TE OGH 2020/5/26 2Ob92/19x

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Veröffentlicht am 26.05.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** A*****, vertreten durch Mag. Michael Nierla, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. S***** B*****, und 2. U***** AG, *****, beide vertreten durch Mag. Josef Schartmüller, Rechtsanwalt in Wien, wegen (eingeschränkt) 41.613,48 EUR sA und Feststellung (4.000 EUR), über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. März 2019, GZ 16 R 24/19w-78, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 13. Dezember 2018, GZ 17 Cg 12/17k-72, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

A. Der Rekurs der erstbeklagten Partei wird, soweit er sich gegen die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils betreffend das gegen die zweitbeklagte Partei gerichtete Zahlungsbegehren richtet, zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat im Umfang der Zurückweisung die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

B. Im Übrigen wird dem Rekurs Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss, der in seinem Punkt I. als unbekämpft unberührt bleibt, wird in seinem Punkt II. aufgehoben und in der Sache selbst wird dahin zu Recht erkannt, dass die Entscheidung einschließlich ihrer bereits in Rechtskraft erwachsenen Teile als Teilurteil lautet:

„1. Die zweitbeklagte Partei ist zur ungeteilten Hand mit der erstbeklagten Partei schuldig, der klagenden Partei 2.785,22 EUR samt 4 % Zinsen ab 6. 8. 2016 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

2. Das Leistungsmehrbegehren, die zweitbeklagte Partei sei zur ungeteilten Hand mit der erstbeklagten Partei schuldig, der Klägerin weitere 63.210,07 EUR samt 4 % Zinsen ab 6. 8. 2016 zu bezahlen, wird abgewiesen.

3. Es wird festgestellt, dass die beklagten Parteien der klagenden Partei zur ungeteilten Hand im Ausmaß von einem Drittel für sämtliche zukünftige Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 20. 11. 2015 in 1100 Wien, Landgutgasse (richtig) 24 haften, wobei die Haftung der zweitbeklagten Partei mit der zum Unfallzeitpunkt in Ansehung des Pkws ***** vereinbarten Versicherungssumme beschränkt ist.

4. Das Feststellungsmehrbegehren, die beklagten Parteien hafteten der klagenden Partei zur ungeteilten Hand im Ausmaß von zwei weiteren Dritteln für sämtliche zukünftige Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 20. 11. 2015 in 1100 Wien, Landgutgasse (richtig) 24, wird abgewiesen.“

5. Die Kostenentscheidung betreffend die erstbeklagte Partei wird der Endentscheidung vorbehalten.

Die Kostenaussprüche der Vorinstanzen betreffend die zweitbeklagte Partei werden aufgehoben und die Sache wird insofern zur neuerlichen Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 2.641,15 EUR (darin enthalten 236,92 EUR USt und 1.219,58 EUR anteilige Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 20. 11. 2015 ereignete sich gegen 19:00 Uhr in der Landgutgasse in Wien auf Höhe der ON 24 (zwischen der Favoritenstraße und der Laxenburger Straße) ein Verkehrsunfall, an dem der Erstbeklagte als Lenker eines von ihm gehaltenen und bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Pkws sowie die Klägerin als Fußgängerin beteiligt waren. Dabei wurde die Klägerin schwer verletzt. Krankheitsbedingte Spätfolgen aus dem Unfall sind möglich.

Die Landgutgasse verläuft annähernd geradlinig und war in beiden Richtungen auf je einem 2,8 m breiten Fahrstreifen befahrbar. Rechts neben diesem Fahrstreifen war jeweils ein Mehrzweckstreifen markiert, der in Fahrtrichtung des Erstbeklagten gesehen eine Breite von rund 1,5 m aufwies. In dieser Richtung befand sich am rechten Fahrbahnrand (zwischen Gehsteig und Mehrzweckstreifen) abschnittsweise ein Parkstreifen. Am Unfallstag waren auf Höhe der ON 24 zwei Autos geparkt, und zwar aus Fahrtrichtung des Erstbeklagten gesehen, zunächst ein dunkles und dahinter ein weißes. Die höchst zulässige Geschwindigkeit betrug 50 km/h (Ortsgebiet). Zum Unfallszeitpunkt herrschten Dunkelheit mit künstlicher Beleuchtung, leichter Regen und nasse Fahrbahn.

Bei besten Verhältnissen kann ein Fahrzeug aus 50 km/h Geschwindigkeit bei einer Vorbremszeit von 1 sek und einer mittels Vollbremsung auf trockener Fahrbahn erzielbaren Verzögerung von 7,5 m/sek² innerhalb einer Strecke von rund 26,8 m angehalten werden. Aufgrund der damals herrschenden nassen Fahrbahn war jedoch nur eine geringere Verzögerung von rund 6 m/sek² erreichbar, sodass ein Fahrzeug innerhalb der gleichen Strecke nur aus einer maximalen Geschwindigkeit von rund 46 km/h angehalten werden konnte.

Der Erstbeklagte lenkte seinen Wagen in der Landgutgasse Richtung Westen. Die von ihm eingehaltene Geschwindigkeit lag zwischen 45 und 50 km/h.

Zur selben Zeit waren in der Landgutgasse Richtung Laxenburger Straße die Klägerin, deren Ehemann sowie ihre Freundin, die ihren kleinen Sohn im Kinderwagen mitführte, als Fußgänger unterwegs. Sie beabsichtigten, die Fahrbahn der Landgutgasse – aus Sicht des Erstbeklagten von rechts nach links – zu überqueren.

