TE OGH 2018/3/21 1Ob5/18v

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Veröffentlicht am 21.03.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI F***** L*****, vertreten durch Zauner & Mühlböck Rechtsanwälte KG, Linz, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde A*****, vertreten durch Dr. Günther Klepp und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen 27.846,35 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 13. November 2017, GZ 4 R 130/17s-17, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 14. Juni 2017, GZ 31 Cg 9/13h-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger beantragte von der beklagten Stadtgemeinde die Umwidmung eines seiner Grundstücke von Bauland/Wohngebiet in Grünland. Die daraufhin von dieser erlassene Verordnung, mit der diese Umwidmung erfolgte, hob der Verfassungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 27. 2. 2015, V 123/2014 ua = VfSlg 19.948, als gesetzwidrig auf.

Mit seiner Klage macht der Kläger, der auf dem Grundstück eine Einstellhalle errichtete, Ersatzansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz geltend und begehrt die Feststellung der Haftung sowie Schadenersatz für Vertretungskosten, durch Verzögerungen verursachte Verteuerungen von Baumaßnahmen und entgangenem Mietzins.

Das Erstgericht gab der Klage im Umfang von 885,31 EUR sA an Vertretungskosten, die in einem Verfahren über einen Baustopp aufgelaufen waren, statt. Dieser Zuspruch ist bereits in Rechtskraft erwachsen. Im Übrigen wies es das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil in seinem klagsabweisenden Teil. Es erachtete die Beweis- und Verfahrensrüge nicht als stichhaltig und teilte den Standpunkt des Erstgerichts, dass die Gemeinde bei Erlassung der Verordnung vertretbar gehandelt habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers, die nicht zulässig ist.

Rechtliche Beurteilung

Bei der Auslegung von nicht in die Kompetenz der ordentlichen Gerichte fallenden Rechtsmaterien kommt dem Obersten Gerichtshof zum einen keine Leitfunktion zu (RIS-Justiz RS0116438; vgl auch RS0123321 [T4; T8]). Zum anderen ist, weil auch die bloße Unrichtigkeit einer Entscheidung noch keine Schadenersatzpflicht (RIS-Justiz RS0049951 [T1]; RS0049955; vgl auch RS0050216) begründet, die im vorliegenden Fall daher notwendige Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung als Verschuldenselement ganz von den Umständen des Einzelfalls abhängig, weswegen sie sich regelmäßig einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO entzieht (RIS-Justiz RS0110837).

Eine solche Fehlbeurteilung der Vertretbarkeit des Handelns des betroffenen Organs vermag der Revisionswerber nicht aufzuzeigen:

Es trifft zu, dass in der Plandarstellung des örtlichen Entwicklungskonzepts (ÖEK) der beklagten Stadtgemeinde das Grundstück des Klägers innerhalb der Grenzen des für die Baulandentwickung vorgesehenen Bereichs lag und konkret als Wohngebiet ausgewiesen war. Seiner Ansicht, es sei denkunmöglich, dass die Ausnahmebestimmung der Anlage 2 der Planzeichenverordnung für Flächenwidmungspläne (Oö LGBl 2008/46) überhaupt zur Anwendung käme, vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Nach den damals in Geltung stehenden Bestimmungen über die Erlassung von Flächenwidmungsplänen, des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1994 (Oö LGBl 1993/114 idF LGBl 2011/73) in Verbindung mit der Planzeichenverordnung für Flächenwidmungspläne (insbesondere deren Anlage 2), konnten Widersprüche zwischen dem Flächenwidmungsteil und dem ÖEK bestehen. Nach dem Punkt „Rücknahme von Bauland“ der Anlage 2 müssen die im ÖEK vorgeschlagenen Rücknahmen von Bauland nicht zeitgleich mit der Flächenwidmung umgesetzt werden und es können solche Rücknahmen von Bauland durch textliche Festlegungen und durch Planzeichen festgelegt werden. Im Anschluss daran, also ebenfalls unter dem Punkt „Rücknahme von Bauland“ eröffnete diese Bestimmung der Gemeinde „darüber hinaus“ die Möglichkeit, bestehendes Bauland in Grünland umzuwidmen und zwar ausdrücklich ohne Änderung des ÖEK „in begründeten Fällen“ „auch dort, wo im Funktionsplan diesbezüglich keine Aussagen getroffen werden“. Die Wendung „darüber hinaus“ stellt auf einen im Umfang über die zuvor geschilderten Fälle, also einen weitergehenden Anwendungsbereich, ab. Statt die Auslegung zu wählen, das Wort „diesbezüglich“ darauf zu beziehen, ob im Funktionsplan ein Vorschlag (Festlegung) über eine Rückwidmung enthalten ist oder nicht, meint der Kläger nach seinen Ausführungen in der Revision, das Wort „diesbezüglich“ beziehe sich zwingend auf eine bestimmte Widmung im Funktionsplan (im vorliegenden Fall als Bauland/Wohngebiet). Eine denkunmögliche Anwendung der Vorschrift durch das Berufungsgericht kann er damit nicht darlegen.

