TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/21 W186 2106212-1

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Veröffentlicht am 21.01.2020
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Entscheidungsdatum

21.01.2020

Norm

BFA-VG §22a
BFA-VG §22a Abs1 Z3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76
FPG §76 Abs1
VwGVG §35
VwGVG §40

Spruch

W186 2106212-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith Putzer als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Polen, vertreten durch RA Dr. Julia Ecker, gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Niederösterreich, vom 09.04.2015, Zl. 650274206 sowie die Anhaltung in Schubhaft von 09.04.2015 bis 05.05.2015 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 1 FPG iVm. § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gleichzeitig wird die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von 09.04.2015 - 05.05.2015 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 VwGVG iVm Aufwandersatzverordnung hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf unentgeltliche Beigebung eines Verfahrenshelfers wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) wurde erstmals am 21.02.2013 durch das Landeskriminalamt Wien amtsbehandelt und am 05.11.2013 wegen des Verdachts der Sachbeschädigung sowie des rechtswidrigen Aufenthalts festgenommen. Am 05.11.2013 wurde über ihn durch die Landespolizeidirektion Wien, zur Zahl 1344191/FrB/13, eine Ausweisung gem. § 66 Abs. 1 FPG 2005 erlassen und ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt. Weiters wurde über den BF am 13.02.2014 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA), Regionaldirektion Wien, zur Zahl 650274206, die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung erlassen. Dagegen erhob der BF Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht, die am 27.02.2015 abgewiesen wurde, wobei gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorgelegen seien. Am 24.02.2014 wurde erstmals bei der polnischen Botschaft in Wien ein Heimreisezertifikat beantragt, am 13.03.2014 langte die Kopie des polnischen Heimreisezertifikats bei der Behörde ein. Infolge dessen wurde der BF am 17.03.2014 über den Luftweg nach Polen abgeschoben.

Am 09.01.2015 wurde der BF im Bundesgebiet erneut festgenommen und in die Justizanstalt Korneuburg eingeliefert. In der Folge wurde er am 20.02.2015 durch das Bezirksgericht Klosterneuburg, zur Zahl 9 U 18/13v, wegen der §§ 8 Abs. 1 StGB, § 15 StGB; § 218 Abs. 1 Z 1 StGB, § 218 Abs. 1 Z 2 StGB, § 125 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Am 09.04.2015 wurde der BF aus der Strafhaft entlassen und im BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen Folgendes an:

"F: Hatten Sie je eine Anmeldebescheinigung, einen Aufenthaltstitel oder ein Visum bzw. sonst irgendein Aufenthaltsrecht für Österreich oder die EU?

A: Nein, hatte ich nicht. Ich Österreich war ich angemeldet.

F: Seit wann befinden sie sich in Österreich?

A: Ich bin seit drei Jahren in Österreich.

F: Waren Sie während dieser Zeit angemeldet?

A: Nein, war ich nicht.

F: Wie sind sie nach Österreich eingereist und warum?

A: Ich bin mit dem Zug nach Österreich gekommen um Hilfe in Österreich zu suchen.

F: Haben sie in Österreich einen Wohnsitz?

A: Nein, hatte ich nicht.

F: Sind sie in Österreich angemeldet?

A: Nein, war ich nicht.

F: Wann wurden sie warum zuletzt festgenommen?

A: Ich wurde vor drei Monaten festgenommen. Ich habe Eingebrochen in Kellerabteilen um zu übernachten.

F: Sind sie in Österreich je einer Erwerbstätigkeit nachgegangen - egal ob legal oder illegal?

A: Nein, bin ich nicht.

F: Von was leben sie in ihrem Heimatland?

A: Ich lebe von Notstand in Polen.

F: Wie haben Sie Ihren Aufenthalt in Österreich finanziert?

A: Ich habe vom Betteln gelebt.

F: Haben sie eine Kreditkarte, eine Bankomatkarte oder sonst eine Möglichkeit in Österreich auf legale Art und Weise an Geld zu kommen?

A: Nein, habe ich nicht.

F: Wurden sie in einem anderen Staat als Österreich jemals verurteilt.

A: Ja, vor drei Monaten habe ich eine Verurteilung in Österreich bekommen. Weiters bin ich zwei Jahre in Holland, eineinhalb Jahre in der Schweiz. In allen Ländern, was ich Genannte habe, hatte ich eine Verurteilung.

