TE Bvwg Beschluss 2020/2/21 I414 2227601-1

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Veröffentlicht am 21.02.2020
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Entscheidungsdatum

21.02.2020

Norm

AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz 2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I414 2227601-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA. Irak, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des BFA XXXX vom XXXX, Zl. XXXX, beschlossen:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Dem Beschwerdeführer wurde nach Antragstellung am 18.09.2015 mit Bescheid vom 31.05.2017 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Auch seinen Eltern und seinem Bruder wurde die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ausschlaggebend war der Fluchtgrund des Vaters, der eine Bedrohung durch eine Miliz geltend machte.

Der Beschwerdeführer heiratete am 07.07.2017 eine bosnische Staatsangehörige in Österreich. Der Ehe entstammen zwei in Österreich geborene Kinder.

Am 29.03.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Raubes von einem österreichischen Strafgericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 Jahren verurteilt. Außerdem wurde er wegen des Vergehens des teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Betruges verurteilt und wurde eine bedingte Haftstrafte in der Dauer von drei Monaten als Zusatzstrafe ausgesprochen.

Vor der belangten Behörde fand eine niederschriftliche Einvernahme am 25.09.2019 statt. Mit angefochtenem Bescheid vom XXXX des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom XXXX, Zl. XXXX, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Weiters wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV) und festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.). Mit Spruchpunkt VII. wurde gegen den Beschwerdeführer außerdem ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

In dem am 24.12.2019 zugestellten Bescheid wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer mehrfach straffällig geworden sei und bestehe aufgrund grundlegender Änderungen der objektiven Umstände im Herkunftsland keine Notwendigkeit mehr auf internationalen Schutz. Es sei ihm überdies möglich, sich eine Existenz im Irak zu sichern. Außer seiner Ehefrau und den zwei Kindern habe er keine Verwandten oder sonstigen Anknüpfungspunkte in Österreich. Da es seiner Familie durchaus möglich sei, ihn in seine ursprüngliche Heimatstadt Bagdad zu begleiten, liege kein schützenswertes Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK vor. Ebenso lägen keine sonstigen Gründe des Privatlebens vor, die einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen. Die strafgerichtlichen Verurteilungen würden das Einreiseverbot rechtfertigen, seine Lebenssituation komme demgegenüber aufgrund fehlender wesentlicher Integrationsmerkmale eine geringe Bedeutung zu. Es seien keine besonderen Umstände bei der vorzunehmenden Abwägung hinsichtlich der Frist für die freiwillige Ausreise zu beachten und sei daher eine vierzehntägige Frist "ab Haftentlassung" zu gewähren gewesen.

Gegen den Bescheid wurde durch seinen Rechtsvertreter gegen alle Spruchpunkte Beschwerde erhoben. Von ihm gehe keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus. Er sei sozial integriert, gehe einer Beschäftigung nach, ihm sei der elektronisch überwachte Hausarrest bewilligt worden und erwarte die Ehegattin Ende März das dritte Kind. Eine Trennung von seiner Familie würde zu Lasten des Kindeswohls gehen und habe die belangte Behörde dahingehend keine Interessensabwägung durchgeführt. Eine psychologische Stellungnahme attestiere ihm eine positive Zukunftsprognose. Der Beschwerde wurden Lohnabrechnungen seines aktuellen Arbeitgebers, ein Auszug aus dem Mutter-Kind-Pass und ein Schreiben des Bewährungshelfers beigelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchpunkt A)

2.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG durch die Verwaltungsgerichte hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von einem prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht präzisierend wie folgt festgehalten (VwGH vom 06.07.2016, Ra 2015/01/0123):

"In § 28 VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg cit vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN)."

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer- Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).

Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 10.04.2013 zu Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren Band I2, E 84 zu § 39 AVG).

2.2. Im gegenständlichen Fall liegt eine Mangelhaftigkeit im Sinne des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vor.

2.2.1. Zunächst ist festzuhalten, dass dem angefochtenen Bescheid die Nachvollziehbarkeit dahingehend fehlt, aufgrund welchen konkreten Tatbestandes die Aberkennung des Status des Asylberechtigten erfolgt ist, wodurch eine nachprüfende gerichtliche Kontrolle verunmöglicht wird.

Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn (Z 1) ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt; (Z 2) einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder (Z 3) der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention normiert, dass eine Person, auf die die Bestimmungen des Absatzes A zutrifft, nicht mehr unter dieses Abkommen fällt,

1. wenn sie sich freiwillig erneut dem Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, unterstellt; oder

2. wenn sie nach dem Verlust ihrer Staatsangehörigkeit diese freiwillig wiedererlangt hat; oder

3. wenn sie eine neue Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie erworben hat, genießt; oder

4. wenn sie freiwillig in das Land, das sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder außerhalb dessen sie sich befindet, zurückgekehrt ist und sich dort niedergelassen hat; oder

5. wenn sie nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer sie als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt. Hierbei wird jedoch unterstellt, dass die Bestimmung dieser Ziffer auf keinen Flüchtling im Sinne der Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels Anwendung findet, der sich auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Inanspruchnahme des Schutzes des Landes abzulehnen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt;

6. wenn es sich um eine Person handelt, die keine Staatsangehörigkeit besitzt, falls sie nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer sie als Flüchtling anerkannt worden ist, in der Lage ist, in das Land zurückzukehren, in dem sie ihren gewöhnlichen Wohnsitz hat. Dabei wird jedoch unterstellt, dass die Bestimmung dieser Ziffer auf keinen Flüchtling im Sinne der Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels Anwendung findet, der sich auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Rückkehr in das Land abzulehnen, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Gemäß § 6 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn (Z1) und so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt; (Z2) einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt; (Z3) aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, oder (Z4) er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

Als Rechtsgrundlage für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten wird im Spruch § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 genannt.

Obwohl im Spruch § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 nicht genannt ist, wird in der Begründung ausgeführt: "Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 in Verbindung mit Art 1 Abschnitt C Z 5 GFK und nach § 7 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 mit Bezug § 6 Abs 1 Z 4 für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten erfüllt sind."

Zunächst ist auf Z 1 leg. cit. einzugehen, welcher darauf verweist, dass ein Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG 2005 vorliegen muss. In der Entscheidungsbegründung wird Abs 1 Z 4 leg. cit. angeführt, ohne überhaupt eine Verurteilung konkret zu nennen und insbesondere ohne zu begründen, weshalb es sich um ein besonders schweres Verbrechen handle und inwiefern dieses strafbare Handeln eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeute.

Betreffend Art 1 Abschnitt C GFK wird die Rechtsvorschrift zwar zitiert und Z 5 angeführt, ohne jedoch eine abschließende Subsumtion unter einen konkreten Tatbestand vorzunehmen, sodass nachvollziehbar wäre, aufgrund welchen konkreten Sachverhalts bzw. Verhaltens des Beschwerdeführers die Aberkennung des Asylstatus letztlich erfolgt ist.

Wenn die Behörde also im Rahmen der rechtlichen Beurteilung eventualiter den Endigungsgrund des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK als erfüllt erachtet (Bescheid, Seite 94), so wird nicht offengelegt, anhand welcher konkreter Feststellungen sie zu diesem Ergebnis gelangt. Weder findet sich im angefochtenen Bescheid eine nachvollziehbare Auseinandersetzung mit den ursprünglich zur Asylgewährung geführt habenden Gründen des Beschwerdeführers, noch wird eine entscheidungsmaßgebliche Änderung der Situation in seinem Herkunftsstaat konkret aufgezeigt. Aus dem Einvernahmeprotokoll ergibt sich, dass der Beschwerdeführer nach wie vor eine Verfolgung aufgrund der früheren Position seines Vaters als General befürchtet und brachte er vor, dass sein Onkel und seine Tante im Irak deshalb zwischenzeitlich ermordet worden seien. Diesbezüglich wären die Ermittlungsergebnisse fallbezogen offenzulegen und zu würdigen gewesen.

Wie angesprochen stützt sich die Aberkennung gemäß dem Spruchpunkt I. im Wesentlichen auf die Verurteilung zu einem besonders schweren Verbrechen. Da an dieser Stelle keine Verurteilung konkret genannt wird, kann nur in Zusammenschau mit dem eingeholten Strafregisterauszug angenommen werden, dass sich die belangte Behörde auf die Verurteilung wegen des Verbrechens des Raubes stützen wollte. Bei der zweiten rechtskräftigen Verurteilung handelt es sich um ein Vergehen.

