TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/9 W112 2110773-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.05.2019
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Entscheidungsdatum

09.05.2019

Norm

BFA-VG §22a
BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art.133 Abs4
Dublin III-VO Art.28
FPG §76
FPG §76 Abs2a Z1
FPG-DV §9a
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §35

Spruch

W112 2110773-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA NIGERIA, vertreten durch die XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. 1060944903-150851232, und die Anhaltung in Schubhaft bis XXXX zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2a Z 1 FPG iVm § 9a Abs. 4 FPG-DV stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft von XXXX bis XXXX für rechtswidrig erklärt.

II. Der Antrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

III. Gemäß § 35 VwGVG iVm Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Befreiung von der Eingabengebühr wird zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 12.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, in dem er angab, NIGERIANISCHER Staatsangehöriger zu sein und gut ENGLISCH zu sprechen. Er sei ledig, habe keine Bezugspersonen in Österreich, ein Mobiltelefon, aber keine Telefonnummer, keine Dokumente und keine finanziellen Mittel. Er sei gesund und habe NIGERIA im XXXX 2012 verlassen. FÜNF MONATE später sei er von XXXX nach XXXX gereist, DREI WEITERE MONATE später sei er mit dem Boot nach XXXX übergesetzt, wo er registriert worden sei. Den Asylantrag habe er in XXXX gestellt, dieser sei nach ca. EINEM Jahr abgewiesen und der Beschwerdeführer ausgewiesen worden. Daraufhin habe er das Flüchtlingslager verlassen müssen. Dann sei er mit dem Zug nach Österreich gefahren.

Am 01.06.2015 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) einvernommen.

Mit Bescheid vom 02.06.2015, dem Beschwerdeführer zugestellt am 03.06.2015, wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 zurück, stellte fest, dass ITALIEN zur Prüfung des Asylantrags zuständig und die Abschiebung des Beschwerdeführers nach ITALIEN zulässig ist und erließ gegen den Beschwerdeführer eine Anordnung der Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, die am 19.06.2015 hg. einlangte. Das Bundesverwaltungsgericht erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zu.

2. Der Beschwerdeführer wurde am XXXX festgenommen und ins Polizeianhaltezentrum XXXX überstellt. Das Bundesamt vernahm ihn am selben Tag niederschriftlich ein. Dabei gab der Beschwerdeführer an, am 12.04.2015 mit dem Zug aus ITALIEN gekommen zu sein. ITALIEN lasse ihn nicht arbeiten und gebe ihm keine Papiere. Er sei nach Österreich gekommen, um ein Dokument und die Erlaubnis zu arbeiten zu bekommen. Er wisse, dass sein Antrag auf internationalen Schutz in Österreich abgewiesen worden sei. Er sei ledig und habe keine Kinder. Seine Familie lebe nicht mehr, früher habe sie in NIGERIA gelebt.

Mit Bescheid vom XXXX , zugestellt durch persönliche Übernahme am selben Tag, verhängte das Bundesamt über den Beschwerdeführer gemäß Art. 28 Dublin-III-VO iVm § 76 Abs. 2a Z 1 FPG iVm § 9a Abs. 4 FPG-DV und § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung und erkannte einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer nicht österreichischer Staatsbürger und NIGERIANISCHER Staatsangehöriger sei. Sein Asylantrag sei zurückgewiesen worden, weil ITALIEN zur Prüfung seines Antrags zuständig sei. Gegen den Beschwerdeführer sei eine durchführbare Anordnung der Außerlandesbringung erlassen worden. Der Beschwerdeführer halte sich unrechtmäßig in Österreich auf und scheine an diesem illegalen Aufenthalt festhalten zu wollen. Er halte sich sohin in Österreich im Verborgenen auf und habe durch das Unterlassen einer Meldung wissentlich Vorkehrung getroffen, um sich einem behördlichen Zugriff für möglichst lange Zeit zu entziehen. Derzeit sei er in Österreich ohne Meldung aufhältig. Er verfüge über keine Barmittel, sei in keinster Weise integriert und verfüge über keinerlei familiäre oder sonstige soziale Bindungen im Bundesgebiet. Auf Grund der Ergebnisse der EURODAC-Abfrage habe festgestellt werden müssen, dass er bereits in ITALIEN einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht habe. Im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts reise der Beschwerdeführer gleich einem "Asyltouristen" durch die Staaten der Europäischen Union. Von einer Integration des Beschwerdeführers in Österreich könne auf Grund der relativ kurzen Gesamtaufenthaltsdauer nicht ausgegangen werden.

Auch wenn kurzfristig mangels Anführung der Gründe für die Annahme von Fluchtgefahr iSd § 76 FPG die Inschubhaftnahme in Zusammenhang mit der Dublin III-VO nicht möglich gewesen sei, seien durch die sachlich zuständige Bundesministerin für Inneres durch die Novelle der FPG-DV nun allgemeine Gründe vorgeschrieben, die explizit das Vorhandensein von Fluchtgefahr iSd § 76 FPG implizierten. Fluchtgefahr sei gegeben, wenn anzunehmen sei, dass ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig sei und der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt oder falsche Angaben hierüber gemacht habe. Dies alles treffe auf den Fall des Beschwerdeführers zu, da auf Grund der Aktenlage gesichert sei, dass er bereits in mehreren Mitgliedstaaten einen Asylantrag gestellt habe. Im Falle eines bekannten Aufenthaltsortes hätte auch unter größtmöglicher Schonung seiner persönlichen Freiheit mittels Festnahmeauftrages die Außerlandesbringung effektuiert werden können. Die Sicherung des Verfahrens sei notwendig, weil sich der Beschwerdeführer auf Grund seines Vorverhaltens nicht als vertrauenswürdig erwiesen habe. Es sei davon auszugehen, dass er auch hinkünftig nicht gewillt sein werde, die Rechtsvorschriften einzuhalten. Auf Grund seiner Wohn- und Familiensituation, seiner fehlenden sozialen Verankerung in Österreich sowie auf Grund seines bisherigen Verhaltens könne geschlossen werden, dass bezüglich seiner Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens bestehe.