Die Klägerin trug eine dunkle Jacke und eine dunkle Hose. Auch die Freundin und ihr Sohn trugen dunkle Kleidung. Der Kinderwagen hatte ein graues Gestänge und einen dunklen Stoff und keine Reflektoren.

Der Ehemann der Klägerin ging voran und überquerte zunächst allein die Fahrbahn der Landgutgasse. Er blieb auf der gegenüberliegenden Seite stehen und wartete auf die beiden Frauen. Die Klägerin und ihre den Kinderwagen schiebende Freundin blieben zunächst an der nordwestlichen Ecke der ungeregelten Kreuzung Columbusgasse/Landgutgasse stehen. Der Ehemann der Klägerin deutete den Frauen, dass sie kommen könnten und sich kein Auto nähere. Aus ihrer Position an der Gehsteigkante könnte infolge parkender Fahrzeuge eine Sichtbehinderung auf die Annäherungsrichtung des Erstbeklagten bestanden haben. Am Rand des Parkstreifens war jedoch die Sicht auf den ankommenden Verkehr bis über die Kreuzung mit der Favoritenstraße jedenfalls frei, sodass ein Bereich von zumindest 100 m eingesehen werden konnte. Die Scheinwerfer eines sich bei Dunkelheit annähernden Fahrzeugs waren aus dieser Entfernung auf jeden Fall erkennbar. Bei 50 km/h benötigt ein Fahrzeug für das Zurücklegen der Strecke von 100 m 7,2 sek, bei einer geringeren Geschwindigkeit entsprechend länger.

Die Klägerin setzte mit ihrer Freundin und deren Sohn ihren Weg über die Fahrbahn in einer etwas schrägen Querungslinie Richtung Laxenburger Straße fort, um zu ihrem Mann auf der anderen Straßenseite zu gelangen. Obwohl sie sich auch selbst – unzureichend – vergewissert hatte, ob ein Auto kam, sah sie das herannahende Fahrzeug des Erstbeklagten erst kurz vor der Kollision. Sie gab ihrer Freundin noch einen Schubs nach hinten und wurde dann vom Fahrzeug des Erstbeklagten erfasst.

Die beiden Frauen hatten die Fahrbahn hinter dem Heck des abgestellten dunklen Pkws betreten, wobei diese Stelle jedenfalls nicht innerhalb von 25 m zum nächsten Schutzweg lag. Im Zeitpunkt der Kollision war die Klägerin ca 1 m in den vom Erstbeklagten befahrenen Fahrstreifen eingedrungen. Es konnte nicht festgestellt werden, ob sich die Klägerin beim Kontakt in einer Vorwärtsbewegung oder im Stillstand befand, eine Rückwärtsbewegung lag jedoch nicht vor.

Wahrnehmbar wurde die Klägerin für den Erstbeklagten erstmals, als sie sich rund 0,5 m innerhalb des Mehrzweckstreifens befand. Die objektive Reaktionsaufforderung war für den Erstbeklagten in jenem Zeitpunkt gegeben, als die Klägerin die Warnlinie zwischen dem Mehrzweckstreifen und dem von ihm befahrenen Fahrstreifen erreicht hatte. Ab diesem Punkt benötigte die Klägerin bei einer Gehgeschwindigkeit zwischen 3 und 4 km/h bis zur Kollisionsposition noch rund 0,9 bis 1,2 sek, unter Berücksichtigung des Umstands, dass sie ihre Freundin mit dem Kinderwagen zurückgehalten bzw zurückgeschubst hatte, jedoch zumindest eine Sekunde.

Bei einer Annäherungsgeschwindigkeit von 45 km/h reagierte der Erstbeklagte um 1,3 bis 1,6 sek verspätet. Wenn die Klägerin eine Gehgeschwindigkeit von 3 km/h einhielt, wäre die Kollision zu vermeiden gewesen, bei einer Gehgeschwindigkeit von 4 km/h hätte der Pkw noch auf rund 16 km/h abgebremst werden können, wodurch die Unfallfolgen weitaus weniger dramatisch gewesen wären.

Bei einer Annäherungsgeschwindigkeit von 50 km/h ergibt sich eine rechnerische Reaktionsverspätung des Erstbeklagten von 1,1 bis 1,4 sek. Im Falle einer Gehgeschwindigkeit der Klägerin von nur 3 km/h wäre aufgrund der großen Abwehrstrecke von 30,6 m auch aus dieser Geschwindigkeit eine Abbremsung bis zum Stillstand möglich gewesen.

Für die Klägerin war die Annäherung des Beklagtenfahrzeugs spätestens erkennbar, als sie die „aktive“ Fahrbahn betrat. Bei entsprechender Aufmerksamkeit hätte sie ihr Verhalten auf das Fahrzeug abstimmen und das Vorbeifahren abwarten können. Dazu hätte sogar ein Kontrollblick noch während der Querung des Mehrzweckstreifens ausgereicht, da sie dann noch vor dem angrenzenden Fahrstreifen hätte stehenbleiben können. Die Kollision wäre somit für die Klägerin bei entsprechender Aufmerksamkeit leicht zu verhindern gewesen.

Am 3. 3. 2017 brachte die Klägerin die gegenständliche Klage ein.

