TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/3 96/08/0205

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Veröffentlicht am 03.09.1996
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §33 Abs1;
ASVG §34 Abs1;
ASVG §58 Abs3;
ASVG §67 Abs10;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 30. Mai 1996, Zl. MA 15-II-W 10/96, betreffend Beitragshaftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15-19, 1100 Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde - in Bestätigung des vom Beschwerdeführer mit Einspruch bekämpften erstinstanzlichen Bescheides der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 12. März 1996 - der Beschwerdeführer als ehemaliger Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin B-GesmbH gemäß § 67 Abs. 10 in Verbindung mit § 83 ASVG verpflichtet, die auf dem Beitragskonto der Beitragsschuldnerin rückständigen Sozialversicherungsbeiträge und Nebengebühren (Verzugszinsen berechnet bis 7. März 1996) im Betrage von S 76.930,87 zuzüglich Verzugszinsen seit 8. März 1996 in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, berechnet von S 72.012,45 binnen 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.

In der Begründung ihres Bescheides geht die belangte Behörde zunächst davon aus, die Uneinbringlichkeit dieser Sozialversicherungsbeiträge sei dadurch nachgewiesen, daß der Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Beitragsschuldnerin am 2. Oktober 1995 mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden sei.

Nach Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen der Geschäftsführerhaftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG entgegnet die belangte Behörde den Einspruchseinwendungen des Beschwerdeführers, er sei im Zeitpunkt der Entstehung der Zahlungsverpflichtung nicht als verantwortliches Organ der GesmbH tätig gewesen, daß er in der Zeit vom 19. November 1992 bis 12. Juni 1994 Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen sei. Der dem Beschwerdeführer nunmehr vorgeschriebene Haftungsbetrag betreffe "den zweiten Nachtrag 10/95", der auf den Beitragszeitraum 8. Februar 1993 bis 31. Dezember 1993 zurückgehe und somit einen Zeitraum betreffe, in dem der Beschwerdeführer noch zum Geschäftsführer bestellt gewesen sei. Diese Beiträge seien für einen namentlich genannten Dienstnehmer vorgeschrieben worden, dessen Versicherungspflicht nachträglich festgestellt worden sei. Da es dem Beschwerdeführer aufgrund der Art der Tätigkeit hätte klar sein müssen, daß es sich um ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt habe, müsse sein Einwand, die Beiträge seien erst nach dem Ausscheiden als Geschäftsführer entstanden, ins Leere gehen. Dem (weiteren) Einwand des Beschwerdeführers, nicht er, sondern eine andere, näher genannte Person habe die Entscheidungen im Betrieb getroffen, sei entgegenzuhalten, daß es zu den Pflichten eines Geschäftsführers einer GesmbH gehöre, dafür zu sorgen, daß die Erfüllung von die juristische Person treffenden abgabenrechtlichen Pflichten tatsächlich erfolge. Ein Geschäftsführer, der in seiner Funktionsausübung behindert sei, habe entweder die unbehinderte Funktionsausübungsmöglichkeit im Rechtswege zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen, widrigenfalls er infolge schuldhaften Verhaltens für Abgaben der Gesellschaft, die nicht entrichtet worden seien, zur Haftung herangezogen werden könne. Da im vorliegenden Fall Anstalten in dieser Richtung nicht getroffen worden seien und auch die Geschäftsführerfunktion des Beschwerdeführers in jenem Zeitraum, in dem die nunmehr vorgeschriebenen Nachträge bei ordnungsgemäßer Meldung fällig geworden wären, nicht zurückgelegt worden sei, sei ein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers anzunehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Vorausgeschickt sei, daß der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften ausschließlich geltend macht, daß aus den von der belangten Behörde festgestellten Tatsachen "rechtlich keine Haftung des Beschwerdeführers abgeleitet und festgestellt werden" könne, worin der Sache nach ebenfalls eine Rechtsrüge zu erblicken ist.