Die Überstellungsunterlagen liegen bald auf, die Überstellung selbst könne innerhalb von wenigen Arbeitstagen erfolgen. Sofern sich der Beschwerdeführer seiner Überstellung nicht widersetze, werde die Frist von sechs Wochen nicht überschritten werden.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergebe daher im Fall des Beschwerdeführers, dass sein privates Interesse an der Schonung seiner persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen habe. Dabei sei auch berücksichtigt worden, dass die Schubhaft eine ultima-ratio-Maßnahme darstelle. Es sei daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei komme auf Grund der finanziellen Situation des Beschwerdeführers die finanzielle Sicherheitsleistung schon von vornherein nicht in Betracht. Der Beschwerdeführer verfüge nicht über die erforderlichen Geldmittel, um auch nur seine primären Lebensbedürfnisse decken zu können. Im Falle des Beschwerdeführers bestehe auf Grund seiner persönlichen Lebenssituation sowie auf Grund seines bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre aber der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung der Abschiebung vereitelt. Es liege somit eine ultima-ratio-Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordere und eine Verfahrensführung, während sich der Beschwerdeführer in Freiheit befinde, ausschließe.

Es sei auf Grund des Gesundheitszustands des Beschwerdeführers davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen wie seine Haftfähigkeit gegeben sei. Gegenteiliges habe der Beschwerdeführer auch nicht behauptet.

Die belangte Behörde gelange daher zu dem Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis stehe und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten sei. Auf Grund seines Vorverhaltens komme die Behörde zum Schluss, dass das Interesse der Allgemeinheit an seiner gesicherten Außerlandesbringung das Interesse des Beschwerdeführers an seiner persönlichen Freiheit überwiege. Es sei daher einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen.

Mit Verfahrensanordnung vom XXXX , dem Beschwerdeführer zugestellt durch persönliche Übernahme am selben Tag, gab das Bundesamt dem Beschwerdeführer seinen nunmehriger gewillkürter Vertreter als Rechtsberater bei.

3. Am 15.07.2015 teilte das Dublinbüro der Erstaufnahmestelle mit, dass die Dublinunterlagen bereits an das Polizeianhaltezentrum XXXX übermittelt worden und die Abschiebung nach ITALIEN für den XXXX organisiert worden sei.

4. Mit Schriftsatz vom 16.07.2015, eingebracht beim Bundesamt und beim Bundesverwaltungsgericht am 17.07.2015, erhob der Beschwerdeführer vertreten durch seinen Rechtsberater gegen den Bescheid, mit dem die Schubhaft verhängt wurde, sowie gegen die fortdauernde Anhaltung in Schubhaft seit XXXX im vollen Umfang Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Begründend führt die Beschwerde u.a. aus, dass § 9a Abs. 4 FPG-DV über den in § 76 FPG vorbestimmten Rahmen hinausgehe und daher gesetzwidrig sei: In § 76 FPG werden die Begriffe "Fluchtgefahr" und "Sicherungsbedarf" nicht genannt. Der Begriff "Sicherungsbedarf" komme in § 76 Abs. 1 FPG nicht vor, er lasse sich nur aus den Formulierungen der Abs. 1, 2 und 2a ableiten und sei in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebräuchlich. Sohin lasse sich zwar möglicherweise das Tatbestandselement "Sicherungsbedarf" aus § 76 FPG ableiten, aber keine nähere Determinierung betreffend seines Vorliegens. Der Begriff "Fluchtgefahr" bilde kein Tatbestandselement des § 76 FPG, weshalb er nicht durch Gesetz vorherbestimmt sei. Gemäß Art. 18 B-VG müsse der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber aber gewisse Grundentscheidungen vorgeben, wenn für einen Regelungsgegenstand der Sache nach gänzlich verschiedene Regelungsmodelle in Frage kommen. Die Tatbestände des § 9a Abs. 4 FPG-DV überschneiden sich teilweise mit den einzelnen Schubhafttatbeständen des § 76 FPG und widersprechen den Grundentscheidungen des § 76 FPG. Der Wortlaut des § 9a Abs. 4 FPG-DV beziehe sich lediglich auf Fremde. Die Unterscheidung zwischen Fremden und Asylwerbern sei dem Schubhaftregime des § 76 FPG aber immanent; bei der Anordnung von Schubhaft sei zwischen den einzelnen Tatbeständen des § 76 FPG zu unterscheiden, die zum einen auf Fremde und zum anderen auf Asylwerber anzuwenden seien. Daher ergebe sich bei systematischer Interpretation, dass sich § 9 Abs. 4 FPG-DV nur auf § 76 Abs. 1 und Abs. 2 1. Fall FPG beziehen könne. § 9a Abs. 4 Z 4 bis 8 FPG können aber nur auf Asylwerber Anwendung finden, obschon sich § 9a Abs. 4 FPG-DV auf Fremde und gerade nicht auf Asylwerber beiziehe. Daher breche § 9a Abs. 4 FPG-DV in gesetzwidriger Weise mit der Systematik des Schubhaftregimes des § 76 FPG. Es dürfe insgesamt nicht verkannt werden, dass hinsichtlich der Ausgestaltung von Schubhafttatbeständen unterschiedliche Regelungsmodelle in Frage kämen, weshalb derart zentrale Tatbestandselemente wie "Sicherungsbedarf" oder die Definition von "Fluchtgefahr" durch den Gesetzgeber zu bestimmen seien. Daher sei § 9a Abs. 4 FPG-DV im Lichte der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gesetzwidrig.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes handle es sich beim Unionsrecht ausdrücklich um keine geeignete Rechtsgrundlage iSd Art. 18 Abs. 2 B-VG. Daher könne auch die Bestimmung des Art. 2 lit. n Dublin-III-VO nicht als gesetzliche Grundlage für die Erlassung des § 9a Abs. 4 FPG-DV hinsichtlich der Definition von Fluchtgefahr herangezogen werden.

