TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/5 I412 2125351-1

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Veröffentlicht am 05.09.2019
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Entscheidungsdatum

05.09.2019

Norm

ASVG §59
ASVG §67 Abs10
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

I412 2125351-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Tiroler Gebietskrankenkasse (TGKK) vom 12.02.2016, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 12.02.2016 stellte die Tiroler Gebietskrankenkasse (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet) fest, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der XXXX GmbH (im Folgenden als Primärschuldnerin bezeichnet) die zu entrichten gewesenen Beiträge samt Nebengebühren aus den Vorschreibungen für die Zeiträume der Nachrechnung auf Grund der Beitragsprüfung vom 18.02.2015 in Höhe

€ 9.343,83, zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe schulde. Der Beschwerdeführer sei verpflichtet, diesen Betrag binnen 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen an die belangte Behörde zu bezahlen.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig Beschwerde und führte aus, die angeführten Personen seien im Prüfungszeitraum nicht bei der Primärschuldnerin angestellt gewesen. Im Zeitraum seiner Tätigkeit seien auch alle Abgaben an die belangte Behörde ordnungsgemäß abgeführt worden und verweist auf ein in der Anlage angeführtes Schreiben seines Steuerberaters. Im Übrigen gab der Beschwerdeführer eine Adresse in der Republik Panama bekannt, über der die weitere Korrespondenz mit ihm zu führen sei.

3. Mit Schreiben vom 22.04.2016 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Stellungnahme dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

In ihrer Stellungnahme zur Beschwerdevorlage führte die belangte Behörde aus, laut dem Erhebungsbericht der Wiener Gebietskrankenkasse seien 18 Dienstnehmer, die in Wahrheit bei der Primärschuldnerin in Tirol (als Kellner, Croupier, etc.) beschäftigt gewesen seien, bei einer Wiener Baufirma gemeldet gewesen

An die genannten Dienstnehmer sei ein Fragebogen geschickt worden, um den Grund für die kuriosen Anmeldungen herauszufinden. Lediglich ein Teil dieser Fragebögen sei beantwortet zurückgekommen. Aus den rückübermittelten Fragebögen habe jedoch der Rückschluss gezogen werden können, dass die genannten Personen als Dienstnehmer bei der Primärschuldnerin in Innsbruck beschäftigt gewesen seien. In den Niederschriften werde mehrmals der Beschwerdeführer als Ansprechperson/Chef genannt. Aus diesem Grund seien bei der Wiener Gebietskrankenkasse die Versicherungszeiten für die genannten Dienstnehmer storniert und entsprechend bei der belangten Behörde nachversichert/nachverrechnet worden.

4. Am 03.10.2016 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung I412 neu zugeteilt.

5. Mit Beschluss vom 25.04.2019 wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, für das gegenständliche Verfahren gemäß § 10 ZustellG innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses einen Zustellungsbevollmächtigten mit einer Abgabestelle in Österreich namhaft zu machen oder das Bestehen einer für ihn gültigen Abgabestelle in Österreich nachzuweisen, und auf die damit verbundenen Rechtsfolgen hingewiesen. Der gegenständliche Beschluss konnte dem Beschwerdeführer nicht nachweislich zugestellt werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer war im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Jänner 2011 bis März 2011 als Geschäftsführer der Primärschuldnerin im Firmenbuch des Landesgerichtes Innsbruck eingetragen.

Mit Beschluss des Landesgerichts L. vom 24.04.2014 wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin das Sanierungsverfahren eröffnet und mit Beschluss vom 25.08.2014 der am 16.07.2014 angenommene Sanierungsplan bestätigt. Auf die belangte Behörde als Gläubigerin ist eine Quote von 20% entfallen.

18 (im Prüfbericht namentlich genannte) Dienstnehmer, die tatsächlich bei der Primärschuldnerin beschäftigt waren, waren nicht bei dieser gemeldet, woraus sich der nachverrechnete Haftungsbetrag von € 9.343,83 ergibt.

Die Meldepflichtverletzung ist kausal für die Uneinbringlichkeit der Beiträge.

2. Beweiswürdigung:

Die Bestellung des Beschwerdeführers zum selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer der Primärschuldnerin für den angeführten Zeitraum ergibt sich aus einem Auszug aus dem Firmenbuch und ist, ebenso wie die Feststellungen zum Sanierungsplan und der auf die belangte Behörde entfallenen Quote, nicht strittig.

Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde unsubstantiiert vor, die von der belangten Behörde angeführten Personen seien im Prüfungszeitraum nicht bei der Primärschuldnerin angestellt gewesen, ohne dies näher zu begründen oder Beweisanträge zu stellen.