F: Warum wurden Sie verurteilt?

A: Ich habe gestohlen, eingebrochen und Sachbeschädigungen gemacht.

F: Haben sie in Österreich Familienangehörige?

A: Nein, habe ich nicht.

F: Haben sie in ihrem Heimatland Familienangehörige und wenn ja welche?

A: Meine Mutter und meine Schwester leben in Polen.

F: Was spricht gegen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder eines Einreiseverbotes für Österreich.

A: Ich möchte in Österreich leben. Ich habe überall nach einen Job gefragt. Ich bin dagegen.

[...]

F: Könnten sie in ihrem Heimatland eine Beschäftigung annehmen.

A: Ich bekomme keine Arbeit in Polen. Ich bin aber schon arbeitsfähig.

Zu gerichtlichen Verurteilungen:

Das Bundesamt hat zufolge der Mitteilung der Strafgerichte davon auszugehen, dass Sie eine gerichtlich strafbare Handlung begangen haben.

[...]

Auf Grund Ihres Verhaltens ist die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet und stellt ein solches Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. einer Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot gegen Sie auf die Dauer von bis zu zehn Jahren zulässig! Es ist jedoch beabsichtigt ein Aufenthaltsverbotes bzw. eine Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot in der Dauer von 3 Jahren zu erlassen.

F: Sie haben die Möglichkeit dazu eine Stellungnahme abzugeben!

A: Ich bin nicht einverstanden mit dem Aufenthaltsverbot.

F: Warum haben sie diese strafbare Handlung begangen?

A: Ich habe keine Möglichkeiten gehabt zum Schlafen, deshalb musste ich einbrechen.

F: Wie viel Bargeld haben Sie derzeit bei sich?

A: Ich habe ca. 200,00 Euro bei mir.

Zur Erlassung der Schubhaft

[...]

V: Ihnen wird zur Kenntnis gebracht, dass Sie in Vollstreckung (einer Anordnung zur Außerlandesbringung,) Sie nach Polen abgeschoben werden sollen.

Es ist daher zur Sicherung dieser Maßnahmen eventuell beabsichtigt, gegen Sie die Schubhaft zu verhängen. Wollen Sie hierzu Stellung nehmen?

A: Ich möchte nur dazu sagen, dass ich mit dem Aufenthaltsverbot und der Abschiebung von Österreich nicht einverstanden bin, weil ich in Österreich weiterhin leben möchte.

F: Sie haben bis dato keine Identitätsdokumente vorgelegt. Wo befinden sich Ihre persönlichen Dokumente?

A: Ja, ich hatte einen Reisepass, aber den hat mir jemand gestohlen.

Sie besitzen derzeit kein gültiges Reisedokument. Sie können Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen. Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um Ihren Unterhalt zu finanzieren. Einer legalen Beschäftigung gehen Sie nicht nach. Sie haben keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich. Sie sind in Österreich weder beruflich noch sozial verankert.

Sie haben nach eigenen Angaben keine Familienangehörigen oder sonstigen soziale Anknüpfungspunkte zu Österreich. Sie haben keinen Wohnsitz in Österreich.

Es konnte nicht erkannt werden, dass besondere Umstände in der Schubhaft entgegenstehen. Sie sind nicht mit der erforderlichen vorauszusetzenden Sicherheit greifbar.

Es ist auch kein Grund zur Annahme gegeben, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann.

F: Wollen Sie hierzu Stellung nehmen?

A: Okay. Ich bin damit einverstanden."

2. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, RD Niederösterreich, wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Absatz 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und der Sicherung der Abschiebung angeordnet (Spruchpunkt I) und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, idgF, ausgeschlossen (Spruchpunkt II).

Begründet wurde dies im Wesentlichen folgenderweise:

"zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:

Fest steht, dass Sie in Österreich nie, außer während ihrer Zeit in Haft, meldeamtlich erfasst waren oder einen ordentlichen Wohnsitz in Österreich geführt haben. Sie haben in Österreich noch nie eine Anmeldebescheinigung beantragt. Fest steht auch, dass Sie in Österreich nie einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen sind und nicht die nötigen Barmittel besitzen, um sich einen weiteren Aufenthalt in Österreich finanzieren zu können.