Dem Erfordernis des Art. 2 lit. n Dublin-III-VO, "objektive gesetzliche Kriterien" festzulegen, werde mit der Festlegung per Verordnung durch die Bundesministerin für Inneres, einem Verwaltungsorgan, nicht Genüge getan, weil der - autonom auszulegende - Begriff "gesetzlich" zweifellos auf die Regelung durch ein Gesetzgebungsorgan abstelle. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom 19.02.2015, Ro 2014/21/0075, ausgesprochen, dass die Bestimmungen des § 76 Abs. 1 und Abs. 2 Z 2 und 4 FPG "für sich betrachtet keine - gesetzlich festgelegten - objektiven Kriterien für die Annahme von (erheblicher) Fluchtgefahr iSd Dublin-III-VO enthalten und somit den Vorgaben der Dublin-III-VO nicht entsprechen." Schubhaft gegen Fremde, die sich in einem Verfahren nach der Dublin-III-VO befinden, komme so lange nicht in Betracht, so lange die Voraussetzungen des Vorliegens von erheblicher Fluchtgefahr nicht objektiv gesetzlich festgelegt seien. Ein Rückgriff auf Kriterien, die der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Judikatur zur Bestimmung für die Annahme von Fluchtgefahr in § 76 FPG vorgezeichnet habe, reiche nicht aus, um den Vorgaben der Dublin-III-VO zu entsprechen. Da das Tatbestandsmerkmal der Fluchtgefahr in § 76 FPG nicht selbst vorgezeichnet sei, erfolge auch die diesbezügliche Normierung in § 9a Abs. 4 FPG-DV in gesetzwidriger Weise. Dass zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorschriften, die einer mitgliedstaatlichen Konkretisierung zugänglich seien, nach dem Konzept des Art. 18 Abs. 2 B-VG nicht der Verordnungsgeber sondern der Gesetzgeber berufen sei, müsse a minori ad maius erst recht gelten, wenn unionsrechtliche Vorschriften einer mitgliedstaatlichen Konkretisierung nicht nur zugänglich seien, sondern eine gesetzliche Konkretisierung sogar verpflichtend vorschrieben sei, wie dies bei Art. 28 Abs. 2 iVm Art. 2 lit. n Dublin-III-VO der Fall sei. Die Umsetzung unionsrechtlicher Normen durch Verordnungen von Verwaltungsbehörden gemäß Art. 18 Abs. 2 B-VG komme jedenfalls nur dann in Betracht, wenn es für die Verordnung erstens eine hinlänglich bestimmte gesetzliche Grundlage gebe und zweitens die die Verordnung erlassende Behörde im Rahmen der "doppelten Bindung" sowohl verfassungs- wie unionsrechtlichen Erfordernissen entspreche.

§ 76 FPG idgF stelle sohin, im Lichte der angeführten höchstgerichtlichen Rechtsprechung keine ausreichend bestimmte gesetzliche Grundlage dar, zumal der Bundesministerin für Inneres als Organ der Verwaltung keine entsprechende Kompetenz zukomme. Die Bestimmung des § 9a Abs. 4 FPG-DV verletze somit das aus Art. 18 Abs. 2 B-VG erfließende Legalitätsprinzip und sei als gesetz- und verfassungswidrig aufzuheben.

Gemäß Art. 1 Abs. 2 und 3 PersFrBVG könne einer Person nur "auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise" die Freiheit entzogen werden. Durch die detaillierte Ausgestaltung des Gesetzesvorbehalts unterstreiche die Verfassung die besondere Handlungsverantwortung der demokratischen Legislative und schränke ihren Gestaltungsspielraum stärker ein als bei den zweck- und wertorientierten Vorbehalten anderer Grundrechte. Daher habe der Gesetzgeber materielle Voraussetzungen des Freiheitsentzuges durch ein Gesetz im formellen Sinn oder durch eine auf Grund eines inhaltlich determinierten formellen Gesetzes ergangene Rechtsvorschrift zu bestimmen. Sowohl das PersFrBVG als auch Art. 5 EMRK und Art. 6 GRC brächten die Konkretisierungspflicht der Legislative mehrfach zum Ausdruck. Einschränkungen des Grundrechts der persönlichen Freiheit anzuordnen sei daher nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ausschließlich Sache des Gesetzgebers und nicht der Behörden.

Daher werde angeregt, dass das Bundesverwaltungsgericht beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung des § 9a Abs. 4 FPG-DV gemäß Art. 89 Abs. 2 iVm Art. 135 Abs. 4 B-VG stellen möge.

Zudem sei der Spruch des angefochtenen Bescheides mangelhaft, weil er den konkreten Tatbestand des § 9a Abs. 4 Z 1 bis 9 FPG-DV, auf den sich die Schubhaftverhängung stütze, nicht im Spruch des angefochtenen Bescheides finde; er verletze § 59 Abs. 1 AVG. Dadurch sei die bisherige Anhaltung des Beschwerdeführers nicht auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise iSd Art. 1 Abs. 2 PersFrBVG erfolgt. Daher möge das Bundesverwaltungsgericht feststellen, dass die Anordnung der Schubhaft den Beschwerdeführer in seinem Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit verletze.

