TE Bvwg Beschluss 2018/12/27 L526 2211368-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.12.2018
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Entscheidungsdatum

27.12.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §18 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §37
AVG §39 Abs2
AVG §45 Abs2
AVG §60
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

1. L526 2211352-1/5E

2. L526 2211356-1/4E

3. L526 2211359-1/4E

4. L526 2211362-1/4E

5. L526 2211368-1/5E

6. L526 2211369-1/4E

7. L526 2211371-1/2E

BESCHLUSS

1. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX StA. Irak, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.11.2018, XXXX beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig

2. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX StA. Irak, vertreten durch den Vater, dieser vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.11.2018, XXXXbeschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig

.

3. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, StA. Irak, vertreten durch den Vater, dieser vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.11.2018, XXXX beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig

4. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXXStA. Irak, vertreten durch den Vater, dieser vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.11.2018, XXXX, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig

5. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX StA. Irak, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.11.2018, XXXX beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig

6. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXXStA. Irak, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.11.2018, XXXX beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig

7. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXXStA. Irak, vertreten durch den Vater, dieser vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 9.11.2018, Zl. XXXX, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

I.1 Die Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz "BF" oder gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch als " "BF1" bis "BF7" bezeichnet) sind irakische Staatsangehörige. BF6 ist die Ehegattin des BF1. BF5 ist seine Lebensgefährtin (mit dieser ist BF1 lediglich traditionell verheiratet). BF2 bis BF4 und BF7 sind ihre minderjährigen Kinder.

I.2. BF1, BF5 und BF6 reisten unter Umgehung der Grenzkontrolle in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 15.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Den Angaben der BF zufolge reisten diese mit einem Kind ein. Der Aktenlage lässt sich kein Hinweis entnehmen, dass für dieses Kind ebenfalls ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde. Ein Verfahrensakt für BF7 wurde offenbar erst im März 2018 angelegt.

Anlässlich seiner Erstbefragung nach dem Asylgesetz gab BF1 an, Kämpfer des IS hätten seinen Vater im Jahr 2008 umgebracht. Der IS habe Geld vom Vater gefordert. Da dieser nicht bezahlt habe, habe man ihn getötet. Der jüngere Bruder des BF1 habe recherchiert und Rache nehmen wollen. Aus diesem Grunde sei auch der Bruder im Jahr 2009 vom IS getötet worden.

Anlässlich seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der nunmehr belangten Behörde (im Weiteren kurz "bB" genannt) brachte BF1 zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst vor, dass sein Vater im Jahr 2007 von der Al Qaida entführt und getötet worden sei, nachdem er es abgelehnt habe, ihnen Geld zu geben. Es sei mit seinem Bruder XXXX nach Syrien gegangen und im Jahr 2008 sei er allein wieder zurückgekehrt. Der Bruder XXXX habe recherchiert, wer den Vater getötet hat und dies auch herausgefunden. XXXX sei im Jahr 2009 getötet worden. Der BF habe dann zusammen mit seinem Bruder XXXX bis 2014 in einem Brüo für Import und Export von Getreide und nebenbei als Elektriker gearbeitet. Man habe ihnen gesagt, dass sie Geld für den Islamischen Staat zahlen sollten, welches der BF aber nicht zahlen wollte. In der Erntezeit sei der BF mit seinem Bruder XXXX und seiner Frau XXXX von ihm unbekannten Männern angesprochen worden. Sie hätten den BF gerufen und gesagt, sie würden ihm ein paar Fragen stellen wollen. Der BF sei davongerannt und es sei dann auf seinen rechten Fuß geschossen worden. Seinen Bruder habe man nach zwei Tagen tot aufgefunden; es sei ihm in den Kopf geschossen worden. Das sei im Mai 2014 gewesen. Die Polizei habe aber nichts gemacht. Im Juni sei Mossul dann vom IS übernommen worden. Der BF habe an verschiedenen Orten in Mosul gelebt bis er im Oktober 2014 nach Syrien ausgereist sei.

Alle Familienangehörigen hätten die gleichen Fluchtgründe wie er.

