TE OGH 2019/7/31 5Ob91/19x

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Veröffentlicht am 31.07.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. D*****, 2. D*****, ebenda, beide vertreten durch Dr. Walter Müller, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei C*****, vertreten durch Dr. Markus Kroner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 7.920,80 EUR sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 21. März 2019, GZ 22 R 41/19m-31, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 22. November 2018, GZ 13 C 1076/17v-26, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen deren mit 917,02 EUR (darin 152,84 EUR) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Kläger bezahlten dem Beklagten für die Miete seines Reihenhauses eine Kaution von 5.500 EUR, Miete und Betriebskostenakonto für April 2017 von 1.087 EUR und die Rechtsgeschäftsgebühr von 640,80 EUR. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr die Frage, ob die Kläger aufgrund diverser von ihnen behaupteter Mängel des Bestandobjekts zur vorzeitigen Auflösung des Mietvertrags gemäß § 1117 ABGB berechtigt waren und deshalb die Rückzahlung dieser Beträge fordern können.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision nachträglich zu.

Die – vom Beklagten beantwortete – Revision der Kläger ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

1. Das Berufungsgericht begründete die nachträgliche Zulassung der Revision damit, die Revisionswerber hätten ihm unterstellt, es sei bei der rechtlichen Beurteilung der Gefährlichkeit der elektrischen Anlage von ständiger Judikatur des Höchstgerichts zur Unbrauchbarkeit der Wohnung iSd § 1096 ABGB abgewichen, weil bereits die abstrakte Gefährdung die Vertragsauflösung nach § 1117 ABGB rechtfertige. Diese Begründung genügt den Anforderungen des § 508 Abs 3 ZPO nicht. Nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0111729) darf sich die nach dem Gesetz erforderliche Prüfung der Stichhältigkeit eines Abänderungsantrags gemäß § 508 Abs 1 ZPO nicht in einer Scheinbegründung erschöpfen, sodass sich das Berufungsgericht bei seiner Prüfung mit den Antragsargumenten sachlich – wenngleich kurz – auseinanderzusetzen hat. Es darf einem solchen Antrag nur stattgeben, wenn es ihn für stichhältig hält (RS0112166; RS0111729). Diese gebotene Auseinandersetzung mit der Argumentation der Revisionswerber – die weitgehend mit der im Berufungsverfahren übereinstimmt – lässt die Begründung des Zulassungsausspruchs vermissen. Insbesondere ist nicht klar, ob das Berufungsgericht selbst davon ausgeht, es sei von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Unbrauchbarkeit der Wohnung abgewichen. Worin konkret die erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO bestehen soll, ist der Begründung des Zulassungsausspruchs nicht ausreichend zu entnehmen und wird auch in der Revision nicht aufgezeigt.

2.1. Dass die vorzeitige Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses nur das „äußerste Notventil“ ist, sodass ein strenger Maßstab an die Qualität der für die Aufhebung des Bestandvertrags nach § 1117 ABGB notwendigen wichtigen Gründe anzulegen ist, entspricht der ständigen Rechtsprechung (RS0020861 [T4] = 8 Ob 89/16w = immolex 2017/53 [Neugebauer-Herl]; vgl auch RS0018813 [T3]). Der Bestandnehmer ist außerdem nur dann zur Vertragsauflösung berechtigt, wenn er aus Gründen, die nicht in seiner Sphäre liegen, vom Bestandobjekt nicht den bedungenen Gebrauch machen kann (RS0102015).

2.2. Die Brauchbarkeit einer Bestandsache iSd § 1096 ABGB hat sich nach dem Vertragszweck und der Verkehrssitte zu richten (RS0020926). Weder die Besorgnis, es könne in Zukunft ein Zustand entstehen, der die Bestandsache für den bedungenen Gebrauch untauglich mache (RS0020868), noch das Vorliegen unbedeutender und leicht behebbarer Mängel (RS0020861) vermag das Rücktrittsrecht des Bestandnehmers nach § 1117 ABGB zu begründen. Im Fall leicht behebbarer Mängel ist der Bestandnehmer nach gesicherter Judikatur verpflichtet, zunächst die Behebung unter Setzung einer angemessenen Frist zu verlangen, bevor er von seinem Aufhebungsrecht Gebrauch machen kann (RS0020854; 8 Ob 171/98z; für die Verneinung des Auflösungsrechts nach § 1117 ABGB bei einfacher und rascher Behebbarkeit selbst bei erheblichen Mängeln Lovrek in Rummel/Lukas4 § 1117 ABGB Rz 16; 6 Ob 719(720)/87 [unzureichende Wasserqualität]). Auch wenn die vom Mieter für die Vertragsauflösung herangezogenen gewichtigen Umstände nur insgesamt zur Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung führen (vgl 1 Ob 210/97g), ändert dies nichts an der Verpflichtung des Mieters, dem Vermieter behebbare Mängel zunächst anzuzeigen und ihn zur Beseitigung unter Setzung einer Nachfrist aufzufordern. Abweichendes ergibt sich auch aus 1 Ob 210/97g nicht.

