TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/28 W177 2127124-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.02.2019
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Entscheidungsdatum

28.02.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §6
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W177 2127124-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Volker NOWAK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Julian A. Montamedi, 1030 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 14.04.2016, XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.04.2018 zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG

2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 12.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 13.04.2015 gab der Beschwerdeführer an, er sei am 07.02.2018 in XXXX , Provinz Logar in Afghanistan geboren worden, gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an, sei muslimischen Glaubens sowie traditionell als auch standesamtlich verheiratet.

Zu seinem Fluchtgrund befragt, führte er im Wesentlichen aus, dass er aufgrund von seiner Tätigkeit am Flughafen von den Taliban gezwungen worden sei, Drogen für einen Schmuggel zu verstecken. Er habe sich geweigert und sei von ihnen gefoltert und entführt worden. Er sei weiterhin gezwungen worden zu schmuggeln. Er sei mit dem Tode bedroht worden, würde er eine Kooperation erneut verweigern. Aus Angst um sein Leben, sei er aus seiner Heimat geflohen.

I.2. In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 16.06.2015 führte der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund im Wesentlichen aus, dass er als Dolmetscher für die ISAF-Kräfte tätig gewesen sei. Er habe dies von 2009 bis zum Ende des Jahre 2014 ausgeübt. Eine Woche vor seine Ausreise habe er diese Tätigkeit beendet. Er habe mit den Amerikanern zusammengearbeitet und es sei ihm einige Male gesagt worden, dies zu unterlassen. Laut den Islamisten sei es verboten mit Ausländern und Ungläubigen zusammenzuarbeiten. Dies habe er nicht ernst genommen, jedoch seien die Taliban eines Tages bei seinem Elternhaus in Logar gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der Beschwerdeführer in Kabul aufgehalten. Sie hätten den Eltern ein Foto von ihm gezeigt und gesagt, dass sie wissen würden, dass er hier lebe und für die Amerikaner arbeite. Die Taliban hätten gedroht, seine ganze Familie umzubringen, falls er weiterhin für die Amerikaner arbeiten würde. Daraufhin habe die Familie gemeint, er solle nicht zurückkehren. In weiterer Folge hätten sie ihm geraten, das Land zu verlassen. Die Taliban hätten in Logar und Kabul auch seine Bilder veröffentlicht, weil er mit den Amerikanern zusammengearbeitet habe.

Er sei bei den Truppen des US-Marine Corps gewesen, die zu den ISAF-Truppen gehört haben. Dort sei er in Helmand und Kandahar immer zwischen zwei und acht Monaten lang durchgehend stationiert gewesen. Von diesem Camp aus sei es immer in die Dörfer gegangen, um sich um die Probleme der Bevölkerung zu kümmern. Eine Waffe habe auch bei sich getragen. Diese sei auch einige Male zum Einsatz gekommen.

Nach Amerika habe er nicht gehen wollen, weil die Prozedur lange gewesen sei und er damals auch nicht habe ausreisen wollen. Er habe dann nach Europa wollen, weil er dort Verwandte habe, die bereits anerkannte Flüchtlinge wären.

Die Taliban seien in Logar sehr verbreitet und haben selbst im Heimatdorf des Beschwerdeführers Sympathisanten, weshalb sie leicht an die Informationen über den Beschwerdeführer haben kommen können. Die Dorfbewohner seien sowohl über seine Tätigkeit als auch seinen Verdienst misstrauisch gewesen.

Nach der ausgesprochenen Drohung hätten die Taliban das Haus der Familie durchsucht, einen Drohbrief abgegeben und wären zwei weitere Male erschienen. Er habe Angst, dass ihn die Taliban umbringen würden.

I.3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14.04.2016, durch Hinterlegung zugestellt am 20.04.2016, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen festgesetzt (Spruchpunkt IV). Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, die Gründe für das Verlassen des Heimatstaates seien nicht glaubhaft gewesen. Abgesehen von Ungereimtheiten wäre das Vorbringen viel zu "blass" und wenig detailreich geschildert worden.

I.4. Mit Verfahrensanordnung vom 26.04.2016 wurde dem Beschwerdeführer für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Rechtsberatungsorganisation zur Seite gestellt.

I.5. Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.04.2016 richtet sich die am 26.05.2016 eingelangte vollumfängliche Beschwerde.

I.6. Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX , vom 19.12.2016 wurde der Beschwerdeführer gem. §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe von 100 TS zu je € 4,00 (im NEF 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt.

I.7. Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX , vom 27.11.2017 wurde der Beschwerdeführer gem. § 223 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.

I.8. Mit Schriftsatz vom 27.02.2018, eingelangt am 05.03.2018, wurde bekanntgegeben, dass der Beschwerdeführer nun durch RA Mag. Julian A. Motamedi rechtsfreundlich vertreten ist.

I.9. Das Bundesverwaltungsgericht hat zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 25.04.2018 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der eine Dolmetscherin für die Sprache Dari, der Beschwerdeführer und sein bevollmächtigter Rechtsvertreter teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verzichtete auf die Teilnahme.

