TE OGH 2019/2/13 13Os150/18k

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Veröffentlicht am 13.02.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Februar 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der AAss Schaffhauer als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Nick H***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. Oktober 2018, GZ 145 Hv 37/18a-51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Nick H***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Danach hat er am 11. Juni 2017 in W***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer schwerwiegend chronifizierten psychotischen Störung und einer Polytoxikomanie mit Verhaltensstörungen durch multiplen Substanzgebrauch, beruht, Emma K***** gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen (US 5), indem er ihr ein zerbrochenes Glasröhrchen an den Hals hielt und sie verbal „mit dem Umbringen bedrohte“ (US 5), und dadurch das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB begangen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a, 9 lit c und 11 (§ 433 Abs 1) StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.

Entgegen der Mängelrüge (nominell Z 5 erster, dritter und vierter Fall) schließen die Konstatierungen zum krankheitsbedingten Fehlen der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Betroffenen zur Tatzeit (US 4 f) und jene zur Absicht desselben, das Opfer in Furcht und Unruhe zu versetzen (US 5), einander keineswegs aus. Ist doch Schuldfähigkeit keine Voraussetzung für die Bildung des – hier zudem eine notwendige (subjektive) Bedingung der Strafdrohung darstellenden (Ratz in WK2 StGB § 21 Rz 14) – Vorsatzes (RIS-Justiz RS0090295 [T4]; Reindl-Krauskopf in WK2 StGB § 5 Rz 4).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) bekämpft jene Feststellungen, die eine Beurteilung des Verhaltens des Betroffenen als Drohung mit dem Tod (§ 107 Abs 2 StGB) tragen (US 5). Sie versäumt es, an der Gesamtheit der diesbezüglichen Beweiswerterwägungen der Tatrichter Maß zu nehmen (siehe aber RIS-Justiz RS0118780 [insbesondere T1]), die ausführlich darlegten, weshalb sie trotz (zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung) bereits verblasster Erinnerung des Opfers an den Wortlaut der Äußerung des Betroffenen von einer (auch verbalen) Drohung entsprechenden Bedeutungsinhalts ausgingen (US 8 f).

Indem der Beschwerdeführer erklärt, das aus Z 5a erstattete Vorbringen „[a]us rein prozessualer Vorsicht“ auch auf Z 5 des § 281 Abs 1 StPO zu stützen, verkennt er die Verschiedenheit der Anfechtungskalküle (siehe dazu RIS-Justiz RS0116733).

Die weitere Beschwerde beanstandet, weder aus dem Urteilstenor (insoweit gestützt auf Z 9 lit a und Z 11) noch aus dem Antrag auf Unterbringung (insoweit gestützt auf Z 9 lit c) ergebe sich, dass der Betroffene „in der Absicht gehandelt hätte, Frau K***** in Furcht und Unruhe zu versetzen“.

Sie legt nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar, weshalb Ersteres einer Subsumtion (§ 260 Abs 1 Z 2 [hier iVm § 430 Abs 2] StPO) der Anlasstat als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB entgegenstehen und Zweiteres das Fehlen der „vom Gesetz erforderliche[n] Anklage“ (hier: des Antrags auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 429 Abs 1 StPO) bedeuten sollte.

Hinzugefügt sei:

1. Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge (Z 9 und 10) ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, (nicht mit dem Referat der als erwiesen angenommenen entscheidenden Tatsachen [§ 260 Abs 1 Z 1 StPO] im Urteilstenor, sondern) mit dem in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) festgestellten Sachverhalt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 269 und 581; RIS-Justiz RS0115552 [T1, T2]; siehe vorliegend US 5 zum von § 107 Abs 1 StGB geforderten erweiterten Vorsatz). Dass die Aussprüche nach § 260 Abs 1 Z 1 und Z 2 StPO (hier iVm § 430 Abs 2 StPO) nicht übereinstimmen, indem dieser durch die in jenem referierte Tatsachengrundlage nicht gedeckt ist, ist übrigens auch aus § 281 Abs 1 Z 3 StPO unbeachtlich (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 274). Bezugspunkt der Sanktionsrüge (Z 11) wiederum ist weder der Ausspruch nach Z 1 noch jener nach Z 2, sondern der Ausspruch nach Z 3 des § 260 Abs 1 (hier iVm § 430 Abs 2) StPO.

2. Zutreffend hielt das Schöffengericht die Staatsanwaltschaft für (im Sinn der Z 9 lit c) berechtigt, den (verfahrenseinleitenden) Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher (ON 34) einzubringen (§ 429 Abs 1 erster Satz StPO). Das Unterbleiben einer Bezugnahme dieses Antrags auf die von § 107 Abs 1 StGB verlangte Absicht ändert daran nichts; ebenso wenig hindert es (aus Z 8 relevant) die Erkennbarkeit des Prozessgegenstands (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 509).

Das übrige Vorbringen (Z 5) bekämpft die vom Erstgericht angestellte Gefährlichkeitsprognose (US 14 f iVm US 7 und 11 f) als „zu undeutlich“ und „offenbar unzureichend begründet“, weil aus bestimmten, dem Beschwerdeführer „berücksichtigenswert“ erscheinenden Umständen „der Schluss gezogen werden“ „könnte“, „dass eine vom Gesetz geforderte dringende Befürchtung und eine höchstwahrscheinliche Tatbegehung nicht anzunehmen sind“.

Allfällige Fehler der Prognoseentscheidung ressortieren im System der Nichtigkeitsgründe in den Regelungsbereich des zweiten Falles des § 281 Abs 1 Z 11 StPO. Konkret liegt Nichtigkeit aus Z 11 zweiter Fall dann vor, wenn diese Entscheidung zumindest eine der in § 21 Abs 1 StGB genannten Erkenntnisquellen (Person, Zustand des Rechtsbrechers und Art der Tat) vernachlässigt oder die aus diesen Erkenntnisquellen gebildete Feststellungsgrundlage die Prognoseentscheidung als willkürlich erscheinen lässt (RIS-Justiz RS0113980, RS0118581; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 715 ff), was hier nicht behauptet wird.

Eine Bekämpfung aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO steht in Verbindung mit dem ersten Fall, nicht jedoch mit dem zweiten Fall des § 281 Abs 1 Z 11 StPO offen (RIS-Justiz RS0118581; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 669). Die aus dem Blickwinkel der Mängelrüge erhobene Kritik an der Prognoseentscheidung geht somit schon im Ansatz fehl.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Textnummer

E124115

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0130OS00150.18K.0213.000

Im RIS seit

25.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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