TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/19 W132 2116164-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.09.2018
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Entscheidungsdatum

19.09.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VOG §1
VOG §10
VOG §6a

Spruch

W132 2116164-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende und den Richter Mag. Christian DÖLLINGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Oberösterreich vom XXXX , betreffend die Bewilligung des Antrages auf Hilfeleistungen in Form von Pauschalentschädigung für Schmerzengeld als einmalige Geldleistung im Betrag von € 2.000 gemäß § 1 Abs. 1, § 6a und § 10 Abs. 1 Verbrechensopfergesetz (VOG), zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahin abgeändert, dass die Pauschalentschädigung für Schmerzengeld - unter Anrechnung allenfalls vom Täter erhaltener Schadenersatzleistungen - als einmalige Geldleistung im Betrag von €

4.000 gebührt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die gesetzliche Vertreterin des damals minderjährigen Beschwerdeführers hat am 14.05.2014 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) einen Antrag auf Hilfeleistungen nach dem VOG in Form von Pauschalentschädigung für Schmerzengeld gestellt und angegeben, dass der Beschwerdeführer am 04.04.2013 vom Schulkollegen R.O., nach Verlassen der Höheren Technischen Lehranstalt Linz, gestoßen worden sei. R.O. habe ihm in der Folge ein Bein gestellt, wodurch der Beschwerdeführer zu Sturz gekommen sei und einen Bruch von Elle und Speiche der rechten Hand erlitten habe. Dem Antrag wurden medizinische Beweismittel und Auszüge aus der Korrespondenz im Rahmen des Straf- bzw. Zivilklageverfahrens sowie die Opferverständigung der Staatsanwaltschaft Linz vom 17.09.2013, dass von der Verfolgung des R.O. wegen des Vergehens nach § 83 und § 84 StGB gemäß § 204 Abs. 1 StPO nach außergerichtlichem Tatausgleich zurückgetreten wurde, beigelegt.

2. Zur Überprüfung des Antrages wurden von der belangten Behörde die Krankengeschichte des Beschwerdeführers sowie ergänzende Unterlagen zu den angegebenen Vorfällen eingeholt.

2.1. Auf schriftliche Anfrage der belangten Behörde hat die Mutter des Beschwerdeführers am 20.01.2015 u.a. telefonisch bekannt gegeben, dass sie sich wegen eines Behandlungsfehlers an die Patientenanwaltschaft gewandt und einen Betrag in Höhe von € 6.000 erhalten habe. Die Klage gegen das Krankenhaus sei jedoch noch aufrecht.

2.2. Die mit der rechtsfreundlichen Vertretung im Schadenersatzverfahren gegen die Versicherung des Schädigers beauftragte Vertretung des Beschwerdeführers hat der belangten Behörde am 18.02.2015 telefonisch mitgeteilt, dass bisher noch keine Zahlungen aus der Versicherung des Schädigers erfolgt seien. Vor ca. zwei Wochen sei ein Schreiben der Versicherung eingelangt, dass aufgrund der Tatsache, dass nie Forderungen gestellt worden seien, eine Leistung wegen "nicht berechtigtem Anspruch" auch nicht ausgezahlt worden sei. Das Schreiben beinhalte jedoch ein Angebot zur Einholung eins Sachverständigengutachtens über die Verletzungen des Beschwerdeführers. Es sei beabsichtigt, dieses Angebot anzunehmen, jedoch herrsche Uneinigkeit über die Auswahl des Gutachters.

In der Folge hat die belangte Behörde Erhebungen zum Verlauf der Verhandlungen mit der Versicherung des Schädigers mit dem Ergebnis geführt, dass am 28.04.2015 beim Landesgericht Linz eine Klage eingebracht worden sei.

3. Im Rahmen des Parteiengehörs hat die belangte Behörde der gesetzlichen Vertreterin des Beschwerdeführers mitgeteilt, dass die Voraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 VOG vorlägen und der Beschwerdeführer am 04.04.2013 eine schwere Körperverletzung erlitten habe, wobei er laut Entlassungsbericht des AKH Linz bis 23.09.2013 in Behandlung gestanden habe und mit selbigem Datum in alters entsprechendem Allgemeinzustand entlassen worden sei. Weitere Behandlungen hätten nicht festgestellt werden können. Zur Abgabe einer Stellungnahme wurde eine Frist von zwei Wochen ab Zustellung eingeräumt.

