TE Lvwg Erkenntnis 2018/11/27 LVwG-AV-1199/001-2018

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Veröffentlicht am 27.11.2018
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Entscheidungsdatum

27.11.2018

Norm

BauO NÖ 2014 §23 Abs3
BauO NÖ 2014 §38 Abs1
BAO §4 Abs1
ZustG §24

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Hofrat Mag. Röper als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn A und Frau B, beide vertreten durch C Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, vom 7. November 2018 gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 5. Oktober 2018, Zl. ***, mit welchem die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 11. Juni 2018 betreffend Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe nach der NÖ Bauordnung 2014 als unbegründet abgewiesen worden war, zu Recht erkannt:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.

2.   Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.       Sachverhalt:

1.1. Verwaltungsbehördliches Verfahren:

1.1.1.

Auf Grund des Antrages von Herrn A und Frau B (in der Folge: Beschwerdeführer) vom 23. März 2018 wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17. Mai 2018, Zl. ***, in Spruchpunkt I. das Grundstück Nr. ***, EZ ***, KG ***, im Ausmaß von 1092 m² wird gemäß § 23 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 zum Bauplatz erklärt. In Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde Frau B und
Herrn A gemäß § 14 Z. 1 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 2014 die Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses auf der Liegenschaft ***, ***, Parz.Nr. ***, EZ ***, KG *** erteilt.

Die beiden Bescheidausfertigungen wurden am 18. Mai 2018 vom Beschwerdeführer A anlässlich eines Termins im Stadtamt persönlich übernommen und die Übernahme mit einer Unterschrift auf den Rückscheinen bestätigt.

Mit Datum vom 18. Mai 2018 wurde folgendes Schreiben an die Stadtgemeinde *** übermittelt:

„Name:  A & B

Anschrift:  ***

***

Tel.:            ***

An die

Stadtgemeinde ***

***

***

***, am 18.05.2019

Betrifft: Rechtsmittelverzicht

Sehr geehrte Damen und Herren!

Hiermit verzichten wir auf das ordentliche Rechtsmittel der Berufung betreffend den Baubewilligungsbescheid vom 17.05.2018, AZ ***, für das Vorhaben „Errichtung eines Einfamilienhauses” in ***, ***.

Grundstück Nr.: ***, EZ: *** KG ***“

Dieses Schreiben ist nur vom Beschwerdeführer A unterfertigt.

1.1.2.

Mit Schreiben vom 7. November 2018 erhob die Beschwerdeführerin B durch ihre ausgewiesene Vertretung das Rechtsmittel der Berufung gegen diesen Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde ***.

1.2. Abgabenbehördliches Verfahren.

1.2.1.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 11. Juni 2018, Zl. ***, wurde den Beschwerdeführern gemäß § 38 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 eine Aufschließungsabgabe im Betrag von € 32.633,32 vorgeschrieben. Begründend wird unter Wiedergabe der Bestimmung des § 38 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 dargelegt, dass die Beschwerdeführer als Grundeigentümer anlässlich dieser Bauplatzerklärung für das gegenständliche Grundstück eine Aufschließungsabgabe zu entrichten hätten. Die Gemeinde sei verpflichtet sei, eine Abgabe zu den Herstellungskosten der Aufschließungsanlagen (Fahrbahn, Gehsteig, Straßenbeleuchtung und Oberflächenentwässerung) einzuheben, wenn ein Grundstück oder Grundstücksteil zum Bauplatz erklärt worden ist. Die Abgabe werde gemäß § 38 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 aus dem Produkt von Berechnungslänge, Bauklassenkoeffizient und Einheitssatz errechnet. Die Berechnung der Aufschließungsabgabe stelle sich wie folgt dar:

Bauplatz Fläche in m² Berechnungslänge BKK Einheitssatz Aufschließungsabgabe

***                  1.092      33,046   1,25  € 790    € 32.633,32

1.2.2.

