TE OGH 2018/3/21 1Ob24/18p

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Veröffentlicht am 21.03.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Josef-Michael Danler, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Dott. P***** B*****, Italien, als Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der D***** S.R.L., Konkurs Nr ***** des Tribunale ordinario Treviso, vertreten durch Mag. Martin Corazza, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. November 2017, GZ 1 R 208/17w-19, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 19. Juli 2017, GZ 17 C 351/16b-15, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.423,70 EUR (darin enthalten 403,95 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Verfahrens ist die (außerordentliche) Kündigung des zwischen der italienischen Schuldnerin, über die mit Beschluss des Tribunale ordinario (Landesgerichts) Treviso vom 16. 3. 2016 in Italien ein Konkursverfahren eröffnet, für das der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt wurde, und der österreichischen Klägerin als Bestandnehmerin abgeschlossenen Bestandvertrags. Die Parteien vereinbarten die Anwendung österreichischen Rechts.

Die Schuldnerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft in Tirol, auf der sich zwei Hotelkomplexe – und im Untergeschoss des einen Hotels ein Handelsbetrieb mit eigenem Eingang – befinden. Die Gebäude bestehen aus Kellergeschoss, Erdgeschoss, drei Obergeschossen und Dachgeschoss und haben inklusive des Kellergeschosses eine Gesamtnutzfläche von ca 2.050 m² und eine Baumasse von ca 7.350 m³. Seit jeher wurde die Liegenschaft zur Führung zweier Hotelbetriebe mit den Bezeichnungen „Hotel T*****“ und „Hotel A*****“ genutzt und verwendet, dies auch unmittelbar vor Inbestandnahme durch die Klägerin.

Die Schuldnerin, deren Geschäftszweig die Führung und Verpachtung von Hotels und Hotelbetrieben bzw die Vermietung von eigenen Geschäftszweigen umfasste, und die Klägerin als Bestandnehmerin schlossen am 30. 6. 2014 einen schriftlichen Bestandvertrag, worin sie einleitend festhielten, dass die Schuldnerin Eigentümerin der Liegenschaft samt Einrichtungen sei; ebenso dass die Immobilien mit diversen Einrichtungen ausgestattet seien, wie verschiedene Anlagen, Verzierungen (Ornamente), Böden, Einrichtungsgegenstände sowie Zubehör. Dabei verwiesen sie weiter auf die für die Ausübung der Beherbergungstätigkeit erforderlichen „Verwaltungsermächtigungen“ und hielten fest, dass die Verpachtung der gesamten Unternehmensobjekte unter den nachfolgenden Detailvereinbarungen und Bedingungen erfolgt.

Gegenstand des Bestandvertrags bilden die beiden Hotelbetriebe sowie weiters der im Untergeschoss des einen Hauses liegende Handelsbetrieb. Die „Verwaltungsermächtigungen“, die für die Beherbergungstätigkeit als Ganzes erforderlich sind, seien Vertragsgegenstände, weiters die gesamten Einrichtungen und Ausstattungen sowie die vorhandenen Anlagen und Inventargegenstände. Nach den Vertragsbedingungen darf keinerlei den „Verwaltungsermächtigungen“ widersprechende geschäftliche Tätigkeit ausgeübt werden und es bildet die Nichtbeachtung dieser Verpflichtung durch den Pächter einen schwerwiegenden Verstoß, der zur sofortigen Vertragsauflösung führt. Zu der notwendigen behördlichen Bewilligung führten die Parteien spezifizierend aus, dass dem Verpächter die ausschließliche Pflicht obliege, dem Pächter die Einsetzung in die Hoteltätigkeit zu ermöglichen, sollten jedoch zusätzliche Genehmigungen für den erforderlichen Vertragszweck notwendig werden, treffe die diesbezügliche Pflicht den Pächter. Das Vertragsverhältnis begann mit 1. 11. 2014 und wurde ursprünglich auf die Dauer eines Jahres abgeschlossen. Zum Zeitpunkt der Unterfertigung des Bestandvertrags bestätigten die Parteien, dass der dem Vertrag zugrundeliegende Unternehmenszweig damals (und zwar bis 30. 9. 2014) an einen anderen Betreiber verpachtet war. „Spezifizierend“ hielten sie noch fest, dass die Geschäftsbetriebe in dem faktischen und rechtlichen Zustand in Bestand gegeben werden, „wie sie liegen und stehen, frei von jeglichen aktiven und passiven Verbindlichkeiten, einschließlich jener gegenüber Angestellten bzw Verbindlichkeiten aus Steuern und Beiträgen, ausgenommen jedoch solche, die nach der Geltung des gegenständlichen Vertrags entstehen“. In der allgemeinen Beschreibung des Bestandobjekts heißt es, dass die Räumlichkeiten im Dachgeschoss mit selbständiger Einheit an der Rückseite des einen Hotels (derzeit in Umbauphase als Kleinappartement) vom Pachtverhältnis ausgenommen blieben.

Die Vertragsteile legten dem Bestandvertrag noch folgende wesentliche Bedingungen zugrunde:

Artikel 5. Rückgabe des Unternehmenszweiges und Vertragsstrafe für die fehlende Überlassung.

