TE OGH 2019/2/26 2Ob14/18z

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.02.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** S*****, vertreten durch HASCH & PARTNER Anwaltsgesellschaft mbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. C***** W*****, 2. E***** GmbH, *****, und 3. E***** AG, *****, alle vertreten durch Mag. Johannes Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 29.210 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 1.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Oktober 2017, GZ 11 R 170/17a-24, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 29. August 2017, GZ 26 Cg 36/16d-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im Umfang des Teilbegehrens von 28.800 EUR sA (Verdienstentgang) aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger erlitt bei einem Verkehrsunfall am 30. 4. 2015 eine Verrenkung des Mittelfingers rechts im Mittelgelenk, eine Schädelprellung mit Hautabschürfung am Nasenrücken sowie Hautabschürfungen rechts am Unterarm und am Handgelenk. Er ist Rechtshänder. Das Alleinverschulden am Unfall trifft den Erstbeklagten als Lenker eines von der Zweitbeklagten gehaltenen und bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten Kraftfahrzeugs.

Der Kläger ist einziger Geschäftsführer und Alleingesellschafter der O***** GmbH (in der Folge: GmbH). Für dieses Unternehmen erstellt er unter anderem Schaltpläne mit einem CAD-Computerprogramm, wobei er einen hohen Anteil seiner Arbeitszeit vor dem Computer verbringt.

Zur Ruhigstellung des durch den Unfall geschädigten Mittelfingers trug der Kläger vier Wochen eine Fingerschiene. Während dieser Zeit und noch zwei Wochen nach der Abnahme war er arbeitsunfähig, weil er die Computertastatur nur eingeschränkt bedienen konnte und damit Schmerzen verbunden waren. „Ab Juli 2015“ war der Kläger mit der Einschränkung, manche Tätigkeiten nicht in der üblichen Geschwindigkeit durchführen zu können, wieder arbeitsfähig.

Der Kläger begehrte zuletzt neben anderen, im Revisionsverfahren nicht mehr strittigen Positionen (auch das Feststellungsbegehren ist rechtskräftig erledigt) Schadenersatz für Verdienstentgang in den Monaten Mai bis August 2015 in Höhe von insgesamt 28.800 EUR. Dazu brachte er zunächst vor, er habe vor dem Unfall von der GmbH ein Geschäftsführerhonorar in Höhe von 7.200 EUR monatlich bezogen. Von Mai bis August 2015 sei er aufgrund des Verkehrsunfalls vom 30. 4. 2015 erwerbsunfähig gewesen. Seine Tätigkeit sei die eines IT-Spezialisten im Bereich Raumplanung und technische Planung. Dieser habe er wegen der unfallbedingten Verletzung am Mittelfinger nicht nachgehen können und daher kein Honorar erhalten. Der Kläger sei nach GSVG versichert und habe keinen Anspruch auf Krankengeld.

Nach mehrfachem Vorhalt des Erstgerichts, dass es das Vorbringen des Klägers für unschlüssig halte, brachte der Kläger „dazu nunmehr“ vor, er habe als Alleingesellschafter der GmbH einen Verdienstentgang erlitten. Dieser ergebe sich aus einem „Bilanzverlust“ im Jahr 2015 im Verhältnis zum Vorjahr in Höhe von 70.000 EUR, wovon er einen – nicht näher aufgeschlüsselten – Teilbetrag von 28.800 EUR geltend mache.

Die beklagten Parteien bestritten den behaupteten Verdienstentgang und wandten Unschlüssigkeit des dazu erstatteten Vorbringens ein. Die unfallbedingten Verletzungen seien für den Einkommensausfall nicht kausal. Es sei lediglich ein Krankenstand von zwei bis maximal drei Wochen indiziert gewesen. Darüber hinaus habe keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des Klägers bestanden. Die Höhe des Verdienstentgangs sei nicht nachvollziehbar. Zudem habe der Kläger für die Monate Mai bis August 2015 Anspruch auf Krankengeld von mindestens 4.000 EUR gehabt, sodass in diesem Ausmaß die Schadenersatzansprüche auf den Sozialversicherungsträger übergegangen seien.

Das Erstgericht wies das in dritter Instanz noch strittige Teilbegehren ab. Es traf die wiedergegebenen Feststellungen und erachtete das Verdienstentgangsbegehren für unschlüssig, weil der Kläger offen lasse, in welcher Höhe konkret sein Verdienstentgang eingetreten sei. Der Kläger stütze sich auf einen Bilanzverlust von 70.000 EUR, wovon nur ein Teilbetrag geltend gemacht werde. Er habe weder behauptet, dass dieser auf seinen unfallbedingten Arbeitsausfall zurückzuführen sei, noch einen Sachverhalt, aus dem dies abzuleiten wäre, etwa dass bestimmte Aufträge nicht angenommen hätten werden können.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil und argumentierte, der Kläger leite seinen Verdienstentgang zuletzt aus einem Gewinnrückgang ab. Schlüssige Behauptungen zu einem Kausalzusammenhang zwischen diesem und der durch den Unfall hervorgerufenen Arbeitsunfähigkeit fehlten. Insbesondere habe der Kläger nicht dargelegt, welche konkreten Verdienstmöglichkeiten der GmbH während der Arbeitsunfähigkeit des Klägers entgangen seien.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, welche Anforderungen an die Behauptungslast eines geschäftsführenden GmbH-Gesellschafters zu stellen seien, der einen durch einen Verkehrsunfall verursachten Verdienstentgang geltend mache.

Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Ziel der Stattgebung des Teilbegehrens von 28.800 EUR sA; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist. Sie ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Der Kläger macht zu Recht geltend, die Vorinstanzen hätten die Schlüssigkeit seines Begehrens fälschlicherweise verneint.

Hierzu wurde erwogen:

1. Zum Geschäftsführerhonorar

Schon im Berufungsverfahren stützte der Kläger sein Begehren nicht mehr auf den Entgang eines ihm als Geschäftsführer zustehenden Honorars. Dieser auf einem selbständigen rechtserzeugenden Sachverhalt beruhende Rechtsgrund ist damit aus der ansonsten umfassenden Beurteilungspflicht der Rechtsmittelinstanzen ausgeschieden (RIS-Justiz RS0043573 [T36, T42]; vgl auch RS0043338 [T15, T17]).

2. Zur Verminderung des Gewinnanteils und zur Schlüssigkeit des Begehrens

2.1 Der Schaden, den ein selbständig Erwerbstätiger infolge eines Unfalls erleidet, kann sich entweder im eingetretenen Verdienstentgang oder in den Kosten aufgenommener Ersatzkräfte ausdrücken (RIS-Justiz RS0031002; Hinteregger in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 1325 Rz 23; Danzl in KBB5 § 1325 ABGB Rz 16).

2.2. Für den Verdienstentgang eines Gesellschafters einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist die Verminderung jenes Gewinnanteils maßgebend, der seiner gesellschaftlichen Beteiligung entspricht (RIS-Justiz RS0022525 [T2, T7]; 2 Ob 27/16h; 1 Ob 190/17y; Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1325 Rz 24a; Danzl in KBB5 § 1325 Rz 16), im Fall eines Alleingesellschafters daher die gesamte unfallbedingte Gewinnverminderung. Nicht entscheidend ist dabei, ob der Gewinn vor dem Unfall ausgeschüttet wurde oder fällig war (RIS-Justiz RS0130611 = 2 Ob 27/16h ZVR 2018/41, 62 [zust Ch. Huber]).

2.3 Nach allgemeinen Grundsätzen muss der Kläger behaupten, welcher Wert sich ohne das schädigende Ereignis in seinem Vermögen befände und wie es sich nunmehr tatsächlich darstellt (vgl RIS-Justiz RS0022818, RS0030119). Es kommt darauf an, welchen Gewinn das Unternehmen im Vergleichszeitraum ohne die unfallbedingte Verhinderung des Unternehmers (hier des Gesellschafter-Geschäftsführers einer Ein-Mann-GmbH) erzielt hätte und welchen Gewinn es tatsächlich erzielt hat. Es ist also die fiktive der tatsächlichen Gewinnsituation gegenüberzustellen (vgl 2 Ob 156/06i = RIS-Justiz RS0031019 [T1]). Dazu kann das Vorbringen genügen, dass der bisherige durchschnittliche Gewinn ohne den Unfall weiterhin erwirtschaftet worden wäre (vgl jüngst 2 Ob 159/18y). Der Kläger ist hingegen nicht verpflichtet, den Nachweis der konkreten Chance jedes einzelnen entgangenen Geschäfts zu erbringen (2 Ob 149/72 SZ 45/113; 2 Ob 160/82; RIS-Justiz RS0030924).

2.4 Der Kläger hat die Gewinneinbuße als „Bilanzverlust“ bezeichnet und auf die Gegenüberstellung mit dem Geschäftsergebnis des Jahres vor dem Unfall gestützt. Dieses Vorbringen enthält die implizite Behauptung, dass das frühere Geschäftsergebnis ohne den Unfall weiterhin erzielt worden wäre. Soweit die Vorinstanzen davon ausgehen, der Kläger habe nicht behauptet, dass das schädigende Ereignis kausal für die Gewinnminderung gewesen sei, übersehen sie, dass der Kläger bereits in der Klage einen durch den Unfall hervorgerufenen Verdienstentgang behauptete. Diese Behauptung erstreckt sich auch auf den geänderten anspruchsbegründenden Sachverhalt.

2.5 Ist der Schaden wie hier als einheitlicher Gesamtschaden zu betrachten, bedarf weiters die Teileinklagung – anders als vom Erstgericht angenommen – keiner weiteren Aufschlüsselung (RIS-Justiz RS0037907 [T8]). Der Beurteilung der Vorinstanzen, das Klagebegehren sei in Bezug auf den Gewinnentgang unschlüssig, kann daher nicht gefolgt werden. Das Verfahren ist deshalb in Richtung des behaupteten Gewinnentgangs ergänzungsbedürftig, weshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben sind und das Verfahren in die erste Instanz zurückzuverweisen ist.

3. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Textnummer

E124549

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0020OB00014.18Z.0226.000

Im RIS seit

11.04.2019

Zuletzt aktualisiert am

17.02.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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