Mit Schreiben vom 27. Juni 2018 erhoben der Beschwerdeführer rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung gegen diesen Bescheid und führte begründend im Wesentlichen aus, dass das Grundstück mit einem kleinen Einfamilienhaus bebaut sei, welches in seinen Anfängen bereits aus der Zwischenkriegszeit stamme. In diesem Haus habe eine der Vorbesitzerinnen gewohnt. Die Liegenschaft sei dadurch bereits ein Bauplatz und sei keine Aufschließungsabgabe mehr vorzuschreiben. Der angefochtene Bescheid mit der darin vorgeschriebenen Aufschließungsabgabe sei zur Gänze aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

1.2.3.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 5. Oktober 2018, ***, wurde die Berufung der Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Begründend wird nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der als maßgeblich erachteten Rechtsvorschriften dargelegt, dass die Beschwerdeführer am 18. Mai 2018 einen Rechtsmittelverzicht hinsichtlich des Baubewilligungsbescheides, demnach hinsichtlich beider Spruchpunkte des Bescheides, abgegeben hätten. Ab dem Zeitpunkt des Rechtskrafteintritts bestehe Rechtssicherheit, dass die

Baubewilligung und die Bauplatzerklärung nicht mehr im ordentlichen Rechtsmittelweg bekämpft werden könnten. Es handle sich bei einem rechtskräftigen Baubewilligungsbescheid bzw. einer in Rechtskraft erwachsenen Bauplatzerklärung um einen letztinstanzlichen Bescheid im Sinne der Bestimmungen des § 38 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014. Die Rechtskraft sei jedenfalls spätestens mit Einlangen des Rechtsmittelverzichtes bei der belangten Behörde eingetreten.

1.3. Beschwerdevorbringen:

Mit Schreiben vom 7. November 2018 brachten die Beschwerdeführer durch ihre ausgewiesenen Vertreter rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** ein und begründete diese im Wesentlichen damit, dass eine rechtskräftige Bauplatzerklärung iSd § 38 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 nicht vorliege. Der Rechtsmittelverzicht des Beschwerdeführers A dürfe nicht vorgehalten werden. Die Abgabenvorschreibung dürfe nämlich erst dann erfolgen, wenn die Bauplatzerklärung allseits rechtskräftig ist. Auch sei die Bauplatzerklärung von der Beschwerdeführerin B bekämpft worden, sodass im Fall der (beantragten) Aufhebung des Spruchpunkts l. des Bescheides des Bürgermeisters vom 17. Mai 2018 im Nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen werde. Auch hätte die belangte Behörde klären müssen, ob eine allseits rechtskräftige Bauplatzerklärung vorliege, zumal der Akt keineswegs darauf hindeute, dass dies zutreffe - es gebe zur Bauplatzerklärung keinen Zustellnachweis hinsichtlich der Beschwerdeführerin B.

1.4. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Mit Schreiben vom 9. November 2018 legte die Stadtgemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt (samt Plänen, Gutachten sowie Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Stadtrates) vor.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in diesen Akt der Stadtgemeinde *** sowie durch Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch.

1.5. Feststellungen:

1.5.1. Grundsätzliches:

Herr A und Frau B sind grundbücherliche Eigentümer des Grundstückes Nr. ***, EZ *** KG ***, welches die topographischen Anschrift ***, ***, aufweist:

[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]

„…

…“

(Quelle: imap geodaten des Landes Niederösterreich, Abfrage vom 23. November 2018)

Auf dem Grundstück ist offenkundig ein - von den Beschwerdeführern als „bestehendes kleines Einfamilienhaus“ bezeichnetes - Gebäude errichtet worden. Für dieses Objekt liegt im maßgeblichen Bauakt der Stadtgemeinde *** keine Baubewilligung auf.

Aus den Akten der belangten Behörde ergibt sich, dass für das verfahrensgegenständliche Grundstück vor 2015 keine Aufschließungsabgabe bzw. Aufschließungsbeitrag iSd NÖ Bauordnung vorgeschrieben worden ist.

1.5.2. Zu den vorgenommenen Zustellungen:

Die beiden Bescheidausfertigungen des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17. Mai 2018, Zl. ***, die an die Beschwerdeführer adressiert waren, wurden am 18. Mai 2018 vom Beschwerdeführer A anlässlich eines Termins im Stadtamt persönlich übernommen und die Übernahme mit seiner Unterschrift auf den Rückscheinen bestätigt:

[Abweichend vom Original – Bilder nicht wiedergegeben]

„…

…“

(Quelle: Akt der belangten Behörde)

Der Beschwerdeführer A unterfertigte weiters am 18. Mai 2018 einen Rechtsmittelverzicht hinsichtlich des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17. Mai 2018, Zl. ***.

1.6. Beweiswürdigung:

Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit dieses den Feststellungen (siehe oben Punkt 1.5.) nicht entgegentritt, und den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung.

