TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/7 W278 2221726-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.08.2019
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Entscheidungsdatum

07.08.2019

Norm

BFA-VG §22a
BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76
FPG §76 Abs2 Z1
VwGVG §35

Spruch

W278 2221726-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Serbien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.07.2019, XXXX , sowie die Anhaltung in Schubhaft von 18.07.2019 bis 26.07.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG wird stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft von 18.07.2019 bis 26.07.2019 für rechtswidrig erklärt.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG iVm § 1 Z 1 VwG-AufwErsV dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste am 01.10.2017 über Ungarn nach Österreich ein, und wurde am 7.11.2018 von der Polizei betreten und aufgrund seines unrechtmäßigen Aufenthalts festgenommen. Im Zuge der Kontrolle, stellte der BF seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

2. Dieser Antrag auf internationalen Schutz wurde bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Serbien gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.) und dem BF gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel nicht erteilt (Spruchpunkt III), gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (IV) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß 46 FPG nach Serbien zulässig ist. (Spruchpunkt V) Sowie die aufschiebende Wirkung gem. § 18 Abs.1 BFA-VG (Spruchpunkt VI) aberkannt. Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde nicht gewährt und dem BF Unterkunftnahme aufgetragen (Spruchpunkt VIII)

3. Eine gegen diesen Bescheid rechtzeitig erhobene Beschwerde wurde vom BVwG am 25.01.2019 als unbegründet abgewiesen.

4. Am 07.07.2019 wurde über den BF die Untersuchungshaft wegen Verdacht nach § 269 StGB und § 125 StGB verhängt. Am 10.07.2019 wurde der BF gegen Kaution aus der Untersuchungshaft entlassen.

5. Am 11.07.2019 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt zum Gegenstand der Rückkehrentscheidung in Verbindung mit Einreiseverbot, Schubhaft und Abschiebung.

6. Am 12.07.2019 wurde der BF erneut in Untersuchungshaft genommen und am 18.07.2019 abermals gegen Kaution wieder entlassen.

7. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 18.07.2019, XXXX , ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme an. Begründend wurde unter Verweis auf § 67 FPG insbesondere ausgeführt, dass das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen müsse, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, wobei strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen könnten und vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen nicht zulässig seien. Der Beschwerdeführer sei massiv straffällig geworden und habe dadurch bewiesen, dass er eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Derzeit sei ein Strafverfahren anhängig, er zeige sich nicht bereit die österreichischen Gesetze zu befolgen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer durch persönliche Übernahme am 18.07.2019 zugestellt.

8. Gegen den oben genannten Bescheid sowie die Anhaltung in Schubhaft erhob der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Vertreter Beschwerde und brachte insbesondere unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, dass bei der zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen sei, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt sei. Dabei sei nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Die belangte Behörde begründe die tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit unrichtig damit, dass der BF straffällig geworden sei. Dies entspreche jedoch nicht den Tatsachen, da der BF noch unbescholten sei. Ebenso führe die belangte Behörde unkonkretisiert aus, dass er nicht bereit sei die die österreichischen Gesetze zu befolgen.

9. Am 26.07.2019, um 13.20 Uhr erfolgte die Anordnung zur Entlassung des BF aus der Schubhaft aufgrund der Verfügung eines gelinderen Mittels.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte in der Folge die Verwaltungsakten vor und gab dazu am 01.08.2019 beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme ab. In der Stellungnahme wurde ausgeführt, dass der BF nach seiner Entlassung aus der gerichtlichen Anhaltung mittels Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z. 3 BFA-VG vorgeführt und die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG angeordnet worden sei. Vor dem Hintergrund des § 40 Abs. 5 BFA-VG wäre mit Aktenvermerk durch den zuständigen Referenten die Schubhaft, auch ohne das Vorliegen einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt gewesen. Dieser Aktenvermerk sei jedoch nicht vorgenommen worden. Aus diesem Grund wurde der BF durch die Behörde gegen Anordnung eines gelinderen Mittels aus eigenem am 26.07.2019 aus der Schubhaft entlassen. Das Verfahren zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes sei noch beim BVwG anhängig, mit Eintritt der Durchführbarkeit wird die Außerlandesbringung veranlasst werden. Das Bundesamt beantragte unter anderem gleichlautend mit dem BF die Behebung des gegenständlichen Bescheides und auszusprechen, dass die Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig erfolgte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft:

1. Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger von Serbien. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Er war zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft Asylwerber in Österreich. Der faktische Abschiebeschutz wurde ihm im Verfahren über seinen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz in Österreich mit Bescheid des Bundesamts vom 24.07.2019 aberkannt und am 01.08.2019 durch Beschluss des BVwG Zl.: XXXX bestätigt.

2. Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der BF wurde von 08.07.2019 bis 10.07.2019 und von 12.07.2019 bis 18.07.2019 in Untersuchungshaft angehalten und jeweils gegen Erlegung einer Kaution wieder entlassen. Unter der AZ: XXXX erfolgte die Anklageerhebung gegen den BF wegen §§ 223 (2), 224 StGB § 15 StGB § 269 (1) 1. Fall StGB.

3. Der Beschwerdeführer wurde von 18.07.2019 bis 26.07.2019 in Schubhaft angehalten.

4. Am 26.07.2019 wurde der BF vom Bundesamt gegen Anordnung eines gelinderen Mittels aus der Schubhaft entlassen.

5. Anhaltspunkte dafür, dass durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der in Schubhaftname eine gegenwärtige, tatsächliche und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit besteht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, liegen nicht vor.

6. Der Beschwerdeführer hat in Österreich eine Lebensgefährtin, die ihm auch unentgeltlich eine Unterkunft zur Verfügung stellt. Seine 4 Kinder und der Rest seiner Familie leben in Serbien. Der Beschwerdeführer verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz in Österreich. Er geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, hat in Österreich kein Einkommen und verfügt über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen und lebt von der öffentlichen Hand.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Akten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, des Bundesverwaltungsgerichtes zur Zahl XXXX , sowie zur Zahl XXXX , in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungsinformationssystem und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft:

1. Die Feststellung, dass es sich bei dem Beschwerdeführer um einen volljährigen Staatsangehörigen aus Serbien handelt, basiert auf den eigenen Angaben des Beschwerdeführers und der Kopie seines Reisepasses im Akt. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer Asylwerber ist und die Aberkennung des faktische Abschiebeschutzes im Verfahren über seinen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz in Österreich mit Beschluss des BVwG vom 01.08.2019 bestätigt wurde, ergibt sich aus dem hg. Akt XXXX .

2. Die Feststellungen zu der strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergeben sich aus einem Auszug aus dem Strafregister. Die Feststellungen zu den beiden Anhaltungen in Untersuchungshaft und der jeweiligen Entlassung gegen Kaution ergeben sich aus dem ZMR sowie der im Akt einliegenden Entlassungsbestätigungen. Die Feststellung zur erfolgten Anklageerhebung erfolgte aufgrund einer schriftlichen, im Akt einliegenden Information des LG XXXX .

3. Dass der Beschwerdeführer 18.07.2019 bis 26.07.2019 in Schubhaft angehalten wurde, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres (BMI).

4. Dass der BF am 26.07.2019 vom Bundesamt gegen Anordnung eines gelinderen Mittels aus der Schubhaft entlassen wurde ergibt sich aus der im Akt einliegenden Entlassungsbestätigung, sowie aus der Anhaltedatei des BMI.

5. Die Feststellung, wonach keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers eine gegenwärtige, tatsächliche und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit besteht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, basiert auf folgenden Erwägungen:

Der Beschwerdeführer wurde aufgrund von Strafrechtsdelikten zweimal in Schubhaft genommen und jeweils wieder gegen Kaution entlassen. Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Im gegenständlichen Bescheid führte das Bundesamt nicht nachvollziehbar aus, warum dennoch vom BF eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht. Die strafrechtliche Unbescholtenheit und der Umstand, dass die zweimalige Entlassung aus der Untersuchungshaft gegen eine bestehende Fluchtgefahr sprechen, wurde vom Bundesamt nicht beweiswürdigend berücksichtigt. Vielmehr erfolgte die Aufhebung der Schubhaft durch das Bundesamt selbst, gegen die Auflage des gelinderen Mittels in Form einer täglichen Meldeverpflichtung am 26.07.2019. Es kann im gegenständlichen Fall in einer Gesamtbetrachtung daher nicht davon ausgegangen werden, dass durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers aktuell eine gegenwärtige (tatsächliche und erhebliche) Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, besteht.