Dem ist entgegenzuhalten, dass sich aus dem vorliegenden Akt ergibt, dass im Vorfeld Ermittlungen der Wiener Gebietskrankenkasse durchgeführt wurden und die betreffenden Personen zunächst bei einer Wiener Baufirma gemeldet waren, jedoch laut diesen Anmeldungen (unter anderem) als Croupier beschäftigt gewesen sind und ihre Wohnorte (großteils) in Tirol hatten. Die betreffenden Personen wurden mit Fragebogen kontaktiert, wobei nicht alle zurückkamen. Die Fragebögen beinhalten den angenommenen Zeitraum der Beschäftigung, sowie Fragen zur ausgeübten Tätigkeit.

Die Ermittlungen der belangten Behörde haben ergeben, dass immer wieder der Name des Beschwerdeführers als Ansprechperson bzw. auch die Primärschuldnerin als Dienstgeber genannt worden ist.

Der von der belangten Behörde gezogene Rückschluss, dass die genannten Personen als Dienstnehmer bei der Primärschuldner in Innsbruck beschäftigt gewesen sind, begegnet somit keinen Bedenken. Die Versicherungszeiten der genannten Dienstnehmer wurden bei der Wiener Gebietskrankenkasse storniert und bei der Tiroler Gebietskrankenkasse nachverrechnet, wobei die Höhe der verrechneten Beiträge ebenfalls keinen Bedenken begegnet bzw. dazu auch im Administrativverfahren bzw. in der Beschwerde kein Vorbringen erstattet wurde.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 30.07.2015 wurde der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Haftungsbestimmungen des § 67 Abs. 10 ASVG aufgefordert, die aushaftende Beitragsschuld zu bezahlen bzw. Schuldausschließungsgründe darzulegen. Eine Reaktion auf dieses Schreiben erfolgte nicht.

In der Beschwerde wird lediglich vorgebracht, dass die genannten Personen im Prüfungszeitraum nicht bei der Primärschuldnerin beschäftigt waren. Diesbezügliche Beweise wurden nicht vorgebracht und auch keine Beweisanträge gestellt. Das Vorbringen ist damit nicht geeignet, die dargestellten Ermittlungsergebnisse sowie die darauf basierende Entscheidung der belangten Behörde in Frage zu stellen.

Dem BF ist es nicht gelungen, eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufzuzeigen, der Sachverhalt wurde lediglich unsubstantiiert bestritten. Der maßgebliche Sachverhalt ist aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen. Aufgrund der oa. Ausführungen konnte die Durchführung einer Verhandlung unterbleiben, eine solche wurde auch vom Beschwerdeführer nicht beantragt.

Es besteht nach dem Akteninhalt und dem Beschwerdevorbringen auch keine Veranlassung für die Annahme, dass die Beiträge zum Zeitpunkt der Meldepflichtverletzung nicht bei der Primärschuldnerin einbringlich gemacht hätten werden können, womit diese kausal für die Uneinbringlichkeit war.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 67 Abs 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.

Gemäß § 58 Abs 5 ASVG in der Fassung nach der Novelle BGBl I Nr 62/2010 haben die Vertreterinnen und Vertreter juristischer Personen, die gesetzlichen Vertreterinnen und Vertreter natürlicher Personen und die Vermögensverwalterinnen und Vermögensverwalter (§ 80 BAO) alle Pflichten und Rechte zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind diese auch befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den von ihnen verwalteten Mitteln entrichtet werden. Die Novellierung dieser Gesetzesbestimmung führte zu einer Reaktivierung der Vertreterhaftung des § 67 Abs 10 AVG unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haftet der Vertreter für die Melde- und Auskunftspflichten und für die Verpflichtung zur Abfuhr der einbehaltenen Dienstnehmerbeiträge, sofern der Verstoß verschuldet und für die Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung kausal ist (vgl. dazu VwGH vom 17.12.2015, Zl. 2013/08/0173).