2.       Anzuwendende Rechtsvorschriften:

2.1. Bundesabgabenordnung - BAO:

§ 1. (1) Die Bestimmungen der BAO gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden

§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.

§ 254. Durch Einbringung einer Bescheidbeschwerde wird die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten.

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

2.2. NÖ Bauordnung 2014 idF LGBl. 1/2015:

Bauplatz, Bauverbot

§ 11. (1) Bauplatz ist ein Grundstück im Bauland, das

1.       hiezu erklärt wurde oder

2.        durch eine vor dem 1. Jänner 1989 baubehördlich bewilligte Änderung von Grundstücksgrenzen geschaffen wurde und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder

3.        durch eine nach dem 1. Jänner 1989 baubehördlich bewilligte oder angezeigte Änderung von Grundstücksgrenzen ganz oder zum Teil aus einem Bauplatz entstanden ist und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder

4.        seit dem 1. Jänner 1989 ununterbrochen als Bauland gewidmet und am 1. Jänner 1989 mit einem baubehördlich bewilligten Gebäude oder Gebäudeteil, ausgenommen solche nach § 15 Abs. 1 Z 1, § 17 Z 8 und § 23 Abs. 3 vorletzter Satz, bebaut war, oder

5.        durch eine nach § 15 des Liegenschaftsteilungsgesetzes, BGBl. Nr. 3/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 190/2013, durchgeführte Änderung von Grundstücksgrenzen ganz oder zum Teil aus einem Bauplatz entstanden ist und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß.

Aufschließungsabgabe

§ 38. (1) Dem Eigentümer eines Grundstücks im Bauland ist von der Gemeinde eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2

         1.       ein Grundstück oder Grundstücksteil zum Bauplatz (§ 11) erklärt oder

         2.       eine Baubewilligung für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage (§ 23 Abs. 3) auf einem Bauplatz nach § 11 Abs. 1 Z. 2, 3 und 5 erteilt wird.

Die Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage auf einem Bauplatz gilt als erstmalig, wenn auf diesem Bauplatz am 1. Jänner 1970 und danach kein unbefristet bewilligtes Gebäude gestanden ist. Die Aufschließungsabgabe nach Z. 2 ist nicht vorzuschreiben, wenn die Errichtung eines Gebäudes nach § 23 Abs. 3, vorletzter Satz, bewilligt wird. Wird auf demselben Bauplatz ein weiteres Gebäude Gebäude im Sinn des § 23 Abs. 3 erster Satz oder eine großvolumige Anlage errichtet, ist die Abgabe vorzuschreiben. …

(3) Die Aufschließungsabgabe (A) ist eine einmal zu entrichtende, ausschließliche Gemeindeabgabe nach § 6 Abs. 1 Z. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45/1948 in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012. Sie wird aus dem Produkt von Berechnungslänge (BL), Bauklassenkoeffizient (BKK) und Einheitssatz (ES) errechnet:

A = BL x BKK x ES

Bei der Vorschreibung ist jeweils der zum Zeitpunkt der Bauplatzerklärung oder Erteilung der Baubewilligung (Abs. 1) geltende Bauklassenkoeffizient und Einheitssatz anzuwenden. …

(4) Die Berechnungslänge ist die Seite eines mit dem Bauplatz flächengleichen Quadrates:

Bauplatzfläche = BF BL =

(5) Der Bauklassenkoeffizient beträgt:

        in der Bauklasse I 1,00 und

       bei jeder weiteren zulässigen Bauklasse um je 0,25 mehr,

in Industriegebieten ohne Bauklassenfestlegung 2,00

bei einer Geschoßflächenzahl

o bis zu 0,8 1,5

o bis zu 1,1 1,75

o bis zu 1,5 2,0 und

o bis zu 2,0 2,5

Ist eine höchstzulässige Gebäudehöhe festgelegt, ist der Bauklassenkoeffizient von jener Bauklasse abzuleiten, die dieser Gebäudehöhe entspricht.

Im Baulandbereich ohne Bebauungsplan beträgt der Bauklassenkoeffizient mindestens 1,25 sofern nicht eine Höhe eines Gebäudes bewilligt wird, die einer höheren Bauklasse entspricht als der Bauklasse II.

2.3. Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG:

§ 10. (1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch natürliche Personen, die volljährig und handlungsfähig sind und für die in keinem Bereich ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt oder eine gewählte oder gesetzliche Erwachsenenvertretung oder Vorsorgevollmacht wirksam ist, durch juristische Personen oder durch eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.

