TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/22 93/08/0176

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Veröffentlicht am 22.03.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §33 Abs1 idF 1979/530;
ASVG §33 Abs1;
ASVG §34 Abs1 idF 1979/530;
ASVG §34 Abs1;
ASVG §410 Abs1 Z7;
ASVG §49 Abs1;
ASVG §68 Abs1 idF 1979/530;
ASVG §68 Abs1;
VStG §5 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse in Linz, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 1. Juli 1993, Zl. SV-1108/2-1993, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Volksbank-Y Genossenschaft m.b.H.), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als die mitbeteiligte Partei zur Bezahlung allgemeiner Beiträge in der Höhe von lediglich S 184.179,70 statt S 271.061,90 verpflichtet wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 19. April 1993 sprach die Beschwerdeführerin aus, daß die mitbeteiligte Partei als Dienstgeberin verpflichtet sei, für die in einer bereits zugesandten Beitragsrechnung genannten Versicherten allgemeine Beiträge (betreffend Beitragszeiträume der Jahre 1989 bis 1991) in der Höhe von S 271.061,90 zu entrichten. Nach der Bescheidbegründung beträfen diese Beiträge Provisionen, die diese versicherten Dienstnehmer der mitbeteiligten Partei von der M-Sparkasse und der X-Volksbank für den Abschluß von Bauspar- und Versicherungsverträgen erhalten hätten. Solche Vermittlungsprovisionen seien nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnisse vom 17. September 1991, Zl. 90/08/0004, sowie vom 20. Oktober 1992, Zl. 91/08/0198 und Zl. 91/08/0199) unter bestimmten Voraussetzungen, die nach den Feststellungen des Prüfers bei der ab 6. Juli 1992 durchgeführten Beitragsprüfung im vorliegenden Fall gegeben seien, beitragspflichtig. Eine Verjährung des Feststellungsrechtes nach § 68 Abs. 1 ASVG sei noch nicht eingetreten, weil die fünfjährige Verjährungsfrist heranzuziehen gewesen sei. Diesbezüglich verweise die Beschwerdeführerin auf die bereits am "25. April 1989" (richtig: 25. und 26. April 1989) stattgefundene Beitragsprüfung. Bei ihr seien vorerst die Provisionsnachverrechnungen vorläufig ausgeklammert worden. Die Beschwerdeführerin betone aber ausdrücklich, daß nur die Nachverrechnung für vergangene Zeiträume nicht erfolgt sei. Die mitbeteiligte Partei sei aber eingehend darüber aufgeklärt worden, daß Provisionen beitragspflichtiges Entgelt seien und sie verpflichtet sei, die Sozialversicherungsbeiträge von den Provisionen ab Aufklärung mit der Beschwerdeführerin abzurechnen. Gerade bei einer so diffizilen Rechtsfrage wäre die mitbeteiligte Partei verpflichtet gewesen, sich bei der Beschwerdeführerin über die Beitragspflicht von Bausparprovisionen (Leistungen Dritter) Gewißheit zu verschaffen.

Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Einspruch insoweit, als ihr für das Jahr 1989 allgemeine Beiträge in der Höhe von S 86.882,20 vorgeschrieben worden seien. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sei die mitbeteiligte Partei nicht verpflichtet gewesen, sich bei ihr über die Beitragspflicht zu erkundigen, weil von vornherein offenkundig gewesen sei, daß die Beschwerdeführerin in diesem Punkt den für die Beitragspflicht sprechenden Standpunkt vertreten würde. Eine derartige Erkundigung bei der Beschwerdeführerin selbst wäre der mitbeteiligten Partei weder zumutbar gewesen noch im Hinblick darauf, daß von der Beschwerdeführerin immer wieder von der Notwendigkeit des Einholens "höchstgerichtlicher Auskunft" gesprochen worden sei, notwendig erschienen. Das Abwarten der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes durch die Beschwerdeführerin vor Erlassung entsprechender Bescheide zeige auch die Unsicherheit der Beschwerdeführerin selbst hinsichtlich des von ihr vertretenen Rechtsstandpunktes. Ein Zuwarten der mitbeteiligten Partei bis zum Bekanntwerden der ersten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1991

(Ende 1991/Anfang 1992) könne ihr daher nicht zum Vorwurf gemacht und zum Anlaß der Anwendung einer fünfjährigen Verjährungsfrist genommen werden. Dies umso mehr, als sich die mitbeteiligte Partei mit dieser - wie die Beschwerdeführerin selbst zugestehe - diffizilen Rechtsfrage eingehend auseinandergesetzt und hiezu mehrfach den fachmännischen Rat ihrer Interessenvertretung eingeholt habe.