Auch hier fehlt es also an einer konkreten Subsumtion des strafrechtswidrigen Verhaltens unter einen Aberkennungstatbestand. Wie der Verwaltungsgerichtshof erstmals in seinem Erkenntnis vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0288 (vgl. zuletzt auch VwGH 05.12.2017, Ra 2016/01/0166), unter Hinweis auf Art. 33 Z 2 GFK ausgeführt hat, müssen nach "internationaler Literatur und Judikatur" kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Heimat- oder Herkunftsstaat verbracht werden darf. Er muss ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür rechtskräftig verurteilt worden sowie gemeingefährlich sein und es müssen die öffentlichen Interessen an der Rückschiebung die Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (Güterabwägung).

Der Verwaltungsgerichtshof hält in seiner Judikatur (18.11.2019, Ra 2019/18/0418) außerdem fest: "Auf die Strafdrohung allein kommt es bei der Beurteilung, ob ein "besonders schweres Verbrechen" iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 vorliegt, nicht an (vgl. VwGH 6.10.1999, 99/01/0288, sowie VwGH Ra 2018/20/0360). Es genügt demnach nicht, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen, wobei unter anderem auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen ist (vgl. erneut VwGH 99/01/0288). Bei der Beurteilung, ob ein "besonders schweres Verbrechen" vorliegt, ist daher eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen und sind insbesondere die Tatumstände zu berücksichtigen (VwGH 23.9.2009, 2006/01/0626). Lediglich in gravierenden Fällen schwerer Verbrechen erweist sich bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose als zulässig (vgl. etwa in Zusammenhang mit der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren wegen des Verbrechens des versuchten Mordes: VwGH 14.2.2018, Ra 2017/18/0419, mwN)."

Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ist es unabdingbar, sich daher mit dem strafgerichtlichen Urteil auseinanderzusetzen. Die gekürzte Urteilsausfertigung befindet sich zwar im Verwaltungsakt, wie es zu den Strafbemessungsgründen "befand sich in einer psychischen Zwangslage" bzw. "planvolles Vorgehen" gekommen ist, wird sich aber nur aus dem Protokoll der Hauptverhandlung oder einer Einsicht in den Strafakt erschließen lassen. Die belangte Behörde hat es unterlassen, irgendwelche Ermittlungsschritte dahingehend anzustellen und delegiert diese Schritte damit vollständig an das Bundesverwaltungsgericht.

Die Behörde wird sohin im fortgesetzten Verfahren offenzulegen haben, aufgrund welchen individuellen Sachverhalts bzw. gesetzlichen Tatbestandes eine Aberkennung des Status des Asylberechtigten erfolgen soll und die für die Entscheidung maßgeblichen Ermittlungsergebnisse - gegebenenfalls nach Gewährung von Parteiengehör - darzulegen zu haben, da eine nachprüfende Kontrolle der behördlichen Entscheidung nur auf diesem Weg sinnvoll möglich sein wird.

2.2.2. Im Übrigen erweisen sich auch die Ermittlungen der belangten Behörde in Bezug auf die familiäre und private Situation des Beschwerdeführers im Bundesgebiet als unzureichend, sodass nicht nachvollzogen werden kann, anhand welcher Entscheidungsgrundlage die Behörde von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an einer Außerlandesbringung des Beschwerdeführers gegenüber dessen familiären und privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet ausgeht und demnach eine Rückkehrentscheidung als gerechtfertigt erachtet.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit rund 4 Jahren und 9 Monaten im Bundesgebiet, sein Aufenthalt war überwiegend durch seine Rechtsstellung als Konventionsflüchtling legitimiert. Er lebt seit Juni 2017 in aufrechter Ehe mit einer bosnischen Staatsangehörigen, die in Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" ist. Der Ehe entstammen zwei minderjährige Kinder im Alter von zweieinhalb und eineinhalb Jahren. Die Ehefrau erwartet Ende März 2020 das dritte Kind. Beide Kinder sind irakische Staatsangehörige, asylberechtigt und in Besitz eines Konventionsreisepasses. Wenn die belangte Behörde feststellt, dass ein schützenswertes Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK nicht vorliegt, weil ihn seine Familie in den Irak begleiten könnte, verkennt sie gröblich die Rechtslage. Die beiden Kinder können mit ihrem Konventionsreisepass als irakische Staatsbürger gerade nicht in den Irak reisen. Zudem fehlt jegliche Auseinandersetzung mit dem Kindeswohl bei Trennung der Familie. Dem Beschwerdeführer ist durch Gewährung des elektronisch überwachten Hausarrestes die Ausübung einer Erwerbstätigkeit möglich und sorgt er mit seinem regelmäßigen Einkommen für die schwangere Ehefrau und die Kinder. Eine gänzliche Verneinung des Bestehens eines Privatlebens in Österreich ist alleine schon wegen dem aufrechten Arbeitsverhältnis nicht geboten gewesen. Das BFA stellte zudem aktenwidrig fest, dass ansonsten keine Familienangehörigen in Österreich leben und vergisst dabei völlig auf die Eltern und den Bruder, obwohl der Beschwerdeführer das Verhältnis zu ihnen als sehr gut beschreiben hat. Die Asylzuerkennung basierte wie festgehalten aufgrund des Fluchtvorbringens des Vaters.