(2) Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen. …

(4) Die Behörde kann von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Angehörige (§ 36a), Haushaltsangehörige, Angestellte oder durch amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.

2.4. Zustellgesetz – ZustG:

§ 16. (1) Kann das Dokument nicht dem Empfänger zugestellt werden und ist an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend, so darf an diesen zugestellt werden (Ersatzzustellung), sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

(2) Ersatzempfänger kann jede erwachsene Person sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die – außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt – zur Annahme bereit ist.

(3) Durch Organe eines Zustelldienstes darf an bestimmte Ersatzempfänger nicht oder nur an bestimmte Ersatzempfänger zugestellt werden, wenn der Empfänger dies schriftlich beim Zustelldienst verlangt hat. …

§ 24. Dem Empfänger können ausgefolgt werden:

1. versandbereite Schriftstücke unmittelbar bei der Behörde;

2. ...

Die Ausfolgung ist von der Behörde (Dienststelle) zu beurkunden. § 22 Abs. 2 und 3 gilt sinngemäß.

2.5. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG:

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:

         1.       Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;

         2.       Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;

         3.       Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.

(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden. …

(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

3.       Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt 1:

Die Beschwerde ist nicht begründet.

3.1.1.

In der Sache ist eingangs festzuhalten, dass die von den Abgabenbehörden der mitbeteiligten Gemeinde der Abgabenfestsetzung zugrunde gelegten Berechnungen von Beschwerdeführer nicht kritisiert werden. Das Beschwerdevorbringen lässt sich vielmehr auf die Frage reduzieren, ob die Vorschreibung der Aufschließungsabgabe überhaupt erfolgen durfte, da nach Ansicht der Beschwerdeführer der Abgabenanspruch noch nicht entstanden gewesen.

3.1.2.

Nach § 4 Abs. 1 der von den Verwaltungsbehörden (und dem erkennenden Gericht) anzuwendenden BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Angesichts der Komplexität der Sachlage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass aus der rechtlichen Konstruktion der Abgabenschuldverhältnisse folgt, dass dieses bereits mit Verwirklichung eines gesetzlich normierten Abgabentatbestandes entsteht. Der Abgabenbescheid ist seinen wesentlichen Merkmalen nach lediglich feststellender Natur. Er bringt den Abgabenanspruch nicht zum Entstehen, sondern stellt den aus dem Gesetz erwachsenden Anspruch lediglich fest (vgl. VwGH vom 25. Juni 2014, Zl. 94/17/0419). Daraus ergibt sich, dass die Abgabenbehörde die Abgabe festzusetzen hat, sobald der Abgabenanspruch entstanden ist. Da sich der Abgabenanspruch der Gemeinde aus der Sicht des Abgabepflichtigen als Abgabenschuld darstellt, ist die Abgabenfestsetzung zulässig, sobald die Abgabenschuld entstanden ist.

Gemäß § 38 Abs. 1 Zif. 1 NÖ Bauordnung 2014 ist dem Eigentümer eines Grundstücks im Bauland von der Gemeinde eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 ein Grundstück oder Grundstücksteil zum Bauplatz (§ 11) erklärt wird (vgl. Kienastberger/Stellner-Bichler, NÖ Baurecht, Praxiskommentar, S.188).

3.1.3.

Die Vorschreibung der Aufschließungsabgabe setzt ausdrücklich einen rechtskräftigen Bauplatzerklärungsbescheid bzw. Baubewilligungsbescheid voraus. Erst mit der Rechtskraft dieses Bescheides entsteht der Abgabenanspruch der Gemeinde. Ausgeschlossen ist somit, dass die Bauplatzerklärung und die Abgabenvorschreibung im selben Bescheid erfolgen (vgl. Palitsch/Pallitsch/Kleewein, NÖ Baurecht, 9. Aufl. Anmerkungen zu § 38, S. 543). Durch die Novelle 8200-3 wurde in § 38 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1996 nach dem Wort "wenn" die Wortfolge "mit rechtskräftigem Bescheid" eingefügt. Der Landesgesetzgeber wollte damit eine Klarstellung dahingehend erreichen, dass die Aufschließungsabgabe erst dann vorgeschrieben werden darf, wenn ein rechtskräftiger Bescheid (Bauplatzerklärung oder Baubewilligung) vorliegt. Dies soll eine exakte Ermittlung des Zeitpunktes, in dem der Abgabenanspruch entsteht, ermöglichen (siehe den Motivenbericht zur 1. Novelle der NÖ Bauordnung 1996 vom 27. April 1999, Zl. RU1-A-200/225, sowie VwGH 2005/17/0165).

