TE OGH 2017/12/6 13Os127/17a

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Veröffentlicht am 06.12.2017
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Dezember 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schuber als Schriftführer in der Strafsache gegen Abdelkarim Abu H***** wegen Verbrechen der terroristischen Straftaten nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 278c Abs 2 iVm Abs 1 Z 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Geschworenengericht vom 24. August 2017, GZ 35 Hv 14/17b-252, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Konfiskation aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Krems an der Donau verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Abdelkarim Abu H***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen mehrerer Verbrechen der terroristischen Straftaten nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 278c Abs 2 iVm Abs 1 Z 1 StGB (I), des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (II), des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (III) und mehrerer Vergehen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (IV) schuldig erkannt.

Danach hat er

I. im Zeitraum vom 25. Juni 2016 bis zum 30. Juni 2016 in L***** und an anderen Orten terroristische Straftaten im Sinn des § 278c Abs 1 Z 1 StGB begangen, nämlich Nadi Saad Mohammed S***** und Mohammad Abu Z***** durch Kommunikation über Facebook-Messenger und WhatsApp zu Mordanschlägen durch Zünden und Werfen von Sprengsätzen zu bestimmen versucht, indem die Genannten insbesondere in Jerusalem (Israel) bei der Al-Aqsa Moschee gegen Ende des Fastenmonats Ramadan 2016 eine oder mehrere Handgranaten in Menschenmengen werfen sollten, um dabei möglichst viele (jüdische) Menschen zu töten, wobei es jeweils nur deshalb beim Versuch der Bestimmung zum Mord blieb, weil die Genannten je vor dem Setzen einer Ausführungshandlung und auch noch vor einer der Ausführung unmittelbar vorangehenden Handlung, sohin hinsichtlich der Begehung des Mordes noch im Vorbereitungsstadium befindlich, bei ihrer Einreise in Israel am 30. Juni 2016 festgenommen wurden,

sohin Taten, die geeignet waren, eine schwere oder länger anhaltende Störung des öffentlichen Lebens oder eine schwere Schädigung des Wirtschaftslebens herbeizuführen, und die er mit dem Vorsatz beging, die Bevölkerung in Israel auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen des Staates Israel ernsthaft zu erschüttern oder zu zerstören;

II. sich im Frühjahr und Sommer 2016 in L***** und an anderen Orten als Mitglied ([richtig] § 278 Abs 3 StGB) an der terroristischen Vereinigung Hamas beteiligt, deren Ziel die Begehung terroristischer Straftaten im Sinne des § 278c Abs 1 StGB, unter anderem Mord, Körperverletzungen nach den §§ 84 bis 87 StGB, vorsätzliche Gemeingefährdungsdelikte, Aufforderung zu terroristischen Straftaten und Gutheißung von terroristischen Straftaten durch ein oder mehrere Mitglieder der Vereinigung zwecks militärischer Beseitigung des Staates Israel und Errichtung eines islamischen Staates ist, indem er im Rahmen ihrer kriminellen Ausrichtung die zu I genannten strafbaren Handlungen beging und sich in dem Wissen beteiligte, dass er dadurch die Vereinigung oder deren strafbare Handlungen förderte, indem er die zu I geschilderten Taten verübte und regelmäßigen Kontakt zu anderen Hamas-Mitgliedern pflegte;

III. am 19. Juli 2016 in W***** Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Vorführung zum Anstaltsarzt, zu hindern versucht, indem er mit Händen und Füßen gegen die Justizwachebeamten Ralf N***** und Philipp St***** schlug, wobei es beim Versuch blieb, weil ihn die Justizwachebeamten überwältigen konnten;

IV. am 2. August 2016 in W***** im Rahmen seiner Haftverhandlung zu AZ ***** des Landesgerichts Krems an der Donau andere dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er diese einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung oder der Verletzung einer Amts- oder Standespflicht falsch verdächtigte, wobei er wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigung falsch ist, und zwar

A. den Arzt der Justizanstalt W*****, Dr. Abdo F*****, indem er behauptete, dieser habe bei einer Untersuchung am 19. Juli 2016 den Justizwachebeamten Philipp St*****, Rainer G***** und Ralf N***** befohlen, ihn zu schlagen, wodurch er eine Platzwunde an der Lippe erlitten habe;

B. die Justizwachebeamten Philipp St*****, Rainer G***** und Ralf N*****, indem er behauptete, diese hätten ihn über Befehl des Arztes der Justizanstalt W*****, Dr. Abdo F*****, geschlagen, wodurch er eine Platzwunde an der Lippe erlitten habe, und ihm mit der Hand den Schritt zusammengedrückt, worauf er Schmerzen im Intimbereich verspürt habe.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO zielt – soweit hier von Bedeutung (Fehler in der Sachverhaltsaufklärung werden nicht behauptet) – darauf, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO iVm § 302 Abs 1 StPO) aufzuzeigen, die nahelegen, dass die Geschworenen das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO iVm § 302 Abs 1 StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780 [T13, T16, T17]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 470, 490).

Eine im dargestellten Sinn qualifizierte Fehlentscheidung wird von der Beschwerde zu Schuldspruch I durch eigene Erwägungen zum Aussageverhalten der Zeugen S***** und Abu Z***** sowie den Hinweis darauf, dass die Zeugen Abu A***** und J***** „nur Zeugen von Hörensagen“ seien, nicht dargetan.

Gleiches gilt in Ansehung der eigenen Beweiswerterwägungen zur Verantwortung des Angeklagten (zu den Schuldsprüchen II, III und IV) und zu den Aussagen der Zeugen Mazen Al***** (zu Schuldspruch II) sowie G***** und St***** (zu Schuldspruch III).

Soweit die Ausführungen der Tatsachenrüge den vom Gesetz verlangten Aktenbezug vermissen lassen, entziehen sie sich einer meritorischen Erledigung (RIS-Justiz RS0117516, RS0117749, RS0119310).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß §§ 285d Abs 1, 344 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof von einem das Konfiskationserkenntnis betreffenden Rechtsfehler (§ 345 Abs 1 Z 13 StPO), der
– weil der Angeklagte diesen Ausspruch (auch) mit Berufung nicht bekämpft hat (vgl RIS-Justiz RS0130617) – von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Das Erstgericht stellte nämlich weder fest, ob der Angeklagte das sichergestellte Mobiltelefon sowie das sichergestellte Tablet jeweils samt Zubehör zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat verwendet oder bestimmt hat oder dass sie hiedurch hervorgebracht worden sind, noch ob diese Gegenstände zur Zeit der Entscheidung im Eigentum des Angeklagten standen (§ 19a Abs 1 StGB). Zudem ist den Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen, ob das Erstgericht die – zwingend vorgesehene (§ 19a Abs 2 StGB) – Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt hat (RIS-Justiz RS0088035).

Demzufolge war das Konfiskationserkenntnis schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm §§ 285e, 344 StPO).

Zunächst wird das Oberlandesgericht über die Berufung zu entscheiden haben (§§ 285i, 344 StPO).

Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht;

Textnummer

E120183

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00127.17A.1206.000

Im RIS seit

28.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

28.12.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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