Weiters verstoße die vom Verfassungsgerichtshof durch die Aufhebung des § 22a Abs. 1 und 2 BFA-VG mit Erkenntnis vom 12.03.2015, G 151/2014 ua, geschaffene Rechtslage auf Grund der im Prüfungsbeschluss 26.06.2014, E 4/2014, dargelegten Argumente gegen Art. 18 B-VG. Der Bundeskanzler habe das Erkenntnis vom 12.03.2015 am 14.04.2015 im Bundesgesetzblatt kundgemacht, eine "Reperaturfrist" habe der Verwaltungsgerichtshof nicht vorgesehen. Im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung sei § 22a BFA-VG nicht mehr anzuwenden gewesen. § 7 BFA-VG sei nunmehr präjudiziell und bedenklich: Durch die Aufhebung des § 22a Abs. 1 und 2 BFA-VG habe ein mehrgleisiges System des Rechtsschutzes gegen Festnahme, Anordnung von Schubhaft und Anhaltung in Schubhaft bestanden. Dies sei aus der Sicht des Rechtsschutzsuchenden nachteilig gewesen. Eine einfachgesetzliche Ausgestaltung von Verhaltensbeschwerden habe gefehlt. Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen betreffend Einbringung, Beschwerdefrist und Kosten sei bei Maßnahmen- und Bescheidbeschwerden unterschiedlich gewesen. Dies habe gravierende Rechtsunsicherheit geschaffen. Diese Rechtsunsicherheiten habe der Gesetzgeber durch die Schaffung der Schubhaftbeschwerde hintanhalten wollen. Die Mehrgleisigkeit habe mit der damit verbundenen Lückenhaftigkeit des Rechtsschutzes dazu geführt, dass die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des FRÄG 2015 mit Art. 18 iVm Art. 83 Abs. 2 B-VG und Art. 6 PersFrBVG verfassungswidrig erschienen sei. Nach der Aufhebung des § 22a Abs. 1 und 2 BFA-VG habe es ein in die Verfassungssphäre reichende Rechtsschutzlücke hinsichtlich der Anhaltung von Fremden in Schubhaft gegeben, weil gegen die Anhaltung kein Rechtsmittel vorgesehen gewesen sei. Es handle sich bei der Anhaltung um schlichte Hoheitsverwaltung. Eine Verhaltensbeschwerde iSd Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG sei nach der Aufhebung des Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG nicht vorgesehen gewesen. Während der Anhaltung treffen das Bundesamt Pflichten, die ebenfalls Akte der schlichten Hoheitsverwaltung seien, insb. die Pflicht, die Schubhaft so kurz wie möglich zu halten, sich wie im gegenständlichen Fall ehestmöglich um die Ausstellung eines allenfalls für die Durchführung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendigen Heimreisezertifikates zu bemühen und die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung alle vier Wochen zu überprüfen. Die Einhaltung dieser Verpflichtungen habe wegen des Wegfalls des § 22a BFA-VG nicht mehr bekämpft werden können. Während der fortdauernden Anhaltung in Schubhaft oder nach der Enthaftung habe der Beschwerdeführer nach Ablauf der 14tägigen Frist zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde kein Rechtsmittel mehr zur Verfügung gehabt, um behördliche Maßnahmen der schlichten Hoheitsverwaltung zu bekämpfen. Das Schubhaftbeschwerderegime sei nach der Aufhebung des § 22a Abs. 1 und 2 BFA-VG durch den Verfassungsgerichtshof derart lückenhaft und aus Sicht der Rechtsschutzsuchenden unklar gewesen, dass es den aus Art. 5 Abs. 4 EMRK sowie Art. 6 Abs. 1 PersFrBVG erfließenden Anforderungen an ein umfassendes System der Haftprüfung nicht genügt habe. Durch die Aufhebung des § 22a Abs. 1 und 2 BFA-VG habe sich die Verhängung der Schubhaft und die Anhaltung in Schubhaft auf Grund des BFA-VG mangels ausreichenden verfassungsrechtlichen Rechtsschutzes iSd Art. 5 Abs. 4 EMRK sowie Art. 6 Abs. 1 PersFrBVG als unzulässig und rechtswidrig erwiesen. Daher möge das Bundesverwaltungsgericht feststellen, dass die Anhaltung des Beschwerdeführers in grundrechtswidriger Weise erfolgt sei. Überdies werde zu dieser Frage die Zulassung der Revision beantragt, weil es sich bei der Frage nach dem Umfang des Rechtsschutzes gegen die Festnahme, die Anordnung von Schubhaft und die Anhaltung in Schubhaft um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung handle, zu der bis dato keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.

Durch die Aufhebung des § 22a Abs. 2 BFA-VG sei das Bundesverwaltungsgericht entgegen Art. 6 Abs. 1 PersFrBVG nicht mehr verpflichtet gewesen, bei fortdauernder Anhaltung des Beschwerdeführers binnen einer Woche über die Fortsetzung der Schubhaft zu entscheiden. Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft verletze diesen daher auch in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf gerichtliche Überprüfung der Haft gemäß Art. 6 Abs. 1 PersFrBVG.

Weiters führte die Beschwerde aus, die Verhängung der Schubhaft über den Beschwerdeführer sei unverhältnismäßig, aus dem bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers könne nicht auf eine erhebliche Fluchtgefahr geschlossen werden. Er habe von sich aus Österreich verlassen, sei aber zurückgekehrt, weil er noch einige Habseligkeiten in Österreich gehabt habe und sich beim Verein XXXX nach dem Verfahrensstand erkundigen habe wollen. Er habe vorgehabt, selbständig nach ITALIEN zurückzukehren, sei aber zuvor von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen worden. Die Bescheidbegründung bestehe zu einem großen Teil aus Textbausteinen, die belangte Behörde habe sich nicht mit der konkreten Situation des Beschwerdeführers auseinandergesetzt. Er habe lediglich in zwei Mitgliedsstaaten der Europäischen Union - Österreich und ITALIEN - Anträge auf internationalen Schutz gestellt. Umstände, die ein Untertauchen des Beschwerdeführers in erhöhtem Maße befürchten lassen, seien nicht ersichtlich. Dass er über keine Barmittel und weder über familiäre noch über soziale Anbindungen im Bundesgebiet verfügte, könne nicht entscheidend für das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes sein. Es sei zu berücksichtigen gewesen, dass der Beschwerdeführer gleichlautende Angaben zu seiner Identität und Fluchtroute gemacht und zur Klärung des maßgeblichen Sachverhalts beigetragen habe.

Selbst bei Vorliegen von Sicherungsbedarf, hätte anstelle der Schubhaft ein gelinderes Mittel verhängt werden müssen. Die belangte Behörde habe nicht nachvollziehbar begründet, warum der Beschwerdeführer einem gelinderen Mittel in der Form einer - allenfalls auch in engeren zeitlichen Abständen erfolgenden - periodischen Meldeverpflichtung nicht nachgekommen wäre. Allenfalls hätte die Belangte Behörde den Beschwerdeführer anweisen müssen, in einer von ihr zur Verfügung gestellten Räumlichkeit Unterkunft zu nehmen.

Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, auszusprechen, dass die Anordnung der Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig erfolgt seien, und auszusprechen, dass die Voraussetzungen für das Habeas-Corpus-Prüfungsverfahren nicht vorliegen. Weiters beantragte der Beschwerdeführer die Feststellung, dass der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zukomme, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Einvernahme des Beschwerdeführers, die Beigabe eines Verfahrenshelfers, die Befreiung von der Eingabengebühr, den Ersatz der Dolmetscherkosten, die Befreiung vom Aufwandersatz und den Ersatz der Aufwendungen des Beschwerdeführers.

5. Am 17.07.2015 legte das Bundesamt die Akten vor und erstattete eine Stellungnahme, in der es zur Frage des § 9a Abs. 4 FPG-DV nichts ausführt.

