TE OGH 2019/5/28 10Ob17/19a

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Veröffentlicht am 28.05.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr

. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. I*****, und 2. Dr. A*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Walter Pfliegler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. W*****, vertreten durch Fidi Unger Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 74.550,92 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 28. November 2018, GZ 40 R 153/18y-28, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Kläger hatten die Wohnungen 14 und 12a in dem im Eigentum des Beklagten stehenden Hauses Wien, A*****straße ***** gemietet.

Nach ihrem Vorbringen seien sie (ebenso wie alle anderen Mieter) im April 2014 von einer Mitarbeiterin der Hausverwaltung zum sofortigen Verlassen ihrer Wohnungen bzw des Gebäudes unter der Vorspiegelung aufgefordert worden, infolge Brüchigkeit des Fundaments bestehe akute Einsturzgefahr. Da der Beklagte für den Zustand des Hauses einzustehen habe, hafte er für den Schaden, der ihnen infolge des erzwungenen Verlassens der Wohnung entstanden sei. Sie begehren insgesamt 74.550,92 EUR an Schadenersatz für die Einlagerung von Fahrnissen, für notwendige Anschaffungen für die von ihnen angemietete Ersatzwohnung und deren Adaptierung, für Maklerkosten und Mietvertragsgebühr sowie für die monatliche Mietdifferenz für den Zeitraum von Juni 2014 bis einschließlich Dezember 2015.

Der Beklagte wendete ein, es treffe ihn kein Verschulden. Auch er habe erstmals im April 2014 Kenntnis von den Schäden am Fundament erhalten. Eine bescheidmäßige Sperre des Hauses durch die Behörde sei nur deshalb unterblieben, weil die Hausverwaltung die notwendigen Evakuierungsmaßnahmen selbst gesetzt habe. Das Gebäude sei wirtschaftlich und technisch abbruchreif.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf ua folgende Feststellungen:

Der Beklagte erhielt das (in der Gründerzeit errichtete) Haus von seinen Eltern im Jahr 2012 geschenkt. Noch in diesem Jahr wendete er für die Sanierung einer im ersten Stock gelegenen Wohnung 120.000 EUR auf. 2014 gab er im Zuge der geplanten Sockelsanierung ein Gutachten und Probeschürfungen in Auftrag. Diese erbrachten, dass das Haus über kein Fundament mehr verfügte, daher die erforderliche Standsicherheit fehlte und akute Einsturzgefahr gegeben war. Dieser Zustand war darauf zurückzuführen, dass das Haus ursprünglich auf Eichenpfählen geruht hatte, die seit der Regulierung des A*****bachs aus dem Wasser herausragten und mit der Zeit zerfallen waren. Diese Situation wurde dem Beklagten erstmals im April 2014 bekannt. Als bei der sofort veranlassten Begehung der Liegenschaft von der Hausverwaltung an die Mitarbeiter der Baupolizei die Frage nach notwendigen Maßnahmen gerichtet wurde, stellten diese die Erlassung eines Strafbescheids in Aussicht wenn nicht getan werde, was nun zu tun sei. Die daraufhin diskutierte sofortige Evakuierung des Hauses „wurde allseits goutiert“, worauf eine Mitarbeiterin der Hausverwaltung die Mieter zum sofortigen Verlassen ihrer Wohnungen und des Gebäudes aufforderte. Die Behörde verhängte eine Geschwindigkeitsbegrenzung für den vorbeifließenden Individual- und auch den öffentlichen Verkehr. Die Strom- und Gaszufuhr zum Gebäude wurde gesperrt. Zur Abwendung der akuten Einsturzgefahr beauftragte der Beklagte Sicherungsarbeiten (Betonverplombungen im Keller), die 100.000 EUR erforderten. Durch diese Arbeiten wurde zwar die Einsturzgefahr gebannt, aber nicht die Grundbruchsicherheit hergestellt, weshalb eine Benutzung des Hauses weiterhin nicht möglich war. Der Beklagte erwirkte letztlich eine Abbruchbewilligung: ein behördlicher Abbruchauftrag wurde nie erteilt.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass dem Beklagten kein Verschulden an der Einsturzgefahr des Hauses und der Evakuierung vorzuwerfen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und ließ die Revision nicht zu. Es habe sich mit völliger Eindeutigkeit das Fehlen eines Verschuldens an der Einsturzgefahr des Hauses und der Notwendigkeit der Evakuierung ergeben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Kläger ist wegen Fehlens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zulässig.