Dass der BF anlässlich der Erstbefragung nichts von den Schüssen auf ihn erwähnt habe, erklärte er damit, dass er nicht danach gefragt worden sei. Auf Vorhalt, dass er in Zusammenhang mit den Geschehnissen im Jahr 2008 und 2009 einmal von der Al Qaida, einmal vom IS gesprochen habe, vermeinte der BF, dass es sich um das Gleiche handle; zuerst habe die Vereinigung Al Qaida geheißen, dann IS (Islamischer Staat). Befragt, warum der Vorfall mit dem Vater und den Brüdern nicht angezeigt worden sei, gab der BF an, dass man bei der Polizei gewesen sei, diese aber nichts gemacht habe. Er glaube, dass seine Mutter und seine Schwester die Anzeige gelegt hätten.

BF6 (diese war den Angaben des BF1 bei dem von ihm geschilderten Vorfall im Mai 2014 dabei), brachte vor, dass ihr Mann bedroht wurde. Deswegen seien sie ausgreist. Der IS habe auch einen Drohbrief auf den Namen ihres Mannes ausgestellt. Zur Frage, ob sie persönlich irgendwann einmal eine Bedrohung ihres Mannes miterlebt habe, teilte BF6 mit, sei sei zwei Mal dabei gewesen, als er angerufen worden sei. Nach erfolgter Rückübersetzung wurde BF6 noch befragt, ob sie ein Kind verloren habe und teilte die BF darauf hin mit, dass das vermutlich gewesen sei, als ihr Mann mit blutenden Füßen nach Hause kam. Befragt, warum dieser blutende Füße hatte, erzählte BF6 von dem Vorfall zur Erntezeit, als ihr Mann im Weglaufen von einem Schuss getroffen wurde. Das sei passiert, als fremde Personen zum Haus von XXXX gingen, welchen sie dann mitgenommen hätten. Befragt, warum sie das nicht früher erzählt habe, erklärte BF3, sie habe das noch erzählen wollen.

BF5 brachte anlässlich der Ersteinvernahme vor, sie sei Lehrerin gewesen. Dies habe für den IS ein großes Problem dargestellt, da das eine Schande sei. Ihr Mann hätte nichts dagegen gehabt, der IS hätte ihr das verbieten wollen. Sie hätte sich nur verschleiert auf der Straße bewegen können. Sie fürchte sich auch, dass sie von IS-Kämpfern vergewaltigt werden könnte, da das einigen Freundinnen von ihr passiert sei. Hauptgrund für die Flucht sei jedoch gewesen, dass dass ihr Mann vom IS bedroht worden sei. Anlässlich der Einvernahme durch die bB brachte sie vor, dass ihr Mann im Irak nicht mehr habe leben können. Als der IS kam, hätten sie verboten, dass Englisch weiterhin unterrichtet werde. Sie seien zu Hause geblieben und hätten weiterhin unterrichtet. Nachdem der IS gekommen sei, habe sie nur noch ein Monat unterrichten dürfen. Dann hätten sie diesen Befehl gegeben (von welchem Befehl BF2 sprach, lässt sich dem Protokoll nicht entnehmen).

I.3. Im Verfahrensakt betreffend die minderjährige BF7 erliegt ein Untersuchungsbericht, aus welchem hervorgeht, dass es sich bei ihrem irakischen Personalausweis um eine Totalfälschung handelt.

I.4. Im Verfahrensakt betreffend BF1 erliegt eine Strafkarte, aus welcher hervorgeht, dass er gemäß § 223 StGB zu einer bedingten Haftstrafe von drei Monaten verurteilt wurde. Das Urteil findet sich nicht im Akt.

Im Akt erliegt auch eine "Stellungnahme" (dass der BF zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert worden ist bzw. was diesfalls konkret dem Parteiengehör unterzogen wurde, lässt sich der Aktenlage nicht entnehmen), mit welcher BF1 vorbringt, dass im Mai 2018 ein Antrag auf Namensänderung gestellt worden wäre. Aufgrund falscher Dokumente sei es zu einer Verurteilung durch das Bezirksgericht gekommen. Ferner gab BF1 an, dass er derzeit ehrenamtlich arbeite und ab November 2018 an einem Deutschkurs teilnehmen würde.

