TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/17 W186 2100560-1

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Veröffentlicht am 17.01.2018
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Entscheidungsdatum

17.01.2018

Norm

BFA-VG §22a
BFA-VG §7 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4
Dublin III-VO Art.28
FPG §76
VwGVG §35
VwGVG §40 Abs5

Spruch

W186 2100560-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Algerien, vertreten durch Diakonie - Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.12.2014, Zahl 1048870309, und die darauf gestützte Anhaltung, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF iVm § 76 FPG iVm Art. 28 Dublin III-VO stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gleichzeitig wird die Anhaltung von 22.12.2014 bis 12.02.2015 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 VwGVG iVm der VwG-Aufwandersatzverordnung hat der Bund (Bundesminister für Inneres) der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in Höhe von 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag auf Befreiung von der Eingabengebühr wird zurückgewiesen.

IV. Der Antrag, dem Beschwerdeführer unentgeltlich einen Verfahrenshelfer beizugeben, wird gemäß § 40 Abs. 5 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) wurde am 22.12.2014 am Bahnhof SALZBURG im Zug Euronight 247 angetroffen, wobei er einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Zu seinem Asylantrag wurde der BF noch am selben Tag polizeilich erstbefragt. Er gab hierbei an, algerischer Staatsangehöriger und ledig zu sein. Er habe Algerien Ende 2013 mit seinem Reisepass legal verlassen. Er sei von Algerien mit einem Kleinbus nach Tunesien gereist und von dort mittels Flug nach Istanbul gelangt. Von der Türkei aus sei er schlepperunterstützt nach Griechenland gelangt. Dort habe er sich 45 bis 60 Tage aufgehalten. Danach sei er wiederum schlepperunterstützt nach Italien geraten. Nach einem einwöchigen Aufenthalt in Italien sei er mittels Schlepper nach Kroatien gereist, wo er sich 8 Monate lang aufhielt. Im Anschluss daran sei er mittels Bus erneut nach Italien gelangt, und von dort mit dem Zug in die Schweiz gereist, wo er sich eine Woche lang aufhielt. Von der Schweiz sei er mittels Zug nach Wien gereist, wobei er in Salzburg einer polizeilichen Kontrolle unterzogen wurde und einen Asylantrag stellte.

Eine EURODAC Abfrage ergab eine Asylantragsstellung des BF in KORATIEN am 25.04.2014.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) richtete am 09.01.2015 ein Wiederaufnahmegesuch an Kroatien. Mit Schriftsatz vom 16.01.2015 stimmten die kroatischen Behörden der Wiederaufnahme des BF zu.

2. Mit gegenständlich in Beschwerde gezogenen Mandatsbescheid vom 22.12.2014 verhängte das Bundesamt gemäß Art. 28 der Dublin III-VO iVM § 76 Abs. 2 Z 4 FPG iVM § 57 AVG über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung und zur Sicherung der Abschiebung.

Das Bundesamt begründete den angefochtenen Bescheid wie folgt:

"Der Entscheidung werden folgende Feststellungen zugrunde gelegt:

-

zu Ihrer Person:

Ihre Identität steht fest.

Sie besitzen nicht die österreichische Staatsbürgerschaft.

Sie gaben an, algerischer Staatsbürger zu sein.

Sie gaben an in Algerien geboren zu sein.

Sie gehen in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach.

Sie haben in Österreich weder Wohnsitz, noch soziale Bindungen.

Sie wurden bei der illegalen Reise nach Österreich zu reisen angehalten.

Ihr Aufenthalt in Österreich ist rechtswidrig, Ihr Aufenthaltsort unstet.

Sie sind mittellos.

Sie verfügen im österreichischen Bundesgebiet weder über familiäre, noch private Bindungen.

Sie sind als junger, erwachsener und gesunder Mann zu qualifizieren.

Sie verfügen im österreichischen Bundesgebiet über keine Kranken-, Unfall- oder Sozialversicherung.

