TE OGH 2020/2/25 14Ns74/19x

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.02.2020
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Februar 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Dr. Ondreasova in der Strafsache gegen Mangat Si***** wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 12 dritter Fall StGB, § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen, in dem zu AZ 12 Hv 14/19a des Landesgerichts Klagenfurt und zu AZ 66 Hv 48/19i des Landesgerichts für Strafsachen Wien zwischen diesen Gerichten geführten Zuständigkeitsstreit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Hauptverfahren ist vom Landesgericht Klagenfurt zu führen.

Text

Gründe:

Mit beim Landesgericht Klagenfurt eingebrachtem Strafantrag vom 20. September 2019 (ON 12) legte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt Kamaljit S***** und Mangat Si***** als Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG (A/1 und B/1) sowie als Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 15 StGB, § 28a Abs 1 dritter Fall SMG (A/2 und B/1), hinsichtlich Mangat Si***** jeweils auch nach § 12 dritter Fall StGB, Letzterem zudem als Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG (B/2) beurteilte Taten zur Last.

Danach sind sie verdächtig, sie hätten

(A) Kamaljit S***** vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, und zwar 19.261,7 Gramm morphin- und codeinhältige getrocknete Schlafmohnkapseln mit einem Reinheitsgehalt von 0,7 % Morphin und 0,02 % Codein (entsprechend 134,831 Gramm Morphin [13,483 Grenzmengen] und 3,852 Gramm Codein [0,128 Grenzmengen] in Reinsubstanz, daher gesamt 13,611 Grenzmengen)

1) vom 2. auf den 3. März 2019 mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt werde, besessen und befördert, indem er mit den von ihm in Wien erworbenen und in zwei großen Reisekoffern verborgenen Schlafmohnkapseln mit dem Zug vom Bahnhof W***** bis zum Bahnhof V***** fuhr;

2) am 3. März 2019 von Österreich nach Italien auszuführen versucht, indem er die unter A/1) dargestellten Schlafmohnkapseln mit dem Zug über die Staatsgrenze bei T***** zu verbringen versuchte, wobei es in Folge Durchführung einer Personen- und Gepäckkontrolle durch die Kriminalpolizei in dem im Bahnhof V***** stehenden Zug beim Versuch blieb;

(B) Mangat Si*****

1) am 2. März 2019 in Wien zu den unter A/1) und 2) angeführten strafbaren Handlungen des Kamaljit S***** dadurch beigetragen, dass er diesen zu einem Schlafmohnkapseln verkaufenden Geschäft brachte;

2) von Sommer 2015 bis zum 5. September 2019 in Wien vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar nicht näher bekannte Mengen an morphin- und codeinhältigen getrockneten Schlafmohnkapseln und nicht näher bekannte Mengen an Heroin (Wirkstoff: Heroin-Base) jeweils bis zum Eigenkonsum besessen.

Mit – nur hinsichtlich des Angeklagten Si***** rechtswirksamem – Beschluss vom 26. September 2019, GZ 12 Hv 14/19a-13, sprach der mit dem Strafantrag angerufene Einzelrichter des Landesgerichts Klagenfurt gemäß § 485 Abs 1 Z 1 StPO die örtliche Unzuständigkeit dieses Gerichts aus und überwies die Sache dem Landesgericht für Strafsachen Wien (§ 38 StPO). In der Begründung vertrat er unter Berufung auf § 36 Abs 3 erster Satz StPO die Ansicht, dass für das Hauptverfahren das Landesgericht für Strafsachen Wien örtlich zuständig sei, weil „die relevanten (ersten) Tathandlungen“ nach dem Inhalt des Strafantrags „in Wien stattgefunden“ hätten.

Das Landesgericht für Strafsachen Wien bezweifelte unter Hinweis auf die, die Zuständigkeit des Zusammenhangs regelnde Bestimmung des § 37 StPO gleichfalls seine (örtliche) Zuständigkeit (ON 16).