Zum Zeitpunkt der Beendigung – wie auch immer diese eingetreten ist – des vorliegenden Vertrages verpflichtet sich der Pächter die Räumlichkeiten, Ausstattungen und Anlagen in gutem Gebrauchszustand, abgesehen von der normalen Abnützung, zurückzugeben und den Betrag für die in seine Zuständigkeit fallenden Reparaturen zu bezahlen. …

Artikel 6. Pachtzins und Bezahlung.

6.1. Der Pachtzins des gegenständlichen Unternehmenszweiges für das erste Jahr wird mit € 120.000 festgelegt, zuzüglich zu den gesetzlichen Steuern.

6.2. Besagter Pachtzins ist in vorgezogenen monatlichen Raten von € 10.000 (…) festgelegt, zuzüglich zu den gesetzlichen Steuern, zu zahlen und zwar jede mit Beginn ab Unterzeichnung des vorliegenden Vertrages.

Obwohl der Pachtvertrag des Unternehmenszweiges mit dem 1. November 2014 beginnt, verstehen sich sämtliche vor diesem Datum erfolgte Zahlungen als Anzahlungen auf den Pachtzins für das vereinbarte Vertragsjahr in Höhe von € 120.000 (...), zuzüglich der gesetzlichen Steuern.

...

Artikel 8. Betriebsvermögen.

Die Parteien erklären übereinstimmend, dass der Unternehmenszweig aus sämtlichen Elementen besteht, die das Betriebsvermögen bilden, und zwar aus den Räumlichkeiten, in denen die Tätigkeit ausgeübt wird, aus den Verzierungen/Ornamenten und aus den Ausstattungen, die im Güterinventar, welches von den Parteien in einer gesonderten Urkunde unterzeichnet worden ist, aufgelistet sind. …

Artikel 9. Führung des Unternehmenszweiges. Der Pächter verpflichtet sich, den Unternehmenszweig ohne Änderung der aktuellen Bestimmung und unter Beibehaltung der Effizienz der Organisation und der Ausstattungen zu führen …

Artikel 10. Zustimmung des Verpächters für Änderungen, Verbesserungen oder Umwandlungen der Güter.

Dem Pächter ist es untersagt, Änderungen, Verbesserungen oder Umwandlungen der verpachteten Güter ohne schriftlichem Einverständnis des Verpächters durchzuführen, der bei einem Verstoß den ursprünglichen Zustand auf Kosten des Pächters verlangen oder die neuen Güter ohne Entschädigungszahlung einbehalten kann. …

Artikel 13. Instandhaltung.

13.1. Der Pächter hat die Anlagen und die Ausstattungen in einem guten Zustand zu erhalten, die Teil des verpachteten Unternehmenszweiges bilden.

Die ordentliche Instandhaltung der verpachteten Räumlichkeiten und der Anlagen gehen ausschließlich zu Lasten des Pächters, während dem Verpächter die außerordentliche Instandhaltung obliegt.

Hingegen gehen zu Lasten des Pächters sowohl die ordentliche als auch die außerordentliche Instandhaltung aller Werke und sämtliche Anlagen, die in seinem ausschließlichen Eigentum stehen und die möglicherweise in das Innere der Räumlichkeiten eingebracht wurden.

Artikel 16. Forderungen und Verbindlichkeiten den Unternehmenszweig betreffend.

Alle Forderungen und Verbindlichkeiten den gegenständlichen Unternehmenszweig und Beziehungen betreffend, die vor der Wirkung des Pachtvertrages entstanden sind, stehen weiterhin dem Verpächter zu und gehen ausschließlich zu seinen Lasten.

Der Pächter erklärt ausdrücklich, den Verpächter von jeglichen möglichen Schulden infolge der Führung des gegenständlichen Unternehmenszweiges freizustellen, sowie für Kosten und/oder Lasten/Pflichten bezüglich des angestellten oder abhängigen Personals, und somit geht jedes Schuld- oder Forderungsrecht, das vom Pächter als Folge und im Zusammenhang mit der Hoteltätigkeit übernommen wurde, vollständig zu seinen Lasten und/oder Gunsten.

...

Artikel 18. Ausdrückliche Aufhebungsklausel.

18.1. Dem Verpächter bleibt das Recht vorbehalten, den vorliegenden Pachtvertrag des Unternehmenszweiges als aufgelöst zu erklären für den Fall, dass sich der Pächter – de facto oder schuldhaft – mindestens einer der folgenden Vertragsverletzung schuldig gemacht hat:

veränderte Zweckbestimmung des gegenständlichen Unternehmenszweiges;

- Nichtbezahlung, auch teilweise, egal welcher Nebenverpflichtungen (einschließlich Gebühren und Steuern) innerhalb der Vertragsfristen und/oder der gesetzlichen Fristen;

Beim Eintreten von einem der oben erwähnten Fälle steht es dem Verpächter zu – nach eigenem uneingeschränkten Ermessen – den Pachtvertrag für aufgelöst zu erklären mit oder ohne vorhergehender Säumnisstellung des Pächters. In jedem Fall hat die Erklärung der Auflösung seitens des Verpächters (ab dem Zeitpunkt des Erhalts der entsprechenden Mitteilung seitens des Pächters) die sofortige Wirkung einer Vertragsaufhebung, ohne dass es notwendig wird, irgendwelche gerichtlichen Schritte einzuleiten.

Artikel 19. Zuständigkeit – Gerichtsstand – Streitigkeiten.

19.1. Der vorliegende Vertrag wird nach österreichischem Recht geregelt.

Artikel 20. Übergabe.

