TE Vwgh Erkenntnis 1991/12/17 90/08/0005

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Veröffentlicht am 17.12.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
60/03 Kollektives Arbeitsrecht;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ArbVG Art1;
ASVG §49 Abs3 Z1 idF 1986/111;
ASVG §49 Abs3 Z1 litc idF 1986/111;
ASVG §49 Abs3 Z1 litc;
ASVG §49 Abs3 Z1;
ASVG §49 Abs3 Z2;
ASVG §68 Abs1;
B-VG Art7;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des KN und der FN in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 5. Dezember 1989, Zl. SV-1162/1-1989, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei:

Oberösterreichische Gebietskrankenkasse in Linz, Gruberstraße 77), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 25. Oktober 1989 sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, daß die Beschwerdeführer Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG und als solche gemäß § 58 Abs. 2 leg. cit. verpflichtet seien, für die in der mitfolgenden Beitragsrechnung namentlich angeführten Versicherten und bezeichneten Zeiträume allgemeine Beiträge in Höhe von S 145.828,60 und Sonderbeiträge in Höhe von S 2.617,40 zu entrichten. Nach der Bescheidbegründung hätten unter anderem bestimmte in der Beitragsrechnung angeführte Versicherte ab Jänner 1986 eine Schmutzzulage in der Höhe von S 1.500,-- erhalten, die zur Gänze beitragsfrei behandelt worden sei. Nach § 49 Abs. 3 Z. 2 ASVG gälten Schmutzzulagen nur dann nicht als Entgelt im Sinn des § 49 Abs. 1 leg. cit., wenn sie auf Grund von Normen der kollektiven Rechtsgestaltung gezahlt würden, soweit sie nach § 68 Abs. 1 und 4 EStG 1972 (bis 31. Dezember 1988) und nach § 68 Abs. 1, 5 und 7 EStG 1988 (ab 1. Jänner 1989) nicht der Einkommensteuer(Lohnsteuer)pflicht unterlägen. Nach dem (für die betroffenen Dienstnehmer) geltenden Kollektivvertrag für die Sägeindustrie (§ 11 Sonderzulagen) erhielten Arbeitnehmer, die vorwiegend mit der Schmierung von Maschinen, Vorgelegen u.dgl. beschäftigt würden, eine Schmutzzulage von 10 % ihres Stundenlohnes während der Dauer dieser Arbeiten. Laut den Angaben der Beschwerdeführer betrage die wöchentliche Arbeitszeit der betroffenen Versicherten für die Abschmierarbeiten 10 Stunden (5-Tage-Woche). Somit seien 10 % des für diese Arbeitszeit gewährten Entgeltes als Schmutzzulage beitragsfrei. Die darüber hinaus gewährte Schmutzzulage sei Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG, für das Sozialversicherungsbeiträge nachzuverrechnen gewesen seien.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer insoweit Einspruch, als mit ihm bezüglich der (sechs näher angeführten Dienstnehmern gewährten) Schmutzzulagen allgemeine Beiträge nachverrechnet worden seien. Diese Arbeitnehmer seien im Nachverrechnungszeitraum (nach der Aktenlage in unterschiedlichen Zeiten innerhalb des Gesamtzeitraumes vom 1. Jänner 1986 bis 31. Juli 1989) im Hobelwerk der Beschwerdeführer beschäftigt gewesen. Im Rahmen dieser Verwendung seien sie vor allem bei Schleif- und Imprägnierarbeiten eingesetzt gewesen. Darüber hinaus hätten sie auch die Schmierung der vorhandenen Maschinen zu besorgen gehabt. Richtig sei, daß für die "Abschmierarbeiten" wöchentlich jeweils etwa 10 Stunden aufgewendet worden seien. Der restliche - überwiegende - Teil der Arbeitszeit sei jedoch auf den erstgenannten Tätigkeitsbereich entfallen. Das Schleifen von Schnittholz und Platten werde hauptsächlich maschinell durchgeführt. Beim Schleifen selbst sowie insbesondere auch beim regelmäßig notwendigen Entleeren der Staubsäcke komme es zu beträchlicher Staubentwicklung. Die Imprägnierarbeiten erfolgten vornehmlich an einem mit einem Imprägniermittel gefüllten Tauchbecken. Es liege auf der Hand, daß auch dabei vor allem die Bekleidung stark verunreinigt werde. Sämtliche angeführten Arbeitnehmer seien somit nicht nur bei "Abschmierarbeiten", sondern auch bei den übrigen Tätigkeiten erheblichen Verschmutzungen von Kleidung und Körperteilen ausgesetzt. Im Hinblick auf diese