Dazu vertrat die Beschwerdeführerin im Vorlagebericht die Auffassung, die mitbeteiligte Partei hätte sich bereits vor dem 26. April 1989 mit dieser diffizilen Rechtsfrage auseinandersetzen müssen. Sie habe aber auch ab diesem Zeitpunkt keinerlei Maßnahmen gesetzt, um die Rechtsfrage abzuklären und die Nachverrechnung der Sozialversicherungsbeiträge sicherzustellen. Sie behaupte dies zwar im Einspruch, gebe aber nicht bekannt, in welcher Weise sie sich konkret mit dieser Frage, von der sie gewußt habe, daß die Beschwerdeführerin einen anderen Rechtsstandpunkt vertrete, auseinandergesetzt habe und zu welchem rechtlichen Ergebnis sie hiebei gekommen sei. Dadurch sei sie der ihr nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegenden Erkundigungspflicht nicht nachgekommen. Die mitbeteiligte Partei habe sich aber auch nach Einlangen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1991 weder mit der strittigen Frage auseinandergesetzt noch die Beschwerdeführerin kontaktiert noch Beiträge mit ihr abgerechnet.

Dagegen wandte die mitbeteiligte Partei in ihrer Stellungnahme vom 9. Juni 1993 ein, sie habe sich - entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin - sehr wohl mit dem Rechtsproblem der Beitragspflicht von Provisionen auseinandergesetzt, sobald es ihr bekannt geworden sei. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei es keinesfalls notwendig, daß der Meldepflichtige sich Gewißheit über den Umfang der Beitragspflicht beschaffen müsse, er sei nur bei widersprüchlichen Rechtsauffassungen gehalten, sich mit den für und den gegen eine Beitragspflicht sprechenden Argumenten eingehend auseinanderzusetzen. Tatsache sei, daß die Unterstellung der Bauspar- und Versicherungsprovisionen unter die ASVG-Beitragspflicht vor den bekannten Anlaßfällen von der Beschwerdeführerin niemals verfolgt worden und daher insbesondere keine ständige Verwaltungsübung vorgelegen sei, nach der derartige Zahlungen der ASVG-Beitragspflicht zu unterstellen gewesen wären. Es hätten daher nicht einmal Anhaltspunkte für eine widersprüchliche Rechtsauffassung vorgelegen. Auch die Beschwerdeführerin sei sich - wie bereits im Einspruch ausgeführt worden sei - der Unsicherheit des von ihr vertretenen Rechtsstandpunktes bewußt gewesen. Dies ergebe sich auch daraus, daß bei der Beitragsprüfung im Jahre 1989 die Provisionen ausgeklammert worden und keinerlei Zahlungen vorgeschrieben worden seien. Anläßlich aller Kontakte der mitbeteiligten Partei mit der Beschwerdeführerin sei sie darauf verwiesen worden, daß über die Frage der ASVG-Beitragspflicht von Bauspar- oder Versicherungsprovisionen eine höchstgerichtliche Entscheidung zu erwarten sei und die Frage der Beitragspflicht dieser Provisionen daher aus den laufenden Prüfungen ausgeklammert werde. Schon aus diesen Mitteilungen sei für die mitbeteiligte Partei offensichtlich gewesen, daß es sich um eine Rechtsfrage handeln müsse, hinsichtlich derer so erhebliche Rechtsunsicherheit bestehe, daß die Anrufung des Höchstgerichtes für notwendig erachtet worden sei. In einer derartigen Situation sei es erfahrungsgemäß wenig tunlich, weitere Nachforschungen anzustellen, weil sie stets zum gleichen Ergebnis, nämlich der Notwendigkeit des Abwartens des höchstgerichtlichen Spruches, geführt hätten. Es könne der mitbeteiligten Partei daher nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie sich vor Bekanntwerden der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes nicht noch stärker mit der Beitragsproblematik beschäftigt habe. Eine derartige Beschäftigung mit Rechtsfragen, die ohnehin Gegenstand eines höchstgerichtlichen Verfahrens seien, wäre wenig sinnvoll gewesen und sei auch der Beschwerdeführerin selbst - jedenfalls seinerzeit - nicht erforderlich erschienen. Nach Bekanntwerden der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1991 habe sich die mitbeteiligte Partei aber ohnedies intensiv mit der Frage befaßt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch Folge und stellte gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Abänderung des bekämpften Bescheides der Beschwerdeführerin fest, daß die mitbeteiligte Partei verpflichtet sei, lediglich S 184.179,70 (an allgemeinen Beiträgen) zu bezahlen. Begründend wird ausgeführt, es könne der Ansicht der Beschwerdeführerin, es hätte sich bereits vor der Prüfung im April 1989 bei der gegenständlichen Angelegenheit um eine diffizile Rechtsfrage gehandelt, nicht zugestimmt werden. Infolge mehrerer gleichgelagerter Fälle sei hinreichend bekannt, daß - wie die mitbeteiligte Partei richtig ausführe - vor den nunmehr höchstgerichtlich entschiedenen Anlaßfällen bzw. den zugrundeliegenden Beitragsprüfungen die Nichteinbeziehung der Provision in die Beitragspflicht nie in Frage gestellt worden sei und für die mitbeteiligte Partei somit keine Veranlassung bestanden habe, von sich aus plötzlich einer besonderen Erkundigungspflicht nachzukommen. Erst anläßlich der Prüfung am 26. April 1989 habe die Beschwerdeführerin ihre Bedenken an der bisherigen Vorgangsweise geäußert und erst ab diesem Zeitpunkt wäre von seiten der mitbeteiligten Partei "eine besondere Erkundigungspflicht erforderlich gewesen". Es könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß bis zu diesem Zeitpunkt von der mitbeteiligten Partei die gehörige Sorgfaltspflicht dermaßen vernachlässigt worden sei, daß bereits ab diesem Zeitpunkt die längere Verjährungsfrist anzuwenden sei. Die Beschwerdeführerin selbst sei in anderen derzeit anhängigen gleichgelagerten Fällen - vor allem in jenen, in denen eine Unterbrechung eingetreten sei - selbst von einer zweijährigen Verjährungsfrist ausgegangen. Im gegebenen Fall seien die beiden letzten Beitragsprüfungen auch nicht innerhalb von zwei Jahren angesetzt worden, weshalb eine Unterbrechung nicht vorliege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich strittig, ob das Recht der Beschwerdeführerin auf Feststellung der Verpflichtung der mitbeteiligten Partei zur Zahlung von (spätestens am 31. Dezember 1989 fällig gewordenen) Beiträgen für 1989 (im folgenden: betroffene Beiträge) verjährt ist.