Die Parteien bestätigen, dass die Immobilieneinheiten als Teil des gegenständlichen Unternehmenszweiges formell per 15-10-2014 dem Pächter übergeben werden.

Mit schriftlicher Ergänzung vom 20. 10. 2014 wurde für die Hotelbetriebe zuzüglich Zubehör die (ursprünglich einjährige) Vertragsdauer dahin geändert, dass der Endzeitpunkt mit 31. 10. 2019 festgelegt wurde. Weiters erfolgte eine Änderung bezüglich Pachtzins und Bezahlung wie folgt:

6.3 Ab dem zweiten Pachtjahr und für die folgenden vertraglichen Pachtjahre wird der vom Pächter geschuldete Pachtzins wie folgt bestimmt:

6.3.1.  Ein fixer Betrag in Höhe von € 120.000 [...] [mindestgarantierter Pachtzins] zzgl. den gesetzlichen Steuern auf Jahresbasis. Der besagte mindestgarantierte Pachtzins wird jeweils in vorgezogenen monatlichen Raten zu € 10.000 (...) zzgl. den gesetzlichen Steuern, zahlbar bis zum 05. eines jeden Monats mit Beginn 01. 11. 2015 bezahlt;

6.3.2. ein variabler Betrag, bestehend aus dem positiven Differenzbetrag, welcher sich aus dem mindestgarantierten Pachtzins und folgenden (zu addierenden) Errechnungsbestandteilen ergibt: 18 % (...) des Umsatzes, ohne gesetzliche Steuern (Aufenthaltsabgabe bzw Kurtaxe und USt), der vom Pächter durch die reine Vermietung der Hotelzimmer erwirtschaftet wird, zzgl. 3 % (…) des Umsatzes, ohne gesetzliche Steuer (USt), der vom Pächter aus den anderen Dienstleistungen innerhalb des Hotelbetriebes (wie zum Beispiel Restaurantbetrieb [inkl des Anteils für Frühstück und/oder Halbpension für die mit dieser Verpflegungsart verkauften Zimmer], Bar, Wellness-Bereich etc.) erwirtschaftet wird. Die Berechnung des variablen Betrages wird in halbjährlichen Teilbeträgen berechnet; der erste am 30. April und der zweite am 31. Oktober eines jeden Jahres. Die Zahlung des zu zahlenden Betrages zzgl. der gesetzlichen Steuern, wenn diese vorgeschrieben sind, muss innerhalb der nachfolgenden 30 Tage erfolgen;

6.3.3. Dem Verpächter oder einer von ihm beauftragten Person, wird die Möglichkeit erteilt, Einsicht in die Buchhaltung des Pächters zwecks Kenntnisnahme über die Entwicklung der Umsätze zu ermöglichen. Die Einsicht wird jederzeit erfolgen können, dies aber nach vorheriger angemessener Bekanntgabe.

In der Ergänzung hielten die Parteien fest, dass sämtliche sonstige Bedingungen des Pachtvertrags vom (richtig:) 30. 6. 2014 ihre volle Gültigkeit behielten.

Die Klägerin führte die Hotelbetriebe ab Übergabe weiter. Ob zu Beginn dieses Bestandverhältnisses bestehende Arbeits- und Angestelltenverhältnisse mitübernommen wurden, ist „nicht erweislich“.

Ab November 2014 bis einschließlich Mai 2017 zahlte die Klägerin den fixen monatlichen Bestandzins von (netto) 10.000 EUR nicht mehr. Insgesamt ergeben sich offene fixe Bestandzinse von brutto 420.000 EUR. Die Klägerin hatte die Hotelbetriebe entsprechend dem vereinbarten Vertragszweck am Standort geführt und während der Nutzungszeit umfangreiche Investitionen getätigt. Sie rechtfertigt ihre Minderzahlungen an Bestandzins und Betriebskosten mit umfangreich bestehenden Minderungsansprüchen und mit vorausgelegten notwendigen Instandhaltungsaufwendungen. Ob sie zu letzteren außerhalb des gegenständlichen Verfahrens konkrete Aufrechnungen erklärte, kann nicht festgestellt werden.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Feststellung, dass das Bestandverhältnis sowohl unabhängig von der Konkurseröffnung über die Bestandgeberin und dem vom Beklagten darauf erklärten Rücktritt laut Schreiben vom 2. 5. 2016 als auch unabhängig von dessen im Schriftsatz vom 13. 12. 2016 wegen behaupteten Pachtzinsrückstands und Nichterlags der Kaution erklärten Aufhebung des Bestandvertrags weiterhin rechtswirksam bestehe. Der vom beklagten Insolvenzverwalter der Bestandgeberin gemäß Art 79 des italienischen Konkursgesetzes ausgesprochene Rücktritt vom befristet abgeschlossenen Bestandvertrag sei wegen der Ausnahmebestimmung des Art 8 der Verordnung (EG) Nr 1346/2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO) rechtsirrig erfolgt und unwirksam. Nach dieser Bestimmung sei für dessen Wirkungen auf einen bestehenden Vertrag ausschließlich das Recht des Mitgliedstaats maßgebend, in dessen Gebiet der unbewegliche Gegenstand gelegen sei, sodass für die Hotelliegenschaften ausschließlich österreichisches Insolvenzrecht gelte. Maßgeblich sei die bloße Liegenschaftspacht, denn sie habe bei Vertragsabschluss kein „lebendes Unternehmen“ übernommen, sodass keine Unternehmenspacht anzunehmen sei. Insbesondere habe sich ein früherer Kundenstamm verflüchtigt, sämtliche Arbeits- und Angestelltenverhältnisse sowie Lieferantenkontakte und Bezugsverträge seien neu geschaffen worden, der Bestandgegenstand habe sich in einem desolaten Zustand (bezüglich Brandschutztechnik, Schwimmbadtechnik, Treppen, Installationen, Grenzmauer, Dach- und Hotellift) befunden und es sei zudem auch keine „echte“ Betriebspflicht vereinbart worden. Die im italienischen Konkursgesetz vorgesehene sofortige Auflösung des Bestandverhältnisses verstoße außerdem gegen den „österreichischen ordre public“. Wegen der Bestreitung des Weiterbestands des Miet- bzw Pachtverhältnisses habe sie ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Vertragsgeltung (bis jedenfalls zum 31. 10. 2019).