Zu seiner Tätigkeit als Dolmetscher für die Amerikaner gefragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er in verschiedene Provinzen, wo seine Dienste benötigt wurden, geschickt worden sei. Er habe in Bagram gearbeitet und in Logar sei sein Zuhause gewesen. In seinem Heimatdorf sei er bei eine Freitagsgebet damit konfrontiert worden, dass der für die Amerikaner arbeiten würde. Ihm sei vorgeworfen worden, dass er für Ungläubige arbeite, die ihr Land besetzt hätten. Dies habe er damals noch nicht ernst genommen und seine Arbeit weiter fortgesetzt. Später seien seinen Eltern tagesaktuelle Fotos von seiner Tätigkeit bei den Amerikanern gezeigt worden. Diese seien von Leuten, die für die Taliban gearbeitet haben, aufgenommen worden.

Bezüglich des Waffengebrauchs konkret befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass ihm der Umgang mit einer Waffe erklärt worden sei, er jedoch diese in der Praxis nie verwendet habe. Bei der Protokollierung in der Niederschrift sei es zu einem Missverständnis gekommen, zumal Dolmetscher nie bewaffnet seien. Hierzu merkt der rechtfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers an, dass damals nur ein "sprachkundiger" Übersetzer anwesend gewesen sei. Der Beschwerdeführer könne sich nicht gut an diese Einvernahme erinnern. Auch sei die Stimmung damals sehr in Ordnung gewesen.

I.10 Mit Schreiben vom 17.01.2019 erging sowohl an den Beschwerdeführervertreter als auch an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl binnen einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme über die vorläufig aktualisierte Beurteilung der politischen und menschenrechtlichen Situation in Afghanistan abgeben zu können. Dies wurde allerdings vpn keiner der beiden Verfahrensparteien wahrgenommen.

I.11. Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

* Ein Konvolut an Bilder aus Afghanistan, die eindeutig internationale Streitkräfte zeigen

* Drei Bestätigungsschreiben des US Marine Corps bezüglich der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Dolmetsch

* Zwei Unterstützungsschreiben

* Ein afghanischer Führerschein

* Eine handgeschriebene Einstellungszusage

* Ein afghanisches Scheidungsurteil samt deutscher Übersetzung

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren am XXXX und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschike und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Ebenso besitzt er Sprachkenntnisse in Pashtu und Englisch.

Die Identität des Beschwerdeführers steht, mit Ausnahme der Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit, mangels Vorlage identitätsbezeugender Dokumente nicht fest.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich am 19.12.2016 gem. §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe von 100 TS zu je € 4,00 und am 27.11.2017 gem. § 223 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt worden.

II.1.2. Zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer wurde in XXXX , Provinz Logar, Afghanistan geboren, wo er, abgesehen von einem dreijährigen Aufenthalt im Iran, dauernd aufhältig war.

Der Beschwerdeführer hat im Herkunftsstaat zwölf Jahre die Schule besucht.

Er ist geschieden. Seine beiden Kinder leben zusammen mit der Kindesmutter in Großbritannien.

II.1.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan für die Amerikaner als Dolmetscher tätig und ist im Zuge dessen von den Bewohnern seines Heimatdorfes aufgefordert worden, diese Tätigkeiten zu beenden. Die Taliban sind danach zu den Eltern nach Logar gekommen und haben mit einem Foto dargelegt, dass sie wissen, dass der Beschwerdeführer für die Amerikaner arbeite. Sie haben gedroht, die gesamte Familie zu töten, falls der Beschwerdeführer diese Tätigkeit nicht beendet. Schließlich hätten die Taliban Fotos des Beschwerdeführers seiner Tätigkeit in den Provinzen Logar und Kabul weiterverbreitet.

Die Dolmetschertätigkeiten des Beschwerdeführers werden von den Taliban als eine Unterstützungstätigkeit der Regierung angesehen, weshalb für den Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr die Gefahr der Verfolgung durch die Taliban bis hin zur Tötung besteht.

Dass die afghanischen Behörden den Beschwerdeführer vor Angriffen der Taliban Schutz bieten können, ist nicht zu erwarten.

Eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative steht dem Beschwerdeführer nicht zur Verfügung. Er ist auch in Kabul oder einer anderen größeren Stadt der Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt.

Logar zählt zu den volatilen Provinzen Afghanistans mit starker Taliban-Präsenz und bewaffneten Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen.

Gründe, nach denen der Beschwerdeführer von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auszuschließen ist, sind nicht hervorgekommen.

II.1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat

Logar zählt zu den volatilen Provinzen Afghanistans mit starker Taliban-Präsenz und bewaffneten Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen. Aufgrund der Nähe zu den Außendistrikten der Stadt Kabul, fanden in Logar heftige Gefechte zwischen Taliban und Sicherheitskräften statt. Im Jahr 2017 gehörte Logar zu den Provinzen mit der höchsten Anzahl registrierter Anschläge.

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul.

