TE OGH 2018/6/11 4Ob105/18x

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Veröffentlicht am 11.06.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** D*****, vertreten durch Dr. Dieter Brandstätter, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei J***** B*****, vertreten durch Dr. Lucas Lorenz und Mag. Sebastian Strobl, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 7.200 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 22. Februar 2018, GZ 4 R 18/18b-60, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 17. November 2017, GZ 13 C 423/15k-54, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Am 9. 5. 2015 kaufte der Kläger vom Beklagten ein KTM-Quad zu einem Kaufpreis von 7.200 EUR; der Kilometerstand wurde mit 2.085 km angegeben. Im Kaufvertrag wurde das Fahrzeug als nicht verkehrs- und betriebssicher bezeichnet; der Beklagte verwies dazu auf das fehlende „Pickerl“. Zudem wurde im Kaufvertrag die Gewährleistung ausgeschlossen.

Bereits bei der Probefahrt gab es Probleme, weil der Motor „abstarb“. Der Beklagte verwies auf Startprobleme und Probleme mit der Zündspule, die behoben worden seien; dazu legte er dem Kläger Rechnungen vor; sonst sprach er von einem einwandfreien Zustand.

Im Zeitpunkt der Übergabe war die Verkehrs- und Betriebssicherheit des Fahrzeugs nicht gegeben. Zufolge Abnützung lag ein erhöhtes Spiel am Hinterachsen-Exzenter vor. Bei Kenntnis dieses Mangels hätte der Kläger das Fahrzeug um denselben Preis gekauft. Ob der Mangel, dass der Motor nicht mehr gestartet werden konnte, bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorlag, ist nicht feststellbar. Für die Herstellung der Verkehrs- und Betriebssicherheit waren Kosten in Höhe von 342 EUR brutto erforderlich gewesen; den Mangel am Starter hat der Sachverständige im Rahmen der Begutachtung behoben.

Mit Schreiben vom 10. Juni 2015 begehrte der Kläger die Aufhebung des Kaufvertrags und die Rückzahlung des Kaufpreises.

Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger die Rückzahlung des Kaufpreises, hilfsweise Zug um Zug gegen die Rückstellung des Fahrzeugs. Der Beklagte habe zugesichert, dass das Fahrzeug verkehrs- und betriebssicher sei und bei größeren Schäden zurückgenommen werde. Tatsächlich sei das Fahrzeug nicht fahrbereit gewesen. Das Klagebegehren werde auf jedweden Rechtsgrund gestützt. Jedenfalls liege ein gemeinsamer Irrtum über einen wesentlichen Umstand, nämlich die Mängelfreiheit bzw die Verkehrs- und Betriebssicherheit vor. Im dritten Rechtsgang brachte der Kläger noch vor, dass er bei Kenntnis des verschwiegenen Mangels am Hinterachsen-Exzenter sowie am Starter das Fahrzeug nicht gekauft hätte.

Der Beklagte entgegnete, dass die Gewährleistung für das Fahrzeug ausgeschlossen worden sei. Er habe dem Kläger nicht zugesichert, das Fahrzeug bei größeren Schäden zurückzunehmen; auch die Verkehrs- und Betriebssicherheit habe er nicht bestätigt. Das Fahrzeug sei im vereinbarten Zustand übergeben worden.

Das Verfahren befindet sich im dritten Rechtsgang. Im ersten Rechtsgang bejahte der Oberste Gerichtshof in seinem Aufhebungsbeschluss zu 4 Ob 29/17v das Vorliegen eines gemeinsamen Irrtums und trug dem Erstgericht ergänzende Feststellungen zu dessen Wesentlichkeit auf. Im zweiten Rechtsgang beurteilte das Berufungsgericht die dazu ergänzten Feststellungen des Erstgerichts als widersprüchlich.

Im dritten Rechtsgang wies das Erstgericht die Klage ab. Der gemeinsame Irrtum sei nicht wesentlich gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Kläger habe den Irrtumseinwand in der Berufung nicht mehr aufrecht erhalten. Durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im ersten Rechtsgang seien die Streitpunkte auf jenen des gemeinsamen Irrtums beschränkt worden. Davon abgesehen lasse sich den Feststellungen keine Zusicherung der Mängelfreiheit durch den Beklagten entnehmen. Der Verzicht auf Gewährleistungsansprüche sei auch wegen verborgener Mängel zulässig, wenn es sich nicht um arglistig verschwiegene Mängel oder um das Fehlen zugesicherter Eigenschaften handle; den Feststellungen lasse sich weder Arglist noch eine Zusicherung entnehmen. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil keine erhebliche Rechtsfrage vorliege.

Über Antrag des Klägers nach § 508 ZPO sprach das Berufungsgericht nachträglich aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil sich das Berufungsgericht die Beantwortung der Frage nicht anmaße, ob der Oberste Gerichtshof im ersten Rechtsgang sämtliche vom Kläger geltend gemachten Rechtsgründe inhaltlich geprüft und – mit Ausnahme des gemeinsamen Irrtums – abschließend erledigt habe.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.

Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, die Revision zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen.

Dies ist hier der Fall.

2. Vorweg ist festzuhalten, dass sich der Kläger im dritten Rechtsgang noch auf Gewährleistung stützt; die Irrtumsproblematik spielt keine Rolle mehr. Zur Geltendmachung der Gewährleistungsansprüche hat der Kläger ein Wandlungsbegehren erhoben, auf das er im Verfahren bestanden hat. Offenbar wegen Unerheblichkeit des Spiels am Hinterachsen-Exzenter für den Vertragsabschluss stützt er sich in der Revision noch auf den – zwischenzeitlich durch den Sachverständigen behobenen – Defekt am Starter.

Dazu steht der Kläger auf dem Standpunkt, dass der Oberste Gerichtshof im ersten Rechtsgang die Gewährleistungsproblematik nicht behandelt habe und daher kein erledigter Streitpunkt vorliege. Da der Defekt des Starters zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung vorhanden gewesen sei, hätte der Wandlungsklage stattgegeben werden müssen. Der Beklagte habe trotz Gewährleistungsverzichts für die mangelnde Fahrbereitschaft Gewähr zu leisten, weil die Fahrtüchtigkeit zumindest als schlüssig zugesichert gelte; außerdem habe der Beklagte arglistig gehandelt.

3. Der Frage nach dem Vorliegen erledigter Streitpunkte im Anschluss an die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im ersten Rechtsgang kommt keine Bedeutung zu, weil auch zu der hier noch geltend gemachten Anspruchsgrundlage keine erhebliche Rechtsfrage besteht. Es ist aber nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs, über bloß theoretisch bedeutsame Fragen abzusprechen (vgl RIS-Justiz RS0002495; 8 Ob 68/17h). Aus diesem Grund bleibt auch der im gegebenen Zusammenhang geltend gemachte Verfahrensmangel ohne Bedeutung.

4.1 Ein umfassend vereinbarter Gewährleistungsausschluss erstreckt sich grundsätzlich auch auf geheime Mängel und solche, die normalerweise vorausgesetzte Eigenschaften betreffen (RIS-Justiz RS0018564). Allerdings sind Verzichtserklärungen im Zweifel restriktiv auszulegen (RIS-Justiz RS0018561). In diesem Sinn erstreckt sich ein vertraglicher Gewährleistungsverzicht nicht auf arglistig verschwiegene Mängel und auch nicht auf das Fehlen zugesicherter Eigenschaften (RIS-Justiz RS0018523). Dies gilt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch bei schlüssiger Zusage (RIS-Justiz RS0018561 [T2]; 8 Ob 7/10b).

4.2 Nach den Feststellungen sicherte der Beklagte dem Kläger die Verkehrs- und Betriebssicherheit nicht ausdrücklich zu.

Ob eine Eigenschaft als schlüssig zugesichert anzusehen ist, hängt von den berechtigten Erwartungen des Erklärungsempfängers ab, die an den Vertragserklärungen und an der Verkehrsauffassung zu messen sind. Die Vertragswidrigkeit eines Leistungsgegenstands ist dabei nicht abstrakt, sondern immer aufgrund des konkreten Veräußerungsvertrags zu beurteilen. Grundsätzlich muss der Kaufgegenstand auch der Natur des Geschäfts oder der geschlossenen Verabredung entsprechend benützt und verwendet werden können. Die Vertragsparteien können eine Sache, die objektiv gesehen mangelhaft ist, aber durchaus als vertragsgemäß ansehen (9 Ob 50/10h).

Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung beim Gebrauchtwagenkauf die Fahrbereitschaft grundsätzlich als schlüssig zugesichert gilt (RIS-Justiz RS0018502; RS0110191). Diese Rechtsprechung bezieht sich allerdings auf gewerbliche Kraftfahrzeughändler, was für den Beklagten nicht gilt. Außerdem wurde das Fahrzeug im Kaufvertrag als nicht verkehrs- und betriebssicher bezeichnet; auf die Startprobleme wurde der Kläger bereits bei der Probefahrt hingewiesen.

4.3 Davon ausgehend hält sich die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Fahrbereitschaft des Fahrzeugs nicht zugesichert worden sei, im Rahmen der Rechtsprechung. Das Gleiche gilt für die Schlussfolgerung, dass dem Beklagten kein arglistiges Verhalten angelastet werden könne. Nach den Feststellungen ging er davon aus, dass das Fahrzeug keine schweren Mängel aufweise und verkehrs- und betriebssicher sei; auf die Startprobleme hat er auch hingewiesen.

5. Insgesamt gelingt es dem Kläger mit seinen Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Revision war daher zurückzuweisen. Den weiteren darin angestellten Überlegungen kommt ebensowenig Bedeutung wie dem Umstand zu, dass bei geringfügigen Mängeln die Wandlung ausgeschlossen ist (RIS-Justiz RS0119978).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E122086

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00105.18X.0611.000

Im RIS seit

19.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

10.10.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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