Soweit der Beklagte die Vertragsauflösung im laufenden Verfahren gestützt auf die Pachtzinsrückstände und den Nichterlag der Kaution erklärt habe, sei (auch) diese Aufhebungserklärung unberechtigt, weil sich gar kein vereinbarter gewinnabhängiger (zusätzlich zum Fixum zu entrichtender) variabler Bestandzins ergeben habe und der fixe Bestandzins wegen der Sanierungsbedürftigkeit der Anlage um 50 % zu mindern sei. Außerdem rechne sie mangels vertraglichem Aufrechnungsverbot mit den kompensablen Gegenforderungen aus umfangreichen Investitionen für (außerordentliche) Instandhaltungs-maßnahmen auf.

Der Beklagte wendete ein, er habe als im Insolvenzverfahren über die Bestandgeberin bestellter Masseverwalter von dem gemäß Art 79 des italienischen Konkursgesetzes bestehenden Recht, den laufenden Vertrag binnen einer angemessenen Frist vorzeitig zu beenden, mit Schreiben vom 2. 5. 2016 – rechtswirksam – Gebrauch gemacht; die Sondernorm des Art 8 EuInsVO sei restriktiv zu handhaben und auf das Bestandverhältnis nicht anzuwenden, weil ein Vertrag über den Betrieb bzw die Pacht eines (lebenden) Unternehmens (mit Inventar, vorhandenem Kundenstock, Unternehmensruf, Betriebsmitteln, Lizenzen und sonstigem Betriebsvermögen) abgeschlossen worden sei.

Im Laufe des Verfahrens brachte der Beklagte weiters vor, die Klägerin habe zudem bis auf die ersten drei Monate bis „dato“ weder den fixen noch den variablen Pachtzins noch die vereinbarte Kaution von (30.000 EUR) gezahlt, weshalb gemäß Art 18 der Vereinbarung (auch) aus diesem Grund die Vertragsauflösung erklärt werde.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt. Nach der Gesamtheit der vertraglichen Regelungen liege ein Pachtvertrag über ein Gesamtunternehmen („Unternehmenspacht“), als einen beweglichen Gegenstand vor, er falle aber dennoch unter die (nicht mit Art 24 EuGVVO gleichzusetzende) Bestimmung des Art 8 EuInsVO. Der Vertrag berechtige im Sinn des Art 8 EuInsVO zur „Nutzung eines unbeweglichen Gegenstands“, weil er primär auf die Nutzung der Hotelliegenschaften mit (auch) unbeweglichem Zubehör gerichtet sei. Daher gelte österreichisches Insolvenzrecht, das kein außerordentliches Kündigungsrecht des Bestandgebers im Insolvenzfall kenne. Diese Auslegung korrespondiere auch mit der Rechtswahl der Parteien. Die auf die italienische Konkursordnung gestützte Auflösungserklärung des Beklagten habe daher keine vertragsbeendende Wirkung entfalten können.

