TE OGH 2018/3/28 6Ob229/17w

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Veröffentlicht am 28.03.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden und den Senatspräsidenten Dr. Schramm, die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1. E*****, 2. A*****, beide vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, gegen den Antragsgegner Dr. D*****, vertreten durch Mag. Christoph Stöhr, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen 3.000 EUR, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 11. September 2017, GZ 3 R 98/17b-30, womit infolge des Rekurses der Antragsteller der Beschluss des Landesgerichts Wels vom 31. Mai 2017, GZ 1 Nc 10/16f-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat seine Kosten des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist – entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts, der den Obersten Gerichtshof nicht bindet (§ 71 Abs 1 AußStrG) – nicht zulässig.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil zur Frage der Konkretisierung des Wildschadens an Waldgebieten in dem an den Jagdausübungsberechtigten gerichteten Anspruchsschreiben Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

1. Die gerügte Aktenwidrigkeit und die gerügten Verfahrensmängel hat der Oberste Gerichtshof geprüft. Sie liegen nicht vor. Das Rekursgericht hat auf S 11 oben seiner Entscheidung Feststellungen des Erstgerichts übernommen (vgl RIS-Justiz RS0043240). Ob noch weitere Fragen an den Sachverständigen zu stellen gewesen wären, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen kann (RIS-Justiz RS0043163). Die Frage, wer für die Errichtung von Kontrollzäunen zuständig ist, ist eine Rechtsfrage, sodass das Rekursgericht zutreffend den in diesem Zusammenhang geltend gemachten Verfahrensmangel verneint hat.

2. Nach § 69 Oö JagdG ist der Anspruch beim Jagdausübungsberechtigten oder dessen Bevollmächtigten geltend zu machen, wobei es genügt, wenn der geschädigte dem Ersatzpflichtigen den Schaden meldet und diesen soweit konkretisiert, als es zur Festlegung des Gegenstands eines (mangels gütlicher Einigung) nachfolgenden Verfahrens erforderlich ist; der Schaden muss dem Jagdausübungsberechtigten nicht ziffernmäßig bekannt gegeben werden (6 Ob 138/15k; 8 Ob 82/15i; vgl RIS-Justiz RS0127754). Auch vor der Jagd- und Wildschadenskommission kann der Antrag darauf gerichtet sein, den Ersatz des entstandenen Schadens zu begehren und die Feststellung der Höhe der Entscheidung der Kommission zu überlassen (RIS-Justiz RS0127754 [T4]).

3. Welche Angaben des Anspruchstellers zur Festlegung des Verfahrensgegenstands erforderlich sind, hängt ganz von den Umständen des Einzelfalls ab, sodass diese Frage regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG bildet, es sei denn, dass dem Gericht zweiter Instanz eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.

4.1. Der Revisionsrekurswerber beruft sich auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 2 Ob 38/13x. In diesem Fall genügte die Angabe des Antragstellers im Anspruchsschreiben an die Jagdgesellschaft, dass „auf meinen Sojafeldern in Ihrem Genossenschaftsjagdgebiet bereits massive Wildschäden vorzufinden sind. ...“

4.2. Das Rekursgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass sich der vorliegende Sachverhalt von jenem der Entscheidung 2 Ob 38/13x zugrundeliegenden dadurch unterscheidet, dass dort eine einjährige Sojamonokultur von Wildschäden betroffen war, was eine Zuordnung des Schadens möglich machte.

4.3. Im zu entscheidenden Fall verlangten hingegen die Antragsteller mit Schreiben vom 31. 3. 2016 vom Antragsgegner unter dem Betreff „Wildschäden auf Grundstücken der EZ [Liegenschaft der Antragsteller]“ „Wildschadenersatz über 3.000 EUR“ und mit Schreiben vom 13. 4. 2016 an die zuständige Wildschadenskommission unter demselben Betreff „auch heuer Wildschadensersatz beim [Antragsgegner]“.

Die Liegenschaft der Antragsteller hat eine Gesamtfläche von 308.157 m² und umfasst neben anderen Waldgrundstücken die Grundstücke 2617/1 Wald (233.189 m2) und 2619/1 Wald (63.838 m2). Das Erstgericht stellte fest, dass die Hauptbaumarten Rotbuche, Bergahorn und Fichte und als Mischbaumarten Tanne und Esche vorhanden sind. Die Umtriebszeit beträgt 100 Jahre. Die Altersklassen betragen 40 bis 80 Jahre. Es handelt sich um unterschiedlich geformtes, teilweise unwegsames Gelände, das mit unterschiedlichen Baumarten (Umtriebszeit 100 Jahre) bepflanzt ist.

5. Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass die Angaben der Antragsteller im Anspruchsschreiben und im Antrag an die Wildschadenskommission mangels ausreichender Bezeichnung des Schadensorts und Angabe der vom behaupteten Wildschaden betroffenen Kulturen nicht zur Konkretisierung des Verfahrensgegenstands genügen, scheint vertretbar, ist aber nicht streitentscheidend.

6.1. Nach § 68 Abs 5 Oö JagdG sind Wildschäden im Wald (an Stämmen, Pflanzungen, natürlichen Verjüngungen, Vorkulturen usw) nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen zu bewerten (s dazu 1 Ob 507/96). Hiebei ist zwischen Verbiss-, Fege- und Schälschäden zu unterscheiden und zu berücksichtigen, ob nur Einzelstammschädigung oder bereits Bestandesschädigung oder betriebswirtschaftliche Schädigung eingetreten sind. Die Landesregierung kann nähere Richtlinien für die Feststellungs- und Berechnungsmethoden erlassen.