2.3. Dass an sich eine Vertragsauflösung aufgrund der Kumulation mehrerer für sich genommen nicht so gravierender Mängel gerechtfertigt sein könnte, zog auch das Berufungsgericht nicht in Zweifel. Die behauptete Abweichung von höchstgerichtlicher Rechtsprechung ist nicht zu erkennen. Es ging davon aus, dass sich der Beklagte zur Schaffung eines weiteren Autoabstellplatzes gar nicht verpflichtete, die Mängel des Zählerkastens behoben wurden und die übrigen reklamierten Mängel – zu deren Verbesserung die Kläger den Beklagten nicht aufforderten – nur optischer Natur oder geringfügig waren. Soweit die Revisionswerber mit 18 Mängeln argumentieren, gehen sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus; insoweit ist die Rechtsrüge nicht gesetzesgemäß ausgeführt.

2.4. Aus der Entscheidung des erkennenden Senats 5 Ob 66/18v ist für die Kläger nichts zu gewinnen. Zwar befindet sich eine Wohnung nur dann in einem brauchbaren Zustand, wenn die vorgesehenen Energieanschlüsse gefahrfrei zu verwenden sind (5 Ob 66/18v; RS0069887). Selbst die Gefährlichkeit einer elektrischen Anlage, insbesondere als Folge des Fehlens einer Schutzleiterinstallation, hindert die Brauchbarkeit der Wohnung aber nur dann, wenn der Mangel nicht mit relativ einfachen Maßnahmen ohne größere Aufwendungen beseitigt werden kann (RS0070135 [T2, T5]). Bei der Elektroanlage ist darauf abzustellen, ob die Mangelhaftigkeit bei objektiver Betrachtung und vernünftigem Handeln des Mieters zu einer konkreten Gebrauchsbeeinträchtigung führt und eine objektive reale und unzumutbare Gefahr bewirkt (8 Ob 85/17h). Dabei ist Tatfrage, welche Gefahren mit der Bedienung einer konkreten elektrischen Anlage verbunden sind; nur die daraus gezogenen Schlussfolgerungen gehören zur rechtlichen Beurteilung (5 Ob 66/18v). Da die Frage der Brauchbarkeit grundsätzlich anhand der Umstände des Einzelfalls zu lösen ist, ist sie im Regelfall nicht erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0108260; 4 Ob 81/14m).

2.5. Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, aus den Feststellungen lasse sich eine Gefährlichkeit des Zählerkastens bei objektiver Betrachtung nicht erkennen, bildet keine aufzugreifende Fehlbeurteilung. Die Mangelhaftigkeit lag nur im Fehlen der Verblendung und der Beschriftungen der Stromkreise des außerhalb des Bestandobjekts gelegenen Zählerkasten, der an sich versperrt und auch für ein Kind nicht erreichbar war. Eine Berührung von stromführenden Leitungen wäre nur dann möglich gewesen, wenn man über und hinter die Sicherungen greift, was aus objektiver Sicht kein Verhalten eines vernünftigen Mieters ist. Die zu 5 Ob 66/18v angestellten Überlegungen zu einer Umkehrung der Beweislast im Fall der Verletzung des § 7a ETV 2010 sind nicht einschlägig, weil das Bestandverhältnis hier – im Gegensatz zu dem dort entschiedenen Fall – nicht dem Vollanwendungsbereich des MRG unterlag. Dass der Beklagte den Zustand des Zählerkastens lediglich 13 Tage, nachdem die Kläger ihn bemerkt hatten, beheben ließ, sei ergänzend bemerkt.

3. Damit war die ordentliche Revision zurückzuweisen.

4. Gemäß §§ 41, 50 ZPO haben die Kläger den Beklagten die tarifgemäß verzeichneten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen, in der er auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.

Textnummer

E125873

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00091.19X.0731.000

Im RIS seit

26.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

20.08.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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