Die mit der rechtsfreundlichen Vertretung im Schadenersatzverfahren gegen die Versicherung des Schädigers beauftragte Vertretung des Beschwerdeführers hat der belangten Behörde am 30.06.2015 telefonisch mitgeteilt, dass noch kein Gutachten eingeholt worden sei. Die erste Verhandlung mit der Versicherung der Gegenseite sei für den 24.07.2015 anberaumt worden.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Hilfeleistungen in Form von Pauschalentschädigung für Schmerzengeld als einmalige Geldleistung im Betrag von € 2.000 gemäß § 1 Abs. 1, § 6a und § 10 Abs. 1 VOG bewilligt.

Die Angaben des Beschwerdeführers, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens und die gesetzlichen Bestimmungen würdigend, wird unter Zitierung der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen festgestellt, dass mit der für die Gewährung von Hilfeleistungen nach dem VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststehe, dass der Beschwerdeführer am 04.04.2013 durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine schwere Körperverletzung erlitten habe. Als österreichischer Staatsbürger sei er am 04.04.2013 im Bereich der HTL in Linz, durch das Stellen eines Beins am Körper verletzt worden. Der Sturz habe eine Fraktur von Elle und Speiche der rechten Hand zur Folge gehabt. Laut Abschlussbericht des Stadtpolizeikommandos Linz habe der Schulunterricht ein Monat lang nicht besucht werden können. Anhaltspunkte, wonach die Gesundheitsschädigung länger als drei Monate angedauert habe, seien dem Strafakt nicht zu entnehmen.

5. Gegen diesen Bescheid hat die gesetzliche Vertreterin des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben. Im Wesentlichen wurde eingewendet, dass der Beschwerdeführer durch die Straftat eine schwere Körperverletzung bzw. Gesundheitsschädigung erlitten habe, welche länger als drei Monate angedauert bzw. schwere Dauerfolgen nach sich gezogen habe. Ein Zivilverfahren sei anhängig.

Nachstehend angeführte Beweismittel wurden in Vorlage gebracht:

-

Allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten Dris. XXXX nach der Einschätzungsverordnung, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 13.08.2014

-

Ärztliches Attest AKH Linz vom 20.05.2014

-

Entwurf einer Vollmacht, dass der Beschwerdeführer mit der Klagsführung gegen R.O. einverstanden ist.

-

Schreiben der Entschädigungskommission des Oö. Patientenentschädigungsfonds vom 18.12.2014

-

Verpflichtungserklärung der gesetzlichen Vertreterin des Beschwerdeführers gegenüber der Entschädigungskommission des Oö. Patientenentschädigungsfonds

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die grundsätzlichen Anspruchsvoraussetzungen liegen insofern vor, als der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger ist und am 04.04.2013 in Linz Opfer einer mit einer zum Entscheidungszeitpunkt mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung geworden ist und eine Körperverletzung bzw. Gesundheitsschädigung erlitten hat.

Ein Ausschlussgrund gemäß § 8 VOG liegt nicht vor.

Der Antrag auf Hilfeleistungen nach dem VOG ist am 14.05.2014 bei der belangten Behörde eingelangt.

1.2. Art, Ausmaß und Kausalität der erlittenen Verletzung

Der Beschwerdeführer hat als Folge des Verbrechens eine schwere Körperverletzung in Form einer Fraktur von Elle und Speiche der rechten Hand erlitten, welche zunächst konservativ behandelt wurde.

Aufgrund einer Fehlstellung wurde beim Beschwerdeführer in der Folge am 12.09.2013 eine aufwendige knöcherne Rekonstruktion durchgeführt, wobei eine schwere Funktionseinschränkung im rechten Ellbogengelenk mit deutlicher Beeinträchtigung des rechten Armes bei allen Bewegungen verblieb.

Der komplikationsreiche Heilungsverlauf steht in ursächlichem Zusammenhang mit der Behandlung im UKH Linz.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich widerspruchsfreien, unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Kausalität der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

In den Behandlungsunterlagen des AKH Linz, Abteilung für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie (Entlassungsbericht vom 11.09.2013 und Attest vom 20.05.2014) wird dokumentiert, dass aufgrund anhaltender Bewegungseinschränkungen am 12.09.2013 eine Korrekturosteotomie des rechten Radiums mit Verplattung durchgeführt wurde und dem Beschwerdeführer nach Abschluss des knöchernen Längenwachstums weitere Eingriffe bevorstehen.