Diese Frage ist, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Dezember 1992, Zl. 92/08/0236, näher dargelegt hat, nach der bis zum Inkrafttreten der 50. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 676/1991, am 1. Jänner 1992 geltenden Fassung des § 68 Abs. 1 ASVG zu beurteilen, der lautete:

"Das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen verjährt binnen zwei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Hat der Dienstgeber Angaben über Versicherte bzw. über deren Entgelt nicht innerhalb der in Betracht kommenden Meldefristen gemacht, so beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Tage der Meldung zu laufen. Diese Verjährungsfrist der Feststellung verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn der Dienstgeber oder eine sonstige meldepflichtige Person (§ 36) keine oder unrichtige Angaben bzw. Änderungsmeldungen über die bei ihm beschäftigten Personen bzw. über deren jeweiliges Entgelt (auch Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2) gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als notwendig oder unrichtig hätte erkennen müssen. Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird.

Die Verjährung ist gehemmt, solange ein Verfahren in Verwaltungssachen bzw. vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes über das Bestehen der Pflichtversicherung oder die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen anhängig ist."

Demnach wäre die strittige Frage im Sinne der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei dahin zu beantworten, daß die Verjährung des Feststellungsrechtes mit Ablauf des 31. Dezember 1991 eingetreten ist, und wäre daher der angefochtene Bescheid nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet, wenn hinsichtlich aller betroffener Beiträge weder die fünfjährige Frist des dritten Satzes des § 68 Abs. 1 ASVG anzuwenden noch vor dem 1. Jänner 1992 ein Unterbrechungs- bzw. Hemmungsfall im Sinne der beiden letzten Sätze dieser Bestimmung vorgelegen wäre.

