TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/13 89/08/0198

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Veröffentlicht am 13.03.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
23/01 Konkursordnung;
23/02 Anfechtungsordnung Ausgleichsordnung;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §58 Abs2 idF 1986/111;
ASVG §67 Abs10 idF 1986/111;
ASVG §68 Abs2;
AusgleichsO §48;
BAO §80;
BAO §9;
KO §151;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Mizner, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Mai 1989, MA 14-R 12/89, betreffend Haftung für Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde von der mitbeteiligten Partei mit Bescheid vom 21. Februar 1989 als Geschäftsführer der (im Ausgleich befindlichen) A-Gesellschaft mbH zur Bezahlung rückständiger Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von S 571.702,84 zuzüglich Verzugszinsen gemäß § 67 Abs. 10 ASVG verpflichtet.

Diesem Bescheid lag ein von der mitbeteiligten Partei am 16. Februar 1989 ausgefertigter Rückstandsausweis, betreffend das Beitragskonto der Gesellschaft, über die genannte Summe zugrunde, in welchem unter anderem für Dezember 1986 restliche Beiträge von S 42.006,02 und für Jänner 1987 ein Beitragsrückstand von S 62.155,80 ausgewiesen waren.

In seinem Einspruch vom 23. März 1989 wendete der Beschwerdeführer ein, daß die Wirkungen des von den Gläubigern in der Tagsatzung vom 15. September 1988 angenommenen, vom Gericht bestätigten und teilweise bereits erfüllten Ausgleichs auch dem Beschwerdeführer hinsichtlich des Ausmaßes seiner Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG zugute kämen, ferner, daß ihn an der Nichtentrichtung der Beiträge kein Verschulden treffe sowie ferner, daß Teilbeträge im Sinne des § 68 ASVG verjährt seien und sich überdies durch Teilzahlungen der Gesellschaft alle Positionen des Rückstandsausweises vom 16. Februar 1989 verhältnismäßig verringert hätten.

Mit angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Einspruch teilweise stattgegeben und festgestellt, daß der Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 10 ASVG verpflichtet sei, die auf dem näher bezeichneten Beitragskonto der genannten Gesellschaft rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren (Verzugszinsen berechnet bis 14. Februar 1989) im Betrag von S 428.188,57 zuzüglich Verzugszinsen seit 15. Februar 1989 in der sich aus § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, berechnet von S 360.165,88, binnen vierzehn Tagen zu bezahlen.

Die belangte Behörde erachtete den vom Beschwerdeführer erhobenen Einwand der Verjährung hinsichtlich der restlichen Beiträge für Dezember 1986 und der Beiträge für Jänner 1987 als berechtigt und verminderte den Haftungsbetrag um die im Rückstandsausweis für diese Zeiträume ausgewiesenen Beträge von insgesamt S 104.161,82 auf S 360.165,88 zuzüglich 10,5 Prozent Verzugszinsen berechnet bis 14. Februar 1989 in der Höhe von S 68.022,69, woraus sich der im Bescheid ausgewiesene Endbetrag von S 428.188,57 samt Verzugszinsen ab 15. Februar 1989 aus S 360.165,88 ergibt.

Gegen den nicht stattgebenden Teil des angefochtenen Bescheides richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und (ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse) eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 67 Abs. 10 idF der 41. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 111/1986, lautet:

"Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haften im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge aus Verschulden des Vertreters nicht bei Fälligkeit entrichtet werden."

Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 9. März 1989, G 163/88 und Folgezahlen, die Worte "die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und" in dieser Bestimmung als verfassungswidrig auf und sprach aus, daß die Aufhebung mit Ablauf des 28. Februar 1990 in Kraft tritt. Da der dem Beschwerdefall zugrunde liegende Tatbestand jedoch vor der Aufhebung verwirklicht wurde und es sich um keinen Anlaßfall handelt, ist die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetzesstelle im Beschwerdefall gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG weiterhin anzuwenden.

In der Beschwerde wird - zusammengefaßt - eingewendet, daß der Beschwerdeführer nicht für alle im angefochtenen Bescheid genannten Beiträge hafte, sondern nur für die Ausgleichsquote. Dies ergebe sich aus der Formulierung des § 67 Abs. 10 ASVG, wonach der Beschwerdeführer als Geschäftsführer (nur) für die vom Beitragsschuldner "zu entrichtenden Beiträge" hafte; aus der Haftungsbegrenzung für den persönlich haftenden Gesellschafter einer OHG gemäß § 164 a KO im Zusammenhang mit der 41. Novelle zum ASVG ergebe sich nach Auffassung des Beschwerdeführers des Gesetzgebers "grundsätzliches Ziel, die Schuldtilgungswirkung des Ausgleichs allen zukommen zu lassen, die für Gesellschaftsschulden haften".

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde nicht im Recht. Nach den die Wirkung eines Ausgleichs (bzw. Zwangsausgleichs) regelnden Bestimmungen der §§ 48 AO (und 151 KO) können die Rechte der (Konkurs)gläubiger gegen Bürgen oder Mitschuldner des (Gemein)schuldners sowie gegen Rückgriffsverpflichtete ohne ausdrückliche Zustimmung der Berechtigten durch den (Zwangs)- Ausgleich nicht beschränkt werden. Davon enthalten die §§ 73 Abs. 2 und 74 AO bzw. 164 Abs. 2 und 164 a KO Ausnahmen hinsichtlich der persönlich haftenden Gesellschafter (bzw. gewesenen Gesellschafter) von Handelsgesellschaften. Ein allgemeiner Rechtssatz, wie er dem Beschwerdeführer vorzuschweben scheint, kann daraus nicht abgeleitet werden. Unter den von den Beitragsschuldnern "zu entrichtenden Beiträgen" im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG sind die Beiträge im Sinne des § 58 Abs. 2 ASVG zu verstehen, nicht aber eine (restliche) Beitragsschuld, die sich im Zuge eines gerichtlichen Ausgleichs ergeben würde.