I.5. Der Antrag auf internationalen Schutz der BF wurde mit den im Spruch näher bezeichneten Bescheiden des Bundesasylamtes gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei. Bezogen auf BF1 wurde einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 die aufschiebende Wirkung aberkannt und festgestellt, dass gemäß § 55 Abs 1a keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe. Gemäß § 53 Abs. 2 FPG wurde gegen BF1 ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Bezogen auf die übrigen BF wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung beträgt.

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sich BF1 in Widersprüche verwickelt habe. So habe er zunächst vorgebracht, dass der Vater vom IS ermordet worden sei, sich den Länderfeststellungen jedoch entnehmen ließe, dass dieser erst im Jahr 2014 einmaschierte und der BF sich dann dahingehend korrigiert habe, dass er die Al Qaida gemeint habe.

Es würde nicht bezeweifelt, dass der Vater und der Bruder durch einen Kopfschuss gestorben seien, es gebe jedoch keinen Hinweis darauf, dass die Ermordung durch den IS erfolgte. Zudem seien die Vorfälle auch nicht mehr aktuell.

Ferner wurde ausgeführt, dass die Angaben des BF jenen den Bruders XXXX widersprächen (dass diese Aussagen dem Parteiengehör unterzogen wurden, ist der Aktenlage nicht zu entnehmen). Zudem habe die Ehefrau XXXX im Gegensatz zur Schilderung des BF1 angegeben, dass sie bei keinem Vorfall anwesend gewesen wäre.

Nicht plausibel sei auch, dass BF1, welcher anlässlich seiner Ersteinvernahme angab, bei der Beerdigung des Bruders XXXX zum Ziel des IS geworden zu sein, schon vorher von Interesse für den IS gewesen sei.

Dass BF1 mindestens zehn Drohanrufe erhalten habe, sei unglaubwürdig und sei es auch nicht plausibel, dass BF1 nach dem Tod des Vaters freiwillig eine Büroarbeit aufgenommen und sich damit einem Sicherheitsisiko ausgesetzt habe.

Rechtlich wird im Westentlichen dargetan, dass der IS aus dem Irak zurückgedrängt und Befürchtungen in Bezug auf den IS somit gegenstandslos seien. Laut Länderinformationsberichten vereinnahme der IS nur noch 5% des Terrains. Eine individuelle Verfolgungsgefahr habe deshalb verneint werden müssen. Die vom BF behauptete Verfolgung erreiche auch keine entsprechende Intensität.

Auch im Hinblick auf die von BF5 geschilderten Fluchtgründe und Rückkehrbefürchtungen im Zusammenhang mit ihrer Lehrtätigkeit und einer möglichen Vergewaltigung durch IS-Kämpfer wurde darauf verwiesen, dass der IS gegenwärtig keine Gefahr mehr darstelle.

Es sei auch nicht hervorgekommen, dass die BF im Falle ihrer Rückkehr in die Heimat eine EMRK-relevante Bedrohung zu gewärtigen oder in eine lebensbedrohende Notlage geraten würden. Mosul sei auch im Begriff, wieder aufgebaut zu werden. Es sei auch sonst kein Abschiebehindernis hervorgekommen.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung stützt die bB auf eine Verurteilung wegen Urkundenfälschung (das Urteil erliegt nicht im Akt) sowie auf Polizeimeldungen und Einträge in den den BF1 betreffenden "GVS"-Auszug.

In Bezug auf das über BF1 verhängte Einreiseverbot verweist die bB ebenfalls auf die erwähnte Verurteilung wegen Urkundenfälschung und führt aus, dass BF1, als er dazu befragt worden sei, eine ganz andere Geschichte erzählt habe und von der Urkundenfälschung nichts erwähnt habe; er habe sohin die bB zu täuschen versucht. Zu einer von ihm begangenen Sachbeschädigung habe der BF angegeben, er würde den entstandenen Schaden in Raten zahlen. Der gesamte Betrag sei jedoch zum Zeitpunkt der Einvernahme nicht beglichen worden.

Im Hinblick darauf, wie der BF sein Leben in Österreich insgesamt gestalte, sei davon auszugehen, dass die im Gesetz umschriebene Annahme, er stelle eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, gerechtfertigt sei.

I.6. In ihrer Beschwerde tätigten die BF zunächst Ausführungen, die die von der bB aufgezeigten Widersprüche aufklären sollten.

In Bezug auf die vorgelegten Unterlagen, welche den Tod des Vaters und des Bruders bestätigen sollten, wurde ausgeführt, dass die bB diese nicht beachtet habe. Ferner wurde vorgebracht, dass die bB, sofern diese keinen Zusammenhang der Ausreise der BF mit den Todesfällen sehe, das Vorbingen in Bezug auf die Tötung des Bruders Kanaan im Mai 2014 übersehe. Ferner wurden Ausführungen zu allgemeinen rechtlichen Themen getätigt und Berichte über die Sicherheitslage und die Lage von Kindern im Irak zitiert. Zudem wurde auf die fortgeschrittene Integration der BF aufmerksam gemacht.

In Bezug auf die Aberkennung der aufschiebenen Wirkung wurde noch angermerkt , dass keine schwerwiegenden Gründe vorlägen, die die Annahme rechtfertigen würde, BF1 stelle eine Gefahr für die öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Der für diese Entscheidung relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I getroffenen Ausführungen.

II.2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden und von den Parteien grundsätzlich nicht beanstandeten Aktenlage fest.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

II.3.2.

Zu A)

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

* Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters mit Erkenntnis vom 10.09.2014, Ra 2014/08/0005 die im Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 angeführten Grundsätze im Hinblick auf Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichtes gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG nochmals bekräftigt und führte ergänzend aus, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Sinn des § 24 VwGVG zu vervollständigen sind.

In einem erst jüngst ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.02.2017, Ra 2015/11/0089 betonte dieser weiters das Interesse der Rechtsunterworfenen an einer raschen Entscheidung und führte dazu aus, dass es nicht zu erkennen sei, weshalb es nicht im Interesse der Raschheit gelegen sein sollte, wenn das Verwaltungsgericht - ausgehend freilich von einer zutreffenden Beurteilung der entscheidenden Rechtsfrage - selbst die notwendige Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durch Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens veranlasst und den entscheidungsrelevanten Sachverhalt feststellt."

Einzelfallbezogen ergibt sich hieraus Folgendes:

Die Beschwerde ist im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt. Die in Beschwerde gezogenen Bescheide erweisen sich in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt als mangelhaft und sind der bB auch gravierende verfahrensrechtliche Fehler unterlaufen:

1. Die belangte Behörde erachtete das Fluchtvorbringen des BF1 als unglaubwürdig und stützt dies unter anderem auf Widersprüche in der Aussage des BF1 im Vergleich zur Aussage seines Bruders XXXX.

Dem Akt kann weder ein Protkoll über die im Bescheid zitierten Aussagen des Bruders XXXX noch ein Vermerk entnommen werden, aus welchem hervorginge, wie die bB zu den Aussagen des Bruders gelangte. Auch der Bescheidbegründung lässt sich kein Hinweis darauf entnehmen. Zudem ist auch nicht ersichtlich, dass das Ergebnis der Beweisaufnahme dem Parteiengehör unterzogen wurde.

Einer Entscheidung einer Verwaltungsbehörde dürfen nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zu Grunde gelegt werden, zu denen die Partei des Verwaltungsverfahrens auch Stellung nehmen konnte (VwGH 2000/07/0003)

Dem Verfahrensakt der BF6 lässt sich entnehmen, dass ihr Schwager XXXX in Bregenz lebt. Im Verfahrensakt der BF5 ist sogar die genaue Adresse angegeben. Der bB wäre es daher auch einfach möglich gewesen, eine zeugenschaftliche Einvernahme in den gegenständlichen Verfahren herbeizuführen.

Dass derartiges unternommen bzw. versucht wurde, ist jedoch weder anhand der Aktenlage erkennbar, noch hat sich die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides darauf berufen.