Einen Unterbrechungs- oder Hemmungsfall hat die belangte Behörde mit Recht nicht angenommen. Eine Hemmung scheidet mangels eines vor diesem Zeitpunkt eingeleiteten, auf die konkrete Verwaltungssache bezogenen Verfahrens im Sinne des § 68 Abs. 1 letzter Satz aus. Die Beitragsprüfung vom 25. und 26. April 1989 stellte aber - in bezug auf die Beitragspflicht für die strittigen Provisionen - auch keine zur Unterbrechung der Verjährung des diesbezüglichen Feststellungsrechtes geeignete Maßnahme im Sinne des § 68 Abs. 1 vorletzter Satz ASVG dar. Denn unter einer solchen Maßnahme ist jede nach außen hin in Erscheinung tretende und dem Beitragsschuldner zur Kenntnis gebrachte Tätigkeit des zuständigen Versicherungsträgers zu verstehen, die der rechtswirksamen Feststellung der Beitragsschuld dient (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 5. März 1991, Zl. 89/08/0147, und vom 16. April 1991, Zl. 89/08/0337). Die "Ausklammerung" der strittigen Provisionen von der Beitragsprüfung diente aber gerade nicht einer solchen Feststellung.

Hingegen ist die oben wiedergegebene Begründung der belangten Behörde für ihre Rechtsauffassung, es sei hinsichtlich aller betroffener Beiträge die zweijährige Verjährungsfrist anzuwenden, aus nachstehenden Gründen rechtsirrig:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 25. April 1985, Zl. 84/08/0133, vom 13. Juni 1989, Zl. 85/08/0064, vom 17. Dezember 1991, Zl. 90/08/0005, und vom 29. September 1992, Zl. 92/08/0154, mit weiteren Judikaturhinweisen) ist bei Beurteilung der Frage, ob ein Meldepflichtiger bei gehöriger Sorgfalt "Angaben bzw. Änderungsmeldungen" (im folgenden: Meldungen) als "notwendig" oder "unrichtig" hätte erkennen müssen, davon auszugehen, daß er sich alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse verschaffen muß und deren Mangel im Falle einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt zu vertreten hat.

Dem liegt nicht die Auffassung zugrunde, es treffe den Meldepflichtigen eine "verschuldensunabhängige Erfolgshaftung für die richtige Gesetzeskenntnis" (Mazal, Beitragsfeststellung und Verschulden, Ecolex 1994, 110); erforderlich ist vielmehr, wie dieser Autor in der Folge aus der Analyse der bezüglichen Entscheidungen selbst ableitet, eine - im folgenden näher zu umschreibende - Vorwerfbarkeit der Rechtsunkenntnis.

Mit der genannten Wendung soll nur zum Ausdruck gebracht werden, daß ein Meldepflichtiger, der nicht über die genannten Kenntnisse verfügt, nicht schon deshalb im Sinne des § 68 Abs. 1 dritter Satz ASVG exkulpiert ist, weil er sich mit der strittigen Frage ohnedies, wenn auch nur auf Grund seiner eingeschränkten Kenntnisse, auseinandergesetzt hat und dementsprechend vorgegangen ist (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 17. September 1991, Zlen. 91/08/0052-0054). Einen solchen Meldepflichtigen trifft vielmehr eine Erkundigungspflicht, sofern er seine - objektiv unrichtige - Rechtsauffassung nicht etwa auf höchstgerichtliche (und erst später geänderte) Rechtsprechung oder bei Fehlen einer solchen auf eine ständige Verwaltungsübung zu stützen vermag. Insbesondere wird ein solcher Meldepflichtiger gehalten sein, sich über die Vertretbarkeit seiner Rechtsauffassung bei der Behörde und/oder einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person oder Stelle Gewißheit zu verschaffen. Erhält er dann allerdings von ihr trotz ausführlicher Darlegung des maßgebenden Sachverhaltes eine ausdrückliche Auskunft in einer bestimmten Richtung und geht er danach vor, so liegt trotz einer objektiven Unrichtigkeit keine Sorgfaltspflichtverletzung vor (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 25. September 1990, Zl. 90/08/0060, und vom 29. September 1992, Zl. 92/08/0154). Das gilt konsequenterweise auch für den Fall, daß der Meldepflichtige selbst über die erforderlichen Kenntnisse verfügt, mit der Maßgabe, daß er selbst nach gewissenhafter Auseinandersetzung mit widersprechenden Auffassungen anhand von Rechtsprechung und Schrifttum zu einer zwar unrichtigen, aber doch vertretbaren Auffassung gelangt und danach vorgeht (so zutreffend Mazal, Ecolex 1994, 111). Der meldepflichtige Dienstgeber ist somit nur dann im Sinne des § 68 Abs. 1 dritter Satz ASVG entschuldigt, wenn er die ihm zumutbaren Schritte unternommen hat, sich in der Frage der Meldepflicht sachkundig zu machen, und die Unterlassung der Meldungen bzw. die Unrichtigkeit derselben auf das Ergebnis dieser Bemühungen ursächlich zurückzuführen ist. Dabei macht es keinen Unterschied, ob er sich auf eine ihm mitgeteilte Verwaltungspraxis der Gebietskrankenkasse, auf ständige hg. Rechtsprechung oder auf sonstige verläßliche Auskünfte sachkundiger Personen oder Institutionen zu stützen vermag (vgl. das schon mehrfach zitierte Erkenntnis vom 29. September 1992, Zl. 92/08/0154).

