Entscheidungsdatum
27.10.2017Norm
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2Spruch
W237 2128758-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 31.05.2016, Zl. 740.867.007, zu Recht:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013
idF BGBl. I Nr. 24/2017, iVm § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 68/2017, stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen vier zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen Kindern im April 2004 illegal ins Bundesgebiet und stellte am 24.04.2004 einen Asylantrag. Diesem Antrag gab das Bundesasylamt mit Bescheid vom 07.07.2005 statt und erkannte dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten zu. Seinen Familienangehörigen wurde im Rahmen des Familienverfahrens ebenso Asyl zuerkannt.
2.1. Mit Schreiben vom 29.04.2016 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer mit, dass es aufgrund seiner im Bundesgebiet verübten Straftaten beabsichtige, ihm den Status des Asylberechtigten abzuerkennen, weil aufgrund des von ihm gezeigten Verhaltens feststehe, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde bzw. anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. In diesem Zusammenhang übermittelte das Bundesamt dem Beschwerdeführer aktuelle Länderberichte und stellte mehrere auf seine familiären und privaten Bindungen in Österreich abzielende Fragen, die der Beschwerdeführer innerhalb einer Frist von zwei Wochen schriftlich beantworten könne.
2.2. Der Beschwerdeführer brachte daraufhin mit Schreiben vom 14.05.2016 vor, er sei in den Jahren 2007 bis 2015 nahezu durchgehend erwerbstätig gewesen und habe sich bemüht, seinen Lebensunterhalt nicht nur durch staatliche Unterstützungsleistungen zu bestreiten. Seit dem Jahr 2011 sei er geschieden und habe kein Besuchsrecht zu seinen Kindern; lediglich seinen jüngsten Sohn sehe er hin und wieder. Bis auf seine Kinder seien keine Verwandten von ihm im Bundesgebiet aufhältig. In Tschetschenien lebten drei Brüder, drei Schwestern sowie sein Vater. Der Beschwerdeführer nehme Medikamente gegen Gastritis. Er lebe bereits seit zwölf Jahren in Österreich und könne sich im Alltag leicht ohne Dolmetscher in sämtlichen Lebenssituationen verständigen. Im Jahr 2004 habe er aus Tschetschenien fliehen müssen, weil er dort als ehemaliger Widerstandskämpfer ständigen Repressalien ausgesetzt gewesen und im Rahmen von Säuberungsaktionen wiederholt zu Verhören mitgenommen worden sei. Im Falle seiner Rückkehr nach Tschetschenien drohten ihm daher Probleme seitens russischer oder tschetschenischer Sicherheitskräfte; dies gehe auch aus den ihm übermittelten Länderfeststellungen hervor.
2.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erkannte dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 31.05.2016 den ihm zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 10/2016, ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 leg.cit. fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 leg.cit. erkannte es dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.). Weiters erkannte es ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55 und 57 leg.cit. nicht zu, erließ im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 4 leg.cit. iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 iVm BGBl. I Nr. 84/2015, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 121/2015, und stellte gemäß § 52 Abs. 9 leg.cit. fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 leg.cit. in die Russische Föderation zulässig sei; das Bundesamt hielt in diesem Zusammenhang fest, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 leg.cit. eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 leg.cit. wurde gegenüber dem Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.).
In Zusammenhang mit der Aberkennung des Status des Asylberechtigten stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründend fest, dass der Beschwerdeführer wiederholt Straftaten im Bundesgebiet begangen habe, die – im Rahmen der Beweiswürdigung – als "besonders schwer" eingestuft wurden. Beim Beschwerdeführer scheine "offensichtlich kein Unrechtsbewusstsein vorzuliegen" und es könne nicht ausgeschlossen werden, dass er wieder straffällig werde, zumal er versucht habe, sich durch schweren Betrug und fahrlässige Krida seinen Lebensunterhalt zu sichern; es liege sohin eine negative Zukunftsprognose vor. In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesamt aus, dass § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 die Aberkennung des Status des Asylberechtigten "insbesondere bei Vorliegen der in Art. 1 Abschnitt C GFK angeführten Gründe, etwa wenn sich der Flüchtling freiwillig wieder unter den Schutz des Herkunftsstaats gestellt hat", vorsehe. Laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsse dabei der Wille des Betroffenen bestehen, die Beziehungen zu seinem Herkunftsstaat zu normalisieren und sich wieder unter dessen Schutz zu stellen. Liege ein solcher Wille vor, erübrige sich in der Regel ein Eingehen auf die Erfüllung familiärer Verpflichtungen und ähnlicher Gründe für das Verhalten. Die Zuwendung zum Heimatstaat müsse zudem nachhaltig sein. In diesem Sinne sei dem Beschwerdeführer "gem. § 7 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten abzuerkennen" gewesen. Die Spruchpunkte II. bis IV. begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit näheren Ausführungen.