Am 10. 3. 2017 wurde beim Bezirksgericht Hernals über das Vermögen des Erstbeklagten das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. In der Tagsatzung vom 10. 7. 2017 anerkannte der Erstbeklagte als Schuldner die von der Klägerin aus dem Unfall angemeldete Forderung von 65.995,29 EUR samt 4 % Zinsen vom 6. 8. 2016 bis 10. 3. 2017. In dieser Tagsatzung erreichte der Zahlungsplan nicht die erforderliche Mehrheit, weshalb – unbekämpft – das Abschöpfungsverfahren eingeleitet wurde. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 24. 7. 2017 wurde der Antrag des Schuldners auf Anberaumung einer Tagsatzung zur nachträglichen Bestreitung dieser Forderung abgewiesen. Dem dagegen erhobenen Rekurs gab das Rekursgericht rechtskräftig mit der Begründung nicht Folge, gemäß § 200 Abs 4 IO sei das Insolvenzverfahren mit der – eingetretenen – Rechtskraft des Beschlusses, mit dem das Abschöpfungsverfahren eingeleitet worden sei, aufgehoben.

Über Antrag der Klägerin wurde das infolge der Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen des Erstbeklagten hinsichtlich beider beklagter Parteien unterbrochene Verfahren mit Beschluss des Erstgerichts vom 21. 9. 2017 fortgesetzt.

Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage und in dem nach der Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens fortgesetzten Verfahren ursprünglich die Verurteilung der beiden Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 65.995,29 EUR sA sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand im Ausmaß von 80 % für sämtliche zukünftige aus dem Unfall resultierenden Schäden, bezüglich der Zweitbeklagten beschränkt auf die für das Unfallfahrzeug vereinbarte Versicherungssumme. Sie brachte vor, den Erstbeklagten treffe das Alleinverschulden am Unfall. Er habe unter Außerachtlassung der im Straßenverkehr notwendigen Sorgfalt, nämlich infolge Unachtsamkeit und Reaktionsverspätung sowie Einhaltung einer relativ und absolut überhöhten Geschwindigkeit die Klägerin, die vorschriftsmäßig die Fahrbahn gequert habe, angefahren und zu Boden gestoßen. Die Klägerin habe das sich nähernde Fahrzeug des Beklagten nicht rechtzeitig wahrnehmen können. Das Unfallgeschehen stelle sich somit als für die Klägerin unabwendbar dar. Die Zweitbeklagte habe jedoch die Haftung nur im Ausmaß eines Drittels anerkannt und daher nur ein Drittel der aus ihrer Sicht gerechtfertigten Entschädigung gezahlt. Aus Gründen äußerster anwaltlicher Vorsicht würden zunächst nur 80 % des Schadens unter Abzug bereits geleisteter Teilzahlungen eingeklagt. Die Klägerin habe Anspruch auf Abgeltung ihrer Schmerzen sowie auf Ersatz der ihr angefallenen Kosten für Pflegeaufwand und Haushaltshilfe, der Heilungskosten, bestimmter vorprozessualer Anwaltskosten, unfallkausaler Auslagen ua für Arztbesuche sowie des jeweiligen Zeitwerts ihres durch den Unfall beschädigten iPhones und ihrer Armbanduhr. Weiters habe die Klägerin ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten für weitere Unfallfolgen. Der Erstbeklagte habe im Schuldenregulierungsverfahren die Geldforderung der Klägerin zur Gänze anerkannt. Der Feststellungsanspruch sei hingegen nicht Gegenstand des Schuldenregulierungsverfahrens gewesen.

In der Tagsatzung vom 9. 10. 2018 schränkte die Klägerin ihr Zahlungsbegehren auf 41.613,48 EUR ein (dazu näher Punkt 1).

Die Beklagten wendeten ein, der Erstbeklagte habe den Pkw mit angepasster Geschwindigkeit gelenkt. Die Klägerin habe, für ihn nicht erkennbar, die Fahrbahn der Landgutgasse betreten, wodurch es zur Kollision gekommen sei. Diese sei für den Erstbeklagten unvermeidlich gewesen, die Klägerin treffe zumindest ein Mitverschulden von zwei Drittel. Der Beschluss des Rekursgerichts im Schuldenregulierungsverfahren des Erstbeklagten entfalte keine Bindungswirkung für das gegenständliche Verfahren, zumal die Zweitbeklagte im Insolvenzverfahren keine Parteistellung gehabt habe und ihr jedes rechtliche Gehör versagt geblieben sei.

Das Erstgericht wies das gegen den Erstbeklagten gerichtete Zahlungsbegehren zurück. Es verurteilte – insoweit rechtskräftig – die Zweitbeklagte zur ungeteilten Hand mit dem Erstbeklagten zur Zahlung von 2.738,55 EUR samt 4 % Zinsen ab 6. 8. 2016. Das Mehrbegehren von 63.256,74 EUR sA betreffend die Zweitbeklagte wies es ab. Es gab dem Feststellungsbegehren gegen beide Beklagte im Ausmaß von einem Drittel statt, hinsichtlich der Zweitbeklagten beschränkt auf die vereinbarte Versicherungssumme. Die spruchmäßige Abweisung des Feststellungsmehrbegehrens unterblieb.

