TE OGH 2018/9/13 12Os92/18y

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Veröffentlicht am 13.09.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. September 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ertl, LL.M., als Schriftführer in der Strafsache gegen Roman S***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Marco G***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25. Mai 2018, GZ 154 Hv 37/18t-72, sowie über dessen Beschwerde gegen den gleichzeitig gefassten Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Marco G***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche weiterer Angeklagter enthält, wurde Marco G***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I./1./B./), des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Fall SMG (I./4./), des Vergehens nach § 4 Abs 1 vierter Fall NPSG (II./2./), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (III./1./), des Vergehens nach § 12 zweiter Fall StGB, § 4 Abs 1 zweiter und dritter Fall NPSG (III./2./) sowie des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffenG (IV./) schuldig erkannt.

Danach hat er in W***** und an anderen Orten

I./ vorschriftswidrig Suchtgift

1./ von Mitte 2016 bis Jänner 2018 im Urteil namentlich genannten und unbekannt gebliebenen Abnehmern überlassen, und zwar

B./ in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Gesamtmenge von zumindest 5.065 g Speed mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 3 %, somit 151,95 g Amphetamin in Reinsubstanz, und 2.244 g Ecstasy mit einem Reinheitsgehalt von 30,2 % MDMA, somit 677 g MDMA in Reinsubstanz und 1.240 g Marihuana (mit einem Reinheitsgehalt von 0,4 % Delta-9-THC und 4,6 % THCA, somit zumindest 4,9 g Delta-9-THC und 57 g THCA in Reinsubstanz;

4./ von 2015 (US 11) bis zum 16. Jänner 2018 in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt werde, besessen, und zwar

A./ Amphetamin, nämlich 0,63 g mit einem Wirkstoffgehalt von 4,7 %, 74,97 g mit einem Wirkstoffgehalt von 10,4 %, 56,47 g mit einem Wirkstoffgehalt von 2,3 %, 6,69 g mit einem Wirkstoffgehalt von 1,6 % und 5 g mit einem Wirkstoffgehalt von 0,17 %,

B./ MDMA, nämlich 163,22 g mit einem Wirkstoffgehalt von 30,2 %, 3,96 g mit einem Wirkstoffgehalt von 82,1 %, 5,17 g mit einem Wirkstoffgehalt von 45,8 % und 11,28 g mit einem Wirkstoffgehalt von 76,7 %;

II./ mit dem Vorsatz, daraus einen Vorteil zu ziehen, eine mit Verordnung gemäß § 3 NPSG bezeichnete chemische Substanzklasse umfassende Neue Psychoaktive Substanz, nämlich Ketamin (chemische Struktur 1-Phenyl-Cyclohexanamin), mit dem Vorsatz, dass sie von einem Dritten zur Erreichung einer psychoaktiven Wirkung im menschlichen Körper angewendet wird, in mehreren Angriffen überlassen, und zwar

2./ von Mitte 2016 bis Anfang Jänner 2018 im Urteil namentlich genannten und unbekannt gebliebenen Abnehmern;

III./ im Zeitraum von  2015 bis Anfang 2018 unbekannt gebliebene Täter dazu bestimmt, nachgenannte Substanzen aus Deutschland, Holland und Belgien aus- und in das Bundesgebiet einzuführen, und zwar

1./ vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich

A./ 5.065 g Speed mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 3 %, also 151,95 g Amphetamin in Reinsubstanz,

B./ 2.448 g Ecstasy mit einem Reinheitsgehalt von 30,2 % MDMA, also 739 g MDMA in Reinsubstanz,

C./ 535 g Amphetamin mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 3 %, also 16,5 g Amphetamin in Reinsubstanz,

D./ 160 g MDMA mit 80 % Reinheitsgehalt;

2./ eine nicht mehr festzustellende Menge Ketamin (chemische Struktur 1-Phenyl-Cyclohexanamin), somit eine mit Verordnung gemäß § 3 NPSG bezeichnete chemische Substanzklasse umfassende Neue Psychoaktive Substanz, mit dem Vorsatz, daraus einen Vorteil zu ziehen und mit dem Vorsatz, dass sie von einem Dritten zur Erreichung einer psychoaktiven Wirkung im menschlichen Körper angewendet wird;

IV./ von einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt bis zum 15. Jänner 2018 eine Waffe, nämlich eine Gaspistole besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten Marco G***** aus § 281 Abs 1 Z 3 und 5 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Die Verfahrensrüge (Z 3) verkennt zunächst, dass ein durch fehlende Belehrung eines Zeugen über das ihm wegen Selbstbezichtigungsgefahr zukommende Zeugnisverweigerungsrecht begründeter Verstoß gegen § 157 Abs 1 Z 1 StPO nicht mit Nichtigkeit bedroht ist und demgemäß auch nicht Gegenstand der Rüge aus Z 2 oder Z 3 des § 281 Abs 1 StPO sein kann (vgl § 159 Abs 3 zweiter Satz StPO; RIS-Justiz RS0124907).

