TE OGH 2018/2/21 3Ob11/18s

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Veröffentlicht am 21.02.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Salburg Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M***** AG, *****, vertreten durch Benn-Ibler Rechtsanwälte GmbH in Wien, und 2. A***** Limited, *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 37.498,25 EUR sA, über die Revision der erstbeklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Oktober 2017, GZ 15 R 101/17h-36, mit dem der Berufung der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 28. April 2017, GZ 581 Cg 7/16g-29, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.198,34 EUR (darin 366,39 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt von den Beklagten den Ersatz des Differenzschadens für die seit März 2006 über einen Berater der Erstbeklagten erworbenen Wertpapiere, für welche die Zweitbeklagte Werbebroschüren erstellte. Die Beklagten hätten den Kläger durch irreführende Werbung, Marktmanipulationen und Verletzungen der Ad-hoc-Meldepflicht unrichtig informiert; bei Kenntnis der wahren Umstände hätte der Kläger nicht in diese Veranlagung investiert, sondern sein Geld auf einem Sparbuch veranlagt und den Schaden nicht erlitten. Die Ansprüche seien ungeachtet der erst im April 2016 eingebrachten Klage nicht verjährt. Der Kläger habe bereits vor Juni 2009 mit der A***** AG eine Vereinbarung geschlossen, womit er diese bevollmächtigte, seine Ansprüche wegen der erworbenen Wertpapiere zu verfolgen; aufgrund dieser Vollmacht habe die AG dem nunmehrigen Klagevertreter Vollmacht erteilt.

Die beklagten Parteien wendeten – soweit für das Revisionsverfahren noch von Relevanz – Verjährung ein. Der Privatbeteiligtenanschluss sei nicht ausreichend individualisiert erfolgt und die zu beurteilenden Vorwürfe seien weder Gegenstand des Strafverfahrens noch des Privatbeteiligtenanschlusses. Der Anschluss habe nicht den Formerfordernissen der StPO entsprochen, weil er mittels CD-ROM erfolgt sei. Außerdem habe der Kläger den Klagevertreter erst Jahre nach dem Privatbeteiligtenanschluss kennen gelernt, weshalb keine wirksame Bevollmächtigung dafür vorliege.

Das Verfahren mit der Zweitbeklagten ruht aufgrund einer Vereinbarung mit dem Kläger im Berufungsverfahren.

Die Vorinstanzen gaben der Klage (mit Ausnahme eines Zinsmehrbegehrens) statt. Sie bejahten den aufgrund der allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung der Erstbeklagten eingeklagten Anspruch und verneinten wegen der Unterbrechungswirkung des Privatbeteiligtenanschlusses die Verjährung.

Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof die Formalfrage der Unterbrechungswirkung von Privatbeteiligtenanschlüssen einer hohen Anzahl Geschädigter mittels Datenträgers noch keiner tiefergehenden Betrachtung unterzogen habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Erstbeklagten ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1. Zunächst ist die Feststellung hervorzuheben, dass die Daten auf der CD-ROM nach Einlangen bei der Staatsanwaltschaft Wien ausgedruckt und zum Akt genommen wurden. Auf einer dieser Listen befanden sich – ebenso wie schon in der Beilage zum Schriftsatz, mit dem der Privatbeteiligtenanschluss (für 7.880 Personen) im August 2010 erklärt wurde, – auch die Daten des Klägers. Damit kommt es auf die Frage, ob ein Privatbeteiligtenanschluss (nur) mittels Übergabe einer CD-ROM wirksam ist, nicht an.

Mit den übrigen dazu im Rechtsmittel aufgeworfenen Fragen (Form und Inhalt dieses Privatbeteiligtenanschlusses) hat sich der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 Ob 45/17s auseinandergesetzt und das Vorliegen erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO verneint (vgl auch RIS-Justiz RS0041512). Auf diese Ausführungen, denen sich inzwischen viele Senate des Obersten Gerichtshofs angeschlossen haben (jüngst etwa 4 Ob 194/17h, 4 Ob 196/17b, 4 Ob 199/17v, 6 Ob 191/17g, 6 Ob 196/17t, 8 Ob 124/17v, 3 Ob 194/17a, 3 Ob 188/17v und 3 Ob 224/17p), kann verwiesen werden.

2. Die Revisionswerberin meint, der Kläger habe mit dem nunmehrigen Klagevertreter erstmals im Jahr 2016 (persönlichen) Kontakt gehabt, weshalb eine rückwirkende Beseitigung der eingetretenen Verjährung der Ansprüche durch eine nachträgliche Genehmigung des Privatbeteiligtenanschlusses nicht in Betracht komme.

Die Vorinstanzen haben dazu festgehalten, dass der Kläger nach den Feststellungen bereits vor Juni 2009 der A***** AG Vollmacht zur Durchsetzung seiner Ansprüche erteilte, wobei er davon ausging, dass er damit die AG auch bevollmächtigte, einen Rechtsanwalt damit zu beauftragen, seine Ansprüche zu verfolgen. Außerdem erklärte er (in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 3. November 2016, Protokoll ON 24, Seite 13) ausdrücklich, die für ihn gesetzten Vertretungshandlungen des von der A***** AG beauftragten Rechtsanwalts (einschließlich des Privatbeteiligtenanschlusses) zu genehmigen.

Die Auslegung von Willenserklärungen hat stets nach den Umständen des Einzelfalls zu erfolgen, sodass sich dabei eine erhebliche Rechtsfrage in der Regel nicht stellt (RIS-Justiz RS0042555; RS0042936); dies gilt auch für die Erteilung und den Umfang einer Vollmacht (5 Ob 115/16x mwN, RIS-Justiz RS0044358 [T36]; jüngst 8 Ob 78/17d). Die Frage, ob ein bevollmächtigter Vertreter, der kein Rechtsanwalt ist, zur Substitution befugt ist, muss nach dem Inhalt seiner Vollmacht und nach § 1010 ABGB beurteilt werden (9 ObA 120/98g mwN).

Die Erstbeklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren nicht in Zweifel gezogen, dass der Klagevertreter bereits vor dem Privatbeteiligtenanschluss wirksam von der A***** AG mit der Verfolgung der Ansprüche ihrer jeweiligen Vollmachtgeber beauftragt war. Anhaltspunkte dafür, dass im konkreten Fall eine solche Beauftragung des Rechtsanwalts durch die A***** AG nicht der vom Kläger erteilten Vollmacht entsprochen hätte, zeigt die Revisionswerberin nicht auf. Demnach war eine nachträgliche Genehmigung der (strafgerichtlichen) Prozesshandlung des vom (nunmehrigen) Klagevertreter erklärten Privatbeteiligtenanschlusses gar nicht erforderlich. Die von der Revisionswerberin aufgeworfene Frage, ob eine erst nach Ablauf der Verjährungsfrist erteilte nachträgliche Genehmigung einer zunächst vollmachtslos gesetzten Prozesshandlung durch den Vertretenen eine „eingetretene Verjährung rückwirkend beseitigen“ kann, stellt sich daher nicht.

3. Da somit weder die vom Berufungsgericht genannte Rechtsfrage noch die Ausführungen im Rechtsmittel Anlass zur Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung geben, ist die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

Textnummer

E121002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00011.18S.0221.000

Im RIS seit

30.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

30.03.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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