Das Erstgericht traf die zusammengefasst wiedergegebenen Tatsachenfeststellungen und führte rechtlich aus, dem Erstbeklagten sei eine Reaktionsverspätung von 1,1 bis 1,6 Sekunden vorzuwerfen, die sich wesentlich auf das Zustandekommen des Unfalls ausgewirkt habe. Die Klägerin habe ihrerseits einen Sorgfaltsverstoß begangen, weil sie sich nicht ausreichend versichert habe, dass sie die Fahrbahn gefahrlos betreten könne. Sie trage daher ebenfalls ein Verschulden an dem gegenständlichen Verkehrsunfall. Eine Verschuldensaufteilung von 2 : 1 zu Gunsten des Erstbeklagten sei angemessen. Unter Berücksichtigung der von der Zweitbeklagten bereits geleisteten Zahlungen errechne sich der Zuspruch gegen die Zweitbeklagte. Da der Erstbeklagte im Schuldenregulierungsverfahren bereits rechtskräftig den gesamten von der Klägerin angemeldeten Forderungsbetrag anerkannt habe und somit bereits ein Titel über die Forderung bestehe, sei insoweit das Klagebegehren wegen entschiedener Rechtssache zurückzuweisen. Dies betreffe jedoch nur das Zahlungs-, nicht aber das Feststellungsbegehren, das im Schuldenregulierungsverfahren „kein Thema“ gewesen sei. Auch betreffe es nicht den Zahlungsanspruch gegen die Zweitbeklagte, die am Schuldenregulierungsverfahren des Erstbeklagten nicht beteiligt gewesen sei.

Das nur von der Klägerin angerufene Gericht zweiter Instanz gab

I. als Rekursgericht dem Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluss Folge, hob diesen Beschluss ersatzlos auf und trug dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über das gegen den Erstbeklagten erhobene Leistungsbegehren unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf, und

II. als Berufungsgericht der Berufung, gerichtet auf einen weiteren Zuspruch von 19.311,60 EUR sA gegen die Zweitbeklagte sowie die Stattgebung des Feststellungsbegehrens gegen beide Beklagte um ein weiteres Drittel, Folge, hob das Urteil im Umfang der Anfechtung aus Anlass der zu Punkt I. getroffenen Rekursentscheidung auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Mit der Berufung im Kostenpunkt verwies das Berufungsgericht die Klägerin auf die aufhebende Entscheidung in der Hauptsache und sprach aus, die Kosten des Berufungsverfahrens seien weitere Verfahrenskosten.

Zu Spruchpunkt I. ließ das Gericht zweiter Instanz den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu, zu Spruchpunkt II. ließ es den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu.

Zu I. führte es aus, nach § 60 Abs 2 IO entfalte die Forderungsfeststellung gegenüber späteren Leistungsklagen wohl eine Bindungs-, nicht aber die Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft. Ebenso wie die Feststellung einer Forderung in der Insolvenz der späteren klageweisen Geltendmachung des Leistungsanspruchs nicht entgegenstehe, bilde sie damit auch kein Hindernis für die Fortsetzung eines bereits früher eingeleiteten, durch die Konkurseröffnung unterbrochenen Verfahrens über ein Leistungsbegehren.

Zu II. führte das Berufungsgericht aus, Halter, Lenker und Versicherer bildeten soweit eine einheitliche Streitpartei, als der gegen sie vorgebrachte Haftungsgrund ident und es zur Verwirklichung der in § 28 KHVG vorgesehenen Erstreckungswirkung eines das Schadenersatzbegehren rechtskräftig aberkennenden Urteils erforderlich sei. Bei einer notwendigen Streitgenossenschaft habe die von einem Streitgenossen gegen den Willen des anderen Streitgenossen vorgenommene Prozesshandlung keine rechtliche Wirkung. Die Forderungsfeststellung im Schuldenregulierungsverfahren des Erstbeklagten, an dem die Zweitbeklagte nicht beteiligt gewesen sei, sei im vorliegenden Verfahren daher in Bezug auf beide Beklagte unbeachtlich und zwar auch deshalb, weil die Forderungsanerkennung außerhalb des gegen den Erstbeklagten und die Zweitbeklagte gemeinsam geführten Verfahrens erfolgt sei und die Zweitbeklagte dort keine Parteistellung gehabt habe. Die Entscheidung über die von der Aufhebung betroffenen Urteilsbegehren könne damit in Bezug auf beide Beklagte nur einheitlich erfolgen.

Ungeachtet der Aufhebung ging das Berufungsgericht auf das weitere Berufungsvorbringen ein, „um ein straffes Verfahren im zweiten Rechtsgang zu ermöglichen“. Da die Klägerin für das Verschulden des Erstbeklagten beweispflichtig sei, falle diesem keine relativ überhöhte Geschwindigkeit (von mehr als 46 km/h), sondern nur eine nachgewiesene „minimale“ Reaktionsverspätung von 1,3 sek zur Last. Die Klägerin habe als Fußgängerin die Pflicht gehabt, sich gemäß § 76 Abs 4 lit b StVO vor dem Betreten der Fahrbahn zu vergewissern, dass sie andere Straßenbenützer nicht gefährde, gemäß § 76 Abs 5 StVO den Fahrzeugverkehr nicht zu behindern und, insbesondere bei Dunkelheit und Regen, vor dem Überqueren der Fahrbahn die Verkehrslage besonders sorgfältig zu prüfen und eher ungünstig zu beurteilen. Es lägen zu Lasten der Klägerin mehrere als gravierend anzusehende gefahrenerhöhende Momente vor, nämlich Dunkelheit, leichter Regen und daher nasse Fahrbahn und dunkle Kleidung. Die Klägerin habe außerdem einen eklatanten Aufmerksamkeits- und Beobachtungsfehler zu verantworten. Der Vergleich mit anderen oberstgerichtlichen Entscheidungen, in denen dem fahrbahnquerenden Fußgänger gegenüber dem Fahrzeuglenker ein Verschulden von zwei Dritteln zugemessen wurde (2 Ob 150/82; 2 Ob 41/83; 8 Ob 2/86; 2 Ob 26/87; 2 Ob 56/87; 2 Ob 41/88), ergebe, dass diese Verschuldensteilung auch im vorliegenden Fall angemessen sei. Zum unterlassenen Zuspruch von „unfallkausalen Auslagen“ fehlten entsprechende Feststellungen, die das Erstgericht – allenfalls unter Anwendung von § 273 Abs 1 ZPO – nachtragen müsse.