Diese Grundsätze über die Erkundigungs- bzw. Befassungspflicht beziehen sich aber nur auf Fallkonstellationen, in denen dem Meldepflichtigen nicht schon vor dem Zeitpunkt, zu dem die bezüglichen Meldungen zu erstatten waren bzw. erstattet wurden, von der zur Vollziehung der beitragsrechtlichen Normen des ASVG zuständigen Gebietskrankenkasse eine die Meldepflicht auslösende Rechtsauffassung mitgeteilt wurde. In diesem Fall geht das Risiko der Unterlassung einer Meldung bzw. der Erstattung einer unrichtigen Meldung im Sinne des dritten Satzes des § 68 Abs. 1 ASVG (bei einer wenn auch erst im späteren Beitragsverfahren bestätigten Richtigkeit dieser mitgeteilten Rechtsauffassung) zu Lasten des Meldepflichtigen, dem es freilich nach § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG freisteht, unverzüglich nach einer solchen Mitteilung von sich aus auf eine rasche Klärung der strittigen Frage im Beitragsverfahren zu dringen.

Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze ist im Beschwerdefall die Zeit vor der Mitteilung der Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin über die grundsätzliche Beitragspflicht der strittigen Provisionen durch ihren Prüfer am 25. oder 26. April 1989 und die Zeit ab diesem Zeitpunkt zu unterscheiden:

Jedenfalls für die ab diesem Zeitpunkt fällig gewordenen Beiträge betrug die Verjährungsfrist wegen der zufolge der genannten Mitteilung ausgelösten Verpflichtung zu einer Änderungsmeldung nach § 34 Abs. 1 ASVG oder zu Angaben nach § 34 Abs. 2 leg. cit. fünf Jahre. Daran änderte der Umstand, daß die Beschwerdeführerin die Beitragsprüfung hinsichtlich der strittigen Provisionen ausgeklammert hatte, nichts. Denn dies beruhte, wie die genannte Mitteilung über die Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin klar erweist, nicht auf einer "Unsicherheit" des Inhaltes, sie bezweifle selbst diese Rechtsauffassung, sondern, wie sie im Verfahren durchaus überzeugend dargelegt hat, auf verfahrensökonomischen Gründen. Die mitbeteiligte Partei traf daher diesbezüglich nicht nur, wie die belangte Behörde ausführt, eine "besondere Erkundigungspflicht", von der sie allerdings - ohne Rechtsgrundlage - meint, sie habe im Hinblick auf die bisher fehlende Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht nicht die Anwendung der fünfjährigen Verjährungsfrist für die Zukunft bewirkt; das Risiko einer Nichtmeldung bzw. unrichtigen Meldung wurde vielmehr schon durch die genannte Mitteilung anläßlich der Beitragsprüfung ausgelöst.