Sofern sich die bB darauf stützt, dass das Vorbringens des BF1 Widersprüche zu den Aussagen des Bruders, vor allem im Hinblick auf den ausreisekausalen Vorfall im Jahr 2014, aufweist, ist auch anzumerken, dass die Ausführungen der bB im Hinblick auf diese Widersprüche für das erkennende Gericht nicht nachvollziehbar sind, zumal die Aussagen des Bruders, wie bereits erwähnt, nicht dokumentiert sind und der Sachverhalt auch nicht vollständig erhoben wurde.

Ein konkretes, vertiefendes Nachfragen seitens der Behörde im Hinblick auf die individuellen Fluchtgründe ist anhand des Einvernahmeprotokolles des BF1 nicht erkennbar und wurde dieser auch nicht weiter aufgefordert, alle Details (etwa im Bezug auf die anwesenden Personen) und die genauen Geschehnisabläufe zu schildern oder umfassende zeitliche Einordnungen zu treffen. Dies wäre auch notwendig gewesen, um die Schilderungen über das fluchtauslösende Ereignis im Mai 2014 des BF1 und der BF6 miteinander vergleichen und so einer Glaubwürdigkeitsprüfung unterziehen zu können. Anhand der vorliegenden Aussagen kann jedoch die Schlussfolgerung der bB, die BF hätten sich in Widersprüche verwickelt, nicht nachvollzogen werden.

Im fortgesetzten Verfahren wird die bB eine umfassende Einvernahme der BF und aller in Frage kommenden Zeugen vorzunehmen und den BF Gelegenheit zu geben haben, sämtliche Details, alle Ausreisegründe und deren Hintergründe darzulegen und wird die bB durch entsprechendes weiterführendes Nachfragen offene Punkte abzuklären haben.

Die bB hat es auch unterlassen, Vorbringen zu würdigen. So folgert die bB beispielsweise aus der Aussage der BF6 auf die Frage, was sie von den Drohungen gegen ihren Mann wahrgenommen habe - sie habe zwei telefonische Drohanrufe wahrgenommen - dass BF6 bei dem ausreisekausalen Vorfall im Mai 2014 nicht anwesend gewesen sei. Diese Schlussfolgerung ist aber vor allem im Hinblick auf die Aussage der BF6 vor der bB (AS 62), in welcher diese ihre Sicht des besagten Vorfalles darstellt, nicht nachvollziehbar. Die bB übergeht diese Aussage schlicht. Ob das Vorbringen der BF6 in Widerspruch zur Schilderung des BF1 steht oder aus sonstigen Gründen unglaubwürdig ist, lässt sich aufgrund der unzureichenden Befragung der BF zu dem in Rede stehenden Vorfall, wie oben dargestellt, nicht feststellen.

Sofern BF1 vorbringt, er habe von dem Vorfall im Mai 2014 eine Schusswunde davongetragen, wäre es der bB auch leicht möglich gewesen, zu erheben, ob Narben oder sonstige medizinisch nachweisbare Spuren vorhanden sind. Die bB wird dies im fortgesetzten Verfahren zu ergründen haben.

3. Die bB hat sich auch offenkundig nicht mit den Unterlagen, die die BF im Verfahren vorgelegt haben - es handelt sich um Fotos und mehrere Dokumente in arabischer Sprache, welche nicht übersetzt wurden - befasst und in ihre Beweiswürdigung miteinbezogen und wird sie dies im fortgesetzten Verfahren nachzuholen haben.

In diesem Zusammenhang sieht sich das Bundesverwaltungsgericht veranlasst, auf Folgendes hinzuweisen:

§ 18 AsylG 2005 verpflichtet die Asylbehörden, in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).

Der Verwaltungsgerichtshof betont in seiner ständigen Rechtsprechung, dass § 18 AsylG 2005 für das Asylverfahren eine Konkretisierung der aus § 37 AVG iVm § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde darstellt, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen (VwGH 20.10.2015, Ra 2015/18/0082 bis 0087 mwN).

Die Asylbehörden sind von ihrer Ermittlungspflicht selbst dann nicht entbunden, wenn die vom Beschwerdeführer gegebene Schilderung von vornherein als kaum glaubwürdig und als irreal erscheint (VfGH 02.10.2001, B 2136/00).

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes liegt ein willkürliches Verhalten, das in die Verfassungssphäre eingreift, etwa im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfGH 20.02.2015, E 1278/2014 mwN).