Sie haben keine Dokumente mitgeführt.

-

zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:

Sie stellten einen Antrag auf internationalen Schutz.

Es besteht ein EURODAC-Treffer von Kroatien.

Aufgrund des derzeitigen Standes der Ermittlungserkenntnisse ist davon auszugehen, dass Österreich für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz nicht zuständig ist.

Aufgrund der Zuständigkeitskriterien der Dublin-Verordnung ist von einer Zuständigkeit Kroatiens auszugehen.

Ein Aufenthaltsrecht nach anderen gesetzlichen Bestimmungen besteht nicht.

Es ist für die Behörde absehbar, dass Ihr Asylverfahren weder mit einer Schutzgewährung noch mit der Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen sondern mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und/oder einer Abschiebung enden wird.

Gegen Sie wurde ein Verfahren zur Anordnung zur Außerlandesbringung nach Kroatien eingeleitet.

-

zu Ihrem bisherigen Verhalten:

Sie missachteten die österreichische Rechtsordnung, indem Sie unrechtmäßig in das Bundegebiet einreisten.

Sie besitzen keinen gültigen Reisepass von Algerien, welcher einen Rückschluss auf Ihre Identität zulässt. Aufgrund des EURODAC-Treffers werden Ihre Angaben zu Ihrer Person als Verfahrensidentität verwendet.

Sie wurden am 22.12.2014 am Hauptbahnhof in Salzburg angehalten und gemeinsam mit einem algerischen Staatsangehörigen und einem marokkanischen Staatsangehörigen einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen.

Sie haben sich Ihrem Asylverfahren in Kroatien entzogen.

Sie haben kein Interesse an dem Ausgang Ihres Asylverfahrens in Kroatien.

Sie haben kein Interesse an einer Rückkehr nach Kroatien.

Sie wollten illegal nach Deutschland oder Österreich reisen.

Sie haben keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich.

Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel, um Ihren Unterhalt zu finanzieren und auch nicht um sich eine ortsübliche Unterkunft leisten zu können.

Sie sind der deutschen Sprache nicht mächtig.

-

zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie sind in Österreich weder beruflich noch sozial verankert.

Sie verfügen über keinerlei familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich.

Sie verfügen über kein besonderes Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis zu einer zum dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigten Person.

Sie verfügen über keine Wohnung und auch sonst über keine Möglichkeit der legalen Unterkunftnahme.

Sie gehen keiner Erwerbstätigkeit nach.

Eine Integration in die österreichische Gesellschaft ist aufgrund der Kürze Ihres Aufenthalts unmöglich."

Rechtlich führte das Bundesamt aus:

"Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes sind sowohl die gesetzlichen Formalvoraussetzungen für eine Schubhaftverhängung gem. § 76 FPG, als auch die subjektiven Haftbedingungen als gegeben zu betrachten (Gegenteiliges wurde von Ihnen auch nicht behauptet).

Für das - sowohl gelindere Mittel als auch eine Schubhaftverhängung in gleicher Weise determinierende - Sicherungsbedürfnis waren wie folgt zu berücksichtigen:

-

keine soziale oder berufliche Integration,

-

offenkundige illegale Weiterreise nach Österreich,

-

die für eine Rückkehr in den Abschiebe- bzw Heimatstaat fehlenden finanziellen Mittel,

-

keinerlei Wohnsitz in Österreich und

-

keinerlei Beziehung zu Österreich

-

sie haben sich dem Asylverfahren in Kroatien entzogen

Anhand dieser konkreten Umstände, konnte aufgezeigt werden, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf geschlossen werden kann, dass Sie sich der Vollstreckung fremdenpolizeilicher Maßnahmen durch Untertauchen in die Anonymität oder zumindest die Annahme einer fremden Identität zu entziehen versuchen werden (oder sie zumindest wesentlich zu erschweren versuchen). So wie Sie dies bereits in Ihrem Asylverfahren in Kroatien gemacht haben.