Das Bundesamt führte aus, dass der Beschwerdeführer am 12.04.2015 illegal aus ITALIEN in das Bundesgebiet eingereist sei und am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Er gebe sich als Staatsangehöriger von NIGERIA aus, verfüge aber über keine Dokumente, weshalb seine Identität bis dato ungeklärt sei. Ein EURODAC-Abgleich habe ZWEI Treffer von ITALIEN ergeben. Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz sei mit der Anordnung der Außerlandesbringung verbunden gewesen, diese sei durchsetzbar. Das Bundesverwaltungsgericht habe der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt, das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen. Der Beschwerdeführer habe die Unterkunft XXXX ohne Bekanntgabe eines weiteren Aufenthaltsorts verlassen und sich so dem weiteren Verfahren entzogen. Am XXXX sei die Polizei ins Asylzentrum XXXX gerufen worden, weil sich eine fremde Person im Haus befunden habe. Dabei habe es sich um den Beschwerdeführer gehandelt, der angegeben habe, dass er dort nur schlafen habe wollen. Der Beschwerdeführer sei in Vollzug des Festnahmeauftrags festgenommen und ins Polizeianhaltezentrum XXXX überstellt worden. Im Zuge der Einvernahme habe der Beschwerdeführer angegeben, dass es sein Ziel gewesen sei, in Österreich zu arbeiten, dass er vom zurückweisenden Bescheid im Asylverfahren Bescheid wisse und über keine Barmittel verfüge. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Es bestehen keine Beziehungen und Bindungen zum Bundesgebiet. Über den Beschwerdeführer sei die Schubhaft verhängt worden, weil sich aus dem gesamten bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers eindeutig eine erhebliche Fluchtgefahr ergebe. Die Überstellung per Flug nach ITALIEN sei für den XXXX bereits organisiert. Das Bundesamt beantragte die Abweisung der Beschwerde, die Feststellung, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und den Ersatz der Kosten iHv Schriftsatz- und Vorlageaufwand.

6. Die Schubhaft des Beschwerdeführers, die im Polizeianhaltezentrum

XXXX vollzogen wurde, endete mit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach ITALIEN am XXXX .

Das Bundesverwaltungsgericht traf daher keinen Fortsetzungsausspruch gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG.

7. Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Erkenntnis vom 24.08.2015, zugestellt am 25.08.2015 durch Hinterlegung im Akt, die Beschwerde gegen den Bescheid vom 02.06.2015 gemäß § 5 AsylG 2005 als unbegründet ab und stellte gemäß § 21 Abs. 5 Satz 1 BFA-VG fest, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

8. Mit Beschluss vom 13.11.2015 stellte das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 139 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm Art. 89 Abs. 2 und Art. 135 Abs. 4 B-VG den Antrag an Verfassungsgerichtshof, der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass § 9a Abs. 4 sowie § 21 Abs. 9 der Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (Fremdenpolizeigesetz-Durchführungsverordnung - FPG-DV), BGBl. II Nr. 450/2005 idF BGBl. II Nr. 143/2015, in eventu § 9a Abs. 4 der Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Fremdenpolizeigesetzes 2005

(Fremdenpolizeigesetz-Durchführungsverordnung - FPG-DV), BGBl. II Nr. 450/2005 idF BGBl. II Nr. 143/2015, in eventu die Wortfolge "Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen," in § 9a Abs. 4 sowie § 9a Abs. 4 Z 1 bis 9 der Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (Fremdenpolizeigesetz-Durchführungsverordnung - FPG-DV), BGBl. II Nr. 450/2005 idF BGBl. II Nr. 143/2015, gesetzwidrig war(en).

9. Mit Beschluss vom 16.11.2015 gab das Bundesverwaltungsgericht dem Antrag des Beschwerdeführers auf Beigebung eines Verfahrenshelfers nicht Folge. Beschwerde oder Revision wurde gegen diesen Beschluss nicht erhoben.

10. Mit Schriftsatz vom 24.05.2016 erstattete das Bundesverwaltungsgericht eine Replik im Verordnungsprüfungsverfahren auf die Äußerung des Bundesministers für Inneres.

Mit Erkenntnis vom 13.06.2016 wies der Verfassungsgerichtshof den Antrag des Bundesverwaltungsgerichts festzustellen, dass § 9a Abs. 4 und § 21 Abs. 9 FPG-DV, BGBl. II 450/2005 idF BGBl. II 143/2015, gesetzwidrig waren, ab. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof aus, § 76 FPG aF habe den Begriff der Fluchtgefahr zwar nicht wörtlich festgelegt, aber für Fremde in Abs. 1 leg.cit. bestimmt, dass über sie Schubhaft verhängt werden könne, "sofern dies notwendig ist, um das Verfahren [...] zu sichern". Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, habe Schubhaft ferner verhängt werden dürfen, "wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen". Damit haben die Voraussetzungen für die Schubhaft in § 76 FPG aF aber jenen geglichen, die die Dublin-III-VO in Art. 2 lit. n unter dem Begriff der "Fluchtgefahr" definiert habe, nämlich "das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die [...] zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller [...], gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte". Soweit § 9a Abs. 4 FPG-DV die Fluchtgefahr bei Fremden näher definiert habe, habe sich die Verordnung daher jedenfalls auf § 76 FPG zu stützen vermocht. Dies habe gleichermaßen für § 76 Abs. 2a FPG idF vor dem FRÄG 2015 gegolten: Danach habe das Bundesamt Schubhaft über Asylwerber anzuordnen gehabt, wenn bestimmte, in den Z 1 bis 6 genannte Voraussetzungen vorgelegen und die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens "notwendig" gewesen sei. Notwendig habe die Verhängung der Schubhaft aber stets nur dann sein können, wenn sich die betreffende Person sonst dem Verfahren entzogen hätte. Damit habe auch § 76 Abs. 2a FPG idF vor dem FRÄG 2015 den Sicherungsbedarf und die (in diesem Sinne verstandene) Fluchtgefahr als Voraussetzungen der Schubhaftverhängung festgelegt. Bereits in VfSlg. 17.891/2006 habe der Verfassungsgerichtshof jedoch bezogen auf die mit § 76 FPG vor dem FRÄG 2015 weitgehend vergleichbare Vorgängerbestimmung Folgendes ausgeführt:

"3.1. Anders als in § 76 Abs. 1 FPG (arg.: 'sofern dies notwendig ist, um das Verfahren [...] zu sichern') hat der Gesetzgeber in Abs. 2 leg.cit. keine ausdrückliche Regelung darüber getroffen, unter welchen Voraussetzungen die Anordnung der Schubhaft - abgesehen von der Subsumtion unter einen der in Z 1 bis 4 geregelten Tatbestände - zulässig ist.