Für entsprechende Feststellungen erweisen sich die oben dargestellten Ermittlungen unabdingbar. Bei diesem Ergebnis hätte die belangte Behörde aber gemäß § 18 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 die - zusätzlich zur Aussage der BF zur Verfügung stehenden - präsenten Beweismittel auch von Amts wegen zu berücksichtigen, ohne dass diesbezügliche Beweisanträge erstattet werden. Da dies unterblieben ist, kann von einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren keine Rede sein. Die Einvernahme der Genannten sowie die Übersetzung und Sichtung der vorgelegten Urkunden bzw. entsprechende Feststellungen im Hinblick auf deren Verfahren werden somit nachzuholen sein, um ein mangelfreies Verfahren zu gewährleisten.

4. In Bezug auf die dem BF vorgeworfenen strafbaren Handlungen ist zum einen darauf hinzuweisen, dass das Urteil, welches dem in der Strafkarte ersichtlichen Eintrag über die Verurteilung wegen Dokumentenfälschung zugrundeliegt, nicht im Verfahrensakt erliegt und auch der Stellungnahme des BF - ob er dazu aufgefordert wurde und was konkret ihm diesfalls vorgehalten wurde, ist für die erkennende Richterin, wie bereits erwähnt, nicht ersichtlich - die konkreten Tatumstände für die Verurteilung des BF1 nicht entnommen werden können.

Für die im gegenständlichen Fall vorzunehmende Prognosebeurteilung ist das gesamte Fehlverhalten einzubeziehen, wobei für die Beurteilung nicht das Vorliegen der rechtskräftigen Bestrafung oder Verurteilung, sondern das dieser zu Grunde liegende Verhalten der Fremden maßgeblich ist, demzufolge ist auf die Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und auf das daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. etwa VwGH vom 22.3.2011, 2008/21/0246 mwN, auch Erk. vom 16.11.2012, 2012/21/0080).

Die bB hat genau dies unterlassen und wird sie sich im fortgesetzten Verfahren daher mit dem der Verurteilung zugrundeliegenden Fehlverhalten des BF und seinem Vorbringen dazu eingehend auseinanderzusetzen haben.

Sofern die bB dem BF eine Sachbeschädigung vorwirft, ist darauf hinzuweisen, dass einer im Akt erliegenden Mitteilung der Staatsanwaltschaft zufolge die Durchführung eines Strafverfahrens für eine Probezeit von einem Jahr vorläufig unterbleibt, da sich der BF bereit erklärt hat, den entstandenen Schaden zu ersetzen. Die bB übersieht in diesem Zusammenhang einerseits, dass über die Sache noch nicht abgesprochen wurde - wie aus dem zuvor erwähnten Schreiben ersichtlich ist, ist es tatsächlich noch ungewiss, ob es überhaupt zu einer Anklage kommen wird. - und geht auch über das diesbezüglich erstattete Vorbringen des BF, in welchem er einen Vorsatz bestreitet, hinweg. Sofern die bB dem BF vorhält, er habe den Schadenersatz noch nicht geleistet, übergeht sie auch die Angaben des BF, dass er den Schaden in Raten zahle. Dass der BF damit gegen die Vereinbarung mit dem Geschädigten oder mit der Staatsanwaltschaft verstößt, kann ohne nähere Ermittlungen dazu nicht festgestellt werden und erweist sich die Beweiswürdigung der bB insofern spekulativ.

Sofern die bB BF1 vorhält, er sei im Hinblick auf die im "GSV-Register" ersichtlichen Eintragungen uneinsichtig, ist dies für die erkennende Richterin ebenfalls nicht nachvollziehbar, wurde dies doch - zumindest dem Protokoll nach zu schließen - anlässlich der Einvernahme des BF gar nicht angesprochen und ist der Aktenlage auch kein Hinweis zu entnehmen, dass dies auf sonstige Weise dem Parteiengehör unterzogen worden wäre.