Die Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde zieht der Beschwerdeführer in seiner gesamten Beschwerde nicht in Zweifel: Er wendet unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des Bescheides lediglich ein, er sei im Zeitpunkt des Entstehens der Verbindlichkeit "(zweiter Nachtrag 10/95)" kein verantwortliches Organ der Gesellschaft gewesen, wie aus dem Firmenbuch hervorgehe. Er hafte auch deshalb nicht, weil die Versicherungspflicht des betreffenden Dienstnehmers "nachträglich festgestellt worden" sei. Es sei offenbar auch für die Behörde der Beginn und das Ende des Dienstverhältnisses des Dienstnehmers nicht klar gewesen, anders sei "diese über zwei Jahre verspätete nachträgliche Festsetzung" (gemeint: der Beiträge im zweiten Nachtrag 10/95) auch nicht zu erklären. Die belangte Behörde habe weder behauptet noch bewiesen, daß es für den Beschwerdeführer früher "klar sein mußte", daß es sich um Beiträge für den genannten Dienstnehmer gehandelt habe. Das "Tatbildmerkmal" einer schuldhaften Verletzung auferlegter Pflichten könne aus dem Akteninhalt daher nicht abgeleitet werden.

Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß nach den Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde die Versicherungspflicht des betreffenden Dienstnehmers zwar nachträglich festgestellt worden ist, diese jedoch im Zeitraum vom 8. Februar 1993 bis 31. Dezember 1993 bestanden hat, wie auch vom Beschwerdeführer nicht substantiiert in Zweifel gezogen wird. Da der Beschwerdeführer während dieses Zeitraumes - wie er ebenfalls nicht bestreitet - Geschäftsführer der Gesellschaft und damit eine zur Vertretung dieser Gesellschaft berufene Person gewesen ist, kommt er daher prinzipiell für eine Inanspruchnahme im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG in Betracht.

Soweit in der Beschwerde die Auffassung vertreten wird, die Beiträge seien erst mit ihrer Vorschreibung durch die Gebietskrankenkasse vom Oktober 1995 (und damit zu einem Zeitpunkt, zu welchem der Beschwerdeführer nicht mehr Geschäftsführer war) fällig geworden, so ist darauf zu erwidern, daß auch im Vorschreibungsverfahren gemäß § 58 Abs. 3 ASVG die Beiträge nur unter der Voraussetzung erst mit der Vorschreibung durch den Versicherungsträger fällig werden, daß die zugrundeliegenden Beschäftigungsdaten diesem ordnungsgemäß gemeldet wurden. Dies behauptet der Beschwerdeführer aber gar nicht, bestreitet er doch selbst, daß er hätte erkennen müssen, daß es sich um ein beitragspflichtiges Dienstverhältnis gehandelt habe. Wurde aber eine Meldung nicht erstattet, dann tritt die Fälligkeit der Beiträge nicht erst mit der (mangels Meldung gar nicht fristgerecht zu erwartenden) nachträglichen Vorschreibung durch den Versicherungsträger ein, sondern gemäß § 58 Abs. 1 ASVG schon am letzten Tag des Kalendermonats, in das das Ende des jeweiligen Beitragszeitraumes fällt (vgl. das Erkenntnis vom 19. März 1991, Zl. 89/08/0331).

Die Haftung des Geschäftsführers gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen zur rechtzeitigen Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung, für deren Beurteilung die von Lehre und Rechtsprechung zu § 9 und § 80 BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden können (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 14. April 1988, Zl. 88/08/0025), kann z.B. darin liegen, daß der Geschäftsführer die Beitragsschulden insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt läßt (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0198, und vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0016 uva.).