Grundsätzlich kann die Haftung des Vertreters jedoch erst geltend gemacht werden, wenn die (gänzliche oder teilweise) Uneinbringlichkeit beim Beitragsschuldner ausreichend feststeht. Dabei soll die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der gemeinschuldnerischen juristischen Person für die Annahme der Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung noch nicht genügen. Vielmehr ist erst dann Uneinbringlichkeit anzunehmen, wenn feststeht, dass die Beiträge nicht bzw. nicht in einem eine bestimmte ziffernmäßige Quote übersteigenden Teilbetrag befriedigt werden können (Derntl in Sonntag, ASVG8 § 67 Rz 80). Uneinbringlichkeit liegt auch dann vor, wenn sich für die Gesellschaft als Beitragsschuldnerin eine Betriebsstätte nicht ermitteln lässt (VwGH 24.01.2001, 98/08/0260), sich in Österreich weder ein Geschäftsbetrieb, noch zugängliches Vermögen ermitteln lässt und bereits eine Zurückweisung eines Konkursantrages wegen örtlicher Unzuständigkeit gemäß § 63 IO vorliegt (VwGH 20.10.2004, 2002/08/0072), oder wegen Abweisung des Insolvenzantrages mangels kostendeckenden Vermögens gemäß § 71b IO (VwGH 30.04.2003, 2001/16/0252), Aufhebung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens gemäß § 123a IO, oder wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos geblieben sind oder erfolglos wären (VwGH 22.10.2002, 2000/14/0083, 31.03.2004, 2003/13/0153). Bei einer Bestätigung eines Sanierungsplans im Sinne des § 152 IO wird Uneinbringlichkeit im Ausmaß des Forderungsanteils angenommen, hinsichtlich dessen Restschuldbefreiung eingetreten ist (VwGH 22.09.1999, 96/15/0049). Diesfalls ist zu beachten, dass ein Sanierungsplan über das Vermögen des Dienstgebers den Geschäftsführer grundsätzlich nicht von der Vertreterhaftung im Sinne des § 67 Abs 10 ASVG befreit (siehe dazu Derntl in Sonntag, ASVG8 § 67 Rz 80 mit Verweis auf die Rz 9).

Dem Gesetzeswortlaut allein lässt sich noch nicht entnehmen, wann eine haftungsauslösende schuldhafte Pflichtverletzung vorliegen soll. Erst die höchstgerichtliche Rechtsprechung lässt erkennen, durch welche Maßnahmen und Handlungsschritte sich ein Vertreter dem Risiko einer Haftung gemäß Abs 10 nicht aussetzt. Für die Haftung ist nicht entscheidungswesentlich, ob den Geschäftsführer ein Verschulden an der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft (hier den Obmann ein Verschulden an der Zahlungsunfähigkeit des Vereins) trifft und ob er auf Grund dieser Insolvenz selbst einen Schaden erlitten hat, weil nicht das Verschulden an und der Schaden aus der Insolvenz ins Gewicht fallen, sondern das Verschulden an der ordnungsgemäßen (rechtzeitigen) Beitragsentrichtung vor der Insolvenzeröffnung.

Weiters ist zu prüfen, ob die Nichtmeldung rechtswidrig war bzw. ob der Vertreter (der Beschwerdeführer) seine gesetzliche Verpflichtung, nämlich für die rechtzeitige Meldung zu sorgen, rechtswidrig nicht nachgekommen ist. Diese Frage ist jedenfalls nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren der belangten Behörde zu bejahen.

Als Schuldform genügt leichte Fahrlässigkeit des Vertreters; diese

ist schon dann anzunehmen, wenn der Geschäftsführer keine Gründe

anzugeben vermag, wonach ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für

die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war (VwGH 99/08/0075,

ZfVB 2000/1575 = ARD 5141/26/2000 = SVSlg 45.036). Der Vertreter hat

die Verpflichtung, sich die für seine Tätigkeit erforderlichen

Kenntnisse zu verschaffen. Bestehen Zweifel an der

Versicherungspflicht, so ist der Vertreter nur dann entschuldigt,

wenn er die ihm zumutbaren Schritte unternommen hat, sich in der

Frage der Meldepflicht des Beschäftigungsverhältnisses sachkundig zu

machen und die Unterlassung der Meldung auf das Ergebnis dieser

Bemühungen ursächlich zurückzuführen ist. Dabei macht es keinen

Unterschied, ob sich der DG auf eine ihm mitgeteilte

Verwaltungspraxis der GKK, auf ständige höchstgerichtliche Rsp oder

auf sonstige verlässliche Auskünfte sachkundiger Personen oder

Institutionen zu stützen vermag (VwGH 90/08/0060, ZfVB 1991/2174 =

ecolex 1991, 362; 96/08/0205, ZfVB 1997/1757 = SVSlg 42.167 =

SVSlg45.015).

Der Beschwerdeführer hat kein Vorbringen erstattet, dass auf ein das Verschulden ausschließendes Verhalten hindeuten würde, es ist somit jedenfalls Fahrlässigkeit gegeben.

Es ist somit in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Bescheid davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für eine Haftung des Beschwerdeführers als gesetzlichem Vertreter des damaligen Dienstgebers vorliegen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Beitragsnachverrechnung, Fahrlässigkeit, Geschäftsführer, Haftung,
Meldeverstoß, Pflichtverletzung, Uneinbringlichkeit,
Versicherungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I412.2125351.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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