Gegen Sie wurde bereits mehrmals Anzeige erstattet und zuletzt wurden Sie zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Gegen Sie wurde ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet. Diese ist noch nicht durchführbar. Sie halten sich (nicht) rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

-

zu Ihrem bisherigen Verhalten:

* Sie sind nach Österreich illegal eingereist. Sie besitzen derzeit kein gültiges Reisedokument.

* Sie sind in Österreich noch nie einer Erwerbstätigkeit nachgegangen. Es besteht keine begründete Aussicht, dass Sie eine Arbeitsstelle finden.

* Im bisherigen Verfahren verhielten Sie sich unkooperativ, indem Sie strafbare Handlungen im Bundesgebiet begangen haben.

* Sie besitzen kein gültiges Reisedokument. Sie können Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen.

* Obwohl eine gesetzliche Verpflichtung hierzu bestand, verweigerten Sie die Ausreise aus Österreich. Sie wurden am 17.03.2014 über den Luftweg nach Polen abgeschoben.

* Gegen Sie wurde bereits eine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet erlassen. Ihrer Ausreiseverpflichtung kamen Sie aus eigenen nicht nach.

* Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um Ihren Unterhalt zu finanzieren. Einer legalen Beschäftigung gehen Sie nicht nach.

* Sie haben keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich und hielten sich bislang unangemeldet unter Verletzung des Meldegesetzes in Österreich auf.

-

zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Es steht fest, dass in Österreich keiner ihrer Familienangehörigen lebt und Sie in Österreich über keine sozialen Anknüpfungspunkte verfügen. In Polen leben Ihre Mutter und Ihre Schwester. Weiters steht fest, dass Sie arbeitsfähig sind und Sie einer legalen Erwerbstätigkeit nachgehen können.

Für die Behörde steht fest, dass in Polen ihr Lebensmittelpunkt ist, in Polen ihre Kernfamilie lebt und Sie dort sowohl über soziale als auch berufliche Anknüpfungspunkte verfügen."

Und weiters:

"Sie sind vollkommen mittellos und zudem obdachlos und daher für die Behörde nicht greifbar. Ein Heimreisezertifikat wurde durch das BFA und wird erneut durch das BFA beantragt und somit steht ihre Abschiebung unmittelbar bevor."

[...]

"In Ihrem Fall ist eine Mehrzahl an Faktoren gegeben, die für sich alleine noch nicht den Schluss rechtfertigen, dass Sie sich dem Verfahren durch Untertauchen entziehen werden, die aber in der Gesamtschau sehr wohl einen Sicherungsbedarf ergeben: Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht fest, dass Sie in Österreich keinen Wohnsitz haben, keiner legalen Beschäftigung in Österreich nachgehen und weder Verwandte noch Bekannte in Österreich haben. Auch sonst wurden von Ihrer Seite keine relevanten Anknüpfungspunkte mit Österreich namhaft gemacht bzw. wurden keine solchen entdeckt. Sie verfügen über sehr eingeschränkte Barmittel.

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes muss die Behörde durchaus annehmen, dass Sie sich dem Verfahren durch Untertauchen entziehen werden und somit ein dringender Sicherungsbedarf besteht.

[...]

Aufgrund des aufgezeigten Sachverhalts, insbesondere des illegalen Aufenthaltes, nicht vorhandener finanzieller Mittel, der fehlenden Möglichkeit einer legalen Erwerbsausübung, die nicht vorhandene Möglichkeit der sozialen und wirtschaftlichen Integration, der fehlenden gesicherten Unterkunft und aufgrund des bisher gezeigten Verhaltes kam die Anwendung von gelinderen Mitteln im gegenständlichen Fall nicht in Betracht.

Die Schubhaftverhängung ist daher jedenfalls verhältnismäßig, gerechtfertigt und notwendig und entspricht den gesetzlichen Vorgaben des Fremdenpolizeigesetzes.

[...]

Bei der Prüfung des Sicherungsbedarfs ist auch ein massives strafrechtliches Verhalten des Fremden in Bezug auf Gewalt- und Vermögensdelikte in Verbindung mit der wegen seiner Mittellosigkeit naheliegenden Wiederholungsgefahr einzubeziehen.

[...]

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.

[...]

Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima - ratio - Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.

Sie befinden sich bereits in Haft.

Es ist daher auch aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind."

Seit 09.04.2015 befindet sich der BF in Schubhaft, am selben Tag wurde seitens des BFA die Beantragung eines Heimreisezertifikates veranlasst.