- vergleichsweise stärkeren - Verschmutzungen sei auch bei Verrichtungen von Schleif- und Imprägnierarbeiten eine Schmutzzulage von 10 % des Istlohnes gewährt worden. Nach § 11 Abs. 2 des auf die Arbeitsverhältnisse anzuwendenden Kollektivvertrages für Arbeiter in der Sägeindustrie sei lediglich für die Dauer von Schmierarbeiten an Maschinen, vorgelegen u.dgl. eine Schmutzzulage von 10 % des Stundenlohnes vorgesehen. Ansonsten fehlten hingegen entsprechende kollektivvertragliche Regelungen. Die im bekämpften Bescheid vertretene Rechtsauffassung, nur die für Schmierarbeiten gezahlten Schmutzzulagen seien nicht als beitragspflichtiges Entgelt anzusehen, sei freilich dennoch unzutreffend. Aus dem Fehlen kollektivvertraglicher Regelungen könne nämlich nicht abgeleitet werden, der Kollektivvertrag habe sozusagen e contrario in allen übrigen denkbaren Fällen einen Anspruch auf Schmutzzulage ausschließen wollen. Der Kollektivvertrag habe damit vielmehr nur in einem Fall von allgemeiner Bedeutung für die gesamte Branche selbst eine Regelung treffen wollen. Sonstige denkbare Fälle hingegen seien wegen der unterschiedlichen betrieblichen Gegebenheiten bewußt offengelassen und (den konkreten Verhältnissen angepaßten) Vereinbarungen vorbehalten worden. Ob für andere außerordentlich verschmutzende Tätigkeiten innerbetrieblich vereinbarte Schmutzzulagen nach § 49 Abs. 3 Z. 2 ASVG beitragsfrei seien, sei daher nach § 49 Abs. 3 Z. 1 lit. c ASVG sowie § 68 EStG zu prüfen. Eine Schmutzzulage im Ausmaß von 10 % des Istlohnes sei als allgemein übliches kollektivvertragliches Anspruchsniveau anzusehen. Wenn der Kollektivvertrag selbst für Schmierarbeiten eine 10 %ige Zulage vorsehe, so wäre für die übrigen, stärker verschmutzenden Arbeiten auch eine höhere Schmutzzulage wohl noch angemessen. Jedenfalls erschiene es geradezu willkürlich, für stärker verschmutzende Arbeiten gewährte Schmutzzulagen der Beitragspflicht zu unterwerfen. Die Beschwerdeführer hätten sich diesbezüglich anläßlich der Erstellung der Lohnabrechnungen auch bei ihrem Steuerberater erkundigt, der ihnen ebenfalls bestätigt habe, daß die betreffenden Schmutzzulagen beitragsfrei seien. Selbst wenn daher die belangte Behörde die vorstehende Beurteilung nicht teilen sollte, könne von einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt im Sinne des § 68 Abs. 1 ASVG keinesfalls die Rede sein. Eine über zwei Jahre hinausgehende Nachverrechnung widerspreche daher der genannten Bestimmung, weil der Erkundigungspflicht ausreichend entsprochen worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. Begründend wird ausgeführt, daß Schmutzzulagen nur dann gemäß § 49 Abs. 3 Z. 2 ASVG beitragsfrei seien, wenn sie auf Grund von in § 49 Abs. 3 Z. 1 lit. a bis c angeführten Regelungen bezahlt würden. Lit. c dieser Bestimmung komme aber nur dann zur Anwendung, wenn Normen der kollektiven Rechtsgestaltung fehlten. Im vorliegenden Fall sehe der Kollektivvertrag aber eine Schmutzzulage vor, weshalb diese Bestimmung unanwendbar sei. Die für andere als die im Kollektivvertrag genannten Arbeiten gezahlten Schmutzzulagen seien daher beitragspflichtig. Zum Verjährungseinwand vertrete die belangte Behörde die Auffassung, daß sich die Beschwerdeführer in einer derartigen Frage an die zuständige Stelle, nämlich die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse, hätten wenden müssen. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung sei bei der Frage nach der "gehörigen Sorgfalt" davon auszugehen, daß sich ein Meldepflichtiger alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten notwendigen Kenntnisse verschaffen müsse und deren Mangel im Falle einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt zu vertreten habe. Dazu müsse festgestellt werden, daß der entsprechende Gesetzestext (§ 49 Abs. 3 Z. 1 lit. c ASVG) eindeutig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer halten der Auffassung der belangten Behörde, die strittigen Schmutzzulagen seien nicht auf Grund einer Rechtsquelle im Sinne des § 49 Abs. 3 Z. 1 lit. c ASVG gezahlt worden, entgegen, sie verkenne das Wesen des Kollektivvertrages, insbesondere kollektivvertraglicher Zulagenregelungen, und lege § 49 Abs. 3 Z. 2 ASVG in der bis 31. Dezember 1989 in Geltung stehenden Fassung unrichtig aus. Kollektivverträge regelten in ihrem normativen Teil typische, wesentliche oder regelmäßig wiederkehrende Inhalte der unterworfenen Arbeitsverhältnisse. Die Regelung sämtlicher dem Arbeitsvertrag entspringender Rechte und Pflichten im Kollektivvertrag sei nicht notwendig. So gesehen seien Kollektivverträge nur eine Auswahl der für Arbeitsverträge innerhalb einer Berufsgruppe charakteristischen Regelungsinhalte, aber keineswegs eine abschließende Darstellung aller in dieser Berufsgruppe regelungswürdigen Vertragsinhalte. Für eine Berufsgruppe atypische Arbeitsvertragsinhalte seien überhaupt nicht rechtsverbindlich regelbar. In solchen Fällen zwingend fehlende Kollektivverträge müßten durch Gruppenvereinbarungen jedenfalls ersetzbar sein. Diese Überlegung treffe besonders für kollektivvertragliche Zulagenordnungen zu. Nach der Verkehrsauffassung der beteiligten Kreise allgemein bedeutsame Fälle (Fallgruppen) würden zum Gegenstand der kollektiven Rechtsgestaltung gemacht, andere als weniger wichtig (z.B. weniger häufig vorkommend) angesehene Fälle blieben dagegen ungeregelt. Gleiches gelte für unregelbare Fälle (Fallgruppen). Hinsichtlich solcher ungeregelter oder unregelbarer Fälle (Fallgruppen) treffe das zu Unrecht verworfene Einspruchsargument, daß Normen der kollektiven Rechtsgestaltung fehlten, zu. Es erscheine falsch, diesfalls von über den Kollektivvertrag hinaus gewährten Schmutzzulagen zu sprechen, vielmehr liege "ein kollektivvertraglich nicht geregelter Fall einer sachlich gerechtfertigten Schmutzzulagengewährung für Arbeiter vor, die in erheblichem Maß zwangsläufig eine Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung bewirken". Der Gesetzgeber der 41. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 111/1986, habe sich im Lichte des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Juni 1984, VfSlg. 10.089, entschlossen, verschiedene Regelungsinstrumente, wie sie in § 49 Abs. 3 Z. 1 lit. a bis c ASVG angeführt seien, als für die Beitragsfreiheit maßgebliche Rechtsgrundlagen anzuführen. Damit habe das "Begünstigungsmonopol" des Kollektivvertrages durchbrochen und zumindest bei Fehlen einer Kollektivvertragsregelung auch die vergleichsweise angemessene "Gruppenvereinbarung" anerkannt werden sollen. Diese Erweiterung würde ihren Sinn verfehlen, wenn schon das Vorhandensein eines anwendbaren Kollektivvertrages (mit einer einzigen einschlägigen Regelung) die "Gruppenvereinbarung" irrelevant machte. Ohne begünstigende, d.h. beitragsbefreiende Wirkung von kollektivvertragsergänzenden Gruppenvereinbarungen käme dieses Regelungsinstrument letztlich nur im kollektivvertragsfreien Raum zum Tragen. Durch die beibehaltene Bindung auch an § 68 Abs. 1 und 4 EStG 1972 (sowie wohl auch an § 68 Abs. 2 erster Satz EStG 1972) und weiters vor allem durch die Bindung an die Vergütungssätze in Kollektivverträgen für vergleichbare Betriebe sei die Richtigkeitsgewähr solcher kollektivvertragsergänzender Gruppenvereinbarungen vollauf gegeben. Ein enges Verständnis des § 49 Abs. 3 Z. 1 lit. c in Verbindung mit § 49 Abs. 3 Z. 2 ASVG führe - zusammenfassend - demnach zur willkürlichen Ausgrenzung sachlich gleichwertiger Gruppenvereinbarungen. Ob im Beschwerdefall die Gruppenvereinbarung einen durch Kollektivvertrag unregelbaren oder einen schlicht kollektivvertraglich ungeregelten Gegenstand betreffe, könne dahingestellt bleiben.