2.4. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 01.06.2016 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.
3. Der Beschwerdeführer erteilte mit Schreiben vom 03.06.2016 seinem Rechtsberater schriftlich die Vollmacht, ihn im Beschwerdeverfahren zu vertreten. Durch diesen erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 13.06.2016 das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Bescheid vom 31.05.2016. Darin bringt er unter anderem vor, dass die belangte Behörde offenkundig eine falsche Rechtsgrundlage zur Aberkennung seines Asylstatus herangezogen habe, zumal er seit der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht mehr in der Russischen Föderation gewesen sei.
4. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 24.06.2016 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2004 ins österreichische Bundesgebiet und stellte einen Asylantrag. Das Bundesasylamt gewährte ihm mit Bescheid vom 07.07.2005 Asyl und stellte fest, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
1.2. Das Bezirksgericht Innsbruck verurteilte den Beschwerdeführer mit Urteil vom XXXX wegen versuchten Diebstahls gemäß § 15 iVm § 127 StGB (in der damals geltenden Fassung) rechtskräftig zu einer auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 2,– € (25 Tage Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfall).
Das Landesgericht Innsbruck verurteilte den Beschwerdeführer mit Urteil vom XXXX wegen gefährlicher Drohung gemäß § 107 Abs. 1 StGB (in der damals geltenden Fassung) rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 4,– € (90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfall).
Der Beschwerdeführer wurde ein weiteres Mal vom Landesgericht Innsbruck am XXXX wegen gefährlicher Drohung gemäß § 107 Abs. 1 und 2 StGB (in der damals geltenden Fassung) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Aus der Strafhaft wurde der Beschwerdeführer am XXXX auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt entlassen; die endgültige Entlassung erfolgte sodann mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom XXXX .
Das Bezirksgericht Innsbruck verurteilte den Beschwerdeführer weiters am XXXX wegen Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB (in der damals geltenden Fassung) zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat. Aus der Strafhaft wurde der Beschwerdeführer am XXXX auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt entlassen; die endgültige Entlassung erfolgte mit Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom
XXXX .
Dieses verurteilte den Beschwerdeführer neuerlich mit Urteil vom XXXX wegen Verletzung der Unterhaltspflicht gemäß § 198 Abs. 1 StGB (in der damals geltenden Fassung) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten.
Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom XXXX wurde der Beschwerdeführer schließlich wegen betrügerischer Anmeldung zur Sozialversicherung gemäß § 153d Abs. 1 StGB, grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen gemäß § 159 Abs. 1 und 5 Z 4 und 5 StGB, Beitrags zur organisierten Schwarzarbeit gemäß § 12 iVm § 153e Abs. 1 Z 2 StGB sowie versuchten schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach § 15 iVm §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und 148 zweiter Fall StGB (jeweils in der damals geltenden Fassung) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 12 Monaten verurteilt, wobei ihm der Vollzug dieser Strafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
1.3. Der Beschwerdeführer lebt seit dem Jahr 2004 im Bundesgebiet. Seit 2011 ist er geschieden und hat zu seinen minderjährigen Kindern mangels Besuchsrechts wenig bis keinen Kontakt.
2. Beweiswürdigung:
Die obigen Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl und durch Einsichtnahme in das Strafregister. Der Beschwerdeführer hat die festgestellten strafgerichtlichen Verurteilungen zu keinem Zeitpunkt des vorliegenden Verfahrens bestritten. Die unter Pkt. II.1.3. angeführten Feststellungen konnten auf Basis der schriftlichen Stellungnahme des Beschwerdeführers im Verfahren vor der belangten Behörde sowie seiner Beschwerdeausführungen getroffen werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 140/2017 (im Folgenden: BFA-VG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017 (im Folgenden: VwGVG), geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 02.06.2016 durch Hinterlegung zugestellt. Die am 14.06.2016 per Fax übermittelte Beschwerde ist somit gemäß § 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG rechtzeitig.
Zu A)
3.1.1. Das Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 68/2017 (im Folgenden: AsylG 2005), sieht die Aberkennung eines einmal zuerkannten Status des Asylberechtigten unter folgenden Maßgaben vor:
"Aberkennung des Status des Asylberechtigten
§ 7. (1) Der Status des Asylberechtigten ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn
1. ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;
2. einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder
3. der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.