6. Die Feststellungen zur Lebensgefährtin des Beschwerdeführers in Österreich und der Möglichkeit bei dieser unentgeltlich wohnen zu können, beruhen auf seinen diesbezüglichen Angaben und der mit der Beschwerde vorgelegten Bestätigung von Wiener Wohnen seiner Lebensgefährtin. Die Angaben zu seinen 4 Kindern und seiner Familie in Serbien ergeben sich aus seinen eigenen vor dem Bundesamt gemachten Angaben. Dass der Beschwerdeführer über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz in Österreich verfügt, ergibt aus dem Zentralen Melderegister. Die Feststellungen zu seiner Erwerbstätigkeit und seinen Vermögensverhältnissen ergeben sich aus seinen eigenen Angaben vor dem Bundesamt und einer GVS Anfrage.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A) - Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 FPG - Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, 2008/21/0647; 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, 2005/21/0301; 23.09.2010, 2009/21/0280).

3.1.3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, der Festnahme und der Anhaltung in Schubhaft von 18.07.2019 bis 26.07.2019:

§ 67 FPG lautet:

"§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise."

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 25.04.2014, 2014/21/0039; 12.09.2013, 2013/21/0101, jeweils mwN).

Im gegenständlichen Bescheid wurde die Gefährdung nach § 67 FPG ausschließlich mit "massiver Straffälligkeit in Bezug auf Gewalt- und Vermögensdelikte in Verbindung mit Mittellosigkeit, einem derzeit anhängigen Strafverfahren, sowie dem Nichtbereitzeigen die österreichischen Gesetze zu befolgen" begründet und nicht näher konkretisiert. In der Stellungnahme des Bundesamts wird ausgeführt, dass ein Aktenvermerk gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG zur Aufrechterhaltung der Festnahme - nach der neuerlichen Asylantragstellung - nicht erfolgt ist. Das Bundesamt kam selbst zu der Erkenntnis, dass die Schubhaft nach § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG nicht rechtmäßig ist und hob die Schubhaft gegen das gelindere Mittel der täglichen Meldeverpflichtung auf. Auch trat das Bundesamt der diesbezüglichen Argumentation der Beschwerde nicht entgegen. Vielmehr beantrage auch das Bundesamt die Aufhebung des gegenständlichen Bescheides und die Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig festzustellen. Im vorliegenden Fall ging das Bundesamt zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung somit zu Unrecht von einer gegenwärtig bestehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in der erforderlichen Intensität aus.

Eine derartige, aktuell bestehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ist im Fall des Beschwerdeführers im Verfahren sohin letztlich nicht hervorgekommen, weshalb die Anordnung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG über ihn nicht in Betracht kommt. Damit erweist sich die Anordnung der Schubhaft als rechtswidrig und ist der Beschwerde im Ergebnis stattzugeben.

An diesem Umstand kann auch die fehlende Vertrauenswürdigkeit und Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers nichts ändern. Die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit kann vielmehr nicht durch eine besonders ausgeprägte Fluchtgefahr kompensiert werden, weshalb auf diese Punkte im angefochtenen Bescheid nicht näher eingegangen werden musste.

Gleiches gilt für die Fragen der Haftfähigkeit und der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft, da diese die grundsätzliche Zulässigkeit der Anordnung der Schubhaft voraussetzen.

Durch die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erweist sich auch die auf diesen Bescheid gestützte Anhaltung als rechtswidrig.

3.2. Zu Spruchteil A) - Spruchpunkte II. und III. - Kostenersatz:

3.2.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

3.2.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

3.2.3. Sowohl der Beschwerdeführer als auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl haben einen übereinstimmenden Antrag auf Kostenersatz entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen gestellt.

Dem Beschwerdeführer gebührt als (vollständig) obsiegender Partei daher Kostenersatz im gesetzlich vorgesehenen Umfang.

§ 1 Z 1 VwG-AufwErsV bestimmt die Höhe des zu ersetzenden Schriftsatzaufwandes des Beschwerdeführers als obsiegende Partei mit EUR 737,60.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. In der Beschwerde finden sich auch keine substanziellen Hinweise auf einen sonstigen möglicherweise unvollständig ermittelten entscheidungsrelevanten Sachverhalt.

3.4. Zu Spruchteil B) - Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt überdies der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

gelinderes Mittel, Konkretisierung, Rechtswidrigkeit, Schubhaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W278.2221726.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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