Dennoch ist aus folgenden Gründen davon auszugehen, dass der Gesetzgeber das durch Art. 1 (iVm Art. 2 Abs. 1) des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit verfassungs-gesetzlich gewährleistete Recht, wonach '(n)iemand (...) aus anderen als den in diesem Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen (...) festgenommen oder angehalten werden (darf)', bei der Regelung des § 76 Abs. 2 Z 4 FPG beachtet hat:

3.1.1. Der Gesetzgeber ist sichtlich davon ausgegangen, dass der in Art. 1 Abs. 3 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unmittelbar und im Einzelfall von den zuständigen Behörden zu berücksichtigen ist. Auch die oben zitierten Erläuternden Bemerkungen zu § 76 FPG machen deutlich, dass das Gebot, wonach die Verhängung der Schubhaft notwendig sein muss, um das Verfahren zu sichern, vom Gesetzgeber nicht unterlaufen werden sollte (arg.:'[...], wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft als solche gegeben sind, [...]').

3.1.2. Der Gesetzgeber hat für alle Fälle der Schubhaft durch die Begrenzung der Haftdauer (§ 80 FPG) sowie das Gebot der Anwendung gelinderer Mittel (§ 77 FPG) eine klare Wertung iS des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit vorgenommen.

In den Erläuternden Bemerkungen wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt (vgl. 952 BlgNR, XXII. GP, S 104 f.):

[...]

3.2. Zusammenfassend ist der Verfassungsgerichtshof daher der Auffassung, dass die in § 76 Abs. 2 Z 4 FPG festgelegte Ermächtigung im Lichte des aus dem Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit erfließenden unmittelbar anwendbaren Gebots der Verhältnismäßigkeit auszulegen ist.

Dass es der Gesetzgeber - im Wissen um die Verpflichtung der Behörden, von der Anordnung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist (zur entsprechenden Verpflichtung der unabhängigen Verwaltungssenate vgl. auch VfSlg. 14.981/1997 und 17.288/2004, wonach 'im Einzelfall eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft erforderlich ist') - den vollziehenden Behörden (unter der nachprüfenden Kontrolle der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) überlässt, die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen, belastet die Regelung nicht mit Verfassungswidrigkeit."

Es sei somit auch die gleichlautende Bestimmung des § 76 Abs. 2 FPG verfassungskonform dahin zu interpretieren gewesen, dass sie die Verhängung der Schubhaft nur gestattet habe, wenn deren Anordnung zur Sicherung des Verfahrens (insbesondere, weil sich die Partei dem Verfahren zu entziehen droht) "notwendig" gewesen sei. § 76 FPG idF vor dem FRÄG 2015 habe also eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Erlassung einer Durchführungsverordnung im Sinne des Art. 18 Abs. 2 B-VG für Tatbestände, deren Vorliegen nach den Denkgesetzen einen Schluss darauf zuließen, dass "Fluchtgefahr" im Sinne der Umschreibung dieses Tatbestandes in § 76 FPG vorlag, geboten. Angesichts des Vorhandenseins einer gesetzlichen Grundlage der angefochtenen Verordnungsbestimmungen sei es daher für die Gesetzmäßigkeit der Verordnung ohne Bedeutung gewesen, ob die Bundesministerin für Inneres auch intendiert habe, mit der Verordnung Art. 2 lit. n der Dublin-III-VO umzusetzen. § 9a Abs. 4 FPG-DVO habe vor diesem gesetzlichen Hintergrund detailreiche Tatbestände normiert, bei deren Vorliegen die Verordnungsgeberin davon ausgegangen sei, dass die Schubhaft für die Sicherung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder zur Sicherung der Abschiebung im Sinne des Gesetzes wegen "Fluchtgefahr" notwendig gewesen sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich in seinen Bedenken darauf beschränkt, dass § 76 FPG keine Definition der Fluchtgefahr enthalten und die Verordnung daher ohne gesetzliche Deckung in verfassungswidriger Weise Unionsrecht umgesetzt habe. Es habe in seinem Antrag aber nicht behauptet, dass die in der angefochtenen Verordnungsbestimmung genannten Gründe nicht den Schluss darauf zuließen, dass sich die betreffende Person voraussichtlich (der Abschiebung oder) dem Verfahren entziehen werde. Die vom Bundesverwaltungsgericht ob der angefochtenen Verordnungsbestimmungen geltend gemachten Bedenken haben somit insgesamt nicht zugetroffen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist NIGERIANISCHER Staatsangehöriger und nicht österreichischer Staatsbürger. Er verfügt über kein Aufenthaltsrecht für Österreich.

Er stellte nach der Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz in ITALIEN am 12.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Diesen wies das das Bundesamt mit Bescheid vom 02.06.2015 wegen der Zuständigkeit ITALIENS zur Führung des Asylverfahrens zurück und erließ eine Anordnung der Außerlandesbringung gegen den Beschwerdeführer. Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde gegen diesen Bescheid, die am 19.06.2015 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wurde, das der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannte.

Das Bundesamt verhängte über den Beschwerdeführer mit Mandatsbescheid vom XXXX gemäß Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2a Z 1 FPG iVm § 9a Abs. 4 FPG-DV die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung.

Die Schubhaft wurde von XXXX bis XXXX im Polizeianhaltezentrum XXXX vollzogen.

Der Beschwerdeführer wurde am XXXX nach ITALIEN überstellt.

2. Beweiswürdigung:

Die Angaben zum Alter und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf die übereinstimmenden Angaben in Bescheid und Beschwerde. Die Angabe zum fehlenden Aufenthaltsrecht in Österreich fußt auf dem angefochtenen Bescheid, dem in diesem Punkt in der Beschwerde auch nicht widersprochen wird; sie steht mit dem IZR-Auszug in Einklang.

Die Angaben zum Asylverfahren des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem beigeschafften verwaltungsgerichtlichen Asylakt.

Die Angaben zur Schubhaftverhängung gründen sich auf den aktenkundigen Bescheid. Die Angaben zur Vollziehung der Schubhaft fußen auf dem Auszug aus der Anhaltedatei, ebenso die Angaben zur Überstellung nach ITALIEN, die auch im verwaltungsgerichtlichen Asylakt ihre Deckung finden.

3. Rechtliche Beurteilung:

1. Gemäß § 76 Abs. 3 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befindet sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Das Bundesamt erließ den angefochtenen Bescheid daher zutreffend als Mandatsbescheid; er wurde mit Bescheidzustellung vollstreckt.

2. Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, wenn es sich bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen. Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann gemäß § 57 Abs. 2 AVG bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.

Gemäß § 22a Abs. 5 BFA-VG ist gegen die Anordnung der Schubhaft eine Vorstellung nicht zulässig.