(2) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 wahrscheinlich ist.
(2a) Unbeachtlich der in § 3 Abs. 4 genannten Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung ist ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten jedenfalls einzuleiten, wenn sich aus der Analyse gemäß § 3 Abs. 4a ergibt, dass es im Herkunftsstaat des Asylberechtigten zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist. Das Bundesamt hat von Amts wegen dem Asylberechtigten die Einleitung des Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten formlos mitzuteilen.
(3) Das Bundesamt kann einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt – wenn auch nicht rechtskräftig – nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.
(4) Die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 ist mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen."
Die Bestimmung des § 6 AsylG 2005, auf die in § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 verwiesen wird, lautet:
"Ausschluss von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten
§ 6. (1) Ein Fremder ist von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn
1. und so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt;
2. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt;
3. aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, oder
4. er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.
(2) Wenn ein Ausschlussgrund nach Abs. 1 vorliegt, kann der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. § 8 gilt."
3.1.2. Artikel 1 Genfer Flüchtlingskonvention, BGBl. Nr. 55/1955 (im Folgenden: GFK), hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
"Artikel 1
Definition des Ausdruckes ‚Flüchtling‘
A. Als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens ist anzusehen, wer:
1. gemäß den Vereinbarungen vom 12. Mai 1926 und 30. Juni 1928, den Abkommen vom 28. Oktober 1933 und 10. Februar 1938, dem Protokoll vom 14. September 1939 oder der Verfassung der Internationalen Flüchtlingsorganisation als Flüchtling angesehen worden ist.
Entscheidungen, die von der Internationalen Flüchtlingsorganisation während der Zeit ihrer Tätigkeit über die Anerkennung als Flüchtling getroffen worden sind, werden nicht hindern, daß Personen, die die Bedingungen der Ziffer 2 dieses Abschnittes erfüllen, die Rechtsstellung von Flüchtlingen erhalten;
2. sich infolge von vor dem 1. Jänner 1951 eingetretenen Ereignissen aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Falls jemand mehr als eine Staatsangehörigkeit hat, ist unter dem Heimatland jedes Land zu verstehen, dessen Staatsangehöriger er ist; wenn jemand ohne triftige, auf wohlbegründeter Furcht beruhende Ursache sich des Schutzes eines der Staaten, dessen Staatsangehöriger er ist, nicht bedient, soll er nicht als eine Person angesehen werden, der der Schutz des Heimatlandes versagt worden ist.
B. [ ]
C. Dieses Abkommen wird auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet werden, wenn sie
1. sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt hat; oder
2. die verlorene Staatsangehörigkeit freiwillig wieder erworben hat; oder
3. eine andere Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz ihres neuen Heimatlandes genießt; oder
4. sich freiwillig in dem Staat, den sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen oder nicht betreten hat, niedergelassen hat; oder
5. wenn die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.
Die Bestimmungen der Ziffer 5 sind nicht auf die in Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels genannten Flüchtlinge anzuwenden, wenn sie die Inanspruchnahme des Schutzes durch ihr Heimatland aus triftigen Gründen, die auf frühere Verfolgungen zurückgehen, ablehnen;
6. staatenlos ist und die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen, sie daher in der Lage ist, in ihr früheres Aufenthaltsland zurückzukehren.
Die Bestimmungen der Ziffer 6 sind jedoch auf die in Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels genannten Personen nicht anzuwenden, wenn sie die Inanspruchnahme des Schutzes durch ihr früheres Aufenthaltsland aus triftigen Gründen, die auf frühere Verfolgungen zurückgehen, ablehnen.
[ ]"
3.2. Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Bundesasylamts vom 07.07.2005 Asyl gewährt und damit im Sinne des Asylgesetzes 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
3.2.1. Mit der angefochtenen Entscheidung erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer diesen Status ab und stellte begründend die von ihm im Bundesgebiet begangenen Straftaten (s. Pkt. II.1.2.) fest, die es beweiswürdigend als "besonders schwer" einstufte: Beim Beschwerdeführer scheine "offensichtlich kein Unrechtsbewusstsein vorzuliegen" und es könne nicht ausgeschlossen werden, dass er wieder straffällig werde, zumal er versucht habe, sich durch schweren Betrug und fahrlässige Krida seinen Lebensunterhalt zu sichern; es liege sohin eine negative Zukunftsprognose vor.
Ausweislich des klar formulierten Spruchs des angefochtenen Bescheids und der rechtlichen Beurteilung erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten allerdings "gemäß § 7 Absatz 1 Ziffer 2 Asylgesetz 2005" allein deshalb mit der rechtlichen Begründung ab, dass er sich unter den Schutz seines Herkunftsstaats gestellt habe.