Die Haftung des Geschäftsführers gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen zur rechtzeitigen Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung - für deren Beurteilung die von Lehre und Rechtsprechung zu den §§ 9 und 80 BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden können (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. April 1988, Zl. 88/08/0025, vom 25. April 1989, Zl. 89/08/0013 und vom 24. Oktober 1989, Zl. 89/08/0044) - kann z.B. darin liegen, daß der Geschäftsführer die Beitragsschulden insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt läßt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 10. Juni 1980, VwSlg. N.F. 5494/F, sowie vom 25. April 1989, Zl. 89/08/0013.

Leichte Fahrlässigkeit des Geschäftsführers reicht für die Haftung aus und ist schon dann anzunehmen, wenn der Geschäftsführer keine Gründe anzugeben vermag, wonach ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Juni 1985, Zl. 84/17/0224, VwSlg. N.F. 6012/F, ferner vom 25. Mai 1988, Zl. 86/13/0152, vom 25. April 1989, Zl. 89/08/0013, vom 7. Juni 1989, Zl. 88/13/0127-0132, sowie vom 19. September 1989, Zl. 88/08/0283).

Vorliegendenfalls wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet, an der nicht rechtzeitigen Beitragsentrichtung ohne sein Verschulden gehindert worden zu sein. Nach seinen Bekundungen vor der belangten Behörde seien die Löhne sowie Strom- und Telefonrechnungen sowie (nicht näher bezeichnete) "Werbungskosten" zur Gänze bezahlt worden, während die Sozialversicherungsbeiträge und die Steuern zum größten Teil offen geblieben seien. Damit kann am Vorliegen eines objektiven Schadens der mitbeteiligten Partei, eines Verschuldens des Beschwerdeführers und des Rechtswidrigkeitzusammenhanges (dazu vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juni 1989, Zl. 88/13/0127-0132) zwischen der Unterlassung des Beschwerdeführers und dem eingetretenen Schaden kein Zweifel bestehen. Der belangten Behörde ist daher kein Rechtsirrtum unterlaufen, wenn sie die Haftung des Beschwerdeführers für die Sozialversicherungsbeiträge der insolventen Gesellschaft bejaht hat.

Der Beschwerdeführer wendet weiters ein, daß die mitbeteiligte Partei eingelangte Zahlungen zu seinem Nachteil auf eine verjährte Schuld verbucht habe. Mit diesem Vorbringen kann der Beschwerdeführer schon deshalb nicht durchdringen, weil er - abgesehen von einem allgemeinen Verjährungseinwand hinsichtlich der Beiträge in seinem Einspruch - im gesamten Verfahren nicht behauptet hat, daß ein Betrag von S 91.054,--, (von dem auch in der Beschwerde nicht ausgeführt wird, wann er geleistet worden sein soll) auf bereits verjährte Beiträge angerechnet worden sei. Damit verstößt dieses Vorbringen gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG geltende Neuerungsverbot. Sollte der Beschwerdeführer die in der Gegenschrift der mitbeteiligten Partei aufgeschlüsselten Zahlungen aus einem Zeitraum vor der bescheidmäßigen Geltendmachung der Haftung des Beschwerdeführers meinen, so wird er darauf hingewiesen, daß gegen ihn und die gemeinschuldnerische Gesellschaft unterschiedliche Verjährungsfristen laufen, wenn die Verjährung bei der Gemeinschuldnerin durch Einbringungsmaßnahmen, gegenüber dem Geschäftsführer aber erst durch Erlassung des die Haftung geltend machenden Bescheides unterbrochen worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1988, Zl. 88/08/0252). Die dem Beschwerdeführer gegenüber eingetretene Verjährung der restlichen Beiträge für Dezember 1986 und Jänner 1987 wurde von der belangten Behörde aber ohnehin berücksichtigt.

Auch die vom Beschwerdeführer erhobenen Verfahrensrügen sind unberechtigt: Wenn der Beschwerdeführer eine Gesetzesverletzung darin erblickt, daß die belangte Behörde es unterlassen habe, "die für die Frage der Verjährung wesentlichen Probleme der Zurechnung von Zahlungen gemäß dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz umfassend darzulegen und zu klären" so lassen seine Ausführungen die ihm obliegende Darlegung vermissen, inwieweit andernfalls ein anderes Ergebnis des Verwaltungsverfahrens hätte ermöglicht werden können (vgl. etwa Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 591,

1. Absatz).

Ob die mitbeteiligte Partei für oder gegen den Ausgleich des Beschwerdeführers gestimmt hat, ist im Hinblick auf die oben dargelegte, die Haftung des Beschwerdeführers betreffende Rechtslage ohne Bedeutung, zumal ein Übereinkommen der Ausgleichsschuldnerin mit der mitbeteiligten Partei zugunsten des Beschwerdeführers im Sinne der §§ 48 AO bzw. 151 KO im gesamten Verfahren nicht behauptet wurde.

Da somit der angefochtene Bescheid weder aus den in der Beschwerde behaupteten, noch aus sonstigen, vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Gründen rechtswidrig ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wurde, machte den Abspruch über diesen Antrag entbehrlich (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 6. September 1978, Zlen. 1902, 1903/78 = ZfVB 1979/2/513).

Schlagworte

"zu einem anderen Bescheid"

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989080198.X00

Im RIS seit

12.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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