Seit der Ankündigung des neuen Wahltermins durch den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani im Jänner 2018 haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden (ARN 21.5.2018; vgl. DW 6.5.2018, AJ 6.5.2018, Tolonews 6.5.2018, Tolonews 29.4.2018, Tolonews 22.4.2018).

Zivilist/innen:

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte); damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: Im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Von 1.1.2009 - 31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registrierte die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben; dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).

Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte) und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).

Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre vierteljährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u.a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert, ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände ("explosive remnants of war") 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte), ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

Das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, dies trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban Suchbegriff auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen die Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk, Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: Das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

Taliban:

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban ("governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Vorheriger Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO-Mission-Resolute-Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt werden, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte) zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurden. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht; es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).

Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld, insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der nde März 2018 abgehaltenen Friendens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).

Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig, Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren; dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).

II.2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und Lebensumstände ergeben sich aus seinen gleichbleibenden und glaubwürdigen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellung zur den strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Urteilen des Bezirksgerichts XXXX und des Bezirksgerichts XXXX sowie einer aktuellen Strafregisterauskunft.

II.2.2. Zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen gleichbleibenden und glaubwürdigen Angaben. Dass der Beschwerdeführer geschieden ist, ergibt sich aus dem vorgelegten afghanischen Scheidungsurteil.

II.2.3. Zu den Fluchtgründen

Die belangte Behörde begründet die fehlende persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers im Wesentlichen damit, dass der behauptete Fluchtgrund völlig vage dargestellt wurde. Ebenso würden der Fluchtgrund zu dem in der Erstbefragung divergieren und die vorgelegten Bilder würden ebenfalls keine Rückschlüsse auf seine Tätigkeit als Dolmetscher zulassen.

Der Beschwerdeführer gab allerdings durchgehend an, er habe Afghanistan Ende des Jahres 2014 verlassen. Bereits in der Erstbefragung am 13.04.2015 führte er zum Verlassen seines Heimatstaates aus, dass er von den Taliban bedroht wurde. Zwar führt die belangte Behörde im ihrem Bescheid richtigerweise aus, dass der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung seine Tätigkeit als Dolmetscher bei den Amerikanern nicht erwähnte, allerdings blieben die Drohungen durch die Taliban konsistent.

Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 dient die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12), ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert; die Verwaltungsbehörde bzw. das Bundesverwaltungsgericht können in ihrer Beweiswürdigung also durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen. Im vorliegenden Fall bezog sich die Erstbefragung des Beschwerdeführers nicht in erster Linie auf seine Fluchtgründe, sodass diese daher nur in aller Kürze angegeben und protokolliert wurden. Dass hierbei dem Beschwerdeführer mangelnde Glaubwürdigkeit attestiert wird, weil nur die Bedrohungen durch die Taliban aufgrund seines Tätigkeit am Flughafen erwähnt wurden, ist für das Bundesverwaltungsgericht entgegen der dahingehenden Beweiswürdigung des Bescheides des der belangten Behörde (AS 213 ff.) jedoch nicht nachvollziehbar, zumal der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG klarstellte, dass er keine Drogen, sondern Sprengstoff hätte schmuggeln sollen und er abermals betonte in Bagram stationiert gewesen zu sein. Die Stationierung am Flughafen im Bagram ist glaubwürdig, zumal diese selbst in der Niederschrift im Verfahren vor dem BFA vom 16.06.2015 (AS 59) erwähnt wird.

Aufgrund dieser Richtigstellung sind Passagen der Beweiswürdigung im Bescheid der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer seinen Fluchtgrund in extrem vager Art und Weise dargestellt habe sowie dass sich der Beschwerdeführer seine Aussagen zu Recht biege, wie er es gerade für nötig befinde, nicht mehr haltbar. Abgesehen von dieser normalerweise in einem Bescheid seitens einer Behörde nicht verwendeten Wortwahl ist anzumerken, dass in der Beweiswürdigung des Bescheides auch angeführt ist, dass der Beschwerdeführer am Flughafen in Kabul tätig gewesen sein soll (AS 213). Dies ist - so wie eine angeblich am 26.03.2016 stattgefundene Einvernahme - aktenwidrig und kann daher dem Beschwerdeführer nicht zur Last gelegt werden.

Hingegen brachte der Beschwerdeführer in der Niederschrift im Verfahren vor dem BFA und bei der Durchführung der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG sowohl die Tätigkeit als Dolmetscher für die Amerikaner als auch die Bedrohungssituation durch die Taliban in den weitesten Teilen gleichbleibend, widerspruchsfrei und stringent vor, was den Eindruck der Glaubwürdigkeit maßgeblich anhob und zusammen mit dem in der mündlichen Verhandlung verschafften persönlichen Eindruck, zu einer mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit dazu geführt hat, dass sich die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Bedrohungssituationen tatsachlich so abgespielt haben.