Im Beschwerdefall behauptet der Beschwerdeführer nicht, daß die Gesellschaft im fraglichen Zeitraum vom 8. Februar 1993 bis 31. Dezember 1993 mangels finanzieller Mittel ihre Zahlungen zur Gänze eingestellt und deshalb auch keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet hätte.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht für die Vertreterhaftung nach § 67 Abs. 10 ASVG leichte Fahrlässigkeit (bei der Verletzung der den Geschäftsführer treffenden Verpflichtungen) aus (vgl. u.a. aus jüngerer Zeit das Erkenntnis vom 20. Februar 1996, Zl. 95/08/0251). Es trifft jedoch - ungeachtet der grundsätzlich amtswegigen Ermittlungspflicht der Behörde - denjenigen, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt, über die ihn stets allgemein treffende Behauptungslast im Verwaltungsverfahren hinaus die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm deren Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, daß er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0217, vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0016 uva.).

Im vorliegenden Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, daß sich ein Meldepflichtiger alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse zu verschaffen und den Mangel im Falle einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt zu vertreten hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. April 1985, Zl. 84/08/0133, sowie die Erkenntnisse vom 29. September 1992, Zl. 92/08/0154, vom 20. Oktober 1992, Zl. 90/08/0024, und vom 22. März 1994, Zlen. 93/08/0176 sowie 93/08/0177).

Der Dienstgeber (bzw. der Geschäftsführer einer GesmbH) ist daher nur dann entschuldigt, wenn er die ihm zumutbaren Schritte unternommen hat, sich in der Frage der Meldepflicht des Beschäftigungsverhältnisses sachkundig zu machen und die Unterlassung der Meldung auf das Ergebnis dieser Bemühungen ursächlich zurückzuführen ist, wobei es keinen Unterschied macht, ob sich der Dienstgeber auf eine ihm mitgeteilte Verwaltungspraxis der Gebietskrankenkasse, auf ständige höchstgerichtliche Rechtsprechung oder auf sonstige verläßliche Auskünfte sachkundiger Personen oder Institutionen zu stützen vermag (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 29. September 1992, Zl. 92/08/0154).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund wäre es daher Sache des Beschwerdeführers gewesen, bereits im Verwaltungsverfahren, aber auch in seiner Beschwerde im einzelnen darzulegen, aus welchen besonderen Gründen, ungeachtet allfälliger, von ihm eingeholter zweckdienlicher Erkundigungen der vorbeschriebenen Art, die Meldung des Dienstnehmers für den Zeitraum seines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses vom 8. Februar 1993 bis 31. Dezember 1993 unterblieben ist. Ausführungen in diese Richtung sind der vorliegenden Beschwerde aber nicht einmal andeutungsweise zu entnehmen. Die Beschwerdebehauptung, er habe nicht erkennen können, daß es sich um ein beitragspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt habe, vermag den Beschwerdeführer daher nicht zu exculpieren.

Ohne ein entsprechend substantiiertes Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren durfte die belangte Behörde daher davon ausgehen, daß die nicht rechtzeitige Beitragsentrichtung für den Dienstnehmer jedenfalls aufgrund einer schuldhaften Meldepflichtverletzung des Beschwerdeführers als zur Vertretung des Dienstgebers nach außen berufenen Person unterblieben ist.

Wird ein infolge einer schuldhaften Verletzung der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten durch den Geschäftsführer nicht entrichteter Beitrag in der Folge uneinbringlich, so spricht die Vermutung für die Verursachung ihrer Uneinbringlichkeit durch die Pflichtverletzung, womit auch der erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang vorliegt (vgl. dazu das Erkenntnis vom 12. April 1994, Zl. 93/08/0259-0261 mit weiteren Hinweisen).

Die belangte Behörde hat daher die Haftung des Beschwerdeführers für die - unbestrittenermaßen uneinbringlich gewordenen - Sozialversicherungsbeiträge (die der Höhe nach vom Beschwerdeführer nicht bestritten wurden) auf dem Boden ihrer Tatsachenfeststellungen auch aus dem Blickwinkel des Beschwerdevorbringens zu Recht festgestellt. Da somit bereits die vorliegende Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG - wegen hinreichender Klarstellung aller maßgebenden Rechtsfragen in der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996080205.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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