6.2. Aufgrund dieser gesetzlichen Ermächtigung hat das Amt der Oö Landesregierung die am 1. 11. 2012 in Kraft getretene Richtlinie zur Bewertung von Verbiss- und Fegeschäden für pauschalierte Betriebe herausgegeben. Die Richtlinie sieht vor, dass die Verhinderung der Naturverjüngung durch Anlegen eines Kontrollzauns in einem verjüngungsnotwendigen Bestand nachzuweisen ist.

6.3. Dem von ihm eingeholten Gutachten folgend traf das Erstgericht die vom Rekursgericht übernommenen Feststellungen, dass a) eine Verhinderung der Naturverjüngung (Totalschaden einjähriger Pflanzen; ein Drittel der Normalpflanzenanzahl) auf den Grundstücken der Antragsteller nicht festgestellt werden kann, b)  für den Schutzwaldbereich ein Wildschaden gemäß der Richtlinie 2012 nicht festgestellt werden kann und c) auf den Wirtschaftswaldflächen keine Wildschäden gemäß der Richtlinie 2012 vorlagen.

6.4. Die Anfechtung der Ergebnisse von Sachverständigengutachten mit Revisionsrekurs ist nur insoweit möglich, als dabei ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze oder zwingende Gesetze des sprachlichen Ausdrucks unterlaufen ist (RIS-Justiz RS0043404). Der Umstand, welche wissenschaftliche Untersuchungsmethode der Sachverständige seinem Gutachten zugrunde legt, betrifft nur die Begründung des Gutachtens und ist daher mit Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof nicht bekämpfbar (RIS-Justiz RS0043163 [T5]). Werden Feststellungen aufgrund eines Sachverständigengutachtens getroffen, kann der Oberste Gerichtshof die generelle Eignung der gewählten Methode überprüfen, nicht aber das Ergebnis der Anwendung einer an sich geeigneten Methode (RIS-Justiz RS0127336).

6.5. Die Revisionswerber meinen, nach der Richtlinie 2012 seien unter Normalpflanzenanzahl unverbissener Mischbaumarten richtigerweise nur unverbissene Jungpflanzen, unbeeinflusste Pflanzen und unbeeinträchtigte Pflanzen mit einem Schädigungsgrad von 0 zu verstehen.

6.6. Diese Auffassung findet im Wortlaut der Richtlinie keine Deckung. Der Sachverständige führt auf S 10 seines Gutachtens zur „Qualifikation als unverbissene Pflanze“ unter Zitierung von Fachliteratur aus: „Die Schadensbewertung bezieht sich auf ein konkretes Jagdjahr. Somit ist die Entwicklung der Pflanzen in diesem Zeitraum maßgeblich. Konkret gibt somit die Richtlinie vor, dass ehemals verbissene (und entschädigte) Pflanzen dann als Normalpflanzen zu werten sind, wenn im verfahrensgegenständlichen Jagdjahr kein Verbiss des Leittriebs gegeben ist. Bewertungstechnisch erklärt sich dies aus der bereits erfolgten Entschädigung dieser 'Vorschäden' und der gebotenen Vermeidung einer Doppelbewertung“. In der mündlichen Gutachtenserörterung gab der Sachverständige an, ungeachtet der Vorgaben der Richtlinie wäre aus fachlicher Sicht eine Bewertung von Vorschäden aus den Vorjahren, die bereits entschädigungstechnisch abgegolten wurden, eine Doppelbewertung; der Schädigungsgrad 0 beziehe sich auf das konkrete Bewertungsjahr.

Diese Auslegung widerspricht nicht zwingenden Denkgesetzen und ist nachvollziehbar.

6.7. Was den Nachweis des Schadens „Verhinderung der Naturverjüngung“ betrifft, so schreibt die Richtlinie klar und eindeutig den Nachweis durch Anlegung eines Kontrollzauns in einem verjüngungsnotwendigen Bestand vor. Die Rechtsmittelwerber meinen, diese Vorgabe der Richtlinie stelle keine Beweislastregel dar, die einen Antragsteller daran hindere, anderweitig einen durch Verhinderung der Naturverjüngung bedingten Wildschaden nachzuweisen.

Der Sachverständige führte aus, dass ohne Kontrollzäune eine richtlinienkonforme Bewertung der Verhinderung der Naturverjüngung nicht möglich sei.

Der Ansicht der Rechtsmittelwerber ist zu erwidern, dass § 68 Abs 5 Oö JagdG die Landesregierung ausdrücklich auch ermächtigt, nähere Richtlinien für die Feststellungsmethoden zu erlassen. Davon hat die Landesregierung Gebrauch gemacht.

6.8. Die Revisionsrekurswerber meinen ferner, dass der Jagdausübungsberechtigte für das Anbringen der Kontrollzäune verantwortlich sei, liege doch deren Zweck darin, das Aufkommen der Naturverjüngung schlicht zu überprüfen. Sie übersehen, dass der Geschädigte nach allgemeinen Regeln den Schaden nachzuweisen hat, wozu die Richtlinie den Nachweis der Verhinderung der Naturverjüngung durch Anlegen eines Kontrollzauns fordert.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 3 Oö JagdG.

Textnummer

E121470

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00229.17W.0328.000

Im RIS seit

25.05.2018

Zuletzt aktualisiert am

19.10.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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