für die Verhängung der einstweiligen Maßnahme in Frage stellen könnten.

Danach besteht der (zugleich gerichtlich strafbare und Bestandteil des anhängigen Ermittlungsfahrens bildende) als schwer gewichtete Vorwurf einer Beeinträchtigung von Ansehen oder Ehre des Standes darin, unerlaubt Suchtgift, nämlich LSD, besessen und auch an Freunde weitergegeben zu haben (vgl dazu RIS-Justiz RS0108408), wobei das Verhalten des Disziplinarbeschuldigten (zwar nicht mit dessen Namen der Presse, aber doch zumindest) den Ermittlungsbeamten der Polizei, der Staatsanwaltschaft und jenen Personen, die sich am Landesgericht für Strafsachen Wien mit dem bezughabenden Ermittlungsakt befassen – demnach einer eingeschränkten Öffentlichkeit – bekannt geworden sei (BS 3 f).

Mit der Behauptung, es sei „nicht ersichtlich, welche schweren Nachteile für die Interessen der rechtssuchenden Bevölkerung gegeben sind“, zumal diese „in die Ereignisse nicht eingebunden“ und daher „eine entsprechende Publizität nicht gegeben“ sei, übersieht die Beschwerde, dass es bei der Beurteilung der Voraussetzungen des § 19 Abs 1 Z 1 DSt – wie vom Disziplinarrat bereits dargelegt (BS 4 f) – nicht auf die Publizität des gegen den Rechtsanwalt geführten Strafverfahrens ankommt, zumal ein anhängiges Strafverfahren jedenfalls die Gefahr birgt, dass der vom Rechtsanwalt seinem Mandanten geschuldete umfassende Einsatz vor Strafgerichten und Strafverfolgungsbehörden nicht mehr gewährleistet ist, wenn sich der Rechtsanwalt vor diesen in einem eigenen Verfahren als Beschuldigter zu verantworten hat (RIS-Justiz RS0104960 [T2], RS0056752), und es dem Ansehen des Standes abträglich ist, wenn ein Rechtsanwalt vor derselben Behörde einmal in eigener Sache als Beschuldigter und ein anderes Mal als Parteienvertreter agiert (RIS-Justiz RS0056745).

Dementsprechend gelangte der Disziplinarrat zu Recht zur Einschätzung, dass die einstweilige Entziehung des Vertretungsrechts vor dem in Strafsachen tätigen Oberlandesgericht Wien, dem Landesgericht für Strafsachen Wien, den diesen in Strafsachen nachgeordneten Bezirksgerichten sowie den beigeordneten Strafverfolgungsbehörden wegen zu besorgender schwerer Nachteile für die rechtsuchende Bevölkerung und für das Ansehen des Standes erforderlich und auch verhältnismäßig ist (BS 5; RIS-Justiz RS0117087 [T2, T3]).

Eine in der Beschwerdeschrift angesprochene psychische Beeinträchtigung des Disziplinarbeschuldigten wird bei der Entscheidung über die Schuldfrage zu beurteilen sein.

Textnummer

E128708

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0270DS00005.19W.0623.000

Im RIS seit

14.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.08.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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