Am 09.04.2015 wurde gegen den BF ein für die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, wobei kein Durchsetzungsaufschub erteilt und die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde.

3. Mit am 16.04.2015 beim BFA und beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten Schriftsatz erhob der BF gegen den im Spruch angeführten Schubhaftbescheid sowie gegen die Anordnung der Schubhaft und die fortdauernde Anhaltung in Schubhaft Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Darin wurde beantragt:

-

der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen;

-

eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen;

-

den bekämpften Bescheid zu beheben und die Rechtswidrigkeit der Schubhaft auszusprechen;

-

im Rahmen der Habeas Corpus Prüfung auszusprechen, dass die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung nicht vorliegen;

-

in eventu die Beschwerde an die zuständige Stelle weiterzuleiten;

-

dem BF einen unentgeltlichen Verfahrenshelfer gemäß § 40 VwGVG beizugeben;

-

den BF von der Eingabegebühr gemäß § 2 Abs. 1 BuLVwG-Eingabengebührverordnung zu befreien;

-

Kostenersatz zuzuerkennen, dem BF etwaige Dolmetschkosten zu ersetzen und ihn im Falle des Obsiegens der Behörde vom Aufwandsersatz zu befreien;

-

in eventu jeweils die ordentliche Revision zuzulassen.

4. Die Beschwerdevorlage des BFA, datiert mit 17.04.2015, langte am selben Tag beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Behörde beantragte, ihren Bescheid zu bestätigen und gemäß § 22a BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

5. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.04.2015 wurde die Beschwerde gemäß § 76 Abs. 1 FPG iVm § 7 Abs. 1 Z 1 und 3 BFA-VG als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 1 FPG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen (Spruchpunkt II.). Unter einem wurde der Antrag auf Kostenersatz gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt III). sowie der Antrag des Beschwerdeführers auf unentgeltliche Beigebung eines Verfahrenshelfers wird als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt IV). Die ordentliche Revision wurde durch das Bundesverwaltungsgericht zugelassen (Spruchteil B.).

6. Der BF erhob gegen das Erkenntnis durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichthof.

Mit Beschluss vom 04.05.2015 gab das BVwG dem Antrag, der gegen das Erkenntnis erhobenen ordentlichen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, statt und erkannte der ordentlichen Revision die aufschiebende Wirkung zu. Der BF wurde am Folgetag aus der Schubhaft entlassen.

7. Der VwGH gab der ordentlichen Revision mit Erkenntnis vom 15.10.2015 statt, und hob das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Begründend wies der VwGH darauf hin, dass das BVwG nicht auf den in der Beschwerde erhobenen Einwand, das BFA hätte ausreichend Zeit gehabt, die Abschiebung nach Polen bis zur Beendigung der Strafhaft zu organisieren, eingegangen sei. Ebenso habe das BVwG auch keine Umstände ins Treffen geführt, die es dem Bundesamt ausnahmsweise gestattet hätten, mit dem Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und den weiteren Schritten zur Organisation der Abschiebung des BF erst nach dem Ende der Strafhaft zu beginnen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist volljährig, polnischer Staatsangehöriger und besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Der BF ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

Der BF verfügt über kein Reisedokument und keinen Aufenthaltstitel. Er ist illegal in Österreich aufhältig. Er wurde am 05.11.2013 wegen des Verdachts der Sachbeschädigung sowie des rechtswidrigen Aufenthalts festgenommen. Am 05.11.2013 wurde gegen ihn eine Ausweisung gem. § 66 Abs. 1 FPG 2005 erlassen und ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt. Weiters wurde über den BF am 13.02.2014 die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung erlassen, wogegen er Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erhob, die am 27.02.2015 abgewiesen wurde. Dabei wurde gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorgelegen seien. Am 17.03.2014 wurde der BF über den Luftweg nach Polen abgeschoben.

Am 09.01.2015 wurde der BF im Bundesgebiet erneut festgenommen. In der Folge wurde er am 20.02.2015 wegen der §§ 8 Abs. 1 StGB, § 15 StGB; § 218 Abs. 1 Z 1 StGB, § 218 Abs. 1 Z 2 StGB, § 125 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Der BF verfügt in Österreich über keinerlei familiäre oder soziale Bindungen, über keine Unterkunft, kein legales Einkommen und er wies keine hinreichenden finanziellen Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes vor. Er verfügt über kein Identitätsdokument. Es ist zu erwarten, dass eine Entlassung dazu benützt werden würde, wieder unterzutauchen und im Verborgenen den Aufenthalt fortzusetzen bzw. sich der Ausweisung zu entziehen.