Die grundsätzliche Notwendigkeit, konkrete Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, um einen ordnungsgemäßen Fortgang des fremdenpolizeilichen Verfahrens zu gewährleisten, liegt daher auf der Hand.

Vom Bestehen einer Sicherungsnotwendigkeit ausgehend ist schließlich im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu untersuchen, ob der mit der fremdenpolizeilichen Maßnahme konkret verfolgte Zweck nicht auch durch gelindere Sicherungsmittel zu erreichen wäre.

Von einer Anordnung der Schubhaft ist Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist. So ist eine verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen (VfGH 24.6.2006, B362/06).

Bei der Prüfung des Sicherungsbedarfs ist auch ein massives strafrechtliches Verhalten des Fremden in Bezug auf Gewalt- und Vermögensdelikte in Verbindung mit der wegen seiner Mittellosigkeit naheliegenden Ausführungsgefahr einzubeziehen (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276). Der VwGH hat auch ausgesprochen, dass eine erhebliche Deliquenz des Fremden das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität einer baldigen Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276).

Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.

Ein Dublin Verfahren mit dem dafür zuständigen Staat wird eingeleitet werden.

Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio - Maßnahme darstellt.

Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht.

Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden.

Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima - ratio - Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.

Im konkreten Fall ist die Nichtanwendung des gelinderen Mittels nachvollziehbar, da Sie auf der Durchreise in einen anderen Schengen Staat (Frankreich) weiterreisen wollten und somit der konkrete Verdacht gegeben ist, dass Sie sich auch aus einem gelinderen Mittel zu entziehen suchen werden.

Die Anwendung gelinderer Mittel im Sinne des § 77 FPG kam aufgrund der derzeit zur Verfügung stehenden Informationen und des bisher zur Verfügung stehenden Akteninhaltes nicht in Frage, wird allerdings im Bedarfsfall durch das Bundesamt im Zuge der Schubhaftprüfung neuerlich geprüft und aktualisiert entschieden, ob bei Sachverhaltsänderung hinkünftig die gelinderen Mittel zur Anwendung kommen können.

Es ist aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind. Anderes behaupteten Sie bislang nicht.

Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist."

Der BF wurde am 04.02.2015 zur seine beabsichtigten Außerlandesbringung niederschriftlich einvernommen. Hierbei führte er aus nicht im Besitz von identitätsbezeugenden Dokumenten zu sein. Er habe im bisherigen Verfahren die Wahrheit gesagt und habe sich 7 Monate in Kroatien aufgehalten. Er habe weder in Österreich noch sonst in Europa Verwandte und lebe auch in keiner Lebensgemeinschaft. Nach Schilderung der weiteren Vorgehensweise, nämlich der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch Kroatien und der bevorstehenden Überstellung dorthin führte der BF aus, nicht nach Kroatien zurückgeschickt werden zu wollen, da er dort ins Gefängnis gesteckt werden.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 04.02.2015, dem BF zugestellt durch persönliche Übernahme am selben Tag, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF vom 22.12.2014 wegen der Zuständigkeit KROATIENS gemäß § 5 AsylG 2005 zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und gegen den BF die Außerlandesbringung nach KROATIEN gemäß § 61 Abs. 3 FPG angeordnet (Spruchpunkt II.).

Das Bundesamt erließ am 05.02.2015 einen Abschiebeauftrag, wonach der BF am 12.02.2015 auf dem Luftweg nach Kroatien abgeschoben werden soll und stellte ein Laissez-Passer für den BF aus.

Mit Aktenvermerk vom 19.01.2015 stellte das Bundesamt gemäß § 80 Abs. 6 FPG fest, dass die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nach wie vor vorliegen und Kroatien der Wiederaufnahme am 16.01.2015 zustimmte.

3. Mit Schriftsatz vom 10.02.2015, hg. eingelangt am selben Tag, erhob der BF durch seinen Rechtsberater Beschwerde gegen den Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 22.12.2015 (gemeint wohl: 2014), Zl. 1048870309, und gegen die andauernde Anhaltung in Schubhaft.