Gemäß § 49 Abs. 3 Z. 2 ASVG in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung der 41. Novelle, BGBl. Nr. 111/1986 (und teilweise auch der 46. Novelle, BGBl. Nr. 749/1988) gelten die Schmutzzulagen, wenn sie auf Grund von in Z. 1 lit. a bis c angeführten Regelungen bezahlt werden, soweit sie nach § 68 Abs. 1 und 4 des Einkommensteuergesetzes 1972 (ab 1. Jänner 1989: nach § 68 Abs. 1, 5 und 7 des Einkommensteuergesetzes 1988) nicht der Einkommensteuer(Lohnsteuer)pflicht unterliegen, nicht als Entgelt im Sinne des Abs. 1 und 2.

Im Beschwerdefall ist - sachverhaltsbezogen - ausschließlich strittig, ob die von den Beschwerdeführern (an ihre im Nachverrechnungszeitraum im Hobelwerk beschäftigten sechs Arbeitnehmer) auch für Schleif- und Imprägnierarbeiten gewährten Schmutzzulagen

"aufgrund von Vereinbarungen, die bei Fehlen von Normen der kollektiven Rechtsgestaltung zwischen einem einzelnen Dienstgeber und allen Dienstnehmern oder Gruppen seiner Dienstnehmer abgeschlossen wurden und deren Höhe - unter sinngemäßer Anwendung des Abs. 4 zweiter Satz - die Vergütungssätze in Kollektivverträgen für vergleichbare Betriebe nicht überschreitet,"

gezahlt wurden.

Diese Frage hat die belangte Behörde zu Recht (schon) mit der Begründung verneint, daß die für eine Beitragsfreiheit auf Grund solcher Vereinbarungen erforderliche negative Tatbestandsvoraussetzung, nämlich das "Fehlen von Normen der kollektiven Rechtsgestaltung" im Hinblick auf das "Vorhandensein eines anwendbaren Kollektivvertrages" nicht vorgelegen sei.

Denn nach dem insofern völlig eindeutigen Wortlaut kann von einem solchen Fehlen zwar nicht erst dann gesprochen werden, wenn (bezogen auf die betroffenen Beschäftigungsverhältnisse) die Möglichkeit der Schaffung von Normen der kollektiven Rechtsgestaltung im Sinne des Art. I des ArbVG fehlt (auf solche Fallgestaltungen zielt freilich nach den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur 41. ASVG-Novelle, 774 BlgNR. XVI. GP, 25, wohl diese - in der vorgeschlagenen Fassung allerdings nicht Gesetz gewordene - Regierungsvorlage ab); es genügt vielmehr schon das tatsächliche Fehlen möglicher Regelungsinstrumente der kollektiven Rechtsgestaltung. Keinesfalls ist aber die Auslegung, die die Beschwerdeführerin der strittigen Wendung gibt, durch ihren Wortlaut gedeckt. Sie läuft nämlich letztlich darauf hinaus, diese Wendung um den Halbsatz "auf Grund derer die strittigen Entgeltteile gezahlt werden" zu ergänzen. Derartiges steht aber nicht im Gesetz. Es wäre auch überflüssig, weil § 49 Abs. 3 Z. 1 zweiter Satz lit. c ASVG auch ohne eine so zu lesende Wendung dieselbe Bedeutung hätte. Im Zweifel ist dem Gesetzgeber aber nicht zu unterstellen, eine überflüssige Regelung getroffen zu haben (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 23. März 1981, Slg. Nr. 10.402/A, und vom 26. November 1991, Zl. 90/08/0227).