Das Bundesamt blieb während der Anhaltung des BF und dem absehbaren Entlassungszeitpunkt des BF in Strafhaft gänzlich untätig: weder traf es Vorbereitungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates, noch gewährte es dem BF Parteiengehör. Ebenso fand keine Einvernahme des BF während seiner Anhaltung in Strafhaft zur beabsichtigten Schubhaftverhängung statt. Auch organisierte das Bundesamt während der Anhaltung in Strafhaft keine Abschiebung des BF nach Polen. Vielmehr vernahm das BFA den BF nach Entlassung aus der Strafhaft ein, verhängte über ihn die Schubhaft, erließ gegen ihn ein Aufenthaltsverbot und beantragte die Ausstellung eines HRZ für den BF.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA, des fremdenpolizeilichen Aktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zum Sachverhalt:

Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

Die Feststellungen zur Staatsbürgerschaft, zu den persönlichen Lebensumständen des BF in Österreich (fehlende familiäre, soziale und berufliche Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, Fehlen einer steten Unterkunft, Mittellosigkeit) beruhen auf den Angaben des BF vor der belangten Behörde und den entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid. Der BF ist diesen Feststellungen in der Beschwerde auch nicht substantiiert entgegengetreten.

Die erhebliche Fluchtgefahr des BF wird dadurch untermauert, dass er bereits im Jahr 2014 nach Polen abgeschoben werden musste und danach erneut illegal ins Bundesgebiet eingereist ist. Der BF ist arbeits-- und obdachlos und hat sich nach eigenen Angaben seinen Unterhalt durch Betteln verdient. Er wurde rechtskräftig wegen sexueller Belästigung, versuchter Körperverletzung und Sachbeschädigung zu drei Monaten unbedingter Haftstrafe verurteilt.

Es besteht aus den angeführten Gründen der Lebenssituation und des bisherigen Verhaltens des BF der begründete Verdacht, dass er, auf freiem Fuß belassen, sich weiterhin dem fremdenpolizeilichen Verfahren zu entziehen versuchen wird, sodass die getroffene Maßnahme als erforderlich anzusehen ist. Aus seinem bisherigen Verhalten kann nicht gefolgert werden, dass er seinen unrechtmäßigen Aufenthalt aus Eigenem beenden wird.

Dass das BFA während der Anhaltung des BF in Strafhaft keine geeigneten Schritte zur Erlangung eines HRZ respektive zur Organisation der Abschiebung des BF gesetzt hat, ergibt sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, wenn es sich bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen. Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann gemäß § 57 Abs. 2 AVG bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.

Gemäß § 22a Abs. 5 BFA-VG ist gegen die Anordnung der Schubhaft eine Vorstellung nicht zulässig.

Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat gemäß Abs. 2 binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß Abs. 3 jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchteil A):

3.2. Zu Spruchpunkt I.

§ 76 FPG idF BGBl. I Nr. 87/2012 lautete:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Anordnung zur Außerlandesbringung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

(1a) Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Das Bundesamt kann über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Rückkehrentscheidung erlassen wurde;

2. gegen ihn ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 27 AsylG 2005 eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

(2a) Das Bundesamt hat über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn

1. gegen ihn eine zurückweisende Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 und eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung oder eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt;

2. eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 verletzt hat;

3. der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG 2005 mehr als einmal verletzt hat;

4. der Asylwerber, gegen den gemäß § 27 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 13 Abs. 2 BFA-VG nicht nachgekommen ist;

5. der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, oder

6. sich der Asylwerber gemäß § 24 Abs. 4 AsylG 2005 ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat, soweit eine der Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 bis 4 vorliegt,

und die Schubhaft für die Sicherung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegenstehen.

(3) Die Schubhaft ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(4) (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(5) Wird eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrecht erhalten werden. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 oder 2a vor, gilt die Schubhaft als nach Abs. 2 oder 2a verhängt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft gemäß Abs. 2 oder 2a ist mit Aktenvermerk festzuhalten.