3.1.4.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17. Mai 2018, Zl. ***, wurde in Spruchpunkt I. das Grundstück Nr. ***, EZ ***, KG ***, im Ausmaß von 1092 m² wird gemäß § 23 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 zum Bauplatz erklärt. Die beiden Bescheidausfertigungen (adressiert jeweils an B und A) wurden am 18. Mai 2018 vom Beschwerdeführer A anlässlich eines Termins im Stadtamt persönlich übernommen und die Übernahme mit einer Unterschrift auf den Rückscheinen bestätigt.

Der Beschwerdeführer A unterfertigte am 18. Mai 2018 auch einen Rechtsmittelverzicht hinsichtlich des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17. Mai 2018, Zl. ***. Ein Rechtsmittelverzicht kann nur von einer Partei des Verfahrens abgegeben werden. Dies kann - und zwar durch ausdrückliche Erklärung - erst nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides und während der Rechtsmittelfrist erfolgen (vgl. VwGH Ra 2016/02/0227). Der in Rede stehende Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17. Mai 2018 erwuchs mit der Unterfertigung des Rechtsmittelverzichtes am 18. Mai 2018 in Rechtskraft.

Daraus folgt, dass gegenüber dem Beschwerdeführer A der Abgabentatbestand des § 38 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 in Gestalt eines rechtskräftigen Bauplatzerklärungsbescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17. Mai 2018 (Rechtskraft infolge des Rechtsmittelverzichtes vom 18. Mai 2018) zum Zeitpunkt der Abgabenvorschreibung am 11. Juni 2018 erfüllt war (vgl. VwGH 2008/17/0095 und VwGH Ro 2014/17/0026).

Vor diesem Hintergrund erweist sich die Vorschreibung der Aufschließungsabgabe gegenüber dem Beschwerdeführer A als rechtsrichtig.

3.1.5.

Die allgemeine Vertretungsvollmacht im Sinne des § 10 AVG schließt im Allgemeinen die Zustellungsbevollmächtigung ein. Dies gilt auch, wenn eine der im § 10 Abs. 4 AVG bezeichneten Personen unter Berufung auf die erteilte Vollmacht einschreitet, sofern kein gegenteiliger Anhaltspunkt vorliegt (vgl. VwGH 92/09/0293 und VwGH 2007/12/0080). Es genügt in Bezug auf den im § 10 Abs. 4 AVG bezeichneten Personenkreis das Fehlen von Zweifeln über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis; die Behörde braucht daher zunächst in einem solchen Fall nicht Untersuchungen in der Richtung anzustellen, die auf einen Nachweis einer ausdrücklichen Vollmacht hinauslaufen würden, von der nach § 10 Abs. 4 AVG gerade abgesehen werden kann (vgl. VwGH 2004/07/0172).

Unter dem (u.a. aus § 1029 Satz 2 ABGB abgeleiteten) Rechtsinstitut der Anscheinsvollmacht versteht man, dass die Vertretungsmacht an ein als bloße Wissenserklärung zu qualifizierendes Verhalten des Geschäftsherrn (also des Vertretenen) anknüpft. Dazu ist erforderlich, dass der Vertretene ein Verhalten gesetzt hat, das geeignet ist, im Dritten den begründeten Glauben zu erwecken, dass der Vertreter zur Abgabe von Erklärungen für den Vertretenen befugt ist. Das Vertrauen des Dritten muss seine Grundlage in einem zurechenbaren Verhalten des Vollmachtgebers haben, welches den äußeren Tatbestand, auf den der Dritte vertraut, begründet (vgl. VwGH 2001/16/0175).

Die Behörden der mitbeteiligten Gemeinde konnten im Ergebnis davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer A in Vertretung seiner im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegattin agierte und somit berechtigt war die an diese gerichtete Bescheidausfertigung zu übernehmen. Diese Übernahme wurde auch mit seiner Unterschrift quittiert.

Nach § 24 ZustG kann ein bereits versandbereites Schriftstück dem Empfänger unmittelbar bei der Behörde gegen eine schriftliche Übernahmsbestätigung ausgefolgt werden. Die Ausfolgung hat die Rechtswirkungen der Zustellung (vgl. Walter-Mayer, Das österreichische Zustellrecht, S. 124, sowie VwGH 97/21/0489).