Der VwGH hat in ständiger Judikatur erkannt, dass es für die Glaubhaftmachung der Angaben erforderlich ist, dass der Beschwerdeführer die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert, und dass diese Gründe objektivierbar sind, wobei zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des "Glaubhaft-Seins" der Aussage des Asylwerbers selbst wesentliche Bedeutung zukommt. Damit ist die Pflicht des Antragstellers verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der Voraussetzungen und für eine Asylgewährung spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen liefern. Insoweit trifft den Antragsteller eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH vom 11.11.1991, 91/12/0143, VwGH vom 13.04.1988, 86/01/0268). Der Antragsteller hat daher das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (u.a. VwGH vom 26.06.1997, 95/18/1291, VwGH vom 17.07.1997, 97/18/0336, VwGH vom 05.04.1995, 93/180289). Die Mitwirkungspflicht bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann.

Der Beschwerdeführer brachte im Kern gleichbleibend und stringent vor, dass er für die amerikanischen Soldaten in Afghanistan tätig war. Dass der Beschwerdeführer durch Taliban bedroht werde, erwähnte der Beschwerdeführer bereits in seiner Erstbefragung. In seiner niederschriftlichen Einvernahme am 16.06.2015 konkretisierte der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen dahingehend, dass er die Drohungen durch die Taliban näher ausführte. Hierbei gab er an, dass es in seinem Dorf zahlreiche Sympathisanten der Taliban gebe und er selbst nach Konfrontationen durch die Bevölkerung, dass er seine Tätigkeit für die Amerikaner beenden solle, das Land nicht habe verlassen wollen. Erst nachdem die Taliban seine Familie heimgesucht hätten und Bilder vorzeigten, die den Beschwerdeführer bei der Ausübung seiner Tätigkeit zeigten, sei er sich seiner Lage bewusst geworden, und habe den Entschluss gefasst, das Land zu verlassen. Diese konnten bei der mündlichen Verhandlung nicht nur widerspruchsfrei zu Protokoll gegeben werde, sondern wurden auch noch durch einige Details ergänzt. Entgegen der Ausführungen der belangten Behörde sind die Schilderungen des Beschwerdeführers gleichbleibend, durchaus detailreich und lebensnah. Auch konnte das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der lebhaften und glaubwürdigen Schilderungen des Beschwerdeführers im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 25.04.2018 und seines in diesem Zuge gewonnenen persönlichen Eindrucks vom Beschwerdeführer zu dem Schluss kommen, dass der Beschwerdeführer Ereignisse geschildert hat, die er tatsächlich erlebt hat.

Ein weiteres Indiz für die Richtigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers ist es, dass dieser angab, dass mittlerweile keine Familienangehörigen mehr in Afghanistan aufhältig seien, was sehr dafür spricht, dass die zumindest die Eltern und die damalige Ehefrau des Beschwerdeführers nach dessen Flucht von den Taliban bedroht wurden.

Der persönliche Eindruck der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers wird durch die vorgelegten Schreiben von Militärangehörigen des United States Marine Corps und die zahlreich vorgelegten Bilder des Beschwerdeführers über seinen Einsatz als Dolmetscher in Afghanistan verstärkt. Auch lässt sich das Ausstellungsdatum der Bescheinigungen aus dem Jahr 2009 mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er seine Tätigkeit als Dolmetscher im Jahre 2009 aufgenommen hat, in Einklang bringen.

Als nicht entscheidungswesentlich wird erachtet, dass der Beschwerdeführer, die Frage nach den Namen der Camps mit "US Marines Corps" beantwortet hat, zumal aufgrund der vorgelegten Bescheinigungsmittel davon auszugehen ist, dass der Schriftzug des "US Marines Corps" dem Beschwerdeführer ein Begriff ist und er sich diesen wohl als Synonym für ein Camp verinnerlicht hat.

Bezüglich des Zusammenbauen der Waffe ist es für das erkennende Gericht in keiner Weise ersichtlich, weshalb die vom Beschwerdeführers plausibel vorgetragenen Schritte als nicht glaubwürdig erachtet werden. Ebenso konnte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubwürdig darlegen, dass er eine theoretische Einschulung an der Waffe erhalten hat. Wenn die belangte Behörde der Meinung ist, dass es grundsätzlich nicht die Aufgabe der Behörde sei, hierzu durch Nachfragen solche Details zu erfragen (AS 215), so ist dazu auszuführen, dass gemäß § 18 AsylG die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken hat, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Daher hat es damals zuständige Referent des Bundesantesamtes unterlassen darzulegen, worin einerseits sein besonderer Sachverstand in militärischen Dingen begründet sei bzw. warum er keinen ausgewiesenen militärischen Sachverständigen für die Situation in Afghanistan zu Rate gezogen habe.

Bezüglich des noch in der Niederschrift vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angegebenen Schussgebrauchs auf subversive Kämpfer erfolgte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht die Richtigstellung, dass der Beschwerdeführer damals nur eine Einschulung über das Verhalten beim Gebrauch der Waffe erhalten hat. Die Divergenz zwischen der in der Niederschrift und der mündlichen Verhandlung ist dahingehend zu erklären, dass bei der Einvernahme vor dem BFA kein Dolmetscher, sondern nur ein "sprachkundiger" Übersetzer anwesend war und es daher damals zu einer mangelhaften Übersetzungsleistung gekommen ist.