Auch die „zweite“ Aufhebungserklärung (wegen Pachtzinsrückständen und Nichterlags der Kaution) sei nicht rechtswirksam, weil Art 18.1. des Bestandvertrags nicht dem von der österreichischen Rechtsprechung geforderten Bestimmtheitsgebot entspreche; die „Nichtzahlung“ als Vertragsverletzung erfahre darin keine detaillierte Konkretisierung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies das Feststellungsbegehren ab. Rechtlich führte es aus, dass die Parteien die grundsätzliche Berechtigung des Masseverwalters, nach Art 79 des italienischen Konkursgesetzes die Auflösung des laufenden Bestandvertrags zu erklären, sodass der vorliegende Bestandvertrag aufgelöst sei, wenn Art 8 EuInsVO nicht zur Anwendung komme, nicht in Zweifel zögen. Der Begriff des „unbeweglichen Gegenstands“ in Art 8 EuInsVO sei verordnungsautonom auszulegen. Die Definition des „unbeweglichen Gegenstands“, auf den sich das (Erwerbs- bzw) Nutzungsrecht beziehen müsse, habe sich an der Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften zu orientieren und habe daher im Sinn einer „europäischen Durchschnittsbetrachtung“ zu erfolgen. Der unbedingte Vorrang des von der EuInsVO vorgegebenen Rechts bedeute, dass der von den Vertragsparteien getroffenen Rechtswahl des österreichischen Rechts als Vertragsstatut (lex causae) keine Bedeutung zukomme. Der Vertragsgegenstand des Bestandvertrags bestehe in einer geradezu typischen „Unternehmenspacht“. Da zwei Hotelbetriebe (samt Handelsbetrieb) einschließlich sämtlicher Einrichtungen und Zubehör übergeben worden seien, die Weiterführung der Beherbergungstätigkeit (im Sinne der dafür vorliegenden Verwaltungsermächtigungen) ausdrücklich als eine bei Nichtbeachtung der Verpflichtung zur sofortigen Vertragsauflösung führende Vertragsbedingung vereinbart und zudem auch der Pachtgegenstand seit jeher (und unmittelbar vor der Inbestandgabe) zur Führung der beiden Hotelbetriebe genutzt worden sei, damit tatsächlich der wirtschaftliche Schwerpunkt zweifelsfrei in der Fortführung eines lebenden Unternehmens gelegen sei, sei der Vertrag als einheitlicher Unternehmenspachtvertrag zu qualifizieren. Da ein einheitlicher Pachtgegenstand „Unternehmen“ vorliege, stelle sich die Frage der Teilbarkeit des unter Art 8 EuInsVO zu subsumierenden Bestandvertrags nicht, sondern es sei für die verordnungsautonome Auslegung entscheidend, ob der Schwerpunkt des – untrennbar – auf ein lebendes Unternehmen als Sachgesamtheit gerichteten Vertrags diesen als einen Vertrag über die Nutzung eines unbeweglichen Gegenstands ansehen lasse, was die Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung des Art 8 EuInsVO zur Folge hätte. Der Oberste Gerichtshof habe in der Entscheidung 2 Ob 63/13y einen Pachtvertrag wie den vorliegenden (von derselben Bestandgeberin über im Wesentlichen denselben Vertragsgegenstand) als Vertrag qualifiziert, dessen Hauptgegenstand (Geschäftsräumlichkeiten) anderer Natur als eine unbewegliche Sache sei, womit der Argumentation, im vorliegenden Fall wäre auf die Unbeweglichkeit der Immobilien abzustellen, nicht gefolgt werden könne. Damit sei Art 8 EuInsVO auf den vorliegenden Pachtvertrag (nicht) anwendbar. Es komme für die Beurteilung des Vertragsbeendigungsrechts des Insolvenzverwalters auf die lex fori concursus, daher italienisches Recht, an (Art 4 Abs 2 lit e EuInsVO), das diesem den (sofortigen) Rücktritt ermögliche, sodass dessen Erklärung vom 2. 5. 2016 rechtswirksam zur Auflösung des Bestandvertrags geführt habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands den Betrag von 30.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil einschlägige europäische bzw Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Art 8 EuInsVO fehle.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der beklagte Insolvenzverwalter beantragt in der Revisionsbeantwortung die Zurückweisung des Rechtsmittels der Prozessgegnerin, in eventu dieses abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, im Ergebnis jedoch nicht berechtigt.

1.1. Für Gesamtverfahren, welche die Insolvenz des Schuldners voraussetzen und den vollständigen oder teilweisen Vermögensbeschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge haben, gilt nach deren Art 1 Abs 1 die Verordnung (EG) Nr 1346/2000 des Rates vom 29. 5. 2000 über Insolvenzverfahren (ABl 30. 6. 2000, L 160/1 ff; Europäische Insolvenzverordnung – EuInsVO). Die Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und Rates vom 20. 5. 2015 über Insolvenzverfahren (EuInsVO 2015) ist aufgrund der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Schuldnerin am 16. 3. 2016 noch nicht anwendbar (vgl deren Art 84).

1.2. Nach Art 4 Abs 2 lit e EuInsVO [2000] regelt das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung (lex fori concursus), wie sich das Insolvenzverfahren auf laufende Verträge des Schuldners auswirkt. Nach dieser Kollisionsnorm ist daher insofern grundsätzlich das Recht des Eröffnungsstaates (hier Italien) maßgeblich.

2. Eine Abweichung von dieser Grundsatzbestimmung zur Anwendung der lex fori concursus findet sich in Art 8 EuInsVO (identisch mit Art 11 Abs 1 EuInsVO 2015). Danach ist für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen Vertrag, der zum Erwerb oder zur Nutzung eines unbeweglichen Gegenstands berechtigt, ausschließlich das Recht des Mitgliedstaats maßgebend, in dessen Gebiet dieser Gegenstand gelegen ist (lex rei sitae). Zu den hievon erfassten Verträgen gehören insbesondere Miet- und Pachtverträge (Burgstaller in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer, Inter-nationales Zivilverfahrensrecht Art 8 InsVO Rz 1; Maderbacher in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze Art 8 EuInsVO Rz 12; Duursma-Kepplinger in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Europäische Insolvenzverordnung [2002] Art 8 Rz 1).

Nach überwiegender Auffassung ist der Begriff des „unbeweglichen Gegenstands“ verordnungsautonom im Sinn einer „europäischen Durchschnittsbetrachtung“ oder einer „Gesamtschau“ auszulegen (Duursma-Kepplinger aaO Art 8 Rz 4; Reinhart in MüKo InsO3 [2016] Art 8 EuInsVO 2000 Rn 4; Nerlich/Hübler in Nerlich/Römermann, Insolvenzordnung Art 8 Rn 4; Lüer in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO14 Art 8 EuInsVO Rn 4; zweifelnd Mankowski in Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015 [2016] Art 11 Rn 11 f; aA Maderbacher aaO Art 8 EuInsVO Rz 10; Paulus, Europäische Insolvenzverordnung4 [2013] Art 8 Rn 5 [jeweils: lex rei sitae]). Darunter fallen jedenfalls Grundstücke und Gebäude (Reinhart aaO).