Im allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten Dris. XXXX nach der Einschätzungsverordnung, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 13.08.2014, wurde eine schwere Funktionseinschränkung im rechten Ellbogengelenk mit deutlicher Beeinträchtigung des rechten Armes bei allen Bewegungen objektiviert.

Beweismittel, welche dazu im Widerspruch stehen, liegen nicht vor, es bestehen auch keine Anhaltspunkte, die dokumentierten Verletzungsfolgen in Zweifel zu ziehen.

Der mit Schreiben der Entschädigungskommission des Oö. Patientenentschädigungsfonds vom 18.12.2014 mitgeteilte Beschluss über die Zuerkennung einer Entschädigung in Höhe von € 6.000 untermauert den Umstand des komplikationsreichen Heilungsverlaufes aufgrund der Behandlung im UKH Linz.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 9d Abs. 1 VOG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des VOG durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört. Es liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie

1. durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben

und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist.

(§ 1 Abs. 1 VOG auszugsweise)

Hilfe ist auch dann zu leisten, wenn

1. die mit Strafe bedrohte Handlung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen worden ist oder der Täter in entschuldigendem Notstand gehandelt hat,

2. die strafgerichtliche Verfolgung des Täters wegen seines Todes, wegen Verjährung oder aus einem anderen Grund unzulässig ist oder

3. der Täter nicht bekannt ist oder wegen seiner Abwesenheit nicht verfolgt werden kann.

(§ 1 Abs. 2 VOG)

Als Hilfeleistungen sind u.a. vorgesehen:

10. Pauschalentschädigung für Schmerzengeld.

(§ 2 VOG auszugsweise)

Hilfe nach § 2 Z 10 ist für eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 als einmalige Geldleistung im Betrag von 2 000 Euro zu leisten; sie beträgt 4 000 Euro, sofern die durch die schwere Körperverletzung verursachte Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit länger als drei Monate andauert. (§ 6a Abs. 1 VOG auszugsweise idF des BGBl. I Nr. 58/2013),

Zieht die Handlung eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85 StGB) nach sich, gebührt eine einmalige Geldleistung im Betrag von 8 000 Euro; sie beträgt 12 000 Euro, sofern wegen der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen ein Pflegebedarf im Ausmaß von zumindest der Stufe 5 nach dem Bundespflegegeldgesetz (BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, besteht. (§ 6a Abs. 2 VOG auszugsweise idF des BGBl. I Nr. 58/2013)

Leistungen nach § 2 dürfen nur von dem Monat an erbracht werden, in dem die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, sofern der Antrag binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 1) gestellt wird. (§ 10 Abs. 1 VOG auszugsweise idF des BGBl. I Nr. 58/2013)

Der § 6a tritt mit 1. April 2013 in Kraft. Der § 6a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 58/2013 ist auf Handlungen im Sinne des § 1 Abs. 1 anzuwenden, die ab dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes begangen wurden. (§ 16 Abs. 13 VOG auszugsweise)

Schwere Körperverletzung

Hat die Tat eine länger als vierundzwanzig Tage dauernde Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit zur Folge oder ist die Verletzung oder Gesundheitsschädigung an sich schwer, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. (§ 84 Abs. 1 StGB)

Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen

Hat die Tat für immer oder für lange Zeit

1. den Verlust oder eine schwere Schädigung der Sprache, des Sehvermögens, des Gehörs oder der Fortpflanzungsfähigkeit,

2. eine erhebliche Verstümmelung oder eine auffallende Verunstaltung oder

3. ein schweres Leiden, Siechtum oder Berufsunfähigkeit des Geschädigten zur Folge,

so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

(§ 85 StGB)

