TE OGH 2018/12/13 5Ob196/18m

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Veröffentlicht am 13.12.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin Dr. S***** als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen der W***** GmbH, *****, wegen Streitanmerkung gemäß § 66 GBG ob EZ *****, über den Revisionsrekurs der Liegenschaftseigentümerin H***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Peter A. Miklautz, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 26. Juli 2018, AZ 47 R 171/18x, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 12. April 2018, TZ 3405/2018, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Revisionsrekurswerberin hat die Liegenschaft EZ ***** mit Kaufvertrag vom 25. Oktober 2017 von der Schuldnerin um 18.700.000 EUR gekauft. Ihr Eigentumsrecht wurde zu TZ 90/2018 verbüchert. Über das Vermögen der Verkäuferin wurde am 20. März 2018 vom Handelsgericht Wien das Insolvenzverfahren eröffnet und Dr. S***** zur Masseverwalterin bestellt.

Über deren Antrag bewilligte das Erstgericht aufgrund der von ihr vorgelegten Anzeigebestätigung der WKStA vom 9. April 2018 ob der verkauften Liegenschaft die Streitanmerkung gemäß § 66 GBG.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Liegenschaftseigentümerin nicht Folge. Die Streitanmerkung nach § 66 GBG verlange die schlüssige und konkrete Behauptung, dass die angefochtene Einverleibung aufgrund einer strafgesetzlich verbotenen Handlung erfolgt sei. Die Antragstellerin müsse Umstände behaupten, aus denen im Fall ihres Zutreffens auf einen solchen Zusammenhang zwischen der Einverleibung und der angezeigten strafbaren Handlung geschlossen werden könne, der aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen die Ungültigkeit der Einverleibung nach sich ziehen würde. Gesonderte Behauptungen seien nicht erforderlich, wenn die Bewilligung der Anmerkung „aufgrund der Bestätigung der Staatsanwaltschaft“ beantragt werde, weil damit der Inhalt der Bestätigung als Inhalt des Antrags anzusehen sei. Hier bestehe nach dem im Privatbeteiligtenanschluss dargelegten Sachverhalt im Zusammenhang mit dem Inhalt der Anzeigebestätigung der Verdacht, die auf Seiten der Käuferin und Verkäuferin im Zusammenhang mit dem Liegenschaftskaufvertrag, Treuhandvertrag und Anteilskaufvertrag handelnden Personen hätten durch bewusstes Zusammenwirken das Verbrechen der Untreue nach § 153 StGB begangen und durch den Verkauf der Liegenschaft bzw die gemeinsam intendierte Verwendung des Kaufpreises der vormaligen Liegenschaftseigentümerin strafgesetzwidrig Vermögen entzogen. Es reiche für die Anmerkung nach § 66 GBG aus, wenn die Grundbuchseintragung – wie hier – auf einem Kaufvertrag beruhe, der mit einer konkreten strafgesetzlich verbotenen Handlung im Zusammenhang steht.

Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, der Wortlaut des § 66 GBG sehe – entgegen § 61 GBG – keine über die Behauptung der Erwirkung der Einverleibung aufgrund strafgesetzlich verbotener Handlung und der Vorlage einer Bestätigung der Staatsanwaltschaft hinausgehende Voraussetzungen vor. Zur Frage, ob der Antragsteller eines auf § 66 GBG gegründeten Gesuchs auch Behauptungen aufzustellen und Bescheinigungen zu erbringen habe, ob und in welcher Weise die betroffene Einverleibung von ihm gerichtlich angegriffen wurde und somit zu allfällig analogen Voraussetzungen für die Anmerkung nach § 66 GBG entsprechend § 61 GBG liege keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor.

Im Revisionsrekurs beantragt die Liegenschaftseigentümerin die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen dahin, dass das Streitanmerkungsgesuch abgewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 126 Abs 2 GBG iVm § 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruchs des Rekursgerichts nicht zulässig. Er zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:

1.1. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RIS-Justiz RS0042656). Lassen sich die relevierten Rechtsfragen somit unmittelbar aufgrund des Gesetzes zweifelsfrei lösen, stellt sich insoweit keine Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (5 Ob 175/13s). Dieser Fall liegt hier vor.