Der Verfassungsgerichtshof erläuterte in seiner
– oben bereits erwähnten – Entscheidung ausdrücklich, eine Umwidmung von Bauland in Grünland ohne Änderung des ÖEK sei nicht in „untergeordneten Fällen“ möglich, sondern in „begründeten Fällen“. Einen solchen hielt er im konkreten Fall nicht für gegeben. Im Amtshaftungsverfahren kommt es aber nicht darauf an, ob ein „begründeter Fall“ nach Anlage 2 der zitierten Verordnung tatsächlich vorlag (oder ausreichend dokumentiert war), ob also die Gemeinde das richtige Ergebnis traf, sondern auf die Vertretbarkeit ihres Handelns. Der Kläger könnte folglich mit seiner Klage nur Erfolg haben, wenn feststünde, dass die Gemeinde bei der Umwidmung schuldhaft gehandelt hat (§ 1 Abs 1 AHG). Er müsste also aufzeigen, dass die Umwidmung in Grünland (allein) im Flächenwidmungsteil entgegen dem Ausweis im ÖEK als Bauland/Wohngebiet von der Gemeinde auch angesichts der zuvor zitierten Ausnahmebestimmung als unvertretbares Handeln anzusehen wäre.

Seine Ausführungen in der Revision, die Stadtgemeinde habe keine Fakten erhoben, ihr Vorgehen sei daher willkürlich gewesen, sind angesichts des durchgeführten Verfahrens nicht verständlich. So steht fest, dass das Verfahren zur Änderung des Flächenwidmungsplans nach den formellen raumordnungsrechtlichen Vorschriften durchgeführt, insbesondere vorgesehene Stellungnahmen eingeholt und auch die Parteienrechte gewahrt worden waren. Der Kläger stützt sich in seiner Revision wiederholt, aber einzig und allein auf jenes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, mit dem die Verordnung aufgehoben wurde, welches aber – denklogisch – ihrer Erlassung zeitlich nachfolgt. Er kann aber kein einziges Judikat der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (oder eine ständige Praxis der Aufsichtsbehörde) benennen, aus dem sich für die Stadtgemeinde schon vorher und im Zeitpunkt ihrer Entscheidung ergeben hätte, wie der in Anlage 2 verwendete unbestimmte Begriff „in begründeten Fällen“ auszulegen gewesen wäre oder auf welche Art und Weise das Vorliegen eines solchen Grundes/der Gründe anlässlich der Erlassung der Verordnung im Akt zu dokumentieren gewesen wäre. Ein Abweichen von einer ständigen Rechtsprechung, klaren Gesetzeslage oder auch nur einer eingeübten Verwaltungspraxis kann der Revisionswerber weder dazu noch zur vom Berufungsgericht vorgenommenen Beurteilung ihres Verhaltens als vertretbar aufzeigen. Darauf, dass in der Regel nur das Abweichen von einer ihrem Wortlaut nach klaren Gesetzeslage oder von einer ständigen Rechtsprechung (dass zu dem unvertretbar ist und keine sorgfältige Überlegung erkennen lässt) die Unvertretbarkeit eines Organverhaltens bewirken kann (RIS-Justiz RS0049912; RS0049955 [T8]; vgl auch RS0049951) wurde er schon von den Vorinstanzen hingewiesen. Deren Ansicht, die Gemeinde habe die Umwidmung den Empfehlungen des Ortsplaners folgend, wonach aufgrund der geringfügigen Fläche des Planungsgebiets eine Änderung des örtlichen Entwicklungskonzepts unterbleiben habe können, weil das Planungsgebiet am Übergang zu den landwirtschaftlichen Kulturflächen liege, somit keine widmungsstrukturellen Konflikte zu erwarten seien und die Änderung auch im Sinne der landwirtschaftlichen Entwicklung/Standortsicherung positiv beurteilt werde, als einen im Sinne der Anlage 2 „begründeten Fall“ ansehen dürfen, bedarf keiner Korrektur im Einzelfall.

Nur ergänzend sei angemerkt, dass die Revision
– unabhängig von der Frage der Vertretbarkeit der Umwidmung – nicht einmal ansatzweise erkennen lässt, warum angesichts nicht bewiesener Verzögerungen und der Negativfeststellungen zur behaupteten Absicht einer Vermietung bzw zum Abschluss eines Bestandvertrags die Abweisung der für Mietausfall und wegen Verteuerungen begehrten Ersatzbeträge unrichtig sein sollte.

Die Revision des Klägers ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen, ohne dass dies einer weitergehenden Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E121267

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00005.18V.0321.000

Im RIS seit

03.05.2018

Zuletzt aktualisiert am

22.08.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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