Der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss sei zulässig, weil eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof zur Frage angezeigt erscheine, ob die Verneinung der Einmaligkeitswirkung der Konkurseröffnung über das Vermögen des beklagten Kraftfahrzeughalters auch gegenüber dem mitbeklagten Haftpflichtversicherer bestehe, soweit (dennoch) der gleiche Haftungsgrund geltend gemacht werde und sofern ein auf denselben Sachverhalt gegründeter Schadenersatzanspruch gegenüber dem Versicherten und dem Versicherer unter Bedachtnahme auf ein vom Versicherten im ihn betreffenden Insolvenzverfahren abgegebenes Anerkenntnis rechtlich zu beurteilen sei.

Nur gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts (Punkt II.) richtet sich der Rekurs beider Beklagter mit dem Antrag, den Aufhebungsbeschluss aufzuheben und die Berufung der Klägerin zurück-, hilfsweise abzuweisen.

Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist, soweit er auch vom Erstbeklagten gegen die Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung über das gegen die Zweitbeklagte gerichtete Zahlungsbegehren erhoben wird, unzulässig.

Im Übrigen ist der Rekurs zulässig, weil dem Berufungsgericht bei der Auslegung der in § 28 KHVG angeordneten Rechtskrafterstreckung eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen ist; er ist im Sinn der Fällung einer Sachentscheidung und – insoweit als (zulässige) reformatio in peius – der Verurteilung der Zweitbeklagten zur Zahlung weiterer 46,67 EUR, insgesamt daher von 2.785,22 EUR sA, der Abweisung des Mehrbegehrens gegen die Zweitbeklagte sowie hinsichtlich des Feststellungsbegehrens im Sinn der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils auch berechtigt.

Die Beklagten machen geltend, es bedürfe keiner Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils, zumal das Berufungsgericht die Verschuldensteilung des Erstgerichts bestätigt habe. Das Anerkenntnis des Erstbeklagten im Insolvenzverfahren entfalte keine Bindungswirkung für den im Haftpflichtprozess mitbeklagten Haftpflichtversicherer. Die einheitliche Streitpartei sei durch das Anerkenntnis insofern „aufgelöst“, als der Anspruch nunmehr ein unterschiedliches rechtliches Schicksal habe und aufgrund der durch das Anerkenntnis im Schuldenregulierungsverfahren hinzutretenden Haftungsgrundlage unterschiedlich zu beantworten sei. Die in der Berufung der Klägerin relevierten, vom Erstgericht nicht berücksichtigten „unfallkausalen Auslagen“ hätten mit Urteilsergänzungsantrag oder als Mangelhaftigkeit in der Berufung geltend gemacht werden müssen, was die Klägerin unterlassen habe. Ein Feststellungsmangel liege nicht vor, weil diese Kosten („Arztkosten“) der Höhe nach mit 140 EUR außer Streit gestellt worden seien. Die Teileinklagung von Schmerzengeld sei – abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmen – unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu wurde erwogen:

Zu A.:

1. Im Rekurs wird zur Rekurslegitimation des Erstbeklagten betreffend das gegen die Zweitbeklagte gerichtete Leistungsbegehren vorgebracht, die Beschwer des Erstbeklagten ergebe sich daraus, dass eine abweisende Entscheidung bei Bejahung einer einheitlichen Streitpartei auch dem Erstbeklagten gegenüber Wirksamkeit entfalte.

2. Solange eine auch nur teilweise erfolgreiche Anfechtung zu einer (weiteren) Abweisung des klägerischen Leistungsbegehrens führen kann, ist zwar aufgrund der Erstreckungswirkung des § 28 KHVG die gemeinsame Rechtsmittellegitimation der Beklagten zu bejahen (vgl 2 Ob 268/06k).

Hier trifft dies aber nicht zu: Der Grund dafür liegt in den §§ 60, 61 IO. Der Erstbeklagte hatte im Schuldenregulierungsverfahren die Eigenverwaltung. Durch die Anerkennung der angemeldeten Forderung gilt sie gemäß § 188 Abs 2 IO für das Insolvenzverfahren als festgestellt und verschafft der Klägerin mit rechtskräftiger Aufhebung desselben (hier gemäß § 200 Abs 4 IO) einen Exekutionstitel nach § 1 Z 7 EO (§ 61 Satz 1 IO; vgl Schneider in Koller/Lovrek/Spitzer, IO § 188 Rz 4), der sich nur gegen den Schuldner, nicht auch gegen andere Personen richtet (1 Ob 33/18m; Katzmayr in Koller/Lovrek/Spitzer, IO § 61 Rz 8). Die Forderungsfestellung begründet zwar kein Prozesshindernis, entfaltet aber Bindungswirkung gegenüber dem Schuldner in einem nachfolgenden oder – wie hier – fortgesetzten Prozess (§ 60 Abs 2 IO; 4 Ob 128/18d; RS0041131).