Auch die Beachtung der in § 15 AsylG normierten Mitwirkungspflichten und die Mitwirkung des Beschwerdeführers im Verfahren ist gemäß § 18 Abs. 3 AsylG bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens zu berücksichtigen. Die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers wird auch dadurch gestützt, dass er im Wesentlichen relativ genaue und weitgehend übereinstimmende, konsistente und plausible Angaben zu seinen Lebensumständen gemacht hat und auf Fragen nach Details und näheren Umständen von behaupteten Vorfällen sowohl vor der belangten Behörde als auch vor dem Bundesverwaltungsgericht ohne langes Zögern und fragwürdiges Ausweichen regelmäßig unmittelbar und plausibel antworten konnte.

Die Asylbehörden haben in der Beweiswürdigung den realen Hintergrund der vom Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in ihre Überlegungen einzubeziehen und die Glaubwürdigkeit seiner Behauptungen auch im Vergleich zur einschlägigen Berichtslage zu messen (VwGH vom 11.04.2018, Ra 2018/20/0040).

Auch vor dem Hintergrund der vorliegenden Länderinformationen erscheint die Bedrohungssituation der Taliban gegenüber dem Beschwerdeführer wegen seiner Tätigkeit als Dolmetscher für die Amerikaner durchaus plausibel. Auch Fälle, wo Verwandte hingerichtet worden sind, sind bekannt. Hierzu wird insbesondere im Landinfo Report Afghanistan: Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne von 23. August 2017 von Dr. Antonio Giustozzi unter Punkt 4. Identifizierung von Zielpersonen zur Einschüchterung und Tötung berichtet:

"Überall, wo die Taliban vertreten sind, zielten sie von vorne herein insbesondere auf die Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte ab, die sich weigern, den Dienst zu quittieren. Sie übten Druck auf deren Familien aus, um deren Ausscheiden zu erzwingen und drohten Bestrafung an, wenn ihrer Forderung nicht Folge geleistet würde. In einigen Fällen sind sie sogar soweit gegangen, Verwandte hinzurichten. Zumeist waren diese Sicherheitskräfte und ihre Familien schließlich gezwungen, in sicherere, von der Regierung kontrollierte Gebiete umzusiedeln, obwohl die Taliban ihre Ziele teilweise auch dort heimsuchen. Andere, die es sich leisten können, scheiden aus und im Laufe der Jahre sind hunderte hingerichtet worden. Selbst diejenigen, die umsiedeln, laufen Gefahr, auf dem Weg an den Straßensperren der Taliban festgehalten zu werden."

Bestätigt wird diese Einschätzung im Wesentlichen auch von den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, (S. 43ff), die folgendes Risikoprofil definiert:

"d) Zivilisten, die mit den internationalen Streitkräften verbunden sind oder diese vermeintlich unterstützen Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) haben Berichten zufolge afghanische Zivilisten, die für die internationalen Streitkräfte als Fahrer, Dolmetscher oder in anderen zivilen Funktionen arbeiten, bedroht und angegriffen. Aus Berichten geht auch hervor, dass regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) ehemalige Mitarbeiter der internationalen Streitkräfte und der Regierung angreifen.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist den UNHCR-Richtlinien besondere Beachtung zu schenken ("Indizwirkung"; vgl. VwGH vom 22.11.2016, Ra 2016/20/0259 mit Hinweis auf das Erkenntnis vom 10.12.2014, Ra 2014/18/0103 bis 0106, mwN). Hierzu ist auch anzumerken, dass in diesem Punkt eine maßgebliche Änderung der Situation den neuen UNHCR ELIGIBILITY GUIDELINES FOR ASSESSING THE

INTERNATIONAL PROTECTION NEEDS OF ASYLUM-SEEKERS FROM AFGHANISTAN

vom 30.08.2018 nicht entnommen werden können.

Zur Erläuterung der belangten Behörde, das Fluchtvorbringen sei unplausibel und der Beschwerdeführer würde sich von Beginn an nur auf eine lapidare Aussage zurückzogen haben, dass er Probleme mit den Taliban habe, ist auszuführen, dass diese beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde mit den Länderinformationen nicht in Einklang zu bringen sind. Aus diesen ergibt sich insbesondere, dass die Taliban einzelne Regierungskollaborateure nicht nur verfolgen, um sie von ihrer Tätigkeit für die Regierung abzuhalten, sondern dass diese Verfolgung insbesondere Teil einer Einschüchterungskampagne ist, um die Bevölkerung im Allgemeinen von der Kollaboration mit der Regierung abzuhalten. Auch ergibt sich aus den herangezogenen Länderberichten, dass Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte jeden Ranges zu den Zielpersonen gehören. Den Länderberichten ist weiter zu entnehmen, dass die Aufgabe seiner Tätigkeit als Dolmetscher durch seine Flucht ihn nicht aus der Schusslinie der Taliban geholt hat: um Reue und den Wille zur Wiedergutmachung zu zeigen reicht eine schlichte Aufgabe der Tätigkeit den Länderfeststellungen zufolge nicht aus, die davon sprechen, dass eine betroffene Person der Verfolgung entgehen kann, wenn sie eine Abgabe bezahlt, Informationen liefert und Kollegen für die Taliban ausspioniert oder zu den Taliban überläuft. Anhand sieser Fluchtgründe ist erkennbar, dass der Beschwerdeführer den Taliban nicht wohlgesonnen ist und er als ein Feind dieser anzusehen ist.

