TE OGH 2019/9/24 8ObA46/19a

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Veröffentlicht am 24.09.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. 

Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Dr. 

Stefula als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Bernhard Gruber und Wolfgang Jelinek in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** N*****, vertreten durch Dr. Bertram Grass und Mag. Christoph Dorner, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die beklagte Partei E***** GmbH & Co OG, *****, vertreten durch Thurnher Wittwer Pfefferkorn & Partner Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, wegen 100.242,69 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Mai 2019, GZ 15 Ra 10/19m-62, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO

zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Dem bei der Beklagten beschäftigte Kläger oblag die Leitung der Buchhaltung von drei Tochtergesellschaften der Beklagten. Alleinvertretungsbefugter Prokurist der Beklagten war bis 2012 Dipl.-Kfm. G*****, der von der Beklagten auch in den „Beirat“ einer der Tochtergesellschaften entsandt worden war. Für die Beiratstätigkeit vereinnahmte Dipl.-Kfm. G***** jährlich 6.012 EUR inklusive 20 % USt, wobei er weder Umsatz- noch Einkommenssteuer abführte. Der Kläger erklärte sich bereit, Dipl.-Kfm. G***** bei der Nichtoffenlegung seiner Zusatzeinnahmen zu unterstützen.

Sämtliche Überweisungsvorgänge wurden vom Kläger mittels Telebanking durchgeführt; eine Zahlung an Dipl.-Kfm. G***** war aus dem Buchungsvorgang nicht erkennbar. So schien die an Dipl.-Kfm. G***** im Jahr 2006 getätigte Überweisung in der Buchhaltung der Tochtergesellschaft nicht auf. In der Bilanz wurde eine Zahlung an die Beklagte erfasst, die tatsächlich nicht an diese, sondern an Dipl.-Kfm. G***** erging. Im Jahr 2008 erstellte der Kläger, um die Zusatzeinkunft des Dipl.-Kfm. G***** zu verbergen, zwei Rechnungen mit ein und derselben Rechnungsnummer, wovon eine Dipl.-Kfm. G***** als Rechnungsaussteller und dessen Bankverbindung, die andere den Briefkopf und die Bankverbindung der Beklagten aufwies. Der Kläger führte am 15. 9. 2008 die Überweisung von 6.012 EUR an Dipl.-Kfm. G***** durch, auf dessen Konto die Zahlung am 16. 9. 2008 einging. Noch am 15. oder 16. 9. 2008 nahm der Kläger in der Buchhaltung dahingehend eine Änderung vor, dass als Zahlungsempfänger die Beklagte an Stelle von Dipl.-Kfm. G***** aufschien. Die zweite Rechnung – jene, die als Rechnungssteller Dipl.-Kfm. G***** anführte – hatte der Kläger erstellt, um sich für den Fall, dass die Zahlung an Dipl.-Kfm. G***** nach Einsichtnahme in die Kontoauszüge hervorkommt, abzusichern.

Nachdem das Geschehen im Jahr 2013 hervorgekommen war, sprach die Beklagte die Entlassung des Klägers aus.

Rechtliche Beurteilung

1.1. Nach § 27 Z 1 letzter Fall AngG liegt ein wichtiger Grund, der den Dienstgeber zur vorzeitigen Entlassung berechtigt, vor, wenn der Angestellte sich einer Handlung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Dienstgebers unwürdig erscheinen lässt. Entscheidend ist, ob das Verhalten des Angestellten nach den gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Kreise, also nach objektiven Grundsätzen als so schwerwiegend angesehen werden muss, dass das Vertrauen des Arbeitgebers derart heftig erschüttert wird, dass ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht einmal mehr für die Dauer der Kündigungsfrist zugemutet werden kann (RIS-Justiz RS0029323 [T1, T2, T3, T10, T11]). Da dem leitenden Angestellten im Allgemeinen ein umfassenderer Einblick in die Betriebsstruktur und Geschäftsstruktur gewährt und ihm damit vom Arbeitgeber mehr anvertraut wird als einem Angestellten in untergeordneter Position, und dem Arbeitgeber aus dem allfälligen Fehlverhalten des leitenden Angestellten typischerweise auch schwerwiegendere nachteilige Konsequenzen entstehen können, sind an das Verhalten eines solchen insoweit strengere Anforderungen zu stellen (RS0029726 [T2, T5, T6]; vgl auch RS0029652; RS0029341).

1.2. Ob Vertrauensunwürdigkeit im genannten Sinn vorliegt, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0103201; RS0029323 [T6] ua) und stellt daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar, soweit nicht ein grober Auslegungsfehler aus dem Grund der Rechtssicherheit zu korrigieren ist (RS0103201 [T1]).

2. Der Oberste Gerichtshof sprach in 4 Ob 3/76 = RS0029652 [T9] aus, dass einem Lohnbuchhalter eine keineswegs untergeordnete Tätigkeit obliegt, sondern er eine Stellung bekleidet, die allgemein eine über das durchschnittliche Maß hinausgehende Vertrauenswürdigkeit voraussetzt. In der den Leiter einer Sparkasse, dem unter anderem die Nichtverbuchung von Haftungsübernahmen zur Last gelegt wurde, betreffenden Entscheidung 4 Ob 15/63 = Arb 7737 hielt der Oberste Gerichtshof fest, dass es unerheblich ist, warum sich der Sparkassenleiter hierzu verleiten ließ, und dass es seine Pflicht gewesen wäre, alle Geschäftsvorgänge ordnungsgemäß zu verbuchen. Die Entlassung wegen Vertrauensunwürdigkeit wurde vom Obersten Gerichtshof auch im Fall eines leitenden Angestellten bestätigt, der zur Hereinbringung seiner Forderungen gegen den Dienstgeber ihm unterstehende Angestellte veranlasste, unrichtige Zollerklärungen abzugeben, unrichtige Buchungsangaben zu machen oder Buchungen überhaupt zu unterlassen (4 Ob 65/69 = Arb 8653). Hingegen wurde im Fall eines Buchhalters, der zwar theoretische Buchhaltungskenntnisse hatte, aber noch keinerlei praktische Erfahrung, und der zwar viele Fehler machte, der Hauptgrund für die Fehlbuchungen aber in einer ungenügenden Einschulung in die betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten lag, die Vertrauensunwürdigkeit im Sinne des § 27 Z 1 AngG verneint (9 ObA 305/90).

3. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers handelte es sich ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichts nicht um ein (wie im Fall 9 ObA 305/90) irrtümliches oder versehentliches Fehlverhalten, sondern lag (wie in den Fällen 4 Ob 15/63 und 4 Ob 65/69) vielmehr ein bewusstes Vorgehen des Klägers mit dem Zweck der Verschleierung von bestimmten Zahlungen vor. Dem Leiter der Buchhaltung kommt regelmäßig eine ganz besondere Vertrauensposition zu, weil gerade unrichtige Darstellungen in der Buchhaltung für das betreffende Unternehmen gravierende Folgen nach sich ziehen können. Angesichts dessen ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Verschleierungshandlungen des Klägers betreffend die Zahlungen an Dipl.-Kfm. G***** würden die Entlassung des Klägers rechtfertigen, weil der Beklagten eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses auch nur für die Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen sei, jedenfalls vertretbar.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Textnummer

E126245

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:008OBA00046.19A.0924.000

Im RIS seit

09.10.2019

Zuletzt aktualisiert am

22.10.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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