TE OGH 2019/1/24 9Ob83/18y

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Veröffentlicht am 24.01.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. B***** G***** und 2. R***** G*****, beide vertreten durch Dr. Bernhard Wörgötter, Rechtsanwalt in St. Johann in Tirol, gegen die beklagte Partei A***** N*****, vertreten durch Dr. Walter Hausberger, Dr. Katharina Moritz und Dr. Alfred Schmidt, Rechtsanwälte in Wörgl, sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei A***** AG, *****, vertreten durch Mag. Dr. Nikolaus Friedl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 34.174,27 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 29.475,78 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 28. Juni 2018, GZ 2 R 68/18v-145, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 7. März 2018, GZ 10 Cg 1/14h-140, teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 2.165,26 EUR (darin 360,88 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht nachträglich mit der bloßen Begründung zugelassen, dass der Revisionswerber in seinem Zulassungsantrag geltend gemacht habe, die Berufungsentscheidung stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

Der Oberste Gerichtshof sprach schon mehrfach aus, dass sich die nach dem Gesetz erforderliche Prüfung der Stichhältigkeit eines Abänderungsantrags gemäß § 508 Abs 1 ZPO nicht in einer Scheinbegründung erschöpfen darf und sich das Berufungsgericht bei seiner Prüfung mit den Antragsargumenten sachlich – wenngleich kurz – auseinanderzusetzen hat, darf es doch einem solchen Antrag nur stattgeben, wenn es ihn für stichhältig hält (RIS-Justiz RS0112166; RS0111729). Hier lässt das Berufungsgericht diese Auseinandersetzung vermissen. Seinen Ausführungen ist nicht zu entnehmen, worin die erhebliche Rechtsfrage bestehen soll.

Auch in der Revision des Beklagten wird keine für die Lösung des Falls erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt.

1. Richtig ist zwar, dass im vorliegenden Fall kein „widersprüchlicher“ Werkvertrag vorliegt. Darauf haben sich die Kläger im Verfahren auch nicht berufen. Ein „widersprüchlicher“ Werkvertrag wäre nur dann anzunehmen, wenn eine bestimmte Ausführung des Werks vereinbart wird, die aber aufgrund der konkreten Verhältnisse nicht geeignet ist, den (zumindest implizit) bedungenen Zweck zu erfüllen (4 Ob 96/16w Pkt 1.2.; vgl 2 Ob 230/17p Pkt 1.1.a). Dies ist hier nicht der Fall.

Die Kläger haben für ihr Haus mit sechs Wohnungen beim Beklagten die notwendigen Estricharbeiten in Auftrag gegeben. Grundlage dieses Auftrags war ein Anbot des Beklagten, in dem eine Styroloseschüttung vorgesehen war. Nicht festgestellt werden konnte, dass zwischen den Parteien über die Vor- oder Nachteile einer Kiesschüttung gegenüber einer Styroloseschüttung gesprochen wurde. Der Beklagte sicherte in seiner Auftragsbestätigung zu, dass die angebotenen Leistungen den Bestimmungen der ÖNORM entsprechen.

Unter Außerachtlassung der von den Klägern erst nach Beendigung der Tätigkeit des Beklagten errichteten Deckenunterkonstruktion konnte der Beklagte mit dem von ihm vorgeschlagenen und tatsächlich ausgeführten Fußbodenaufbau den Trittschallschutz entsprechend der ÖNORM B 8115 (Trittschallpegel maximal 48 dB) nicht erfüllen. Die Konstruktionshöhe des Fußbodens mit der tatsächlich vorgenommenen Styroloseschüttung in Höhe von 6,5 cm war zu gering. Mit einer Kiesschüttung wäre zwar ein um ca 3 dB höherer Trittschallschutz erreichbar gewesen als mit der Styroloseschüttung. Nur wenn aber die Schüttung statt mit einer Höhe von 6,5 cm mit einer Höhe von 10 cm und unter Verwendung von Kies anstelle von Styrolose aufgebracht worden wäre – dies wäre im konkreten Fall auch möglich gewesen –, hätte dies zusammen ausgereicht, um
– ohne Berücksichtigung der Deckenunterkonstruktion – den Trittschallpegel von 48 dB nicht zu überschreiten und damit die ÖNORM B 8115 einzuhalten.