Im Lichte der Gesetzesmaterialien (GP XIII RV 40. S. 8) zum VOG 1972, die auf das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG) verweisen, ist es nicht rechtswidrig, wenn sich die Behörde auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum KOVG 1957 beruft und davon ausgeht, dass eine ausreichende Wahrscheinlichkeit iSd. § 1 Abs. 1 VOG 1972 erst gegeben ist, wenn erheblich mehr für als gegen das Vorliegen einer Vorsatztat spricht (Hinweis E vom 19. Oktober 2005, 2002/09/0132, zu § 4 Abs. 1 KVOG 1957, demzufolge "Wahrscheinlichkeit" dafür, dass die festgestellte Gesundheitsschädigung auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist, dann gegeben ist, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht). (VwGH vom 21.11.2013, Zl. 2011/11/0205, vom 26.04.2013, Zl. 2012/11/0001)

Die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Bedingung ist jedoch keine Sachverhalts-, sondern eine Rechtsfrage. (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse zu § 2 HVG vom 23.5. 2002, Zl. 99/09/0013 und vom 26.01.2012, Zl. 2011/09/0113)

Für die Auslegung des Begriffes "wahrscheinlich" ist der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlichen-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. (vgl. u. a. VwGH zu § 4 KOVG vom 19.10.2005, Zl. 2002/09/0132, 15.12.1994, Zl. 94/09/0142 mit Hinweis E 18.2.1988, 87/09/0250)

Wegen der inhaltsgleichen Rechtslage sind die in der Kriegsopferversorgung zur Kausalitätsbeurteilung entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch im Bereich der Heeresversorgung heranzuziehen. (VwGH vom 12.04.2000, Zl. 97/09/0358)

Bei der Kausalitätsbeurteilung ist von der Theorie der "wesentlichen Bedingung" auszugehen. Danach ist es für eine solche Bedingtheit - dann, wenn die festgestellte Gesundheitsschädigung auf mehrere Ursachen, darunter auch ein von § 1 Abs. 1 VOG erfasstes schädigendes Ereignis zurückgeht - erforderlich, dass das in Betracht kommende schädigende Ereignis eine wesentliche Ursache der Schädigung ist. Dies ist das Ereignis dann, wenn es nicht im Hinblick auf andere mitwirkende Ursachen erheblich in den Hintergrund tritt. Nur jene Bedingung, ohne deren Mitwirkung der Erfolg überhaupt nicht oder nur zu einem erheblich anderen Zeitpunkt oder nur in geringerem Umfang eingetreten wäre, ist wesentliche Bedingung (in diesem Sinne u.a. 2005/09/0081 vom 23.11.2005 zu HVG).

Ohne das Verbrechen vom 04.04.2013 wäre der objektivierte Schaden des Beschwerdeführers nicht eingetreten.

In diesem Sinne auch die Rechtsprechung des OGH, dass adäquate Verursachung dann anzunehmen ist, wenn das Verhalten unter Zugrundelegung eines zur Zeit der Beurteilung vorhandenen höchsten menschlichen Erfahrungswissens und unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Handlung dem Verantwortlichen oder einem durchschnittlichen Menschen bekannten oder erkennbaren Umständen geeignet war, eine Schadensfolge von der Art des eingetretenen Schadens in nicht ganz unerheblichem Grad zu begünstigen. (RIS-Justiz RS0022914)

Ein ärztlicher Kunstfehler bei der Behandlung einer Körperverletzung schließt die Adäquanz des Geschehensablaufs grundsätzlich nicht aus; mag eine ärztliche Fehlbehandlung auch nicht gerade wahrscheinlich sein, so liegt sie dennoch nicht außerhalb der menschlichen Erfahrung und fällt unter die Haftung dessen, der die Körperverletzung zu verantworten hat. (RIS-Justiz RS0022618, OGH 13.11.2008, 2 Ob 113/08v)

Den geforderten Grad der Wahrscheinlichkeit konnten die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens begründen.

Es kann mit der nach dem VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Beschwerdeführer durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Gesundheitsschädigung im Ausmaß einer schweren Körperverletzung erlitten hat. Bei schwerer Körperverletzung gemäß § 84 Abs. 1 StGB handelt es sich um ein Vorsatzdelikt, das mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedroht ist. Die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 Abs. 1 VOG sind - wie dies auch die belangte Behörde zutreffend ausführte - erfüllt.

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung ist, ob der Beschwerdeführer durch das Verbrechen eine schwere Körperverletzung erlitten hat, welche länger als drei Monate andauerte bzw. ob diese schwere Dauerfolgen nach sich zog.