Daher ergibt sich vor dem Hintergrund der Länderberichte, dass der Beschwerdeführers noch immer als Feind der Taliban angesehen wird.

Die entsprechenden Passagen im Landinfo Report Afghanistan:

Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne von 23. August 2017 von Dr. Antonio Giustozzi unter Punkt 4. Identifizierung von Zielpersonen zur Einschüchterung und Tötung lauten:

"Insbesondere die Einschüchterung und Identifizierung von Zielpersonen durch die Taliban hängt stark von den Resultaten ihrer nachrichtendienstlichen Tätigkeit ab. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass Einschüchterung und Verfolgung nur eine von vielen Aufgaben der Nachrichtendienste sind. Die Taliban-Interviewpartner beschrieben die Aufgaben der Nachrichtendienste wie folgt: Tätigkeit für alle Bereiche der Taliban-Bewegung, Grundlagen für künftige Operationen legen und Gefahren seitens des Feindes abwehren, u.a. durch die Entlarvung feindlicher Informanten. Sie untersuchen auch verdächtige Kollaborateure der Regierung und wählen die Zielpersonen aus der schwarzen Liste aus, die auf die Abschussliste gesetzt werden sollen (dies ist eine Teilmenge der schwarzen Liste, mit denjenigen, die zur Tötung frei gegeben wurden). Eine Ausnahme bildet hier der Nachrichtendienst von Quetta, der nicht zu einer Militär-Kommission gehört und soweit berichtet wurde, keine Zielpersonen auswählt. Außerdem sollen die Dienste ein Auge auf Taliban haben, die sich daneben benehmen, wenn es also zu Übergriffen gegen die Bevölkerung und Korruption kommt.

Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach 'fehlverhalten':

Politische Feinde: die Anführer und wichtigsten Mitglieder der Parteien und Gruppen, die den Taliban feindlich gesinnt sind; dazu gehören beispielsweise

a. Prof. Rabbani;

b. der starke Mann von Uruzgan, Jan Mohammad:

c. Gen. Daud.

a) Regierungsbeamte und Mitarbeiter westlicher und anderer 'feindlicher' Regierungen - alle Zivilisten, die für die Regierung oder für westliche diplomatische Vertretungen und andere Einrichtungen arbeiten;

b) Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte jeden Ranges;

c) Personen, von denen angenommen wird, dass sie die Taliban für die Regierung ausspionieren oder Informationen über sie liefern;

d) Personen, die gegen die Shari'a (entsprechend der Auslegung der Taliban) und die Regeln der Taliban verstoßen;

e) Kollaborateure der afghanischen Regierung - praktisch jeder, der der Regierung in irgendeiner Weise hilft;

f) Kollaborateure des ausländischen Militärs - praktisch jeder, der den ausländischen Streitkräften in irgendeiner Weise hilft;

g) Auftragnehmer der afghanischen Regierung;

h) Auftragnehmer anderer Länder, die gegen die Taliban sind;

i) Dolmetscher, die für feindliche Länder arbeiten;

j) Personen jeder Art, die die Taliban in irgendeiner Weise für nützlich oder notwendig für ihre Kriegsführung erachten, die die Zusammenarbeit verweigern.

Diese Kategorien von Zielpersonen beinhalten eine Reihe von Gruppen, die sich nur schwer genau quantifizieren lassen, aber es dürften mit aller Wahrscheinlichkeit insgesamt mehr als eine Million Menschen sein (die Sicherheitskräfte sind zirka 400.000 bis 450.000 Mann stark, ferner hat die Regierung über 500.000 zivile Mitarbeiter, dazu kommen noch zehntausende von Auftragnehmern).

Anschläge gegen die genannten Personengruppen gibt es seit den Anfängen des Aufstandes (2002). In der Tat war die Ermordung einzelner 'Kollaborateure' 2002-2004, als ihr militärisches Potenzial noch schwach war, die wesentliche Aktivität der Taliban. 2005-2007 begannen die Taliban großangelegte militärische Operationen und die gezielten Morde verloren etwas an Bedeutung. Ab 2007 mussten die Taliban vermehrt Einschüchterungstaktiken anwenden, als sie dem vermehrten militärischen Druck durch die ausländischen Streitkräfte (ISAF) ausgesetzt waren. Eine asymmetrische Taktik sollte die Konsolidierung der Kabuler Regierung verzögern bzw. verhindern.