Fraglich ist, ob auch Unternehmen von Art 8 EuInsVO erfasst sind. Nach einer Ansicht muss die Gebrauchsüberlassung der Immobilie den Vertrag charakterisieren. Zum Beispiel werde die Überlassung eines Ladengeschäfts durch die Übertragung des Betriebs, der unternehmerischen Einheit, nicht durch die insoweit nicht prägende Überlassung der Ladenräume charakterisiert, sodass dieser Vertrag nicht Art 11 Abs 1 EuInsVO 2015 (Art 8 EuInsVO) unterfalle (Mankowski aaO Art 11 Rn 21 unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache Sanders, 73/77, ECLI:EU:C:97:1977:208, Slg 1977, 2383, 2391 Rn 19 zu Art 16 LGVÜ). Zu „typengemischten Verträgen“, die den Erwerb oder die Nutzung einer Immobilie mit einer weiteren Verpflichtung verbinden, wird vertreten, dass danach zu unterscheiden sei, ob der durch Art 8 EuInsVO geschützte Teil des Vertrags separierbar sei. Sei dies der Fall, sei eine separate Anknüpfung an die lex rei sitae für den unter Art 8 EuInsVO fallenden Teil des Vertrags und für den anderen Teil an die lex concursus vorzunehmen (Paulus aaO Art 8 Rn 3; Nerlich/Hübler aaO Art 8 EuInsVO Rn 8; Lüer aaO Art 8 EuInsVO Rn 10). Bei Unteilbarkeit wird der Vertrag teils nach der lex concursus behandelt, weil der Schutzzweck des Art 8 EuInsVO in diesem Fall ohnedies nicht erfüllt werden könne (Paulus aaO Art 8 Rn 3), teils wird das Gesamtgeschäft aufgrund der besonderen Bedeutung, die der Verordnungsgeber den grundstücksbezogenen Rechtsgeschäften zugeschrieben habe, der lex rei sitae unterworfen (Nerlich/Hübler aaO Art 8 EuInsVO Rn 8). Nach einer anderen Ansicht sollte dann, wenn sich der Vertrag als nicht teilbar erweist, eine Gesamtbetrachtung erfolgen und die Anwendbarkeit des Art 8 EuInsVO danach beurteilt werden, ob sich der Schwerpunkt des gesamten Vertrags auf die Berechtigung zum Erwerb bzw zur Nutzung des unbeweglichen Gegenstands richtet (Lüer aaO Art 8 EuInsVO Rn 10). Nach einer weiteren Ansicht hänge die Anwendung von Art 8 EuInsVO bei nicht teilbaren Sachgesamtheiten davon ab, was den Schwerpunkt des Erwerbs- oder Nutzungsrechts bilde. Bei einem Unternehmenskauf sei dies, auch wenn es sich um ein Betriebsgrundstück mit einem komplexen Maschinenpark handle, in der Regel nicht der unbewegliche Gegenstand selbst, sondern die Sachgesamtheit, sodass Art 8 EuInsVO nicht anwendbar wäre. Anderes gelte beispielsweise bei der Verpachtung eines Restaurants einschließlich des beweglichen Mobiliars, weil insoweit die Lage des unbeweglichen Gegenstands entscheidender sein dürfte als die bewegliche im Ergebnis ersetzbare Innenausstattung (Reinhart aaO Art 8 EuInsVO 2000 Rn 9).

3. Ob der gegenständliche Bestandvertrag gemäß Art 4 Abs 2 lit e EuInsVO dem Recht des Staats der Verfahrenseröffnung (Italien) unterliegt oder nach Art 8 leg cit dem Recht des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet die Liegenschaft liegt (Österreich), braucht allerdings nicht abschließend geklärt werden, weil der Vertrag bei Anwendung jedes der in Frage kommenden Rechte vom Beklagten rechtswirksam aufgelöst wurde.