3. Die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach das Anerkenntnis des Erstbeklagten – wegen angenommener notwendiger Streitgenossenschaft – auch für diesen „unbeachtlich“ sein solle, trifft daher nicht zu. Anders als in den Fällen der (verneinten) Bindung an eine strafgerichtliche Verurteilung (zu diesem Spannungsverhältnis mit § 28 KHVG vgl RS0110239; RS0110240) ergibt sich die Bindung aufgrund des Anerkenntnisses aus dem Gesetz. Die Entscheidung gegen den Erstbeklagten darf daher im fortgesetzten Verfahren (vgl Spruchpunkt I. des Beschlusses des Gerichts zweiter Instanz) nur unter Bedachtnahme auf diese Bindungswirkung erfolgen. Aus diesem Grund kommt die Erstreckungswirkung des § 28 KHVG im Falle einer (weiteren) Abweisung des gegen die Zweitbeklagte gerichteten Zahlungsbegehrens hier nicht zum Tragen. Dem Erstbeklagten fehlt daher insoweit die Beschwer, weshalb sein Rekurs im spruchgemäßen Ausmaß zurückzuweisen ist.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO. Die Klägerin hat zwar auch die Zurückweisung des Rekurses mangels Beschwer der Beklagten beantragt, jedoch mit der Begründung, dass die im Rekurs zur Bedeutung des Anerkenntnisses des Erstbeklagten vertretene Rechtsansicht ohnehin jener des Berufungsgerichts entspreche. Der wahre Grund für die teilweise fehlende Beschwer des Erstbeklagten wurde hingegen nicht erkannt. Insoweit dient die Rekursbeantwortung daher nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, weshalb im Umfang der Zurückweisung des Rekurses kein Kostenersatz gebührt.

Zu B.:

1. Zum Umfang des Klagebegehrens

Die Klägerin hat in der Tagsatzung vom 9. 10. 2018 (ON 66) aufgrund der Außerstreitstellung der Höhe mehrerer (nicht aller) Klagepositionen das Klagebegehren „entsprechend“ eingeschränkt, ohne dass das eingeschränkte Begehren beziffert worden ist.

Nach ständiger Rechtsprechung muss ein Begehren auf Leistung von Geldbeträgen immer ziffernmäßig genau die begehrte Geldsumme bezeichnen (8 ObA 30/09h; RS0037874), es sei denn, dass sich die Höhe durch eine einfache Rechenoperation ermitteln lässt (RS0000896; vgl Geroldinger in Fasching/Konecny³ § 226 Rz 105). Da Letzteres hier nicht zutrifft, war das Zahlungsbegehren nach der Klagseinschränkung zunächst unbestimmt. Zwar ist die mangelnde Bestimmtheit des Klagebegehrens grundsätzlich in jeder Lage des Verfahrens – auch im Rechtsmittelstadium – von Amts wegen wahrzunehmen und dem Kläger ist ein Verbesserungsversuch zu gewähren (RS0037166; Geroldinger in Fasching/Konecny3 § 226 Rz 97). Im vorliegenden Fall ist jedoch eine Verbesserung bereits erfolgt:

In der Berufung bezifferte die Klägerin unter Hinweis auf die „entsprechende“ erstinstanzliche Klagseinschränkung ihren (nach Einzelpositionen aufgeschlüsselten) ungekürzten Gesamtanspruch rechnerisch nachvollziehbar mit 58.690 EUR. Das ist die Summe der außer Streit gestellten Beträge zuzüglich weiterer 200 EUR, die sie schon in der Klage geltend gemacht hat, jedoch ohne die vorprozessualen Anwaltskosten. Davon begehrt sie nun zwei Drittel, somit 39.126,67 EUR, wovon sie Teilzahlungen von 17.076,52 EUR sowie den erstinstanzlichen Zuspruch von 2.738,55 EUR abzieht, sodass die im Rechtsmittelverfahren geltend gemachte Restforderung von 19.311,60 EUR verbleibt.

Die Klägerin brachte damit bereits in ihrer Berufung eindeutig zum Ausdruck, wie die „entsprechende“ Klageeinschränkung in erster Instanz zu verstehen war. Zu einem anderen Ergebnis würde auch ein gesondertes Verbesserungsverfahren nicht führen, weshalb es unterbleiben kann. Auch die Beklagten ließen diese Berechnung in der Berufungsbeantwortung unwidersprochen. 58.690 EUR abzüglich 17.076,52 EUR ergibt einen Betrag von 41.613,48 EUR als das nach der Einschränkung verbliebene Klagebegehren in erster Instanz. Ein Mitverschulden hatte die Klägerin dabei weiterhin nicht anerkannt, auch ein Abzug aus „anwaltlicher Vorsicht“ war darin nicht mehr enthalten.