5. Ferner wird darauf verwiesen, dass der Dokumentation nicht entnommen werden kann, dass für BF7 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde; der Verfahrensakt für BF7 wurde offenbar erst mit der Befragung des BF1 im Jahr 2018 angelegt. Gerade vor dem Hintergrund der angeblich erfolgten Fälschung des Personalausweises der BF7 hätte die bB daher zu beleuchten gehabt, ob das behauptete Verwandtschaftsverhältnis mit BF7, auf das sich die BF berufen, tatsächlich besteht. Die bB wird dies im fortgesetzten Verfahren nachzuholen haben.

7. In Bezug auf die Sicherheits- und Versorungslage trifft die bB zwar umfangreiche Feststellung, unterlässt es aber, die konkrete Situation der BF dazu in Bezug zu setzen. Die bB wird im fortgesetzten Verfahren die aktuellsten Länderberichte einzuholen und vor allem die Situation von Kindern in XXXX zu beleuchten haben.

6. Ergänzend ist auch zu bemerken, dass der Bescheid auch an gravierenden Begründungsmängeln leidet.

In diesem Zusammenhang sieht sich das Bundesverwaltungsgericht veranlasst, auf Folgendes hingewiesen:

Gemäß § 45 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) idF BGBl. I Nr. 161/2013, welcher auch für die belangte Behörde maßgeblich ist, hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen sind ausweislich des § 60 AVG notweniger Teil der Begründung des Bescheides.

Das AVG erfordert eine fallbezogene Beweiswürdigung (VwGH 30.09.2004, Zl. 2001/20/0458). Bei Widersprüchen allerdings zwischen den Behauptungen und den Angaben der Verfahrenspartei und sonstigen Ermittlungsergebnissen bedarf es einer klaren und übersichtlichen Zusammenfassung der maßgeblichen, bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen. Eine dem § 60 AVG entsprechende Entscheidungsbegründung muss zu widersprechenden Beweisergebnissen im einzelnen Stellung nehmen und schlüssig darlegen, was die Behörde veranlasst hat, dem einen Beweismittel mehr Vertrauen entgegenzubringen als dem anderen; die dabei vorgenommenen Erwägungen müssen schlüssig sein, das heißt mit den Gesetzen der Logik und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut im Einklang stehen (VwGH 25.05.2016, Zl. 2013/06/0097).

Darüber hinaus wird § 60 AVG auch durch die Feststellung allein, das Vorbringen einer Partei sei unglaubwürdig, nicht Rechnung getragen, sondern nur dann, wenn die Behörde mit tragfähigen Argumenten aufzeigt, warum sie diese Auffassung vertritt (VwGH 30.09.2004, Zl. 2002/20/0599). Schließlich genügt es nicht, dass die Behörde ihre Beweiswürdigung auf isolierte Überlegungen stützt, die zumindest zum Teil nicht ungeeignet erscheinen, zur Lösung beizutragen, die aber für sich allein und ohne Bedachtnahme auf den Gesamtkontext des Vorbringens, ohne Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit der Partei und ohne Auseinandersetzung mit der aktuellen Berichtslage betreffend Vorfälle der behaupteten Art nicht ausreichen, um die Entscheidung nachvollziehbar zu begründen (VwGH 26.11.2003, Zl. 2003/20/0389).

Die Beweiswürdigung der bB im gegenständlichen Fall ist insoferne nicht nachvollzienbar, als die bB etwa ihren Ausführungen in Bezug auf Aussagen der BF nimmt, die (wie oben ausgeführt) dem Protokoll über die bei der bB erfolgte Einvernahme nicht entnommen werden können, sie Aussagen der BF übergeht, Widersprüche aufzeigt, die aus den protokollierten Aussagen nicht abgeleitet werden können oder ihren Ausführungen überhaupt jeder Begründungswert fehlt (indem die bB beispielsweise festhält, dass es unglaubwürdig sei, dass BF1 mindestens zehn Drohanrufe erhalten habe, ohne jedoch zu erläutern, weshalb die bB dies für nicht glaubwürdig hält).