Die vom Wortlaut der strittigen Wendung her nicht gedeckte Auslegung durch die Beschwerdeführer ist auch nicht deshalb geboten, weil ihrer Auffassung nach die von der 41. ASVG-Novelle bezweckte Erweiterung der für die Beitragsfreiheit maßgeblichen Rechtsgrundlagen ihren Sinn verfehlen würde, wenn schon das Vorhandensein eines anwendbaren Kollektivvertrages (mit einer einzigen einschlägigen Regelung) die "Gruppenvereinbarung" irrelevant machte, das Regelungsinstrument des § 49 Abs. 3 Z. 1 zweiter Satz lit. c ASVG letztlich nur im kollektivvertragsfreien Raum zum Tragen käme und demnach "ein enges Verständnis" der strittigen Wendung zur willkürlichen Ausgrenzung sachlich gleichwertiger Gruppenvereinbarungen führte. Denn die Abhängigmachung der Beitragsfreiheit von Entgeltteilen der im § 49 Abs. 3 Z. 1 zweiter Satz und § 49 Abs. 3 Z. 2 ASVG genannten Art, die auf Grund der in lit. c genannten Vereinbarungen gezahlt werden, vom Fehlen eines der im Art. I des ArbVG genannten Regelungsinstrumente (und nicht nur des Kollektivvertrages) und die darin sowie im letzten Halbsatz der strittigen Bestimmung zum Ausdruck kommende Bevorzugung dieser für das Arbeitsleben typischen Regelungsinstrumente erachtet der Verwaltungsgerichtshof unter Bedachtnahme auf die Ausführungen in dem in der Beschwerde zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Juni 1984, Slg. Nr. 10.089, das letztlich zur Neufassung von Teilen des § 49 ASVG führte, nicht als unsachliche (willkürliche) Orientierung an arbeitsrechtlichen Regelungen.

Da auch eine Unterstellung der strittigen Schmutzzulagen unter eine andere Ziffer des § 49 Abs. 3 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung nicht in Betracht kommt (vgl. dazu unter anderem die Erkenntnisse vom 14. April 1988, Zl. 87/08/0052, vom 25. Mai 1987, Zl. 86/08/0100, und vom 26. März 1987, Zl. 86/08/0175), ist die belangte Behörde mit Recht von der Beitragspflichtigkeit dieser Zulagen ausgegangen.

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin soll der angefochtene Bescheid aber auch für diesen Fall mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet sein, weil - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - im Beschwerdefall nicht die fünfjährige, sondern die zweijährige Verjährungsfrist des § 68 Abs. 1 ASVG zum Tragen komme. Die Rechtsmeinung der belangten Behörde, der "Erkundigungspflicht" hätte nur durch Befassung der zuständigen Stelle, nämlich der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, entsprochen werden können, die Auskunftseinholung "nur" beim Steuerberater entspreche hingegen nicht der von den Beschwerdeführern einzuhaltenden gehörigen Sorgfalt, widerspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 13. Juni 1989, Zl. 85/08/0064). Nach Auffassung der Beschwerdeführer hätten sie mit der Befassung des im übrigen nicht mit der Lohnabrechnung betrauten Steuerberaters die erforderliche Sorgfalt aufgewendet, gehöre doch die Vertretung in Beitragsangelegenheiten bei Sozialversicherungsträgern zu den gesetzlichen Befugnissen der Steuerberater (§ 33 Abs. 2 lit. d Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung).