Dennoch hat das Erstgericht betreffend die Zweitbeklagte ausgehend vom ursprünglichen Zahlungsbegehren (65.995,29 EUR) den angesichts des Betrags der Klagestattgebung sich ergebenden Differenzbetrag und somit zu viel abgewiesen. Dieser Umstand wurde von keiner der Parteien im Berufungsverfahren oder im nunmehrigen Rekursverfahren gerügt.

Wird das Urteilsbegehren im abweisenden Spruch des Gerichts überschritten, liegt kein Verstoß gegen § 405 ZPO und kein Verfahrensmangel nach § 503 Z 2 ZPO vor; der bezügliche fehlerhafte Spruch geht ins Leere (RS0041130). Der abgewiesene Betrag war somit vom ursprünglichen Klagebegehren zu berechnen.

2. Zur Rechtskrafterstreckung nach § 28 KHVG

2.1. Soweit durch rechtskräftiges Urteil ein Schadenersatzanspruch des geschädigten Dritten aberkannt wird, wirkt gemäß § 28 KHVG das Urteil, wenn es zwischen dem geschädigten Dritten und dem Versicherer ergeht, auch zugunsten des Versicherten; wenn es zwischen dem geschädigten Dritten und dem Versicherten ergeht, wirkt es auch zugunsten des Versicherers.

Eine Bindung der Zweitbeklagten an die im Schuldenregulierungsverfahren des Erstbeklagten von diesem anerkannte und festgestellte Klageforderung kann – wie das Berufungsgericht insoweit im Ergebnis zutreffend erkannt hat – schon deshalb nicht bestehen, weil damit ein Fall des § 28 KHVG, nämlich die Aberkennung eines Schadenersatzanspruchs durch rechtskräftiges Urteil nicht verwirklicht wird.

2.2. Die Bestimmung des § 28 KHVG regelt einen Fall der Rechtskrafterstreckung. Aus ihr wird abgeleitet, dass ein auf denselben Sachverhalt gegründeter Schadenersatzanspruch gegenüber dem Versicherten und dem Versicherer einheitlich beurteilt werden soll. In einem gegen den (die) Versicherten und den Versicherer gemeinsam geführten Rechtsstreit ist daher darauf Bedacht zu nehmen, dass über den eingeklagten Anspruch grundsätzlich einheitlich entschieden wird. Dies gilt, soweit nicht besondere Umstände eine abweichende Entscheidung rechtfertigen (2 Ob 192/12t; RS0110240). Nur insoweit sind Versicherer und Versicherter bei der Klage des Geschädigten als einheitliche Streitpartei anzusehen (2 Ob 192/12t; RS0035547).

2.3. Eine Einschränkung ergibt sich aus dem Zweck der Regelung nur in den in der Rechtsprechung bereits anerkannten Fällen, in denen die Dispositionsfähigkeit der Parteien zu unterschiedlichen Ergebnissen führt, also etwa, wenn die Entscheidung gegen eine der beklagten Parteien infolge Unterlassung eines Rechtsmittels oder eines Rechtsbehelfs rechtskräftig wurde (RS0110238; RS0035547 [T9]). Unterlässt etwa der Versicherte die Bekämpfung eines Urteils mit dem Ausspruch seiner Haftung, so geht diese Ausübung der Dispositionsbefugnis dem Ziel einer einheitlichen Entscheidung iSd § 28 KHVG vor. Selbst ein erfolgreiches Rechtsmittel des Haftpflichtversicherers könnte dann nicht zu einer amtswegigen Aufhebung der Entscheidung auch hinsichtlich des auf ein Rechtsmittel verzichtenden Versicherten führen (vgl 2 Ob 192/12t = RS0110238 [T6]). Auch Prozesshandlungen eines Streitgenossen, die die Grundlage für die Erlassung eines Anerkenntnisurteils oder Versäumungsurteils bilden, sind ebenso wie Klagsrücknahme, Vergleich und Ruhensvereinbarung, die einen Streitgenossen betreffen, lediglich für diesen rechtswirksam (vgl RS0035503; vgl auch RS0035489).

2.4. Aus dieser ständigen Rechtsprechung ist für den vorliegenden Fall zu folgern, dass die Disposition des Erstbeklagten über den geltend gemachten Schadenersatzanspruch im Schuldenregulierungsverfahren die Zweitbeklagte nicht bindet und eine einheitliche Entscheidung für beide Beklagten kraft der endgültigen Disposition des Erstbeklagten gar nicht mehr möglich ist (vgl oben A.). Der vom Berufungsgericht angegebene Grund für die Aufhebung des angefochtenen Teils des erstgerichtlichen Leistungsurteils gegen die Zweitbeklagte trägt daher nicht. Zur Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils zum Feststellungsbegehren gegen beide Beklagten enthält das Urteil des Berufungsgerichts keine Begründung. Da das Feststellungsbegehren nicht Gegenstand der Disposition des Erstbeklagten im Schuldenregulierungsverfahren war, gibt es schon deshalb keinen Grund für die Aufhebung des Urteils des Erstgerichts.