Für die bereits vor dieser Mitteilung fällig gewordenen Beiträge traten diese rechtlichen Konsequenzen aber nur ein, wenn noch nach diesem Zeitpunkt Meldungen im Sinne des § 34 Abs. 1 oder 2 ASVG zu erstatten gewesen sein sollten. Andernfalls ist - in Übereinstimmung mit der Auffassung der belangten Behörde - das Feststellungsrecht hinsichtlich dieser Beiträge mit Ablauf des 31. Dezember 1991 verjährt. Dies allerdings nicht allein deshalb, weil, wie die belangte Behörde in der Gegenschrift meint, von der Beschwerdeführerin vor der genannten Beitragsprüfung die Beitragsfreiheit der strittigen Provisioneen nie beanstandet worden und "somit eine ständige Verwaltungsübung" (im Sinne der obigen rechtlichen Grundsätze) vorgelegen sei, auf die die mitbeteiligte Partei habe vertrauen dürfen. Denn diese behauptet dazu in ihrer Stellungnahme vom 9. Juni 1993 sowie in ihrer Gegenschrift, daß "keine ständige Verwaltungsübung vorlag, nach der derartige Zahlungen der ASVG-Beitragspflicht zu unterstellen gewesen wären." Eine bloß fehlende Verwaltungsübung des genannten Inhalts enthebt den Meldepflichtigen aber - anders als das Bestehen einer positiven, tatsächlich von der zuständigen Gebietskrankenkasse gehandhabten und dem Meldepflichtigen bekannten Verwaltungsübung, solche Provisionen nicht der Beitragspflicht zu unterziehen - grundsätzlich nicht von der Erkundigungspflicht im obgenannten Sinn. Im Beschwerdefall bestand aber eine solche Verpflichtung dennoch nicht, weil sie nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nur ausgelöst wird, wenn der Meldepflichtige nach dem von ihm zu fordernden Grundwissen über beitrags- und melderechtliche Angelegenheiten zumindest Bedenken gegen die bzw. Zweifel an der Beitragsfreiheit gehabt haben mußte, diese Voraussetzung aber im Beschwerdefall nicht gegeben war. Denn nach diesem Grundwissen muß ein Meldepflichtiger zwar in Betracht ziehen, daß auch "Geld- und Sachbezüge", die ein Dienstnehmer "von einem Dritten erhält", zum Entgelt nach § 49 Abs. 1 ASVG gehören können; dies allerdings nur, wenn der Dienstnehmer darauf "aus dem Dienstverhältnis" Anspruch hat oder sie "Auf Grund des Dienstverhältnisses" erhält. Unter dem Gesichtspunkt des hienach geforderten Kausalzusammenhanges der Leistungen Dritter mit dem Dienstverhältnis unterschieden sich die im Beschwerdefall strittigen Provisionen aber von den ausdrücklich im Gesetz geregelten, zum Entgelt zählenden Leistungen Dritter (nämlich den Trinkgeldern nach § 44 Abs. 3 ASVG), aber auch von den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor dem Erkenntnis vom 17. September 1991 behandelten Fällen, auf die die Beschwerdeführerin verweist (vgl. die Erkenntnisse vom 17. Mai 1972, Zl. 2131/71, ZAS 1973, 146, mit Kommentar von Migsch, und vom 13. November 1975, Zl. 1068/73, ZAS 1977, 153, mit Kommentar von Krejci) dadurch, daß die betroffenen Dienstnehmer bei der Vermittlung und dem Abschluß der Verträge, für die sie diese Provisionen von Dritten erhielten, an sich und primär die Geschäfte des Dritten und (vordergründig) nicht jene der mitbeteiligten Partei als Dienstgeberin besorgten. Daß diese Leistungen Dritter dennoch - entsprechend den "diffizilen" rechtlichen Ableitungen des erforderlichen inneren Zusammenhanges mit dem Dienstverhältnis aus verschiedenen, ein "Leistungsinteresse" des Dienstgebers indizierenden Momenten im Erkenntnis vom 17. September 1991 - zum Entgelt zählten, mußte von der mitbeteiligten Partei nicht in Erwägung gezogen werden. Wenn die mitbeteiligte Partei daher solche Erwägungen nicht anstellte und keinen Anlaß für entsprechende Erkundigungen im obgenannten Sinn sah, ist ihr dies - unter Mitberücksichtigung der erwähnten "fehlenden" Verwaltungsübung - nicht zum Vorwurf zu machen und begründet es demnach kein, eine Verlängerung der Verjährungsfrist bewirkendes Verschulden im Sinne des § 68 Abs. 1 dritter Satz ASVG.

Da eine ziffernmäßige Trennung der nach den obigen Ausführungen verjährten von den unverjährten Beiträgen nicht möglich ist, war der angefochtene Bescheid im genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6Entgelt Begriff AnspruchslohnEntgelt Begriff BilanzgeldEntgelt Begriff Provision

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993080176.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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