TE OGH 2018/9/21 3Ob149/18k

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Veröffentlicht am 21.09.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Dr. Andreas Schöppl & Mag. Klaus Waha, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei Ing. D*****, vertreten durch DDr. Karl Robert Hiebl & Mag. Alexander Lirk, Rechtsanwälte in Braunau am Inn, wegen 42.293,48 EUR sA und Feststellung über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilzwischenurteil des Oberlandesgerichts Linz vom 17. Mai 2018, GZ 1 R 17/18b-34, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht bejahte die Haftung des beklagten eingeantworteten Erben für eine nachvertragliche Schutzpflichtverletzung seines Rechtsvorgängers, die erst nach dessen Tod zu einer Verletzung des Klägers führte (Sturz in ein unzureichend abgedecktes Loch im Boden des Obergeschosses eines Gebäudes), und lastete diesem ein 25%iges Mitverschulden an. Die dagegen erhobene (richtig) außerordentliche Revision des Beklagten vermag keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Sie ist deshalb als nicht zulässig zurückzuweisen. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Schutzpflichtverletzung:

1.1. Die Argumentation, der Werkunternehmer habe wegen der Versperrung des Neubaus nicht gegen (nachvertragliche) Schutzpflichten, die der Beklagte
– zutreffend (vgl RIS-Justiz RS0017049 [T11]; 8 Ob 38/90 = RS0017049 [T21]) – gar nicht grundsätzlich in Abrede stellt, verstoßen, weil er mit einem Eindringen Unbefugter nicht rechnen habe müssen, geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

1.2. Nach den Feststellungen strebte der Werkunternehmer nämlich ganz bewusst an, dass seine (offensichtlich von ihm zu diesem Zweck kontaktierten) Kunden die von ihnen übergebenen Gegenstände abholen (können), und beauftragte dazu seinen Pflegevater und dessen Adoptivtochter (als Auftragnehmer). Er musste daher nicht nur damit rechnen, sondern verfolgte geradezu das Ziel, dass seine Kunden ihre Sachen von seiner Liegenschaft holen; da die Gegenstände in Gebäuden gelagert waren, musste er dabei bedenken, dass seine Kunden diese Gebäude, also auch den Neubau betreten werden, was er mit dem Auftrag an die Auftragnehmer ganz offensichtlich ermöglichen wollte.

1.3. Vom (in der Revision behaupteten) Fehlen der subjektiven Vorhersehbarkeit des Schadenseintritts kann daher keine Rede sein. Die durchaus in den Rahmen des Klagevorbringens fallende Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dem Werkunternehmer sei eine Schutzpflichtverletzung vorzuwerfen, stellt daher keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar.

2. Kein eigenmächtiges Betreten durch den Kläger:

2.1. Gemäß § 1022 erster Satz ABGB wird die Vollmacht – und damit nach der Systematik des ABGB auch ein allfälliges Auftragsverhältnis – „in der Regel“ ua wegen des besonderen Vertrauensverhältnisses durch den Tod des Gewaltgebers aufgehoben. Nach § 1022 zweiter Satz ABGB wird dieser Grundsatz aber in zwei Fällen durchbrochen; ua dann, wenn sich die Vollmacht selbst auf den Sterbefall des Gewaltgebers erstreckt (zweiter Fall), hat der Gewalthaber daher das Recht und die Pflicht, das Geschäft zu vollenden. Das Fortbestehen einer Vollmacht und eines Auftrags nach der zweiten Fallgruppe kann sich dabei aus der Natur des Geschäfts, aus der Absicht der Parteien und der Übung des redlichen Verkehrs ergeben (1 Ob 144/99t; RIS-Justiz RS0019921; vgl RS0019925). Da die Regeln des § 1022 ABGB dispositives Recht enthalten (RIS-Justiz RS0019941), ist es möglich, Auftrag und Vollmacht auch so zu gestalten, dass sie ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen des § 1022 ABGB über den Tod des Geschäftsherren hinaus fortdauern (3 Ob 508/91 = SZ 64/13; 1 Ob 144/99t). Bei einem solchen, über den Tod des Geschäftsherren hinaus fortgesetzten Vollmachts- und Auftragsverhältnis besorgt der Machthaber und Beauftragte vom Zeitpunkt des Todes an anstelle der Geschäfte des bisherigen Gewaltgebers jetzt die Geschäfte des an dessen Stelle getretenen Rechtsnachfolgers (1 Ob 28/02b); er handelt jetzt im Namen der Verlassenschaft und ab der Einantwortung im Namen der Erben (3 Ob 508/91).

2.2. Angesichts der festgestellten persönlichen Situation des Werkunternehmers bei Erteilung des Auftrags an den Pflegevater und dessen Adoptivtochter (Krebserkrankung offensichtlich in sehr fortgeschrittenem Stadium) und dem durch die Befolgung auch nach dem Tod des Werkunternehmers dokumentierten Verständnis dieses Auftrags durch die Auftragnehmer, ist die Beurteilung durch das Berufungsgericht, der Auftrag habe über den Tod des Werkunternehmers hinaus fortbestehen sollen, jedenfalls vertretbar. Da (entgegen der Revision) feststeht, dass die Auftragnehmer damit einverstanden waren, ist auch von deren Annahme des Auftrags auszugehen.