Daher ist die Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX an das Bundesverwaltungsgericht zulässig.

3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG (in der seit 19.06.2015 in Kraft stehenden Fassung) hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat gemäß Abs. 2 binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß Abs. 3 jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Schon aus dem Grund, dass diese Bestimmungen bereits vor der Erhebung der Beschwerde am 17.07.2015 in Kraft standen, gehen die Ausführungen in der Beschwerde zu der bis 18.06.2015 geltenden Rechtslage ins Leere. Gleiches gilt für den Antrag auf Feststellung, dass der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zukomme.

4. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Zu A.I.) Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX und die Anhaltung in Schubhaft

1. Mit Bescheid vom XXXX verhängte das Bundesamt über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2a Z 1 FPG.

Gemäß Art. 28 Abs. 1 Dublin III-VO nehmen die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Gemäß Art. 28 Abs. 2 Dublin III-VO dürfen die Mitgliedstaaten zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur im Falle dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Die Haft hat gemäß Art 28 Abs. 3 Dublin III-VO so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird. Wird eine Person nach diesem Artikel in Haft genommen, so darf die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Verfahren gemäß dieser Verordnung durchführt, ersucht in derartigen Fällen um eine dringende Antwort. Diese Antwort erfolgt spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs. Wird innerhalb der Frist von zwei Wochen keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen. Befindet sich eine Person nach diesem Artikel in Haft, so erfolgt die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat, sobald diese praktisch durchführbar ist und spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person durch einen anderen Mitgliedstaat oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gemäß Artikel 27 Absatz 3 keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen im Sinne des Unterabsatz 3 statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten. Die Artikel 21, 23, 24 und 29 gelten weiterhin entsprechend.

Der Beschwerdeführer wurde nach Zurückweisung seines Antrages auf internationalen Schutz vom 12.04.2015 wegen der Zuständigkeit ITALIENS mit Bescheid vom 02.06.2015 und der damit verbundenen Anordnung der Außerlandesbringung zum Zwecke der Überstellung gemäß Art. 29 ff Dublin III-VO nach ITALIEN in Schubhaft genommen. Das Bundesamt stützte den angefochtenen Bescheid daher zutreffend auf Art. 28 Dublin III-VO (s. VwSlg 19.483 A/2016).

2. Im Sinne der Dublin III-VO bezeichnet gemäß deren Art. 2 lit. n der Ausdruck "Fluchtgefahr" das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.

Das Bundesamt gründete den angefochtenen Bescheid auf Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2a Z 1 FPG zur Sicherung der Abschiebung.

Das Bundesamt hatte gemäß § 76 Abs. 2a Z 1 FPG über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn gegen ihn eine zurückweisende Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 und eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung oder eine durchsetzbare Ausweisung erlassen worden war oder ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukam und die Schubhaft für die Sicherung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig war, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegenstanden.

Der Beschwerdeführer war ein erwachsener Fremder; er verfügte über kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Die Anordnung der Außerlandesbringung war mit Bescheid vom 02.06.2015 erlassen worden. Der Beschwerdeführer hatte Beschwerde erhoben, die am 19.06.2015 am Bundesverwaltungsgericht einlangte.

Einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist, sowie einem diesbezüglichen Vorlageantrag kommt gemäß § 16 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung nicht zu, es sei denn, sie wird vom Bundesverwaltungsgericht zuerkannt.

Das Bundesverwaltungsgericht erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zu.

Kommt einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen oder abgewiesen wurde, oder mit der eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wurde, die aufschiebende Wirkung nicht zu, ist diese gemäß § 16 Abs. 4 BFA-VG durchsetzbar. Mit der Durchführung der mit einer solchen Entscheidung verbundenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der die bereits bestehende Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung ist bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Einlangen der Beschwerdevorlage, zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Beschwerdevorlage und von der Gewährung der aufschiebenden Wirkung in Kenntnis zu setzen.

Die Anordnung der Außerlandebringung war daher mit Bescheiderlassung durchsetzbar. Sie war mit Ablauf des siebten Tages ab Einlangen der Beschwerdevoralge am 19.06.2015 durchführbar.

Im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung lag daher keine rechtskräftige, aber durchsetzbare und durchführbare Anordnung der Außerlandesbringung vor. Das Bundesamt verhängte die Schubhaft zutreffend zur Sicherung der Abschiebung.

Dabei ist unerheblich, ob das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer sei selbständig nach ITALIEN ausgereist, aber wieder nach Österreich zurückgekehrt, um sich nach dem Verfahrensstand zu erkundigen und einige Habseligkeiten abzuholen, das in der Einvernahme des Beschwerdeführers am XXXX keine Deckung findet, zutrifft, da gemäß § 12a Abs. 6 AsylG 2005 Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht bleiben.

Zwischen der Erlassung der Anordnung der Außerlandesbringung mit Bescheid vom 02.06.2015 und der Festnahme des Beschwerdeführers am XXXX waren ungeachtet der Frage des Zutreffens dieser Behauptung und des Zeitpunkts der relevierten Ausreise keinesfalls 18 Monate vergangen, weshalb die Anordnung der Außerlandesbringung jedenfalls aufrecht und durchführbar war.

3. § 76 Abs. 2a Z 1 FPG enthielt aber keine - gesetzlich festgelegten - objektiven Kriterien für die Annahme von (erheblicher) Fluchtgefahr iSd Art. 2 lit. n Dublin III-VO:

"Auszugehen ist davon, dass die seit 01.01.2014 anzuwendende Dublin III-VO - anders als die bis dahin geltende Dublin II-VO - nunmehr selbst Vorschriften für die Inhaftnahme von Fremden zum Zweck der Überstellung in den nach der genannten Verordnung zuständigen Mitgliedstaat enthält. Danach dürfen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 28 Abs. 1 Dublin III-VO eine Person nicht allein deshalb in Haft nehmen, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Allerdings dürfen sie nach Abs. 2 im Einklang mit dieser Verordnung ‚die entsprechende Person' zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Unter dem Begriff der ‚Fluchtgefahr' ist nach Art. 2 lit. n Dublin III-VO ‚das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte', zu verstehen. [...]