1.2. Während die Streitanmerkung der Löschungsklage nach § 61 Abs 1 GBG nach der zutreffenden Auffassung des Rekursgerichts schon nach dem Gesetzeswortlaut voraussetzt, dass derjenige, der durch eine Einverleibung in seinem bücherlichen Recht verletzt erscheint, die Einverleibung aus dem Grund der Ungültigkeit im Prozessweg bestreiten und die Wiederherstellung des vorigen bücherlichen Standes begehren muss, sodass die Frage, ob eine solche Streitanmerkung zu bewilligen ist, aufgrund des Klagevorbringens und des Urteilsantrags zu entscheiden ist (RIS-Justiz RS0074232), stellt die Anmerkung des Streits wegen strafgesetzwidriger Handlungen nach § 66 GBG derartige Voraussetzungen nicht auf. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 66 Abs 1 GBG erfordert die Anmerkung die Behauptung, dass eine Einverleibung infolge einer strafgesetzlich verbotenen Handlung erwirkt worden sei, und die Beibringung der Bestätigung der zuständigen Behörde, dass die Strafanzeige bei ihr erstattet worden ist. Nur hinsichtlich der dadurch begründeten Rechtswirkungen gegen späterer Eintragungen verweist § 66 Abs 1 GBG auf § 61 GBG. Demgemäß verlangt die ständige Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0060860) lediglich, dass zwischen der Einverleibung und der angezeigten strafbaren Handlung ein Zusammenhang bestehen muss, der aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen die Ungültigkeit der Einverleibung nach sich ziehen würde, und eine konkrete und schlüssige Behauptung, dass die Einverleibung infolge einer strafgesetzlich verbotenen Handlung erwirkt wurde (RIS-Justiz RS0060871). Im Fall der Anfechtung der Einverleibung wegen strafgesetzlich verbotenen Handlungen nach § 66 GBG bedarf es zur Streitanmerkung eben gerade keiner Klage (RpflSlgG 722; Feil Grundbuchsgesetz3 § 61 GBG Rz 18). Der vom Rekursgericht erwogene Analogieschluss würde eine Gesetzeslücke voraussetzen, das heißt also, dass der Rechtsfall nach dem Gesetz nicht beurteilt werden kann, jedoch von Rechts wegen einer Beurteilung bedarf, somit eine „planwidrige Unvollständigkeit“ vorliegt (RIS-Justiz RS0098756). Im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber die Voraussetzungen der Anmerkung nach § 66 GBG detailliert und abweichend von § 61 Abs 1 GBG geregelt hat (so ist nach dem Wortlaut des § 66 Abs 1 GBG ein Privatbeteiligtenanschluss des angeblich durch die strafgesetzwidrige Handlung Geschädigten gar nicht erforderlich) und die Frage nach den vom Antragsteller aufzustellenden Behauptungen einerseits im Gesetz selbst und andererseits in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bereits abschließend beantwortet ist, ist eine planwidrige Lücke nicht zu erkennen. Eine Verpflichtung des Antragstellers nach § 66 GBG bereits in seinen Gesuch Behauptungen aufzustellen, ob und in welcher Weise er die betroffene Eintragung gerichtlich (gemeint wohl: im Zivilrechtsweg) angegriffen hat oder angreifen will, besteht nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht.

2.1. Die Frage, ob das Vorbringen einer Partei soweit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht, ist grundsätzlich eine solche des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0044273; RS0042828), es sei denn die Auslegung des Vorbringens sei mit seinem Wortlaut unvereinbar oder verstieße gegen die Denkgesetze (RIS-Justiz RS0042828 [T11]). Auch ob die dem Grundbuchsgesuch angeschlossenen Urkunden iSd § 94 Abs 1 Z 3 GBG zu Zweifeln Anlass geben, ist eine Frage des Einzelfalls, die nur dann eine erhebliche Rechtsfrage begründen könnte, wenn dem Rekursgericht eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen ist (RIS-Justiz RS0060573 [T18]). Eine auch im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des – zutreffend unter Berücksichtigung der dem Antrag beigelegten Strafanzeige (vgl Kodek in Kodek Grundbuchsrecht2 § 66 GBG Rz 8 mwN) – Antragsvorbringens ist hier nicht zu erkennen.

2.2. Das Rekursgericht ging davon aus, aus dem Vorbringen ergebe sich der Verdacht der Untreue nach § 153 StGB. Die Revisionsrekurswerberin meint, die Antragstellerin habe nicht dargetan, weshalb die Einverleibung selbst infolge strafgesetzlich verbotener Handlungen erwirkt worden sei, sei doch die Hauptleistungsverpflichtung aus dem Kaufvertrag durch Zahlung an den Treuhänder erfüllt worden. Die Auffassung des Rekursgerichts, aus dem Anzeigeninhalt ergebe sich eine Beteiligung des Geschäftsführers der nunmehrigen Liegenschaftseigentümerin an vom Geschäftsführer der Schuldnerin beabsichtigten Untreuehandlungen im Zusammenhang mit der Verwendung des Kaufpreises für den Verkauf der Liegenschaft ist jedenfalls vertretbar. Dies konnte das Rekursgericht insbesondere aus dem Inhalt der vorgelegten Treuhandvereinbarung vom 25. Oktober 2017 im Zusammenhang mit dem Anteilskauf- und Abtretungsvertrag vom gleichen Tag (betreffend das in der Anzeige als „Projekt T*****“ bezeichnete Geschäft) schließen. Ein entsprechender Verdacht, der dieses Geschäft nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig machen könnte, lässt sich somit aus den Antragsbehauptungen vertretbar ableiten, wobei auch auf die ständige Judikatur Bedacht zu nehmen ist (RIS-Justiz RS0016852), dass eine nur durch gleichzeitige Erfüllung eines Straftatbestands erfüllbare Zusage nicht erzwingbar und iSd § 879 Abs 1 ABGB nichtig ist. Es mag sein, dass der Umstand der bloßen Verwendung des erhaltenen Kaufpreises die hier angegriffene Einverleibung nicht zu beeinträchtigen vermag, die aus dem Antrag hervorleuchtende Vorgangsweise, die auf die Schmälerung des Vermögens der Schuldnerin im bewussten und gewollten Zusammenwirken gerichtet war, aber sehr wohl. Dass sich aus der Anzeigebestätigung ein Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer der Schuldnerin (auch) wegen betrügerischer Krida nach § 156 Abs 1 StGB ergibt, sei ergänzend erwähnt. Dass die Teilnahme an einem Verheimlichen oder Verbringen von Vermögen das in Erfüllung eines Kridatatbestands geschlossene Geschäft nach den Kriterien des § 879 Abs 1 ABGB nichtig machen würde, bedarf keiner weiteren Erörterung. Ob die dort aufgestellten Behauptungen richtig sind, ist im Grundbuchsverfahren nach ständiger Judikatur nicht zu prüfen (5 Ob 101/01s = NZ 2002/98 [Hoyer]; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 66 GBG Rz 7).

3. Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

Textnummer

E123986

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00196.18M.1213.000

Im RIS seit

24.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

28.08.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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