TE Vfgh Erkenntnis 2018/2/26 E2497/2017

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Veröffentlicht am 26.02.2018
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BFA-VG §16 Abs1
Dublin III-VO vom 26.06.2013, EU 604/2013 Art18 Abs1
AsylG 2005 §5
FremdenpolizeiG 2005 §61

Leitsatz

Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes durch Zurückweisung der Beschwerde eines Staatsangehörigen der zentralafrikanischen Republik in Anwendung der vom VfGH aufgehobenen Bestimmungen des BFA-VerfahrensG über die verkürzte Beschwerdefrist; teilweise Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig

Spruch

I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch Spruchpunkt A des angefochtenen Erkenntnisses wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.        Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.        Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Zentralafrikanischen Republik, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 21. März 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.       Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom 18. April 2017 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß §5 Abs1 AsylG 2005 als unzulässig zurück, sprach aus, dass Schweden gemäß Art18 Abs1 litd VO (EU) 604/2013 (Dublin III-VO) zur Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.), ordnete gemäß §61 Abs1 FPG die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers an und stellte fest, dass demzufolge die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Schweden gemäß §61 Abs2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

3.       Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde gemäß §16 Abs1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 24/2016 zurück (Spruchteil A) und sprach aus, dass die ordentliche Revision unzulässig sei (Spruchteil B).

4.       In der gegen diesen Beschluss gemäß Art144 B-VG erhobenen Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie die Verletzung in sonstigen Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und beantragt, den Beschluss "in seinem gesamten Umfang" kostenpflichtig aufzuheben.

5.       Der Verfassungsgerichtshof führte zu dieser Beschwerde im Hinblick auf §19 Abs3 Z4 VfGG kein weiteres Verfahren durch.

II.      Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

1.       Mit Erkenntnis vom 26. September 2017, G134/2017 ua., hob der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "2, 4 und" sowie den Satz "Dies gilt auch in den Fällen des §3 Abs2 Z1, sofern die Entscheidung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist." in §16 Abs1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 24/2016, als verfassungswidrig auf, und sprach unter anderem aus, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten sowie gemäß Art140 Abs7 B-VG, dass die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind; dieser Ausspruch hat auch für den Verfassungsgerichtshof die Wirkung, dass er die betreffenden Bestimmungen nicht mehr anzuwenden hat.

Soweit im Spruchteil A des angefochtenen Erkenntnisses die Beschwerde gemäß §16 Abs1 BFA-VG zurückgewiesen wurde, hat das Bundesverwaltungsgericht eine als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung angewendet. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt.

Das angefochtene Erkenntnis ist daher aufzuheben, soweit damit die Beschwerde des Beschwerdeführers gemäß §16 Abs1 BFA-VG zurückgewiesen wurde.

2.       Im Hinblick auf Spruchteil B ist die Beschwerde hingegen zurückzuweisen:

Gemäß §88a Abs2 Z1 VfGG ist eine Beschwerde gegen Aussprüche gemäß §25a Abs1 VwGG nicht zulässig. Soweit sich die Beschwerde daher gegen den in Spruchteil B getroffenen Ausspruch der Zulässigkeit der Revision richtet, ist sie zurückzuweisen.

3.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4.       Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. Die teilweise Erfolglosigkeit der Beschwerde kann dabei außer Betracht bleiben, da dieser Teil keinen zusätzlichen Prozessaufwand verursacht hat (vgl. VfSlg 16.760/2002). In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten.

Schlagworte

Asylrecht, Fremdenrecht, Verwaltungsverfahren, Verwaltungsgerichtsverfahren, Rechtsmittel, Fristen, VfGH / Aufhebung Wirkung, Anwendbarkeit eines Gesetzes, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, VfGH / Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:E2497.2017

Zuletzt aktualisiert am

23.04.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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