Zum Schubhaftgrund nach § 76 Abs. 2 Z 4 FPG hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt klargestellt, dass ungeachtet des Vorliegens des in dieser Bestimmung enthaltenen Tatbestandes die Inhaftierung eines asylsuchenden Fremden nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn besondere Umstände vorliegen, die (schon) in diesem Verfahrensstadium ein "Untertauchen" befürchten lassen. Für eine solche Befürchtung müssen vor allem aus dem bisherigen Verhalten des Fremden ableitbare spezifische Hinweise bestehen.

In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, in ständiger Rechtsprechung judiziert, es könne dem Gesetzgeber vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedenfalls nicht zugesonnen werden, er sei davon ausgegangen, alle potenziellen ‚Dublin-Fälle' seien statt in Grundversorgung in Schubhaft zu nehmen. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher bereits mehrfach betont, dass die Verhängung der Schubhaft in ‚Dublin-Fällen' nicht zu einer ‚Standardmaßnahme' gegen Asylwerber werden dürfe. Es müssten vielmehr besondere Gesichtspunkte vorliegen, die erkennen ließen, es handle sich um eine von den typischen ‚Dublin-Fällen' abweichende Konstellation, in der mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auf Grund konkreter Anhaltspunkte auf eine drohende Verfahrensvereitelung durch den Fremden geschlossen werden könne (vgl. das diese Rechtsprechung zusammenfassende, schon erwähnte Erkenntnis vom 20.02.2014, 2013/21/0170, mwH).

Mit dem Fortschreiten der einzelnen Phasen des Asylverfahrens verdichtet sich (bei typisierender Betrachtung) zwar aus der Sicht des Asylwerbers die Wahrscheinlichkeit, dass er letztlich abgeschoben werden könnte; insbesondere nach Vorliegen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme könnten daher dann u. U. auch weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung für die Annahme eines Sicherungsbedarfs genügen (vgl. das Erkenntnis vom 25.03.2010, 2008/21/0617). Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof nicht nur - wie erwähnt - zum Tatbestand der Z 4, sondern auch zu dem ebenfalls noch ein frühes Verfahrensstadium erfassenden Tatbestand der Z 2 des § 76 Abs. 2 FPG judiziert, dass ungeachtet von dessen Verwirklichung die Schubhaftnahme eines Asylwerbers nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn besondere Umstände vorliegen, die (schon) in diesem Asylverfahrensstadium ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 07.02.2008, 2007/21/0402, mwH).

Vor diesem Hintergrund kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen der Z 2 und der Z 4 des § 76 Abs. 2 FPG für sich betrachtet keine - gesetzlich festgelegten - objektiven Kriterien für die Annahme von (erheblicher) Fluchtgefahr iSd Dublin III-VO enthalten. Vielmehr knüpft der dort jeweils als Grund für die Anordnung von Schubhaft genannte Umstand im gegebenen Zusammenhang nur an die Führung eines Verfahrens nach der Dublin III-VO an, was für sich genommen deren Art. 28 Abs. 1 widersprechen würde.

Dass die Verordnung aber eine ausdrückliche Festlegung im Gesetz verlangt, ist nach dem eindeutigen, keiner anderen Auslegung zugänglichen Wortlaut des Art. 2 lit. n Dublin III-VO ganz klar, sodass es diesbezüglich auch keiner Befassung des Gerichtshofes der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV bedarf. (Vgl. dazu auch Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, K 48 zu Art. 2, wonach die VO keine Kriterien vorgebe, anhand derer das Vorliegen von Fluchtgefahr beurteilt werden könne, sondern dies vielmehr den Mitgliedstaaten mit der Mindestanforderung überlasse, dass diese Kriterien im nationalen Recht der Mitgliedstaaten festgelegt und sachlich sein müssen.) Art. 2 lit. n Dublin III-VO verlangt - entgegen der Meinung in der Revisionsbeantwortung - unmissverständlich gesetzlich festgelegte Kriterien zur Konkretisierung der im Unionsrecht für die Verhängung von Schubhaft (u.a.) normierten Voraussetzung des Vorliegens von ‚Fluchtgefahr'. Ein Rückgriff auf Kriterien, die der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Judikatur vor allem zum Tatbestand der Z 4 des § 76 Abs. 2 FPG für die Annahme von ‚Fluchtgefahr' (Gefahr des ‚Untertauchens') als maßgeblich angesehen hat (vgl. ausgehend vom grundlegenden Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, etwa die Erkenntnisse vom 08.07.2009, 2007/21/0093, vom 22.10.2009, 2007/21/0068, vom 30.08.2011, 2008/21/0498 bis 0501, und zuletzt vom 19.03.2014, 2013/21/0225, sowie vom 24.10.2007, Zl. 2006/21/0045, und vom 02.08.2013, 2013/21/0054 [...]) reicht daher nicht, um den Vorgaben der Dublin III-VO zu entsprechen. Solche Umstände hätten [...] gesetzlich determiniert werden müssen. Solange dies nicht der Fall ist, kommt Schubhaft gegen Fremde, die sich in einem Verfahren nach der Dublin III-VO befinden, zwecks Sicherstellung dieses Überstellungsverfahrens nach Art. 28 der Verordnung nicht in Betracht (siehe idS auch den Beschluss des deutschen Bundesgerichtshofes vom 26.06.2014, V ZB 31/14)." (VwSlg. 19.056 A/2015)

"Das trifft sinngemäß auch für den im vorliegenden Fall maßgeblichen Schubhafttatbestand des § 76 Abs. 2a Z 1 erster Fall FPG zu. Danach hat das BFA über einen Asylwerber - es sei denn, einer Anhaltung stünden besondere Umstände in seiner Person entgegen - Schubhaft anzuordnen, wenn gegen ihn eine zurückweisende Entscheidung gemäß § 4a oder § 5 AsylG 2005 und eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung erlassen wurden und die Schubhaft (u.a.) zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist. Auch diese Bestimmung stellt somit - neben der Anknüpfung an ein bestimmtes Stadium des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz (Erlassung einer durchsetzbaren Anordnung zur Außerlandesbringung in den zuständigen Mitgliedstaat) - nur auf die generell umschriebene Notwendigkeit der Schubhaft ab. Auch diese Bestimmung enthält somit keine ausreichenden Kriterien zur Konkretisierung von ‚Fluchtgefahr'." (VwGH 19.05.2015, Ro 2014/21/0065)

Die Verhängung von Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2a Z 1 FPG kam daher den Beschwerdeführer, der sich in einem Verfahren nach der Dublin III-VO befand, zwecks Sicherstellung dieses Überstellungsverfahrens nach Art. 28 Dublin III-VO nicht in Betracht.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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