3.2.2. § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 sieht die Aberkennung des Status des Asylberechtigten vor, wenn einer der in Art. 1 Abschnitt C GFK angeführten Endigungsgründe eingetreten ist. Die konkrete Begründung der belangten Behörde, wonach sich der Beschwerdeführer unter den Schutz seines Herkunftsstaats gestellt habe (Art. 1 Abschnitt C Z 1 GFK), findet in den Feststellungen der angefochtenen Entscheidung jedoch keine Deckung. Es traten auch im gesamten Verfahren keine Anhaltspunkte für das Vorliegen dieses Umstands hervor: Der Beschwerdeführer ist seit dem Jahr 2004 in Österreich aufhältig und befand sich nach den bisherigen Ermittlungen zu keinem Zeitpunkt mehr in der Russischen Föderation. Der Aberkennungstatbestand des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 1 GFK ist daher ebenso wenig erfüllt wie die anderen in Art. 1 Abschnitt C GFK angeführten Tatbestände.
Soweit die belangte Behörde – ungeachtet der Anführung der Straftaten des Beschwerdeführers – die Aberkennung des Status des Asylberechtigten ausschließlich auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 stützte, ist die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit aufgrund Nichtvorliegens dieses Tatbestands aufzuheben. Da die Spruchpunkte II. bis IV. des angefochtenen Bescheids auf der Aberkennung des Status des Asylberechtigten aufbauen bzw. diese voraussetzen, sind diese ebenfalls zu beheben.
3.3. Der Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl ist daher in seiner Gesamtheit aufzuheben. Lediglich ergänzend wird festgehalten, dass es der belangten Behörde mit der vorliegenden Entscheidung nicht verwehrt ist, dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten aus einem anderen Grund des § 7 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 1 AsylG 2005 abzuerkennen. Soweit es dabei (sowie bei der allfälligen Erlassung eines Einreiseverbots) aber die Straftaten des Beschwerdeführers ins Treffen zu führen beabsichtigen sollte, wäre auf den seit der letzten Tatbegehung verstrichenen Zeitraum Bedacht zu nehmen; zudem scheint nach – vorläufiger und damit unpräjudizieller – Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts im vorliegenden Zusammenhang kein Fall der (von der belangten Behörde im Bescheid beweiswürdigend angenommenen) "Schwerstkriminalität" vorzuliegen.
4. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann – soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist – das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
Gemäß der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK, dessen Garantien nach Art. 47 Abs. 2 GRC auch im vorliegenden Fall Anwendung finden, kann eine mündliche Verhandlung unter bestimmten Voraussetzungen unterbleiben, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Äußerungen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR 12.11.2002, 28.394/95, Döry vs. Schweden; 8.2.2005, 55.853/00, Miller vs. Schweden).
4.1. Der Verfassungsgerichtshof hat betreffend die Anwendung des § 41 Abs. 7 AsylG 2005, BGBl. I 100/2005 idF BGBl. I 4/2008, (also zur wortidenten Vorgängerbestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG) unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm Art. 52 GRC ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat der Asylwerber hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor dem Bundesasylamt releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof erforderlich, wenn die vom betroffenen Asylwerber bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde an den Asylgerichtshof aufgeworfenen Fragen – allenfalls mit ergänzenden Erhebungen – nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfSlg. 19.632/2012).
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, mit der Frage des Entfalls einer mündlichen Verhandlung unter Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG befasst, wobei dem Grunde nach die zuvor zitierte Judikaturlinie der Höchstgerichte beibehalten wird. Daraus resultierend ergeben sich für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG folgende maßgeblichen Kriterien: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
5.2. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung konnte im vorliegenden Fall eine mündliche Verhandlung schon deshalb entfallen, weil der entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt, nämlich der Umstand, dass der Beschwerdeführer sich seit Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht mehr in die Russische Föderation begab, insoweit unbestritten ist, als sich im Verfahren keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen dieses Umstands ergaben und auch die belangte Behörde dies nicht feststellte. Die daraus resultierende rechtliche Beurteilung war ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen; es taten sich in diesem Zusammenhang auch sonst keine Umstände auf, die in einer Verhandlung mit den Verfahrensparteien zu erörtern gewesen wären.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die angefochtene Entscheidung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl war wegen Rechtswidrigkeit wegen Nichtvorliegens des herangezogenen Tatbestands aufzuheben, was in Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht.
Schlagworte
Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:W237.2128758.1.00Zuletzt aktualisiert am
17.11.2017