Im Übrigen wurde die Zeugin Julia K***** in der Hauptverhandlung über ihre Aussagebefreiung als Lebensgefährtin des Angeklagten (§ 156 Abs 1 Z 1 StPO) ohnehin belehrt.

Eine Bezugnahme auf Zeugnisverweigerungsgründe bei der Belehrung ist nach dem Wortlaut des § 159 Abs 1 StPO nicht notwendig (Kirchbacher, WK-StPO § 159 Rz 4).

Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde darauf hinweist, dass die Zeugin Julia K***** bei ihrer polizeilichen Vernehmung auch nicht über ihre Aussagebefreiung als Lebensgefährtin des Angeklagten gemäß § 156 Abs 1 Z 1 StPO belehrt wurde, ist ihr zu entgegnen, dass das darüber aufgenommene Protokoll in der Hauptverhandlung nicht verlesen wurde (vgl § 281 Abs 1 Z 2 StPO).

Indem die Verfahrensrüge (der Sache nach einen Verstoß gegen § 252 StPO geltend machend) kritisiert, dass in der Hauptverhandlung dem Angeklagten die Angaben der genannten Zeugin bei ihrer Vernehmung vor der Polizei im Ermittlungsverfahren vorgehalten wurden, übersieht sie, dass dieser „Vorhalt“ (eines Beweismittels; § 245 Abs 1 zweiter Satz StPO) im Rahmen der Vernehmung des Angeklagten über den Inhalt der Anklage – anders als dessen Vorführung im Rahmen des Beweisverfahrens (§ 246 Abs 1 StPO) – keine Verlesung im Sinn des § 252 StPO darstellt und daher nicht den damit verbundenen Beschränkungen unterliegt (RIS-Justiz RS0117390, RS0113446; Kirchbacher, WK-StPO § 245 Rz 64 ff).

Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) behauptet betreffend die erstgerichtlichen Feststellungen zu den Mengen des in Verkehr gesetzten Suchtgifts eine Unvollständigkeit der Beweiswürdigung und bringt vor, das Schöffengericht hätte einen Bericht der Landespolizeidirektion Wien betreffend die Analyse des Laptops und des Mobiltelefons des Rechtsmittelwerbers zu dessen Bestellungen im Darknet (ON 41) nicht berücksichtigt. Entgegen dem Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde ergibt sich jedoch aus dem zitierten Polizeibericht, welcher sich im Übrigen bloß auf den Laptop des Angeklagten bezieht und anführt, dass eine Auswertung des sichergestellten Handys folge (ON 41 S 1), keineswegs, dass der Angeklagte über die dort festgehaltenen Mengen hinaus kein Suchtgift in Verkehr gesetzt hätte. Demnach war er – unter Berücksichtigung der den Nichtigkeitswerber betreffend die in Verkehr gesetzten Mengen belastenden Angaben der weiteren Angeklagten und der Zeugen David R***** und Reinhard N***** (US 14) – nicht gesondert erörterungsbedürftig.

Entgegen dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) hat das Schöffengericht die Angaben der beiden weiteren Angeklagten sowie des Zeugen David R***** zu den Mengen des durch den Nichtigkeitswerber in Verkehr gesetzten Suchtgifts berücksichtigt (US 16 ff). Dabei waren die Tatrichter – dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend – nicht verhalten, im Urteil den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen im Einzelnen zu erörtern und darauf zu untersuchen, wie weit sie für oder gegen diese Feststellung sprechen (RIS-Justiz RS0098377 [T17]). Dass das Erstgericht Aussagen von Mitangeklagten oder Zeugen im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 letzter Fall StPO falsch zitiert hätte, wird vom Nichtigkeitswerber im Übrigen nicht behauptet.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizit erhobene) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E122702

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00092.18Y.0913.000

Im RIS seit

02.10.2018

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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