§ 68 Abs. 1 ASVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der 34. Novelle, BGBl. Nr. 530/1979, lautet:

"Das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen verjährt binnen zwei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Hat der Dienstgeber Angaben über Versicherte bzw. über deren Entgelt nicht innerhalb der in Betracht kommenden Meldefristen gemacht, so beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Tage der Meldung zu laufen. Diese Verjährungsfrist der Feststellung verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn der Dienstgeber oder eine sonstige meldepflichtige Person (§ 36) keine oder unrichtige Angaben bzw. Änderungsmeldungen über die bei ihm beschäftigten Personen bzw. über deren jeweiliges Entgelt (auch Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2) gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als notwendig oder unrichtig hätte erkennen müssen. Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird."

Da die Beitragsprüfung durch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse nach der Begründung ihres Bescheides am 11. Juli 1989 begann und der Nachverrechnungszeitraum bezüglich der strittigen Schmutzzulagen zum Teil bereits Zeiten ab 1. Jänner 1986 umfaßt, ist - vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Beginn der Verjährungsfrist nach § 68 Abs. 1 ASVG (vgl. dazu vor allem das Erkenntnis vom 12. Februar 1987, Zl. 86/08/0105) - die Anwendung der zweijährigen oder der fünfjährigen Verjährungsfrist im Beschwerdefall von Bedeutung.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen einer Verlängerung der Verjährungsfrist auf fünf Jahre (vgl. außer dem von den Beschwerdeführern zitierten Erkenntnis vom 13. Juni 1989, Zl. 85/08/0064, die Erkenntnisse vom 22. November 1984, Zl. 83/08/0140, vom 14. April 1988, Zl. 87/08/0052, vom 25. September 1990, Zl. 90/08/0060, vom 22. Jänner 1991, Zl. 89/08/0279, und vom 17. September 1991, Zlen. 91/08/0052 bis 0054) ist davon auszugehen, daß sich ein Meldepflichtiger alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse verschaffen muß und deren Mangel im Falle einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt zu vertreten hat. Den Meldepflichtigen trifft somit eine Erkundigungspflicht, sofern er seine - objektiv unrichtige - Rechtsauffassung über die Beitragsfreiheit von Entgeltteilen im Zeitpunkt der Unterlassung der Meldung nicht etwa auf höchstgerichtliche (und erst später geänderte) Rechtsprechung oder bei Fehlen einer solchen auf eine ständige Verwaltungsübung zu stützen vermag. Insbesondere geht diese Erkundigungspflicht dahin, sich über die Vertretbarkeit seiner Rechtauffassung bei der Behörde und/oder einer zur berufungsmäßigen Parteienvertretung befugten Person oder Stelle Gewißheit zu verschaffen und sich bei dabei zu Tage tretenden widersprüchlichen Rechtsauffassungen mit Gewissenhaftigkeit mit dem Für und Wider eingehend auseinanderzusetzen.

Mit diesen Grundsätzen steht die Auffassung der belangten Behörde, die Beschwerdeführer hätten sich, um eine Sorgfaltspflichtverletzung zu vermeiden, an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse wenden müssen, (und - im Hinblick auf die Einspruchsbehauptungen - zu ergänzen: es habe die Erkundigung bei dem im Einspruch genannten Steuerberater nicht genügt), im Widerspruch. Dadurch, daß die belangte Behörde, ausgehend von der eben genannten unrichtigen Rechtsauffassung, diese Einspruchsbehauptung, bei deren Zutreffen die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. dazu näher das schon zitierte Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/08/0060), nicht geprüft hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid insoweit, als mit ihm außerhalb der zweijährigen Verjährungsfrist fällig gewordene Beiträge für die strittigen Schmutzzulagen vorgeschrieben wurden, mit inhalticher Rechtswidrigkeit.

Da eine ziffernmäßige Trennbarkeit der mit dem angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen allgemeinen Beiträge infolge Fehlens entsprechender Feststellungen nicht möglich ist (auf die mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vorgeschriebenen Sonderbeiträge bezieht sich der angefochtene Bescheid mangels einer diesbezüglichen Bekämpfung im Einspruch nicht), war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zur Gänze aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990080005.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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