2.3. Inhalt des Auftrags war, jenen Kunden, die ihnen gehörende Gegenstände aus der Betriebsstätte des Werkunternehmers holen wollen, dies zu ermöglichen, diesen also den Zutritt zur Betriebsstätte zu gewähren. Eine (von der Revision bekämpfte) Übertragung einer Schutz- oder Verkehrssicherungspflicht des Werkunternehmers gegenüber seinen Kunden an die Auftragnehmer war davon nicht umfasst und wurde vom Berufungsgericht auch nicht angenommen.

2.4. Am 29. Juni 2015 (Unfalltag) handelte der Pflegevater daher auftragsgemäß im Namen des ruhenden Nachlasses nach dem Werkunternehmer. Die Verlassenschaft war (entgegen der verfehlten Rechtsansicht der Revision) weder damals noch später bis zur Einantwortung jemals durch den Gerichtskommissär vertreten (vgl dessen Befugnisse nach § 1 Abs 1 Z 1 GKG; A. Tschugguel in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG II § 1 GKG Rz 1 ff; zur Vertretung des ruhenden Nachlasses s ua RIS-Justiz RS0008114 und RS0008131). Auch dem Standpunkt der Revision, der Kläger habe den Neubau eigenmächtig und/oder rechtswidrig betreten, ist daher nicht zu folgen.

2.5. Das gilt auch für das Aufsuchen des Obergeschosses, weil (entgegen der Revision) unbekämpft feststeht, dass dem Kläger dessen Betreten nicht verboten wurde. Hätte eine gesetzmäßige Ausführung der Beweisrüge in der Berufung doch ua verlangt, dass der Rechtsmittelwerber deutlich zum Ausdruck bringt, welche konkrete Feststellung bekämpft wird (RIS-Justiz RS0041835 [T5]), was hier aber zur angesprochenen Tatsache nicht erfolgte. Die diesbezügliche Auslegung des Berufungsvorbringens durch die zweite Instanz ist jedenfalls vertretbar.

3. Passivlegitimation:

3.1. Nach § 547 ABGB (in der hier noch anzuwendenden Fassung vor dem ErbRÄG 2015, BGBl I 2015/87) stellt der Erbe, sobald er die Erbschaft angenommen hat, in Rücksicht auf dieselbe den Erblasser vor. Beide werden in Beziehung auf einen Dritten für eine Person gehalten. Vor der Annahme durch den Erben wird die Verlassenschaft so betrachtet, als wenn sie noch vom Verstorbenen besessen würde. Die überwiegende Lehre definiert den Nachlass als juristische Person (Sprohar/Heimlich in Fenyves/Kerschner/Vonkilch ABGB3 [Klang] § 547 aF Rz 3 mwN; vgl auch § 546 ABGB idF ErbRÄG 2015, BGBl I 2015/87). Demnach ist der ruhende Nachlass bis zur Einantwortung Subjekt der nicht untergegangenen Rechte und Pflichten des Erblassers; die Verlassenschaft umfasst die Summe der erblichen Vermögenswerte (5 Ob 64/17y; RIS-Justiz RS0012206 [T1 und T3]).

3.2. § 548 Satz 1 ABGB aF sieht vor, dass Verbindlichkeiten, die der Erblasser aus seinem Vermögen zu leisten gehabt hätte, auf seine Erben übergehen. Vermögensrechtliche Rechte und Pflichten sind im allgemeinen vererblich (RIS-Justiz RS0012194). Diese Regelung wird für den Bereich des Schadenersatzrechts in § 1337 ABGB ausdrücklich wiederholt. Auch Verbindlichkeiten aus Schadenersatzansprüchen sind daher vererblich, und zwar auch dann, wenn die schädigende Handlung vor dem Tod, der Erfolg aber erst nachher eingetreten ist (so bereits 9 ObA 8/15i; Danzl in KBB5 § 1337 Rz 1; Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek ABGB4 § 1337 Rz 1; Reischauer in Rummel ABGB3 § 1337 Rz 1; vgl auch 2 Ob 281/00p; 6 Ob 263/03z [bzgl solcher rechtlicher Positionen des Erblassers, aus denen Rechte und Rechtsverhältnisse künftig entstehen, untergehen oder sich ändern können]).

3.3. Der Umstand, dass der Schaden des Klägers erst nach dem Tod des Werkunternehmers eintrat, hindert daher (entgegen dem auch insoweit unhaltbaren Standpunkt der Revision) den Übergang der in der Schutzpflichtverletzung durch den Werkunternehmer begründeten Schadenersatzpflicht vom ruhenden Nachlass auf den beklagten eingeantworteten Erben nicht. Auch die Bejahung der Passivlegitimation des Beklagten erweist sich daher als nicht korrekturbedürftig.

4. Verschuldensteilung:

Soweit die Revision für eine Verschuldensteilung zu Lasten des Klägers dessen rechtswidrigen Eingriff in den Besitz des ruhenden Nachlasses ins Treffen führt, ist dies
– wie bereits dargelegt – schon vom Ansatz her unzutreffend. Mangels anderer nachvollziehbarer Argumente gelingt es dem Beklagten somit insgesamt nicht, eine unvertretbare Fehlbeurteilung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls durch das Berufungsgericht aufzuzeigen.

Textnummer

E122948

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00149.18K.0921.000

Im RIS seit

19.10.2018

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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