Soweit die Klägerin die – von ihr in der Revision nicht näher ausgeführte – Auffassung vertritt, es handle sich nicht um eine Unternehmenspacht, sondern um eine Geschäftsraummiete, ist ihr entgegenzuhalten, dass es bei der Unterscheidung zwischen Geschäftslokalmiete und Unternehmenspacht immer auf die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls ankommt (RIS-Justiz RS0031183). Unternehmenspacht liegt im Allgemeinen dann vor, wenn ein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrags ist. Neben den Räumen muss dem Bestandnehmer vom Bestandgeber auch das beigestellt werden, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens und dessen wirtschaftlichen Fortbestand gehört: Betriebsmittel (Einrichtung und Warenlager), Kundenstock und Gewerbeberechtigung. Das bedeutet aber nicht, dass im Einzelfall alle diese Merkmale gleichzeitig gegeben sein müssten. Das Fehlen einzelner Betriebsgrundlagen lässt noch nicht darauf schließen, dass Miete und nicht Pacht vorliegt, wenn nur die übrigen Betriebsgrundlagen vom Bestandgeber beigestellt werden und das lebende Unternehmen als rechtliche und wirtschaftliche Einheit fortbesteht (RIS-Justiz RS0020398). Es kommt bei der Abgrenzung darauf an, welchen Umständen die größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0020521). Ein wesentliches Begriffsmerkmal der Unternehmensverpachtung ist, dass das vom Pächter betriebene Unternehmen mit dem des Verpächters identisch ist; es kommt aber immer auf die Umstände des Einzelfalls und ihre Gewichtung an, ob Unternehmenspacht oder Geschäftsraummiete anzunehmen ist. Deutliche Indizien für eine Unternehmenspacht liegen vor, wenn ein lebendes Unternehmen mit zwar nicht bedeutsamen, aber doch vorhandenem Kundenstock und der Vereinbarung einer Betriebspflicht übergeben wurde (RIS-Justiz RS0020398 [T7]), 3 Ob 208/10z = aaO [T15]). Im Allgemeinen ist die Vereinbarung einer Betriebspflicht das wesentlichste Kriterium für die Qualifikation als Pachtvertrag, sofern dies auf einem wirtschaftlichen Interesse des Bestandgebers an der Art des Betriebs und an seinem Bestehen (RIS-Justiz RS0020451 [T6]) sowie seiner Weiterführung beruht, nicht aber schon dann, wenn eine solche in den Vertrag als Leerformel ohne echtes Substrat aufgenommen wird (RIS-Justiz RS0020361). Die Vereinbarung einer Betriebspflicht im Rahmen einer Unternehmenspacht dient in erster Linie dazu, zu gewährleisten, dass dem Verpächter bei Beendigung des Pachtverhältnisses ein lebendes und ertragsfähiges Unternehmen zurückgestellt wird (1 Ob 25/08w = RIS-Justiz RS0020361 [T4]; RS0020598 [T1]). Ihre Vereinbarung gibt in der Regel den Ausschlag (RIS-Justiz RS0020451 [T9]), darf aber nicht überbewertet werden und führt jedenfalls nicht automatisch zur Beurteilung des Vertrags als Pachtvertrag (RIS-Justiz RS0020451 [T12]).

Nach den Feststellungen stellte die Schuldnerin sowohl die Betriebsmittel in Form der eingerichteten Hotelbetriebe als auch die notwendigen behördlichen Bewilligungen für den Betrieb der Hotels zur Verfügung. Zudem wurden auf der Liegenschaft die beiden Hotelbetriebe bis zur Übergabe an die Klägerin geführt. Schließlich vereinbarten die Parteien eine Betriebspflicht, die vor allem angesichts des Umstands, dass auf der Liegenschaft seit jeher Hotels betrieben wurden, nicht als Leerformel zu werten ist. Aufgrund der Gesamtheit der Umstände ist hier von einer Unternehmenspacht auszugehen, wofür auch die von den Parteien gewählte Bezeichnung spricht.

4. Sollte der Bestandvertrag nach Art 4 Abs 2 lit e EuInsVO italienischem Recht unterliegen, so bildete nach Art 79 des italienischen Konkursgesetzes (Legge Fallimentare – Del fallimento) der Konkurs keinen Grund für die Auflösung eines Vertrags über die Pacht eines Betriebs. Beide Parteien können aber innerhalb von 60 Tagen zurücktreten, wenn sie an die andere Partei eine angemessene Entschädigung zahlen, die bei fehlendem Einvernehmen der Parteien vom beauftragten Richter nach Anhörung der Betroffenen festgesetzt wird (Übersetzung nach Bauer/König/Kreuzer, Das neue Italienische Gesetz über Konkurs und andere Insolvenzverfahren [2006], 83 [damals noch Art 80bis]). Es besteht demnach im Fall der Betriebspacht ein beiderseitiges sechzigtägiges „Rücktrittsrecht“ [lt italienischem Recht „scioglimento“], dessen Ausübung zu einer angemessenen Entschädigung verpflichtet (Kindler/Conow in Kindler/Nachmann, Handbuch Insolvenzrecht in Europa, Italien I Rn 130). Der Beklagte konnte daher mit der gegenüber der Klägerin abgegebenen Erklärung vom 2. 5. 2016 rechtswirksam den Rücktritt vom Vertrag erklären, der zur Auflösung des Bestandvertrags führte.

Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt die auf Art 79 des italienischen Konkursgesetzes gestützte Auflösung der Betriebspacht im Fall der Insolvenz der Bestandgeberin (Schuldnerin) nicht gegen den „österreichischen ordre public“. Art 26 EuInsVO (gleichlautend Art 33 EuInsVO 2015) sieht lediglich im Zusammenhang mit der Anerkennung eines eröffneten Insolvenzverfahrens oder mit der Vollstreckung einer in einem solchen Verfahren ergangenen Entscheidung einen ordre-public-Vorbehalt vor (Klauser/Pogacar in Konecny, Insolvenzgesetze Art 26 EuInsVO Rz 5, 7 und 10). Zu den Art 4 bis 15 EuInsVO (nunmehr Art 7 bis 18 EuInsVO 2015) fehlt ein solcher ausdrücklicher Vorbehalt. „Der EuGH ist (so Tashiro in Braun, Insolvenzordnung7 [2017] Art 7 EuInsVO 2017 Rn 51) ohnehin sehr zurückhaltend und die Ausnahmen zu Art 7 [EuInsVO 2015] in den nachfolgenden Vorschriften gestatten bereits die Anwendung lokalen Rechts in vielen Konstellationen. Über den Vorbehalt in Art 33 und 32 hinaus besteht deshalb weder die Notwendigkeit noch der Raum für eine weitere ordre-public-Prüfung“.