Die Auslegung des zwischen den Parteien abgeschlossenen Werkvertrags ergibt hier, dass die konstruktive Leistungsbeschreibung für die Kläger als Werkbesteller keine besondere Bedeutung hatte. Es ist offenkundig, dass das Interesse der Kläger ausschließlich auf die Herstellung eines ÖNORM-gerechten Estrichs samt Unterbau gerichtet war und für sie das verwendete Material unerheblich war. Es oblag ausschließlich dem beklagten Werkunternehmer, mit der konkreten Ausgestaltung des Werks seine vertragliche Leistungspflicht zu erfüllen (vgl 4 Ob 96/16w Pkt 1.3.).

Auf dieser Grundlage stellen sich die vom Revisionswerber angesprochenen Fragen der Vertragsanpassung und das Problem der Sowieso-Kosten nicht, weil in Wahrheit Schlechterfüllung vorliegt, die hier zu Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen führt (vgl 2 Ob 230/17p Pkt 1.1.b).

2. Der vom Berufungsgericht erfolgte Zuspruch der von den Klägern aufgewendeten Kosten für die Einbringung einer Kiesschüttung anstelle der Styroloseschüttung in derselben Höhe von 6,5 cm steht nicht in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung. Unterlässt der Werkunternehmer seine Verbesserung, so muss er den Werkbesteller so stellen wie er stünde, wenn er ordnungsgemäß erfüllt hätte. Es steht demnach das Erfüllungsinteresse zu. Als Schaden kommen auch die Kosten einer vom Werkbesteller selbst oder auf seine Veranlassung hin durchgeführten Verbesserung durch einen Dritten, also die Kosten der Ersatzvornahme bzw das Deckungskapital in Betracht (RIS-Justiz RS0086353 [T3]). Dadurch, dass die Kläger nur die geringeren Kosten für eine teilweise Verbesserung des vom Beklagten schuldhaft verursachten Mangels und nicht die höheren Kosten für eine gänzliche Mängelbehebung begehrten und zugesprochen erhielten, kann sich der Beklagte nicht beschwert erachten. Fest steht jedenfalls, dass durch die teilweise Ersatzvornahme der Kläger eine Verbesserung des Mangels in einem bestimmten, aufgrund der konkreten Umstände nicht unerheblichen Ausmaß erreicht werden konnte (vgl 4 Ob 44/14w).

3. Bei der Frage nach der Unverhältnismäßigkeit des Verbesserungsaufwands ist nicht allein die Höhe der Behebungskosten ausschlaggebend, sondern es ist vor allem auf die Wichtigkeit einer Behebung des Mangels für den Werkbesteller Bedacht zu nehmen. Wenn sich der Mangel eher nur als geringer Nachteil im Gebrauch darstellt, können schon verhältnismäßig geringe Behebungskosten „unverhältnismäßig“ sein, wenn der Mangel den Gebrauch aber hingegen entscheidend beeinträchtigt, dann sind auch verhältnismäßig hohe Behebungskosten noch kein Grund, die Verbesserungskosten als unverhältnismäßig anzusehen (RIS-Justiz RS0022044). Ob diese Voraussetzung im Einzelfall vorliegt, hängt jeweils von den konkreten Umständen des zu beurteilenden Falls ab, denen keine über diese hinausgehende Bedeutung zukommt (7 Ob 29/15p; RIS-Justiz RS0022044 [T18]).

Die angefochtene Entscheidung bewegt sich im Rahmen des den Gerichten eingeräumten Beurteilungsspielraums. Dabei ist hier wesentlich, dass einige der von den Klägern errichteten (hochwertigen) Wohnungen aufgrund der mangelnden Schalldämmung vor der Verbesserung durch die Kläger nicht bewohn- bzw vermietbar waren, weshalb die vorgenommenen Verbesserungsarbeiten unumgänglich und von wesentlicher Bedeutung für die Kläger waren.

4. Die Überlegungen der Revision zum Mitverschulden des Werkbestellers im Rahmen der „geteilten Gewährleistung“ im Falle einer Warnpflichtverletzung des Werkunternehmers (§ 1168a ABGB) sind für den konkreten Fall nicht relevant. Dem Beklagten wird keine Warnpflichtverletzung vorgeworfen.

Die Revision des Beklagten war daher mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision konnte sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit der Revision des Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979 [T16]).

Textnummer

E124310

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0090OB00083.18Y.0124.000

Im RIS seit

20.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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