Beantragt wurde neben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Behebung des Bescheides, die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, Kostenersatz im Umfang der VwG-Aufwandersatzverordnung, die Beigebung eines Verfahrenshelfers, sowie, dass das BVwG die bisherige Anhaltung für rechtswidrig erkläre.

4. Mit Eingabe vom 11.02.2015 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Stellungnahme in der es die Beschwerdeabweisung, sowie die Feststellung, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen, beantragte. Ein Kostenersatz wurde explizit nicht beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF stellte im Bundesgebiet nach illegaler Einreise am 22.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Eine EURODAC-Abfrage ergab eine Asylantragsstellung in Kroatien am 25.04.2014.

Mit Bescheid vom 22.12.2014 wurde über den Beschwerdeführer gemäß Art. 28 der Dublin III-VO iVM § 76 Abs. 2 Z 4 FPG iVM § 57 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung und zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

Kroatien stimmte mit Schriftsatz vom 16.01.2015 einem am 09.01.2015 gestellten Wiederaufnahmegesuch zu.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 04.02.2015, dem BF zugestellt durch persönliche Übernahme am selben Tag, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF vom 22.12.2014 wegen der Zuständigkeit KROATIENS zurückgewiesen und gegen den BF die Außerlandesbringung nach KROATIEN angeordnet.

Das Bundesamt erließ am 05.02.2015 einen Abschiebeauftrag, wonach der BF am 12.02.2015 auf dem Luftweg nach Kroatien abgeschoben werden soll und stellte ein Laissez-Passer für den BF aus.

Mit Aktenvermerk vom 19.01.2015 stellte das Bundesamt gemäß § 80 Abs. 6 FPG fest, dass die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nach wie vor vorliegen und Kroatien der Wiederaufnahme am 16.01.2015 zustimmte.

Der BF wurde am 12.02.2015 auf dem Luftweg nach Kroatien überstellt.

Er befand sich von 22.12.2014 bis 12.02.2015 zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung und zur Sicherung der Abschiebung aufgrund des Art. 28 der Dublin III-VO ivm § 76 Abs 2 Z 4 FPG in Schubhaft. Diese wurde von 22.12.2014 - 23.12.2014 im PAZ Salzburg, von 23.12.2014 - 11.01.2015 im PAZ HERNALSER GÜRTEL, von 11.01.2015 bis 13.01.2015 im PAZ ROSSAUER LÄNDE und ab 13.01.2015 bis zur Überstellung am 12.02.2015 im PAZ HERNALSER GÜRTEL vollzogen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem vorliegenden Verwaltungsakt, insbesondere dem Mandatsbescheid vom 22.12.2014, Zl. 1048870309, sowie aus einem aktuellen Auszug aus der Anhaltedatei.

3. Rechtliche Beurteilung:

1. Gemäß § 76 Abs. 3 FPG idF BGBl. I. Nr. 87/2012 ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, wenn es sich bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen. Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann gemäß § 57 Abs. 2 AVG bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.

Gemäß § 22a Abs. 5 BFA-VG ist gegen die Anordnung der Schubhaft eine Vorstellung nicht zulässig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu A.I.) Schubhaftbescheid vom 22.12.2014 und darauf gestützte Anhaltung in Schubhaft von 22.12.2014 bis 12.02.2015

1. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG idF BGBl. I Nr. 87/2012 können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Anordnung zur Außerlandesbringung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen. Gemäß Abs. 1a dürfen unmündige Minderjährige nicht in Schubhaft angehalten werden.

Das Bundesamt kann über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, gemäß Abs. 2 leg. cit. Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Rückkehrentscheidung erlassen wurde;

2. gegen ihn ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 27 AsylG 2005 eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

Das Bundesamt hat gemäß Abs. 2a über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn

1. gegen ihn eine zurückweisende Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 und eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung oder eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt;

2. eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 verletzt hat;

3. der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG 2005 mehr als einmal verletzt hat;

4. der Asylwerber, gegen den gemäß § 27 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 13 Abs. 2 BFA-VG nicht nachgekommen ist;

5. der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, oder

6. sich der Asylwerber gemäß § 24 Abs. 4 AsylG 2005 ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat, soweit eine der Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 bis 4 vorliegt, und die Schubhaft für die Sicherung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegenstehen.

Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), ABl. 29. Juni 2013, L 180, 31:

"Artikel 2 Definitionen

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung a) - m) [...] n) ‚Fluchtgefahr' das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte."

"Artikel 28 Haft

(1) Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. (2) Zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren, dürfen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur im Falle dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. (3) Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird. Wird eine Person nach diesem Artikel in Haft genommen, so darf die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Verfahren gemäß dieser Verordnung durchführt, ersucht in derartigen Fällen um eine dringende Antwort. Diese Antwort erfolgt spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs. Wird innerhalb der Frist von zwei Wochen keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen. Befindet sich eine Person nach diesem Artikel in Haft, so erfolgt die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat, sobald diese praktisch durchführbar ist und spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person durch einen anderen Mitgliedstaat oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gemäß Artikel 27 Absatz 3 keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen im Sinne des Unterabsatz 3 statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten. Die Artikel 21, 23, 24 und 29 gelten weiterhin entsprechend. (4) Hinsichtlich der Haftbedingungen und der Garantien für in Haft befindliche Personen gelten zwecks Absicherung der Verfahren für die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat, die Artikel 9, 10 und 11 der Richtlinie 2013/33/EU."

Gemäß Artikel 49 Dublin-III-Verordnung ist diese Verordnung auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Verordnung (EG) Nr. 343/2003.

Die belangte Behörde verhängte im angefochtenen Bescheid die Schubhaft über den Beschwerdeführer zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung sowie zur Sicherung seiner Überstellung nach Kroatien. Es handelte sich daher um das Vorliegen eines "Dublin-Falles", weshalb Art. 28 der Dublin III-VO anzuwenden gewesen war und auf welchen sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auch stützte.

Wie der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf den Beschluss des deutschen Bundesgerichtshofes vom 26.06.2014, V ZB 31/14, in seinem Erkenntnis vom 19.02.2015, Zl. Ro 2014/21/0075, festgehalten hat, verlangt Art. 2 lit. n Dublin III-VO unmissverständlich gesetzlich festgelegte Kriterien zur Konkretisierung der im Unionsrecht für die Verhängung von Schubhaft (u.a.) normierten Voraussetzung des Vorliegens von "Fluchtgefahr". Ein Rückgriff auf Kriterien, die der Verwaltungsgerichtshof vor allem zum Tatbestand der Ziffer 4 des § 76 Abs. 2 FPG für die Annahme von "Fluchtgefahr" (Gefahr des "Untertauchens") als maßgeblich angesehen hat, reiche nicht, um den Vorgaben der Dublin III-VO zu entsprechen. Solche Umstände hätten vielmehr gesetzlich determiniert werden müssen. Solange dies nicht der Fall sei, komme daher Schubhaft gegen Fremde, die sich in einem Verfahren nach der Dublin III-VO befinden, zwecks Sicherstellung des Überstellungsverfahrens nach Art. 28 der Verordnung nicht in Betracht.

Mangels Vorliegens einer ausreichenden gesetzlichen Determinierung der Kriterien für das Vorliegen von Fluchtgefahr gemäß der Dublin III-VO im innerstaatlichen Recht war daher der Schubhaftbescheid vom 22.12.2014 für rechtswidrig zu erklären.

War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH 08.09.2009, 2009/21/0162; 26.01.2012, 2008/21/0626; 11.06.2013, 2012/21/0114).

Aufgrund der Aufhebung des Bescheides war daher auch die darauf gestützte Anhaltung des BF in Schubhaft bis 12.02.2015 für rechtswidrig zu erklären.