Im Übrigen wird nach österreichischem Rechtsverständnis, weil eine ordre-public-Klausel (§ 6 S 1 IPRG) eine systemwidrige Ausnahme ist, allgemein sparsamster Gebrauch von einer solchen gefordert. Schlichte Unbilligkeit des Ergebnisses genügt ebensowenig wie bloßer Widerspruch zu zwingenden österreichischen Vorschriften. Gegenstand der Verletzung müssen vielmehr Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung sein. Zweite wesentliche Voraussetzung für das Eingreifen der Vorbehaltsklausel ist, dass das Ergebnis der Anwendung fremden Sachrechts und nicht bloß dieses selbst anstößig ist und überdies eine ausreichende Inlandsbeziehung besteht (RIS-Justiz RS0110743). Bereits der Umstand, dass die auf Art 79 Legge Fallimentare gestützte Auflösungerklärung die Bestandgeberin zu einer angemessenen Entschädigung verpflichtet, schließt den von der Klägerin (unbelegt) behaupteten Verstoß gegen den „österreichischen ordre public“ aus.

5. Sollte der Bestandvertrag – was die Klägerin anstrebt – gemäß Art 8 EuInsVO österreichischem Recht unterliegen (in diesem Sinn auch die Vereinbarung der Anwendung österreichischen Rechts durch die Parteien), wäre maßgeblich, dass § 1118 ABGB nachgiebiges Recht enthält. Unterliegt das Bestandverhältnis – hier der Unternehmenspachtvertrag über zwei Hotelbetriebe und einen Handelsbetrieb – keinen besonderen Schutzbestimmungen, dann können auch für den Bestandgeber günstigere Kündigungsbestimmungen vereinbart werden. Bei einem Pachtverhältnis müssen die von den Parteien vereinbarten Auflösungsgründe keineswegs die Bedeutung eines wichtigen Kündigungsgrundes im Sinn gesetzlicher Kündigungsschutzbestimmungen haben. Wegen der weitreichenden Folge muss jedoch eine solche Auflösungsmöglichkeit klar und deutlich vereinbart werden (RIS-Justiz RS0020946 [T1, T6] ua; 7 Ob 2424/96p mwN).

Nach Art 18.1. des zu beurteilenden Bestandvertrags ist der Verpächter zur Auflösung des Pachtvertrags bei „Nichtbezahlung, auch teilweise, egal welcher Nebenverpflichtungen (einschließlich Gebühren und Steuern) innerhalb der Vertragsfristen und/oder der gesetzlichen Fristen“ berechtigt. Die Bestandgeberin hat daher das Recht zur sofortigen Vertragsauflösung, wenn der monatliche Pachtzins nicht fristgerecht gezahlt wird. Diese Vertragsklausel ist ausreichend klar und entspricht – anders als das Erstgericht meint – dem Bestimmtheitsgebot. Sie ist auch nicht undeutlich. Vereinbart wurde somit, dass es eines qualifizierten Pachtzinsrückstands im Sinn des § 1118 ABGB nicht bedarf.

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen bestehen offene Bestandzinsforderungen gegen die Klägerin von brutto 420.000 EUR. Sie führt die gegenständlichen Hotelbetriebe und leitet aus der behaupteten Sanierungsbedürftigkeit der Anlage eine Mietzinsreduktion des fixen Bestandzinses um 50 % ab. Hinsichtlich der von ihr getätigten Instandhaltungsaufwendungen konnte nicht festgestellt werden, ob sie außergerichtlich eine Aufrechnungserklärung gegenüber der Schuldnerin oder dem Beklagten abgegeben hat. Damit war aber der Beklagte entsprechend Art 18.1. zur Auflösung des Bestandvertrags wegen des jedenfalls bestehenden Pachtzinsrückstands berechtigt.

Die von der Klägerin in der Berufungsbeantwortung behaupteten sekundären Feststellungsmängel („ergänzende Urteilsfeststellungen“) zur außerprozessual erklärten Aufrechnung liegen nicht vor, traf doch das Erstgericht dazu – wenn auch negative – Feststellungen. Wurden zu einem bestimmten Thema Tatsachenfeststellungen getroffen, mögen diese auch von den Vorstellungen der Klägerin abweichen, können dazu keine rechtlichen Feststellungsmängel erfolgreich geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0053317 [T1]; vgl RS0043320 [T16, T18]; RS0043480 [T15]).

6. Entgegen der Anregung der Klägerin braucht kein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Auslegung des Art 8 EuInsVO gestellt werden, hat doch die Vorlage zur Lösung einer unionsrechtlichen Frage zu unterbleiben, wenn – wie hier – die aufgeworfene Frage nicht entscheidungswesentlich ist (1 Ob 126/02i = RIS-Justiz RS0109025 [T1]; Bkv 8/05 = RS0075861 [T11]).

7. Der Revision ist aus den dargelegten Gründen ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 und § 50 ZPO.

Textnummer

E121339

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00024.18P.0321.000

Im RIS seit

09.05.2018

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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