3. Entscheidung in der Sache

Über einen Rekurs gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO kann der Oberste Gerichtshof durch Urteil in der Sache selbst erkennen, wenn die Streitsache zur Entscheidung reif ist (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

3.1. Verschuldensteilung

Die Klägerin zeigte in ihrer Berufung keine unrichtige Beurteilung der Vorinstanzen (zu ihren Lasten) auf. Dem Erstbeklagten kann lediglich eine Reaktionsverspätung von 1,3 Sekunden zugerechnet werden. Bedenkt man, dass nach der Rechtsprechung eine bloß um einen Sekundenbruchteil verspätete Reaktion überhaupt ohne Belang ist (RS0074906; RS0027729), ist das Verschulden des Erstbeklagten gegenüber dem vom Berufungsgericht aufgezeigten gravierenden Sorgfaltsverstoß der Klägerin doch deutlich geringer zu gewichten. Die Klägerin wird auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts, die oben gerafft wiedergegeben wurden, verwiesen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

3.2. Unfallkausale Auslagen

Die Klägerin hat in der Berufung zutreffend gerügt, dass das Erstgericht die in der Klage unter lit G. angesprochenen unfallkausalen Auslagen „vor dem Hintergrund der Vielzahl notwendig gewesener und auch in Zukunft noch erforderlicher Arztbesuche“, die zuletzt (ON 66: „Arztbesuche“) mit 140 EUR der Höhe nach außer Streit gestellt wurden, beim Zuspruch offenbar irrtümlich nicht berücksichtigt hat.

Die Unvollständigkeit eines Urteils kann sowohl im Wege eines Ergänzungsantrags nach § 423 Abs 2 ZPO als auch in der Berufung geltend gemacht werden (RS0041360). In der Berufung muss die Nichterledigung eines Teils des geltend gemachten Anspruchs als Mangelhaftigkeit des Verfahrens gerügt werden (RS0041503 [T5]; vgl auch RS0041472). Dass die Klägerin die Nichterledigung dieses Teilbegehrens unter dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gerügt hat, schadet ihr jedoch nicht, lassen ihre Rechtsmittelausführungen die Beschwerdegründe doch deutlich erkennen (RS0041851).

Der vom Berufungsgericht angenommene Feststellungsmangel liegt angesichts der Außerstreitstellung dieser Kosten nicht vor.

Das Verbot der reformatio in peius gilt im Rekursverfahren gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts nicht (RS0043939).

Im Sinne der Verschuldensteilung von 2 : 1 zulasten der Klägerin ist ihr daher von den besagten 140 EUR ein Drittel, somit ein Betrag von 46,67 EUR, zusätzlich zuzusprechen. In diesem Maße ist der bereits in Rechtskraft erwachsene Zuspruch des Erstgerichts zu erhöhen.

3.3. Teileinklagung des Schmerzengeldes

Nach den Ausführungen unter Punkt 1. lag zuletzt keine Teileinklagung mehr vor, sodass auf diesen Einwand der Rekurswerberin nicht einzugehen ist.

3.4. Feststellungsbegehren

Auch diesbezüglich ist aufgrund der feststehenden Verschuldensteilung sowie der möglichen Spätfolgen die Sache (für beide Beklagte) spruchreif. Insoweit ist das Urteil des Erstgerichts mit der Maßgabe wiederherzustellen, dass das Feststellungsmehrbegehren von zwei Dritteln auch spruchmäßig abzuweisen ist. Dies entspricht – das Erstgericht hat ein Endurteil gefällt – zweifelsfrei auch dem Entscheidungswillen des Erstgerichts (vgl RS0036551 [T1, T2, T4]), wie das ja auch schon (implizit) das Berufungsgericht angenommen hat.

4. Kosten

4.1. Kosten betreffend das gegen den Erstbeklagten geführte Verfahren

Da hier nur eine Entscheidung über das Feststellungsbegehren erfolgte, die Entscheidung über das Zahlungsbegehren aber noch aussteht, gründet sich der Kostenvorbehalt auf § 52 ZPO.

4.2. Kosten betreffend das gegen die Zweitbeklagte geführte Verfahren

4.2.1. Erstinstanzliche und zweitinstanzliche Kosten

Die Aufhebung der Kostenaussprüche der Vorinstanzen (einschließlich des zweitinstanzlichen Kostenvorbehalts) beruht auf einem Größenschluss aus § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO.

Muss der Oberste Gerichtshof hier aufgrund einer Sachentscheidung nach § 519 Abs 2 ZPO (vgl 2 Ob 148/15a) – auch über die Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz entscheiden, kann er in sinngemäßer Anwendung des § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO die

Kostenentscheidung des Berufungsgerichts aufheben und diesem eine neuerliche

Kostenentscheidung auftragen, wenn dafür eingehende Berechnungen notwendig sind (RS0124588). Dies trifft hier zu (mehrere Verfahrensabschnitte, Teilobsiegen, Parteienmehrheit auf Beklagtenseite, Kombination aus Kostenteilung gemäß § 43 Abs 1 ZPO und Kostenprivileg gemäß § 43 Abs 2 ZPO.

4.2.2. Drittinstanzliche Kosten

Hier ist zu berücksichtigen, dass vom Rekursinteresse von 20.978,27 EUR nur 20.311,60 EUR, somit rund 97 % auf die Zweitbeklagte entfallen, weil der Anfechtungsumfang betreffend ein Drittel des Feststellungsbegehrens (1.333,33 EUR) zur Hälfte (666,67 EUR) den Erstbeklagten betrifft. In dem die Zweitbeklagte betreffenden Teil war diese nur ganz geringfügig (mit 46,67 EUR) unterlegen, sodass ihr von den verzeichneten Kosten gemäß § 43 Abs 2 und § 50 ZPO 97 % der verzeichneten Kosten zustehen.

Textnummer

E128663

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00092.19X.0526.000

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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