All diese Faktoren hätte die belangte Behörde durch Einsicht in das Zentrale Fremdenregister, das ZMR, das AJ-Web und insbesondere in ihre eigenen Bescheide (betreffend Asylgewährung der Kinder und Ausstellung der Konventionsreisepässe) leicht ermitteln können.

Mit all diesen Aspekten hat sich der angefochtene Bescheid jedoch nicht auseinandergesetzt, sodass es insofern einer ausreichenden Sachverhaltsgrundlage für die durchzuführende Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK ermangelt.

2.3. Angesichts derart gravierender Ermittlungslücken und Begründungsmängel erscheint eine sachgerechte Beurteilung der Beschwerde hinsichtlich der ausgesprochenen Aberkennung des Status des Asylberechtigten sowie der erlassenen Rückkehrentscheidung auf Grundlage der Ermittlungsergebnisse der belangten Behörde als völlig ausgeschlossen, wobei hinsichtlich der Beurteilung ein vom bekämpften Bescheid abweichendes Ergebnis nicht auszuschließen ist.

Das Verfahren vor dem BFA ist - wie oben dargestellt - mit massiven Mängeln behaftet. Zentrale Ermittlungsschritte, welche grundsätzlich von der belangten Behörde durchzuführen sind, wären demnach erstmals durch das Verwaltungsgericht zu tätigen. Unter Zugrundelegung des bisher Ausgeführten konnte in Summe nur der Eindruck entstehen, dass das Bundesamt völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt bzw. bloß ansatzweise ermittelt hat, sodass vom Vorliegen besonders gravierender Ermittlungslücken auszugehen ist.

Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Verwaltungsgerichtes gegen eine Kassation des angefochtenen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar. So können keine Anhaltspunkte dafür erkannt werden, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes in der Sache im Interesse der Raschheit gelegen wäre. Das Verfahren würde durch eine Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht keine Beschleunigung erfahren, zumal das BFA als asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde anzusehen ist und wesentlich rascher und effizienter die notwendigen Ermittlungen nachholen kann. Aus der Aktenlage ergeben sich weiters auch keine Hinweise, wonach die Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre. Der Wohnsitz des Beschwerdeführers und seiner Familie ist Graz, die bescheiderlassende Regionaldirektion des BFA ist ebenfalls in Graz angesiedelt und wäre es mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden, in die zuständige Außenstelle des BVwG in Innsbruck zu gelangen, als innerstädtische Wege zurückzulegen.

Der angefochtene Bescheid ist daher gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit an das Bundesamt zurückzuverweisen.

2.4. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 leg. cit. kann eine Verhandlung entfallen, wenn u.a. bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Aberkennung des Status des Asylberechtigten, Aberkennungsverfahren,
Asylaberkennung, Begründungsmangel, Behebung der Entscheidung,
Ermittlungspflicht, Haft, Haftstrafe, Kassation, mangelhaftes
Ermittlungsverfahren, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Straffälligkeit, Strafhaft, strafrechtliche Verurteilung, Straftat,
Verbrechen, Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I414.2227601.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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