TE OGH 2019/12/18 5Ob186/19t

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Veröffentlicht am 18.12.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ing. K*****, 2. F***** und 3. C*****, alle vertreten durch Dr. Enrik Mandl, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei W*****, vertreten durch Dr. Peter Ouschan, Rechtsanwalt in Völkermarkt, wegen Beseitigung und Unterlassung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 10. Juli 2019, GZ 4 R 69/19t-25, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Völkermarkt vom 10. Dezember 2018, GZ 6 C 198/17a-20, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 958,58 EUR (darin enthalten 159,76 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Streitteile sind einige der Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Der Beklagte benützt eine vor seinem Wohnungseigentumsobjekt gelegene Gartenfläche, die als allgemeiner Teil der Liegenschaft gewidmet ist.

Das Berufungsgericht wies die Eigentumsfreiheitsklage (§ 523 ABGB) der klagenden Wohnungseigentümer zur Gänze ab und ließ die Revision zur Klärung der Frage zu, ob eine unwirksame Benützungsvereinbarung (§ 17 WEG 2002) nachträglich durch Vorteilszuwendung (Zahlung einer „Ablöse“) iSd § 1016 zweiter Fall ABGB heilen könne.

Rechtliche Beurteilung

Die – beantwortete – Revision der klagenden Parteien ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1. Jeder Wohnungseigentümer ist berechtigt, eigenmächtige Eingriffe auch eines anderen Wohnungseigentümers in das gemeinsame Eigentum mit Eigentumsfreiheitsklage abzuwehren (stRsp; RIS-Justiz RS0012137; RS0012112). Solche Klagen gehören nach der Rechtsprechung ungeachtet des § 838a ABGB auf den streitigen Rechtsweg (5 Ob 98/19a mwN).

2. Der Wohnungseigentümer ist zu Änderungen seines Wohnungseigentumsobjekts (hier: Einbeziehung einer Gartenfläche als allgemeiner Teil durch Errichtung eines Abgangs vom Wohnungseigentumsobjekt, Gestaltung der Gartenfläche) unter den in § 16 Abs 2 WEG dargestellten Voraussetzungen berechtigt. Schon die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der übrigen Wohnungseigentümer (§ 16 Abs 2 Z 1 WEG) verpflichtet den änderungswilligen Wohnungseigentümer, die Zustimmung aller übrigen oder die Genehmigung des Außerstreitgerichts einzuholen. Tut er das nicht oder setzt er sich über den Widerspruch eines anderen Wohnungseigentümers hinweg, handelt er in unerlaubter Eigenmacht und kann im streitigen Rechtsweg mit Eigentumsfreiheitsklage (§ 523 ABGB) in Anspruch genommen werden (stRsp; RS0083156; RS0005944 [T2]). Im Streitverfahren ist nur die Genehmigungsbedürftigkeit der Änderung und die Eigenmacht, nicht aber die Genehmigungsfähigkeit zu prüfen (stRsp; RS0083156 [T5, T14, T20]).

3. Die Mehrheits-(wohnungs-)eigentümerin (Wohnungseigentumsorganisatorin) erteilte bereits anlässlich des Verkaufs des Wohnungseigentumsobjekts dem beklagten Erwerber schriftlich ihr Einverständnis zur Errichtung eines Abgangs vom Wohnungseigentumsobjekt auf die im Westen und Norden vor diesem gelegene Gartenfläche gegen Zahlung der Betriebskosten und des Beitrags zum Reparaturfonds auf Basis des durch die Einbeziehung der Gartenfläche geänderten Verteilungsschlüssels. Die auch als „Bevollmächtigte der übrigen Miteigentümer“ bezeichnete Mehrheitseigentümerin erklärte auch das Einverständnis aller übrigen Miteigentümer zur Änderung der Parifizierung und des Nutzwerts. Die schriftlichen Vereinbarungen wurden den übrigen Wohnungseigentümern zwar erstmals während dieses im Jahr 2017 eingeleiteten Verfahrens übermittelt. Die Einbeziehung und Nutzung der nunmehr umstrittenen Gartenfläche einschließlich der Errichtung eines Gemüsegartens war ihnen aber spätestens seit der vor Ort stattfindenden Eigentümerversammlung im Juli 2013 bekannt. Thema der Besprechung war die Zuweisung des Gartens an das Wohnungseigentumsobjekt des Beklagten gegen eine dem Reparaturfonds gutgebuchte „Ablösezahlung“. 2010 hatten auch die zweit- und drittklagenden Parteien ihr Wohnungseigentumsobjekt durch Einbeziehung eines Abstellraums verändert und in diesem Zusammenhang einen Betrag in den allgemeinen Reparaturfonds eingezahlt. Die Wohnungseigentümer haben diesen (der bestehenden Parifizierung widersprechenden) Veränderungen der Wohnungseigentumsobjekte sowohl des Beklagten als auch der zweit- und drittklagenden Parteien einschließlich der Anpassung des Verteilungsschlüssels vor Einbringung der Eigentumsfreiheitsklage im August 2017 nie widersprochen. Alle Wohnungseigentümer gingen von einer künftigen, jedoch bislang nicht erfolgten Neuparifizierung aus. 2014 errichtete der Beklagte auf der Gartenfläche ein Hochbeet sowie eine aus zwei Seitenpfosten und einer Querstange bestehende Pergola. Kein Wohnungseigentümer hat vor Einleitung des Verfahrens der – allen ersichtlichen und bekannten – Einbeziehung der Gartenfläche oder der (baulichen und gärtnerischen) Gestaltung widersprochen.

4. Gemessen am objektiven Erklärungswert haben somit sämtliche Wohnungseigentümer der Änderung des Wohnungseigentumsobjekts durch Einbeziehung und Gestaltung der Gartenfläche in dem Ausmaß, das sich bei der Eigentümerversammlung der Gesamtheit der Miteigentümer darstellte, zugestimmt. Sie haben zwar damals nicht mit der etwa ein Jahr später erfolgten Errichtung eines Hochbeets und einer Pergola gerechnet. Eine Einschränkung ihrer Zustimmung auf den status quo (Gemüsegarten) ist daraus aber nicht zwingend abzuleiten. Ein Wohnungseigentümer, der die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zur Einbeziehung einer Gartenfläche erhält (die bei der geplanten Neuparifizierung berücksichtigt werden soll), darf darauf vertrauen, dass ihm damit auch eine gewisse – hier drei Jahre lang unwidersprochen gebliebene – Änderung der Gartengestaltung gestattet wird (vgl 5 Ob 30/17y zur Gestaltung eines Balkons).

5. Die Eigentumsfreiheitsklage scheitert daher an der fehlenden Eigenmacht. Aus diesem Grund stellt sich die in der Revision gestellte Frage, ob eine nach § 17 WEG unwirksame Benützungsvereinbarung – ungeachtet des Schriftformgebots – durch Vorteilszuwendung iSd § 1016 zweiter Fall ABGB geheilt wird, nicht.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Textnummer

E127200

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00186.19T.1218.000

Im RIS seit

03.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.06.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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