Die Kläger machen zusammengefasst geltend, es sei nicht geklärt, ob der dem Vermieter gelungene Beweis seines fehlenden Verschuldens hinsichtlich des Zustands des Hauses bis April 2014 ausreichend sei, um ihn auch von einem Verschulden daran zu entlasten, dass er die nach dem Zeitpunkt der Evakuierung im April 2014 gebotenen Erhaltungsmaßnahmen zur Sicherung und Wiederherstellung des bedungenen Gebrauchs der Wohnung unterlassen habe. Diese Frage bzw den Zeitraum nach April 2014 hätten die Vorinstanzen ungeprüft gelassen.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt:

1. Der Vermieter ist grundsätzlich verpflichtet, den Bestandgegenstand auf eigene Kosten in brauchbarem Zustand zu erhalten. Wird der Mietgegenstand unbrauchbar oder mangelhaft, erfüllt der Vermieter den Vertrag nicht oder nur mangelhaft. Der Bestandnehmer kann den Bestandgeber entweder zur Zuhaltung des Vertrags anhalten, gemäß § 1117 ABGB vom Vertrag zurücktreten oder sich zunächst mit der ex lege eintretenden Zinsbefreiung beziehungsweise Zinsminderung begnügen. Bei Verschulden hat der Vermieter überdies Schadenersatz zu leisten (RIS-Justiz RS0021457).

2. Wird – wie hier – Schadenersatz begehrt, hat bei Verletzung einer Vertragspflicht der Schädiger zu beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft (§ 1298 ABGB). Den Beklagten trifft demnach die Beweislast für das Fehlen eines Verschuldens am Untergang des Bestandgegenstands und an der Nichterfüllung seiner vertraglichen Pflichten.

3. Die Beweislastumkehr betrifft nur den Bereich des „Verschuldens“ (RIS-Justiz RS0022686 [T3]). Die Beweislast für den Kausalzusammenhang liegt auch in den Fällen des § 1298 ABGB beim Geschädigten (RIS-Justiz RS0022686 [T2]). Der Mieter hat demnach nicht nur die Unbrauchbarkeit des Mietgegenstands und den Schaden zu beweisen, sondern auch den kausalen Zusammenhang zwischen der mangelhaften Erfüllung des Vertrags und dem ihm entstandenen Schaden (RIS-Justiz RS0022862).

4. Anlass für den erzwungenen Auszug und die Beschaffung der Ersatzwohnung war (gemäß dem eigenen Vorbringen der Kläger) die im April 2014 gegebene akute Einsturzgefahr des Hauses. Waren die Kläger der Ansicht, die von ihnen geltend gemachten Schäden seien auch auf die Unterlassung der Wiederherstellung der Standsicherheit des Gebäudes zurückzuführen, wodurch die Schäden verhindert worden wären, hätten sie dazu konkretes Vorbringen erstatten müssen. In diesem Fall wäre es dem Beklagten freigestanden, den Entlastungsbeweis für sein mangelndes Verschulden auch in Ansehung dieses Vorwurfs bzw des Zeitraums ab April 2014 zu erbringen. Ein Vorbringen der Kläger, die Schäden seien auch auf die Unterlassung der Wiederherstellung der Standsicherheit des Gebäudes zurückzuführen, findet sich im Verfahren erster Instanz jedoch nicht.

Wenn die Vorinstanzen bei dieser Verfahrenslage ihre Prüf- und Beurteilungstätigkeit auf den Zeitraum vor April 2014 beschränkt haben, begründet dies keinen sekundären Verfahrensmangel.

5. Die außerordentliche Revision ist daher mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Textnummer

E125341

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0100OB00017.19A.0528.000

Im RIS seit

25.06.2019

Zuletzt aktualisiert am

29.10.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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