Im Beschwerdefall erfolgte die Zustellung gemäß § 24 ZustG durch unmittelbare Ausfolgung des Schriftstückes bei der Behörde. Dass der zur Vertretung seiner Ehegattin befugte Beschwerdeführer als "Empfänger" unterschrieben hat, steht außer Streit. Mit der Ausfolgung des an die Beschwerdeführerin gerichteten Bescheides an den Beschwerdeführer gilt dessen Zustellung an die vertretene Ehegattin als bewirkt, ohne dass es eines Hinweises auf das bestehende Vertretungsverhältnis zur Beschwerdeführerin bedurfte. Die Beschwerdeführerin hat weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde vorgebracht, dass ihr Ehegatte keine oder bloß eine auf die Abgabe einer Stellungnahme vor der Behörde erster Instanz beschränkte Vertretungsbefugnis besessen hat. Bei Würdigung der Gesamtheit dieser Umstände konnte die Behörde erster Instanz unbedenklich von einer Bevollmächtigung des Ehegatten der Beschwerdeführerin im bei ihr anhängigen Verwaltungsstrafverfahren ausgehen, die auch die Zustellbevollmächtigung im Sinn des § 9 Abs. 1 Zustellgesetz erfasste, und dementsprechend den Ehegatten der Beschwerdeführerin als Empfänger im zustellrechtlichen Sinn in die Zustellverfügung aufnehmen (vgl. VwGH 92/09/0293).

Der an die Beschwerdeführerin B adressierte Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17. Mai 2018 wurde somit am 18. Mai 2018 wirksam zugestellt.

Ein Rechtsmittelverzicht ist eine von der Partei vorgenommene Prozesshandlung, der die Wirkung anhaftet, dass ein von der Partei eingebrachtes Rechtsmittel einer meritorischen Erledigung nicht zugeführt werden darf. Ein einmal ausgesprochener Rechtsmittelverzicht kann auch nicht mehr zurückgenommen werden. Das Vorliegen eines Rechtsmittelverzichtes ist besonders streng zu prüfen und es ist ein anlässlich der Abgabe eines Rechtsmittelverzichtes vorliegender Willensmangel zu Gunsten der Partei zu beachten (vgl. VwGH 2005/02/0049 und VwGH Ra 2016/09/0098).

Da der Rechtsmittelverzicht nicht ihr gegenüber wirken konnte, da sie diesen nicht ausdrücklich abgegeben (i.e. unterschrieben) hatte (und ein konkludenter Verzicht nicht erfolgen kann), ist der Bescheid vom 17. Mai 2018 jedenfalls mit Verstreichen der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist am 1. Juni 2018 in Rechtskraft erwachsen. Der Vollständigkeit halber darf diesbezüglich angemerkt werden, dass sich diesfalls die mit Schreiben vom 7. November 2018 erhobene Berufung als verspätet erweisen dürfte.

Somit war auch gegenüber der Beschwerdeführerin B der Abgabentatbestand des § 38 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 in Gestalt eines rechtskräftigen Bauplatzerklärungsbescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 17. Mai 2018 (Rechtskraft am 1. Juni 2018) zum Zeitpunkt der Abgabenvorschreibung am 11. Juni 2018 erfüllt.

Vor diesem Hintergrund erweist sich die Vorschreibung der Aufschließungsabgabe gegenüber der Beschwerdeführerin B als rechtsrichtig.

3.1.6.

Diesen Überlegungen folgt, dass auf Grund der dargestellten Rechtslage den Ausführungen der Beschwerdeführer hinsichtlich der von ihm behaupteten Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften keine Berechtigung zukommt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

3.1.7.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von den Beschwerdeführern nicht beantragt. Auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

3.2.    Zu Spruchpunkt 2 - Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht und eine gesicherte und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, die unter Punkt 3.1. auch dargelegt wird.

Schlagworte

Finanzrecht; Aufschließungsabgabe; Abgabenschuld; Verfahrensrecht; Zustellung; Rechtsmittelverzicht; Rechtskraft;

Anmerkung

VwGH 29.03.2019, Ra 2019/16/0064 und 0065-5, Aufhebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.1199.001.2018

Zuletzt aktualisiert am

29.04.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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