Mit dem Abzug eines Großteils der ausländischen Streitkräfte im Laufe des Jahres 2014 verschoben sich die Prioritäten für die Taliban wiederum. 2014, als die ausländischen Kräfte kaum noch an den Kampfhandlungen teilnahmen, zeigten die Unterlagen der UNAMA über die zivilen Opfer von gezielten Ermordungen durch die Taliban einen leichten Rückgang um 3,6%, dies war der erste Rückgang seit Beginn der Erhebungen durch die UNAMA 2008. 2015 schnellte die Zahl dann wieder um 10,4% nach oben, 2016 fiel sie stärker als jemals zuvor, um 27,3% (Tabelle 1 unten). Da die Taliban nach übereinstimmenden Berichten zu diesem Zeitpunkt ihre Operationen ausweiteten und weite Gebiete unter ihre Kontrolle brachten, ist dieser Rückgang sicherlich nicht darauf zurückzuführen, dass sie dazu weniger in der Lage gewesen wären, sondern vielmehr auf einen anderen Fokus und eine Änderung der Strategie: man war weniger daran interessiert, die afghanische Regierung zu unterminieren, als daran, sie direkt zu stürzen. Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass viele der 'Kollaborateure', die sich schutzlos fühlten, aus diesen gefährdeten Gebieten flohen und die Taliban somit keine leichten Ziele mehr hatten.

Außer den Personen in den oben genannten Kategorien a), d), e) und

k) bieten die Taliban allen Personen, die sich 'fehlverhalten' die Chance, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. Die Personen in den Kategorien a), d), e) und k) haben allein schon durch die Zugehörigkeit zu dieser Kategorie, Verbrechen begangen, im Gegensatz zu einer Tätigkeit als Auftragnehmer. Dies sehen die Taliban nur dann als Verbrechen an, wenn der Auftragnehmer die Warnungen der Taliban in den Wind schlägt. Die Chance zu bereuen, ist ein wesentlicher Aspekt der Einschüchterungstaktik der Taliban und dahinter steht hauptsächlich der folgende Gedanke: das Funktionieren der Kabuler Regierung ohne übermäßiges Blutvergießen zu unterminieren und Personen durch Kooperation an die Taliban zu binden. Die Personen der Kategorien b), c), f), g), h), i) und j) können einer 'Verurteilung' durch die Taliban entgehen, indem sie ihre vermeintlichen 'feindseligen' Tätigkeiten nach einer Verwarnung einstellen.

b) Regierungsmitarbeiter und Mitarbeiter westlicher Regierungen: Sie können einer Warnung oder Verurteilung vor Erhalt des letzten Drohbriefes entgehen, wenn sie Abgaben zahlen, Informationen liefern und ihre Kollegen für die Taliban ausspionieren, um deren Aktionen gegen die eigenen Arbeitgeber zu unterstützen oder zur Verbesserung der Organisation der Taliban beizutragen. Bekannte Einzelfälle sind:

I. Personal im Bildungswesen: können arbeiten, wenn ihre Bildungsbehörde oder Schule eine Vereinbarung mit den Taliban schließt, die Lehrpläne und Schulbücher ändert, für religiöse Fächer von den Taliban empfohlene Lehrer einstellt und den Taliban die Überwachung der Schule gestattet.

II. Personal im Gesundheitswesen: darf arbeiten, wenn es sich bereit erklärt, verletzte Taliban-Mitglieder zu behandeln.

c)

Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte jeden Ranges: wie

b)

oben, sie haben aber auch die Option, zu den Taliban überzulaufen und Absichtserklärungen mit den Taliban zu unterzeichnen (als gesamte Einheit), in denen eine im gemeinsamen Interesse liegende Gegenleistung angeboten wird.

f) Kollaborateure der afghanischen Regierung: wie b) oben

g) Kollaborateure des ausländischen Militärs und im militärischen Zusammenhang stehende Unterstützungsleistungen, einschließlich der Mitarbeiter in den Unterkünften: wie b) oben

h) Auftragnehmer der afghanischen Regierung: wie b) oben

i)

Auftragnehmer, die für talibanfeindliche Länder tätig sind: wie

b)

oben

j) Dolmetscher, die für feindliche Länder arbeiten: wie b) oben

Die Taliban nennen als ihre wichtigsten Zielpersonen die Offiziere der nationalen Sicherheitsdienste (NDS), Dolmetscher bzw. alle, die für das/mit dem ausländischen Militär und Diplomaten arbeiten. So behaupten die Taliban beispielsweise, dass sie 2015 15 Dolmetscher in Kabul und den umliegenden Vororten getötet hätten und im Jahr 2016 bis Anfang Dezember 23; es bleibt unklar, ob die Taliban ihre Opfer auch zu Recht als Dolmetscher identifiziert haben. Die Taliban bauschen ihre Erfolge sicherlich auf, indem sie unzutreffende Opferzahlen angeben (insbesondere, wenn Bomben eingesetzt werden). Die meisten Angriffe fanden in den Vororten statt (2016 waren es 17). Die Taliban nehmen natürlich auch Ausländer ins Visier, insbesondere, wenn sie irgendwie an der Bekämpfung des Aufstandes beteiligt sind. [...]