Zu A.II.) Kostenantrag

1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Der BF ist auf Grund der Beschwerdestattgabe obsiegende Partei und hat Anspruch auf Kostenersatz.

3. Nach § 35 Abs. 4 VwGVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs. 1 die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat (Z 1), die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren (Z 2), sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand (Z 3). Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat gemäß Abs. 5 den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht. Aufwandersatz ist laut Abs. 7 auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Der BF beantragte in der Beschwerde den Ersatz nach der VwG-Aufwandersatzverordnung

§ 1 VwG-AufwErsV bestimmt die Höhe des zu ersetzenden Schriftsatzaufwandes des BF als obsiegende Partei mit € 737,60. Die belangte Behörde hat daher dem BF € 737,60 zu ersetzen.

Zu A.III.) Eingabengebühr

Der Beschwerdeführer stellt den Antrag, ihn von der Eingabengebühr zu befreien. Diese widerstreite den Garantien auf ein effektives und zugängliches Rechtsmittel.

Eine sachliche Gebührenbefreiung iSd § 1 Abs. 1 BuLVwG-EGebV für Verfahren nach dem Fremdenpolizeigesetz besteht nicht. Ebensowenig besteht eine Kompetenz des Bundesverwaltungsgerichts zur Befreiung von der Eingabengebühr iHv € 30,- nach § 2 Abs. 1 BuLVwG-EGebV.

Der Antrag auf Befreiung von der Eingabengebühr war daher zurückzuweisen.

Im Übrigen treffen auch die vom Beschwerdeführer relevierten Bedenken nicht zu:

Der EGMR geht davon aus, dass das Erfordernis, bei der Einbringung einer Beschwerde Gerichtsgebühren zu bezahlen, per se nicht als Einschränkung des Rechts auf Zugang zu Gericht iSd Art. 6 EMRK darstellt, wenn das Wesensgehalt des Rechts auf Zugang zu Gericht nicht beschnitten wird und die angewandten Maßnahmen verhältnismäßig in Bezug auf das angestrebte Ziel sind (EGMR 26.10.2010, Fall Marina, Appl. 46.040/07, Rz 50; 20.12.2007, Fall Paykar Yev Haghtanak ltd, Appl. 21.638/03, Rz 44ff.; 26.7.2005, Fall Podbielski und PPU Polpure, Appl. 39.199/98, 61 ff.; 19.6.2001, Fall Kreuz, Appl. 28249/95, Rz 53 ff.).

Die Gebühr für Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht beträgt gemäß § 2 Abs. 1 BuLVwG-EGebV € 30,-. Sie entsteht gem. § 1 Abs. 2 BuLVwG-EGebV im Zeitpunkt der Einbringung der Eingabe und wird mit diesem Zeitpunkt fällig. Ihre Bezahlung ist allerdings kein Zulässigkeitserfordernis im Beschwerdeverfahren. Dieser Gebührensatz kann nicht als prohibitiv hoch angesehen werden (vgl. Fister, Gebühren und Ersatz der Aufwendungen, in Holoubek/Lang [Hrsg.]; ders., Kosten und Gebühren im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, ÖJZ 2013, 1049 f.).

Zu IV. Verfahrenshelfer:

Ist ein Beschuldigter außerstande, ohne Beeinträchtigung des für ihn und Personen, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhalts die Kosten der Verteidigung zu tragen, so hat das Verwaltungsgericht gemäß § 40 Abs. 1 VwGVG auf Antrag des Beschuldigten zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, dessen Kosten der Beschuldigte nicht zu tragen hat, soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist. Der Antrag auf Beigebung eines Verteidigers kann gemäß Abs. 2 schriftlich oder mündlich gestellt werden. Er ist ab Erlassung des Bescheides bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Wird der Antrag innerhalb der Beschwerdefrist beim Verwaltungsgericht eingebracht, so gilt er als rechtzeitig gestellt. In dem Antrag ist die Strafsache bestimmt zu bezeichnen, für die die Beigebung eines Verteidigers begehrt wird. Die Behörde hat gemäß Abs. 3 dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Beigebung eines Verteidigers und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Beigebung eines Verteidigers beschlossen, so hat es den Ausschuss der nach dem Sitz des Verwaltungsgerichtes zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Verteidiger bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen des Beschuldigten zur Auswahl der Person des Verteidigers im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen. Hat der Beschuldigte innerhalb der Beschwerdefrist die Beigebung eines Verteidigers beantragt, so beginnt gemäß Abs. 4 für ihn die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Verteidiger und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag auf Beigebung eines Verteidigers abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an den Beschuldigten zu laufen. Die Bestellung eines Verteidigers erlischt gemäß Abs. 5 mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten. In Privatanklagesachen sind gemäß Abs. 6 die Abs. 1 bis 5 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Antrag auf Beigebung eines Verteidigers auch gestellt werden kann, wenn der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen worden ist. Er kann frühestens gleichzeitig mit der Erhebung einer Säumnisbeschwerde gestellt werden und ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. In Verfahrenshilfesachen ist gemäß Abs. 7 die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.

2. Der Verfassungsgerichtshof hob § 40 VwGVG mit Erkenntnis vom 25.06.2015, G 7/2015, unter Fristsetzung bis 31.12.2016 auf. Die Bestimmung ist somit anwendbar.

3. Insbesondere durch die Zuordnung der Bestimmung betreffend Verfahrenshilfeverteidiger im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zum

3. Hauptstück - Besondere Bestimmungen, 2. Abschnitt - Verfahren in Verwaltungsstrafen des VwGVG, und die Verwendung der Begriffe "Beschuldigter" und "Strafsache" in § 40 VwGVG, bringt der Gesetzgeber eindeutig zum Ausdruck, dass die Gewährung von Verfahrenshilfe nur für das verwaltungsgerichtliche Verwaltungsstrafverfahren vorgesehen ist (idS auch VfGH 09.12.2014,

E 599/2014; 25.06.2015, G 7/2015).

Die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers gemäß § 40 VwGVG zur Vertretung von Interessen im Beschwerdeverfahren betreffend einen Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft kam mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht (s. VfGH 17.09.2015, E 1343-1345/2015).

4. Selbst bei Anwendbarkeit des § 40 VwGVG auf das vorliegende Schubhaftverfahren wäre dem Antrag nicht zu entsprechen gewesen:

Gemäß § 40 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag des Beschuldigten zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist. Aus § 40 Abs. 5 VwGVG, wonach die Bestellung eines Verteidigers mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten erlischt, ergibt sich jedoch, dass die Bestellung eines Verteidigers jedenfalls dann nicht erforderlich sein kann, wenn der Beschwerdeführer bereits einen Vertreter hat. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Bevollmächtigte kein berufsmäßiger Parteienvertreter ist (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2013, VwGVG § 40 K 7).

Die Beschwerdeführer stellte die Anträge auf Beigebung eines Verfahrenshelfers durch ihren Rechtsberater als gewillkürten Vertreter. Den Anträgen wäre sohin auch bei Anwendung des § 40 VwGVG nicht Folge zu geben gewesen.

Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Da im gegenständlichen Fall der maßgebliche und der hg. Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt aus der Aktenlage sowie aufgrund vorliegender höchstgerichtlicher Rechtsprechung geklärt war, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung sohin unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu entnehmen ist, weicht die gegenständliche Entscheidung zur Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides und der vollzogenen Schubhaft im konkreten Fall weder von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch ist diese im gegenständlichen Fall als uneinheitlich zu beurteilen, wobei es diesbezüglich auch nicht an einer relevanten Rechtsprechung fehlt (vgl. dazu VwGH 19.02.2015, Zl. Ro 2014/21/0075).

Schlagworte

Dublin III-VO, Eingabengebühr, Kostenersatz, Rechtslage,
Rechtswidrigkeit, Schubhaft, Unionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W186.2100560.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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