Sofern die bB BF1 deshalb Unglaubwürdigkeit vorwirft, da er im Hinblick auf die Geschehnisse der Jahre 2008 und 2009 vom IS sprach, welcher erst im Jahr 2014 einmaschiert ist, ist schließlich auch noch anzumerken, dass der Berichtslage nach zu schließen tatsächlich verschiedene - vor allem sunnitische - Milizen und Vereinigungen, die als Vorläuferorganisationen des IS bezeichnet werden können, bereits vor dem im Jahr 2014 erfolgten Einmarsch in Mossul operierten und es auch nicht gänzlich abwegig ist, dass Betroffene - auch wenn derartige Vereinigungen unter anderem Namen auftraten - diese mit dem IS assoziieren.

Hingewiesen sei auch noch darauf, dass sich die bB im Zusammenhang mit der Aberkennung der aufschiebenen Wirkung in ihrer Begründung auf § 18 Abs. 1 Z. 2 und 3 bezieht, wohingegen sie sich im Spruch lediglich auf Z 2 leg.cit. bezieht.

Zusammengefasst ist festzustellen, dass sich die bB weder im Rahmen der Einvernahme noch in der darauf basierenden Beweiswürdigung und den rechtlichen Erwägungen des Bescheides mit dem Fluchtvorbringen und den Rückkehrbefürchtungen hinreichend auseinandergesetzt hat. Aufgrund der gravierenden Ermittlungslücken kann aber von der erkennenden Richterin nicht nachvollzogen werden, ob das Vorbringen des BF1 asylrelevant und glaubhaft ist und sich für die BF keine Gefährdung im Falle ihrer Rückkehr ergeben würde. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen sonst zweifelfrei, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspräche.

Mangels Durchführung eines hinreichenden Ermittlungsverfahrens, auf dessen Grundlage tragfähige Feststellungen zu wesentlichen Tatbestandsmerkmalen erst möglich gewesen wären, wurde insofern im gegenständlichen Verfahren aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes der entscheidungswesentliche Sachverhalt für die abschließende Beurteilung bloß ansatzweise ermittelt, es lagen vielmehr besonders gravierende Ermittlungslücken vor (vgl. VwGH vom 30.09.2014, Ro 2014/22/0021), weshalb sich das erkennende Gericht zur Behebung der bekämpften Entscheidung und Zurückverweisung des Verfahrens an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur neuerlichen Durchführung desselben und Erlassung eines neuen Bescheides veranlasst sah.

Insbesondere ist im gegebenen Fall aus obigen Erwägungen davon auszugehen, dass es sich aufgrund der zentralen Bedeutung der behördlichen Einvernahme für die Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes sowie das Unterlassen von weiterführenden, den Sachverhalt erhellenden Fragen um gravierende Ermittlungslücken im Sinne der Erkenntnisse des VwGH, Ra 2014/03/0054 vom 30.06.2015 sowie VwGH, Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016, handelt.

Es kann nicht Sache des Bundesverwaltungsgerichtes sein, die im gegenständlichen Fall dazu erforderlichen - jedoch im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wesentlich mangelhaft gebliebenen bzw. mangelhaft dokumentierten - Ermittlungen nachzuholen, um dadurch erst zu den erforderlichen Entscheidungsgrundlagen zu gelangen.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht liegt nicht im Sinne des Gesetzes, insbesondere bei Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist und weil eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll. Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall eine kassatorische Entscheidung zu treffen. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht der BF gegen eine Kassation des angefochtenen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass der Inhalt des Beschwerdeschriftsatzes nunmehr Teil des durch die bB zu berücksichtigenden Sachverhaltes ist.

Im weiteren Verfahren wird die bB auch zwischenzeitlich vorgelegten Dokumente zu berücksichtigen haben.

Der Vollständigkeit halber sei auch noch auf die Wahrung der Grundsätze des Parteiengehörs hingewiesen.

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. die angefochtenen Bescheide aufzuheben waren.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung, Asylantragstellung, Asylverfahren, Aufenthaltstitel,
Behebung der Entscheidung, berücksichtigungswürdige Gründe,
Beweiswürdigung, Ermittlungspflicht, Familienverfahren,
Fluchtgründe, freiwillige Ausreise, Frist, Glaubwürdigkeit,
Kassation, mangelhaftes Ermittlungsverfahren, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Nachvollziehbarkeit, Parteiengehör,
Rückkehrentscheidung, subsidiärer Schutz, Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L526.2211368.1.00

Zuletzt aktualisiert am

19.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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