Im Grunde genommen steht jeder auf der schwarzen Liste, der (aus Sicht der Taliban) ein 'Übeltäter' ist und dessen Identität und Anschrift die Taliban ausfindig machen können. Diese Details sind wesentlich, denn nach den Regeln der Taliban, muss ein Kollaborateur gewarnt werden und Gelegenheit erhalten, auf den richtigen Weg zurückzukehren, bevor er auf die schwarze Liste gesetzt wird. Damit die Einschüchterungstaktiken der Taliban funktionieren, hängen sie also davon ab, dass ihre Informanten Angaben zu den potenziellen Zielpersonen liefern. Die Taliban behaupten jedoch, dass sie, dank ihrer Spione bei der Grenzpolizei am Flughafen Kabul und auch an vielen anderen Stellen, überwachen können, wer in das Land einreist. Sie geben an, dass sie regelmäßig Berichte darüber erhalten, wer neu ins Land einreist."

Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr an seinen Herkunftsort eine Verfolgung bis hin zur Tötung durch die Taliban droht, ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer durch seine Tätigkeit als Dolmetscher zur Zielpersonen wurde.

Zur Aktualität der Bedrohung ist auch auf die Ausführungen im Landinfo Report Afghanistan: Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne von 23. August 2017 von Dr. Antonio Giustozzi unter Punkt 5. Die Regeln der Taliban zu verweisen, wo auch die Konsequenz und Zielstrebigkeit, mit der die Taliban ihre Feinde als solche betrachten und Verfolgen, aufgezeigt wird. Im Wortlaut:

"Zumindest teilweise hat das Justizsystem der Taliban den Zweck, deutlich zu machen, dass ihre Bewegung einen Schattenstaat darstellt. Es liegt den Taliban daher viel daran, die Kontinuität zwischen der aktuellen Bewegung von Aufständischen und dem Taliban-Emirat von 1996-2001 zu betonen; tatsächlich bezeichnen sich die Taliban selbst immer noch als das Islamische Emirat Afghanistan. Daher gelten alle Urteil, die die Taliban für jegliches Verbrechen einmal gesprochen haben, immer noch weiter, einschließlich derer, die vor dem Fall des Emirates ergingen. Tatsächlich befinden sich, laut den Taliban-Quellen, auf der 15.000 Personen um fassenden schwarzen Liste, immer noch 3.000, die zu Zeiten des Emirats verurteilt wurden (die Gerichtsunterlagen wurden nach Pakistan geschafft, als das Emirat fiel). Es ist naheliegend, dass diejenigen, die den Urteilen der Taliban damals entgingen, sich im Ausland aufhielten, daher wurden recht viele dieser Personen (ca. 200) von den Taliban erst 2002-2016 gefasst.

Die Taliban beobachten alle Fremden, die in den Dörfern und Kleinstädten unter ihrer Kontrolle ankommen genau, genauso wie die Dorfbewohner, die in Gebiete unter Regierungskontrolle reisen. Sie fürchten offensichtlich, ausspioniert zu werden und versuchen, die Rekrutierung von Informanten durch die Regierung zu beschränken. Wer in die Taliban-Gebiete ein- oder ausreist sollte die Reise überzeugend begründen können, möglichst belegt mit Nachweisen über Geschäftsabschlüsse, medizinische Behandlung etc. Wenn die Taliban einen Schuldigen suchen, der für die Regierung spioniert haben soll, ist jeder, der verdächtigt wird, sich an die Behörden gewandt zu haben, in großer Gefahr."

Zur Aktualität der Bedrohung ist auch auf Stahlmann, Zur aktuellen Bedrohungslage der afghanischen Zivilbevölkerung im innerstaatlichen Konflikt. ZAR 2017, 189 von Juli 2017 zu verweisen, die zur Verfolgung von Gegnern insbesondere durch die Taliban ausführt (S. 195 ff.):

"3.3. Verfolgung von Gegnern

Die Strategie der gezielten Verfolgung deklarierter Feinde und das tödliche Risiko, das damit einhergeht, ist zumindest bezüglich der Taliban weitgehend anerkannt. In der Entscheidungspraxis des BAMF ist jedoch erkennbar, dass es in der Bewertung, wer von wem mit welchen Konsequenzen von Aufständischen zum Feind deklariert wird, große Unterschiede gibt.

Aussagen der jeweiligen Parteiführungen militanter Organisationen bieten hierfür keine hinreichende Orientierung, weil sie keine Garantien für das Verhalten der Kommandanten vor Ort bieten. Im Gegensatz zu manch anderen Aufständischen, wie dem IS oder LeJ, vertritt die Talibanführung zur Zeit die ofizielle Haltung, dass Schiiten nicht kollektiv verfolgt werden sollten, und es gibt sogar Taliban, die verkünden, dass NGOs nicht angegriffen werden sollten. Die Ermordung von Mitarbeitern des IKRK69 is

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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