Als Gesundheitsschädigung ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens einer Person anzusehen, wobei das Andauern dieses Zustandes nicht mit der Heilungsdauer identisch sein muss. (VwGH vom 14.12.2015, Ro 2014/11/0017; OGH RS0092408)

Bei der Beurteilung einer Körperbeschädigung ist eine ganzheitliche Betrachtung der maßgebenden Umstände geboten. (12Os66/92 vom 23.07.1992)

Es kommt bei der Beurteilung der Dauer der Gesundheitsschädigung jedoch nicht auf den verschriebenen oder konsumierten Krankenstand an, sondern auf die tatsächliche verbrechenskausale Berufsunfähigkeit (Messner in Salzburger Kommentar § 84 Rz 42; Wiener Kommentar § 84 Rz 13).

Nach ständiger Judikatur werden als Gesundheitsschädigung iS des § 84 Abs 1 StGB krankheitswerte Beeinträchtigungen des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens nicht nur dann eingestuft, wenn sie unmittelbar Folge der zugefügten Körperverletzung selbst sind, sondern auch dann, wenn es sich um Begleiterscheinungen der erforderlichen medizinischen Behandlung handelt. (Wiener Kommentar § 84 RZ 6, Nachweise bei L/St § 84 Rz 5 und Mayerhofer StGB5 § 84 E 2 und 3.)

Der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 85 StGB nach, können nur solche langdauernde Leiden in Betracht kommen, die eine gewichtige, einer immerwährenden Folge nahekommende Beeinträchtigung des Daseinswertes für die Betroffenen bedeuten. Der Begriff der langen Zeit bedeutet einen langen Zeitraum, der im Hinblick auf die durchschnittliche Lebensdauer einen wesentlichen Teil des Lebens darstellt. (OGH RS0092616)

Ob ein Leiden schwer ist, hängt von der in einer Gesamtschau zu würdigenden Erheblichkeit und Wichtigkeit der Gesundheitsschädigung ab. Eine für immer oder doch für lange Zeit bestehende schwere Gesundheitsschädigung entspricht dem schweren Leiden im Sinne des § 85 Z 3 StGB. 9Os192/77; 10Os77/80; 1Ob91/99k vom 03.04.1979.

Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt ist davon auszugehen, dass beim Beschwerdeführer länger als drei Monate eine maßgebende Beeinträchtigung des rechten Armes vorlag.

Einschränkungen für immer oder für lange Zeit, im Sinne von Verlust oder schwerer Schädigung der Sprache, des Sehvermögens, des Gehörs oder der Fortpflanzungsfähigkeit, erheblicher Verstümmelung oder auffallender Verunstaltung oder Siechtum oder Berufsunfähigkeit, hat der Beschwerdeführer jedoch nicht erlitten.

Sollten trotz der nach Abschluss des knöchernen Längenwachstums bevorstehenden Eingriffe an der rechten Hand dauerhaft Funktionseinschränkungen schweren Grades weiterbestehen, steht es dem Beschwerdeführer frei, einen Antrag auf Pauschalentschädigung in Form von Schmerzengeld gemäß § 6a Abs. 2 VOG zu stellen.

Da zwar mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass die verbrechenskausale Körperverletzung schwer ist und die daraus resultierende Gesundheitsschädigung länger als drei Monate gedauert hat, jedoch keine schweren Dauerfolgen im Sinne des § 85 StGB vorliegen, war spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(§ 24 Abs. 2 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung, in welcher Höhe dem Beschwerdeführer eine Pauschalentschädigung für Schmerzengeld gebührt, ist die Schwere der durch das Verbrechen erlittenen Körperverletzung.

Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, liegen keine Anhaltspunkte vor, die vorliegenden Beweismittel in Zweifel zu ziehen. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Maßgebend sind die Art, die Schwere des Leidenszustandes und die Kausalität der festgestellten Gesundheitsschädigungen.

Die Entscheidung hängt sohin einerseits von Tatsachenfragen ab. Andererseits sind Rechtsfragen zu lösen, welchen keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage zu § 6a VOG stützen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist.

Schlagworte

Dauer, Körperverletzung, Schmerzengeld, Teilstattgebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W132.2116164.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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