(7) (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

Gemäß Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG, darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

Gemäß Art. 6 Abs. 1 PersFrBVG hat jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird. Die Entscheidung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn sie - neben dem Vorliegen eines gesetzlichen Schubhafttatbestandes (§ 76 Abs. 1, 2 oder 2a FPG) - zur Sicherung der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder einer Abschiebung des betroffenen Fremden notwendig ist. Der Anordnung der Schubhaft muss ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegen und die Schubhaft muss unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig sein. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Außerlandesschaffung des Fremden (Aufenthaltsbeendigung) und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden, ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn mit Recht angenommen werden kann, dass sich der Fremde dem behördlichen Zugriff entziehen oder diesen zumindest wesentlich erschweren werde. Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Zum Fall:

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die gegenständliche Beschwerde als begründet:

Die vorliegende Beschwerde richtet sich sowohl gegen den Schubhaftbescheid als auch gegen die (andauernde) Anhaltung in Schubhaft.

Zu den Rechtsgrundlagen:

Im gegenwärtigen Fall stützte das Bundesamt richtigerweise den Schubhaftbescheid auf § 76 Abs.1 FPG, da es sich um einen Fremden - nicht jedoch um einen Asylwerber - handelt, dessen Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. dessen Abschiebung gesichert werden musste.

Zum Sicherungsbedarf:

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Recht festgestellt hat, ist der BF polnischer Staatsbürger.

Der BF war in Österreich nie, außer während seiner Zeit in Haft, meldeamtlich erfasst oder hat einen ordentlichen Wohnsitz in Österreich geführt. Er hat in Österreich weder einen Aufenthaltstitel beantragt noch ist er an einem dauernden Aufenthalt in Österreich interessiert. Er ist hier auch nie einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen. Er ist rechtskräftig wegen sexueller Belästigung, versuchter Körperverletzung und Sachbeschädigung verurteilt. Er war nie in der österreichischen Gesellschaft integriert oder auf dem hiesigen Arbeitsmarkt verankert, hat sich nach eigenen Aussagen seinen Unterhalt durch Betteln verdient und hat hier keine sozialen Bindungen oder familiären Anknüpfungspunkte.

Am 05.11.2013 wurde über ihn eine Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG 2005 erlassen, in der Folge wurde er am 17.03.2014 nach Polen abgeschoben.

Das bisherige Gesamtverhalten des BF zeigt unmissverständlich, dass er sich, auf freiem Fuß gelassen, weiterhin dem fremdenpolizeilichen Verfahren zu entziehen versuchen wird. Aus seinem bisherigen Verhalten kann nicht gefolgert werden, dass er seinen unrechtmäßigen Aufenthalt aus Eigenem beenden wird.

Insoweit die belangte Behörde also in einer Zusammenschau aller angeführten Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens des BF, davon ausging, dass ein konkreter Sicherungsbedarf für die Durchführung eines fremdenpolizeilichen Verfahrens und einer Abschiebung, die Erforderlichkeit der Schubhaft als einzige geeignete Sicherungsmaßnahme gegenüber der Anordnung eines gelinderen Mittels und auch die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft gegeben waren, begegnet dies keinen Bedenken.

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. E 26. August 2010, 2010/21/0234). Daraus ergibt sich nicht nur die in § 80 Abs. 1 FrPolG 2005 ausdrücklich festgehaltene behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, vielmehr ist daraus auch abzuleiten, dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig (vgl. VwGH 27.01.2011, 2008/21/0595). Demzufolge erweist sich die Verhängung von Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung im Anschluss an eine Strafhaft regelmäßig als unverhältnismäßig, wenn die Fremdenpolizeibehörde (das BFA) auch zum absehbaren Ende einer Strafhaft hin mit der (versuchten) Beschaffung eines Heimreisezertifikats untätig bleibt. Eine sich aus den Umständen des Einzelfalles ergebende andere Sicht wäre nachvollziehbar zu begründen (Hinweis E 25. April 2014, 2013/21/0209).

Hätte die belangte Behörde bereits während der Anhaltung des BF in Strafhaft - konkret im Zeitraum zwischen der Urteilsverkündung am 20.02.2015 und der Entlassung aus dem Strafvollzug am 09.04.2015- die Ausstellung eines Heimreisezertifikates und dadurch die Abschiebung des BF organisiert, so hätte die Verhängung der Schubhaft gänzlich unterbleiben respektive zumindest die Anhaltedauer in Schubhaft wesentlich verkürzt werden könne. Es sind keine Anhaltspunkte aus dem Verwaltungsakt ersichtlich, was die belangte Behörde berechtigter Weise an einer früheren Organisation der Abschiebung des BF gehindert haben könnte.

Aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung, wonach die Strafvollzugsanstalten den Antritt und das Ende einer Freiheitsstrafe von Fremden dem Bundesamt mitzuteilen haben (vgl. § 30 Abs. 5 BFA-VG), ist davon auszugehen, dass der belangten Behörde nicht nur die Anhaltung des BF in Strafhaft, sondern auch dessen Ende absehbar war. Es ist daher nicht nachvollziehbar, weshalb das Bundesamt in diesem Zeitraum untätig blieb, und erst im Anschluss an die Entlassung des BF aus der Strafhaft mit der Organisation der Abschiebung und sich konkret erst ab diesem Zeitpunkt um die Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF bemühte.

Aus den obigen Überlegungen erweist sich daher die gegenständliche Schubhaftverhängung im Zusammenschau mit der höchstgerichtlichen Judikatur als unverhältnismäßig.

War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH 08.09.2009, 2009/21/0162; 26.01.2012, 2008/21/0626; 11.06.2013, 2012/21/0114). Ebenso war daher die Anhaltung des BF in Schubhaft von 09.04.2015 - 05.05.2015 für rechtswidrig zu erklären.

3.3. Zu Spruchpunkt II.

3.3.1. Der mit "Kosten" betitelte § 35 VwGVG lautet:

"§ 35. (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden."

Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:

"1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro."

3.3.2. Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Bescheid, mit dem die Schubhaft angeordnet wurde, als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben.

Da der Beschwerde stattgegeben wurde, ist der BF gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG obsiegende Partei und die belangte Behörde unterlegene Partei.

Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend die Gebühr für Eingaben beim Bundesverwaltungsgericht sowie bei den Landesverwaltungsgerichten (BuLVwG-Eingabengebührverordnung - BuLVwG-EGebV) keine Möglichkeit der Befreiung vorsieht.

Deshalb war spruchgemäß zu entscheiden.

3.4. Zu Spruchpunkt III. Unentgeltliche Beigebung eines Verfahrenshelfers

Der BF hat die beantragte Beigebung eines Verfahrenshelfers im Wesentlichen mit Verweis auf Art. 47 GRC begründet. Darüber hinaus wurde darauf verwiese, dass die Rechtsberatung nicht mit Verfahrenshilfe gleichwertig sei und es für gewillkürte Vertretung auch keine qualitativen Mindeststandards gebe. Der Beschwerdeführer sei somit "auf das Entgegenkommen der Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH angewiesen", für das jedoch "keine qualitativen Mindeststandards gesetzlich garantiert sind".

Die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers gemäß § 40 VwGVG zur Vertretung von Interessen im Beschwerdeverfahren betreffend einen Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft kam mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht (s. VfGH 17.09.2015, E 1343-1345/2015).

Selbst bei Anwendbarkeit des § 40 VwGVG auf das vorliegende Schubhaftverfahren wäre dem Antrag nicht zu entsprechen gewesen:

Gemäß § 40 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag des Beschuldigten zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist. Aus § 40 Abs. 5 VwGVG, wonach die Bestellung eines Verteidigers mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten erlischt, ergibt sich jedoch, dass die Bestellung eines Verteidigers jedenfalls dann nicht erforderlich sein kann, wenn dieser Antrag bereits von einem Bevollmächtigten des Beschuldigten gestellt wird. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Bevollmächtigte kein berufsmäßiger Parteienvertreter ist (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2013, VwGVG § 40 K 7).

Es würde daher den Sinn der oben wiedergegebenen Bestimmung gänzlich unterlaufen, wenn ein Bevollmächtigter für seinen Mandanten einen Verfahrenshelfer beantragen kann. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist daher ein bereits (aufrecht) vertretener Beschwerdeführer jedenfalls nicht legitimiert, einen Verfahrenshelfer zu beantragen, weshalb dem diesbezüglichen Antrag nicht Folge zu geben ist. Im Übrigen ist nicht schlüssig, wieso der Vertreter im gegenständlichen Verfahren - der zunäch

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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