Nach Ausscheidung des Verfahrens gegen Kamaljit S*****, dem der nach § 485 Abs 1 Z 1 StPO gefasste Beschluss vom 26. September 2019 zufolge unbekannten Aufenthalts nicht zugestellt hatte werden können (ON 15), legte das Landesgericht Klagenfurt die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den – demgemäß derzeit nur Mangat Si***** betreffenden (RIS-Justiz RS0125311, RS0125314; Oshidari, WK-StPO § 38 Rz 7, 17 f; zum Ganzen auch 12 Ns 36/17s) – negativen Kompetenzkonflikt vor (§ 38 letzter Satz StPO).

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Primärer Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit im Hauptverfahren ist nach § 36 Abs 3 erster Satz StPO jener Ort, an dem die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte.

Von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen, bleibt ein Gericht auch dann für das Hauptverfahren örtlich zuständig, wenn es ein Verfahren gegen einen Angeklagten oder wegen einer Straftat ausscheidet (§ 36 Abs 4 StPO).

Im Fall gleichzeitiger Anklage mehrerer beteiligter Personen oder einer Person wegen mehrerer Straftaten ist das Hauptverfahren gemäß § 37 Abs 1 erster Satz StPO vom selben Gericht gemeinsam zu führen. Dabei ist unter Gerichten verschiedener Ordnung das höhere, unter Gerichten gleicher Ordnung jenes mit Sonderzuständigkeit für alle Verfahren zuständig, wobei das Gericht, das für einen unmittelbaren Täter zuständig ist, das Verfahren gegen Beteiligte an sich zieht (§ 37 Abs 2 erster Satz StPO). Im Übrigen kommt das Verfahren im Fall mehrerer Straftaten dem Gericht zu, in dessen Zuständigkeit die frühere Straftat fällt (§ 37 Abs 2 zweiter Satz StPO). Wenn jedoch für das Ermittlungsverfahren eine Staatsanwaltschaft bei einem Gericht zuständig war, in dessen Sprengel auch nur eine der angeklagten strafbaren Handlungen begangen worden sein soll, so ist dieses Gericht zuständig (§ 37 Abs 2 dritter Satz StPO).

Aus dem Aufbau des § 37 Abs 2 StPO folgt somit, dass bei mehreren Ausführungsorten hinsichtlich der Zuständigkeitsbegründung der erste Satz dieser Norm den beiden übrigen und der dritte dem zweiten Satz vorgeht (RIS-Justiz RS0125227, RS0124935; Oshidari, WK-StPO § 37 Rz 5).

Daraus ergibt sich – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Zuständigkeit des Landesgerichts Klagenfurt, weil die Staatsanwaltschaft bei diesem Gericht das Ermittlungsverfahren geführt und dem Angeklagten Kamaljit S***** zu A in die Zuständigkeit des Einzelrichters des Landesgerichts fallende Straftaten (das Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG [vgl zur Konzeption des Besitzes und der Beförderung von Gegenständen als Dauerdelikt: RIS-Justiz RS0090573 {T1, T2}] sowie das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 dritter Fall SMG) zur Last gelegt hat, die dieser als unmittelbarer Täter (auch) in V***** und T*****, somit im Sprengel des Landesgerichts Klagenfurt, ausgeführt oder auszuführen versucht hat (vgl zum Tatort von Dauerdelikten: Nordmeyer, WK-StPO § 25 Rz 1). Der gegen Mangat Si***** erhobene Vorwurf, sich an diesen strafbaren Handlungen in Wien beteiligt zu haben (B/1), ist dabei nach dem Vorgesagten ebenso wenig von Relevanz wie das ihm als unmittelbarem Täter angelastete, als Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG (B/2) beurteilte Verhalten, weil dessen Ahndung – für sich betrachtet – in die sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichts (§ 30 Abs 1 StPO) fiele. Gleichermaßen unerheblich ist der Umstand, dass das Verfahren gegen Kamaljit S***** nach Anklageerhebung ausgeschieden wurde (§ 36 Abs 4 StPO).

Textnummer

E127685

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0140NS00074.19X.0225.000

Im RIS seit

03.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.04.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten