TE AsylGH Erkenntnis 2013/07/09 S21 436096-1/2013

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Veröffentlicht am 09.07.2013
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Spruch

S21 436.096-1/2013-3E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. STEININGER, als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Algerien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.06.2013, Zl. 13 06.134-EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gem. §§ 5, 10 des Asylgesetzes 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I.1.1. Die beschwerdeführende Partei ("bP") reiste nicht rechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und brachte am 10.05.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG ein. Dazu wurde sie erstbefragt und vor dem Bundesasylamt (BAA) niederschriftlich einvernommen.

 

I.1.2. Im Wesentlichen brachte die bP vor, dass sie Mitte November 2010 legal mittels Flugzeug von Algier nach Istanbul gereist wäre. Nach 25 Tagen hätte sie mit einem Schlepper und mehreren Personen die türkisch - griechische Grenze überquert. Dort wäre sie von der griechischen Polizei festgenommen worden. Sie wäre erkennungsdienstlich behandelt worden und hätte einen Landesverweis bekommen. Nach 17 Tagen wäre sie nach Athen gefahren und wäre bis vor einem Monat und 20 Tagen immer in "Bengrati" aufhältig gewesen und hätte dort bei einem Ägypter als KFZ Mechaniker gearbeitet.

 

Von Athen wäre sie selbständig mit anderen Arabern über Thessaloniki nach Mazedonien, von dort nach Prishtina im Kosovo und dann weiter nach Serbien gereist. In Prishtina wäre sie in einen Reisezug gestiegen und bis Banja Kovaljaca gefahren, wo sie 4 Tage geblieben wäre. Von Banja Kovaljaca wären sie in einem PKW an die serbisch-ungarische Grenze gefahren und hätten diese illegal zu Fuß überschritten. Unmittelbar darauf wäre sie von der ungarischen Polizei aufgegriffen worden. Das wäre am 25. oder 26.04.2013 gewesen. Sie wäre erkennungsdienstlich behandelt worden und hätte einen Asylantrag gestellt. Nach 3 Tagen Aufenthalt auf einer Polizeistation in Ungarn wäre sie nach Debrecen überstellt worden. Dort wäre sie vor 2 Tagen weggegangen und mit einem Zug nach Budapest und nach Györ gefahren. Sie wäre dann weiter nach Wien gefahren, die Nacht zum 10.05.2013 hätte sie in einem Park in Wien verbracht und wäre am 10.05.2013 mit der Bahn nach Traiskirchen gefahren.

 

Ihre Eltern und viele Verwandte würden in Frankreich leben. Sie könne sich jedoch nicht vorstellen mit den Eltern zusammen zu leben. Ihr Vater habe ihr zweimal Geld geschickt, zuletzt nach Serbien. Sie wäre nur auf der Durchreise nach Frankreich. In Ungarn wäre sie gezwungen worden um Asyl anzusuchen, da sie sonst für 3 Monate in Haft gekommen wäre. Dies hätte ihr der Dolmetsch gesagt. Dieser hätte ihr auch gesagt, dass man einen Antrag stellen und Ungarn dann verlassen könne. In Ungarn gebe es keine Sicherheit im Lager, da man selber auf seine Gegenstände aufpassen müsse. Man wäre dauernd in Gefahr.

 

Mit Telefax vom 21.05.2013 akzeptierte die ungarische Dublinbehörde nach durchgeführter Konsultation die Wiederaufnahme der bP nach Art. 16/1/c der Dublin II-VO.

 

Mit Schreiben der Diakonie vom 06.06.2013 wurde eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen abgegeben. Es wurde dargelegt, dass sich keine Informationen in den Länderberichten finden würden, ob die Bestimmungen auch in der Praxis angewendet werden würden. Aufgrund der deutschen Rechtsprechung wäre davon auszugehen, dass dies nicht der Fall ist. Der neue Bericht von UNHCR enthalte keine Feststellungen zu Ungarn. Die Länderberichte würden keine Informationen über die bevorstehende Novelle im ungarischen Asylrecht enthalten. Es wurde auf den Bericht des Hungarian Helsinki Komitees hingewiesen, wonach nach der Novelle im Juli 2013 wieder eine 6-monatige Inhaftierung für alle Asylwerber bzw. eine 12-monatige Inhaftierung von Asylwerber gegen die bereits eine Ausweisung erlassen worden ist vorgesehen ist. Der bP drohe somit eine Inhaftierung in Ungarn. Die Länderberichte würden keine Feststellungen über die soziale Lage von Flüchtlingen enthalten. Es wurde auf eine Studie von UNHCR aus 2009 verwiesen, wonach Flüchtlinge nach Anerkennung nur 6 Monate Zugang zu einer staatlichen Versorgung hätten. Danach wären sie der Obdachlosigkeit ausgesetzt, welche jedoch mit Strafe bedroht wäre. Es wurde ein Bericht von bordermonitoring.eu über Obdachlosigkeit von Flüchtlingen und eine Pressemitteilung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe vom 12.03.2013. zitiert. Die Nutzung bestimmter öffentlicher Plätze könne demnach zum Übernachten untersagt werden. Nach einem weiteren zitierten Bericht wurde das Leben von etwa 30 - 40 obdachlosen anerkannten Flüchtlingen untersucht und bewertet.

 

I.2.1. Der Antrag der bP wurde mit im Spruch des gegenständlichen Erkenntnisses bezeichneten Bescheid des Bundesasylamtes (in weiterer Folge als "angefochtener Bescheid" bezeichnet) gem. § 5 Abs. 1 AsylG 2005 zurückgewiesen. Für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz ist gemäß Artikel 16/1/c Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Ungarn zuständig (Spruchpunkt I). Weiters wurde die beschwerdeführende Partei gem. § 10 (1) 1 AsylG nach Ungarn ausgewiesen; demzufolge ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der bP gem. § 10 (4) AsylG nach Ungarn zulässig (Spruchpunkt II).

 

I.2.2. Das Bundesasylamt traf im angefochtenen Bescheid Feststellungen zum in Punkt I.2.1 genannten Artikel der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Prüfung des gegenständlichen Asylverfahrens zuständigen Staat zu führenden Asylverfahren, zur Praxis des Non-Refoulement-Schutzes, der Ausweisung und zur Versorgung von Asylwerbern.

 

I.2.3. Das Bundesasylamt führte weiters aus, dass die bP keine glaubhaften Bedenken hinsichtlich einer allfälligen Gefährdung im Fall einer Rückkehr in den unter 1.2.2 bezeichneten Staat geltend gemacht hätte.

 

I.2.4. Zum Vorbringen der bP führte das BAA im Wesentlichen folgend aus:

 

"....

 

Aus Ihren Angaben sind keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass Sie tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Ungarn Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass Ihnen eine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.

 

Bei der Erstbefragung am 10.05.2013 haben Sie im Wesentlichen angeben, dass es im Flüchtlingslager in Ungarn "nicht gut" sei und dort "keine Ordnung" herrsche. Bei der Einvernahme am 04.06.2013 haben Sie dies insofern präzisiert, als es dort "keine Sicherheit im Lager" gebe, "Anarchie" herrsche und man "dauernd auf seine Gegenstände und sein Geld aufpassen" müsse.

 

Diesbezüglich ist zunächst auf die Ausführungen des §5 Abs. 3 AsylG 2005 hinzuweisen: "Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet."

 

In Anlehnung an die angeführte Bestimmung des Asylgesetzes hat der VwGH in einem Erkenntnis vom 26.05.2009, Zl. 2006/20/0237, hinsichtlich der Sicherheitsvermutung betreffend die Slowakei, unter anderem folgendes ausgeführt: "Der Mitbeteiligte schilderte lediglich, ihm sei erzählt worden, dass Leute, die "gekämpft" hätten, ihn verfolgen würden, weil er nicht "gekämpft" habe und weil er zum Christentum konvertiert sei. Konkrete Vorfälle konnte er nicht nennen. Auch in der Berufung wurde insoweit lediglich das erstinstanzliche Vorbringen wiederholt. Dass slowakische Behörden ihn vor einer -als möglich befürchteten- Verfolgung durch andere Tschetschenen nicht schützen könnten oder nicht schützen wollten, geht schon aus diesem Vorbringen nicht hervor und ist auch nicht offenkundig. Das Vorbringen des Mitbeteiligten ist daher nicht ausreichend konkret, die Sicherheitsvermutung die Slowakei betreffend in Frage zu stellen."

 

Ihre Angaben betreffend die Sicherheitsvermutung zu Ungarn stellen sich ebenso unkonkret dar, wie jene in der vorstehend angeführten Vergleichsentscheidung des VwGH zur Slowakei. Abgesehen von einer aufgrund des vorliegenden Sachverhalts nicht ersichtlichen, konkreten und realen Gefährdung Ihrer Person in Ungarn, ist Ihren Angaben keinesfalls mangelnder Schutzwille oder mangelnde Schutzfähigkeit des Staates Ungarn zu entnehmen. Zudem ist auch darauf hinzuweisen, dass Ungarn als sicherer Staat im Sinne des Asylgesetzes anzusehen ist. Sie haben jedenfalls die Möglichkeit, sich in Ungarn an die dortigen Polizeibehörden zu wenden. Dass Ihnen dies -unter objektiven Gesichtspunkten betrachtet- nicht möglich oder zumutbar wäre, hat sich im Verfahren nicht ergeben. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte erfolgt im gegenständlichen Fall keine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte im Falle Ihrer Überstellung nach Ungarn.

 

Zum Vorbringen im gegenständlichen Verfahren, wonach Ihnen in Ungarn Haft gedroht hätte, sofern sie dort keinen Asylantrag gestellt hätten, ist folgendes anzumerken:

 

Weder aus den Angaben im Verfahren, noch aufgrund der allgemeinen Lage in Ungarn haben sich Hinweise ergeben, dass Ihnen in Ungarn in rechtswidriger Weise eine Schubhaft oder sonstige Haft drohen würde. Insbesondere ergibt sich weder aus den Feststellungen zu Ungarn, noch aufgrund sonstiger Erkenntnisse, dass in Ungarn in rechtswidriger Weise über Asylwerber eine Schub- oder sonstige Haft verhängt wird. Zudem liegen weiters keine Hinweise auf eine allgemein menschenrechtswidrige Behandlung von Asylwerbern in Ungarn vor, noch Hinweise darauf, dass das dortige Asylverfahren mit der GFK bzw. der Status-, Verfahrens- oder Aufnahmerichtlinie der EU allgemein oder in der Rechtspraxis in Widerspruch stünden. Es liegen auch keine Informationen über Erkenntnisse von Gerichten anderer Mitgliedstaaten vor, wonach Überstellungen in den zuständigen Mitgliedstaat der EMRK widersprächen.

 

Selbstverständlich ist -so wie in jedem europäischen Land- auch in Ungarn im gesetzlichen Rahmen die Verhängung einer Schubhaft möglich. Aus Ihren in den Raum gestellten Behauptungen im Verfahren, welche Sie zudem nicht weiter zu substantiieren vermochten und aufgrund des gesamten vorliegenden Sachverhalts ergibt sich jedenfalls kein ausreichender Hinweis, dass Ihnen in Ungarn in rechtswidriger Weise eine Schubhaft oder Haft droht.

 

Der Vollständigkeit halber sei weiters darauf hingewiesen, dass es sich im Falle von Ungarn um einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union als einer Rechts- und Wertegemeinschaft und des Europarates handelt, bei welchem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK im gegenständlichen Zusammenhang, nicht eintreten wird. Zudem ist weiters darauf hinzuweisen, dass für Sie auch die Möglichkeit besteht, eine tatsächlich verhängte Schubhaft oder Haft oder auch eine sonstige zur Anwendung gebrachte behördliche Zwangsmaßnahme in Ungarn im Rechtsweg zu bekämpfen. Dass in Ihrem Fall eine solche Möglichkeit nicht bestehen sollte, hat sich im Verfahren ebenfalls nicht ergeben.

 

Somit bleibt zu der von Ihnen lediglich behaupteten in Ungarn drohenden Schubhaft insgesamt festzuhalten, dass sich in diesem Zusammenhang im Verfahren keine ausreichenden Hinweise auf eine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte in Ungarn ergeben haben.

 

Zu der von Ihrem gesetzlich beigestellten Rechtsberater eingebrachten schriftlichen Stellungnahme vom 06.06.2013 ist anzumerken, dass Sie in den in dieser Stellungnahme zitierten Quellen namentlich nicht angeführt sind, weswegen diese keinen direkten Bezug zu Ihrer Person aufweist, sondern lediglich im Hinblick auf die Bewertung der allgemeinen Lage von Asylwerbern bzw. des Asylverfahrens in Ungarn relevant sind. In diesem Zusammenhang ist jedoch auch darauf hinzuweisen, dass die Vorlage allgemeiner Berichte keinesfalls das Erfordernis eines konkreten Vorbringens ersetzt (vgl. VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-7). Ihr individuelles Vorbringen wurde -siehe weiter oben- jedenfalls bereits einer ausführlichen Würdigung unterzogen.

 

Insofern in der schriftlichen Stellungnahme vom 06.06.2013 Entscheidungen deutscher Gerichte zitiert werden, ist anzumerken, dass sich aus diesen Entscheidungen ebenso kein direkter Bezug zu Ihrer Person im gegenständlichen Asylverfahren ergibt, nachdem Sie in den angeführten Entscheidungen namentlich nicht genannt sind. Auch der Verweis auf die angeführten Entscheidungen deutscher Gerichte hat keinen unmittelbaren Einfluss auf die im gegenständlichen Verfahren zu treffende Entscheidung, weil es sich jeweils um eine Einzelfallentscheidung mit individuellen zugrunde liegenden Sachverhalten handelt.

 

Im Übrigen ist auch anzumerken, dass in der schriftlichen Stellungnahme vom 06.06.2013 und den darin angeführten Quellen lediglich negative Aspekte zur Situation in Ungarn erfasst sind und somit die schriftliche Stellungnahme kein objektives Gesamtbild bezüglich des Asylsystems in Ungarn darstellt. Die schriftliche Stellungnahme ist unter diesen Gesichtspunkten und im Hinblick auf die gesamtheitliche Bewertung des Asylwesens in Ungarn einseitig und daher wenig objektiv, weswegen den Feststellungen des Bundesasylamtes zur Bewertung der Lage von Asylwerbern in Ungarn ein größeres Gewicht beizumessen ist, als den Ausführungen in der schriftlichen Stellungnahme vom 06.06.2013, insbesondere auch, nachdem die Feststellungen des Bundesasylamtes zu Ungarn ein ausgewogenes Gesamtbild des ungarischen Asylsystems widergeben, welches unter den weiter oben angeführten Qualitätskriterien erstellt wurde.

 

Die schriftliche Stellungnahme vom 06.06.2013 nimmt auf Seite 2 zudem Bezug auf einen Herrn ARRACHE. Sie selbst haben im gesamten Verfahren niemals behauptet, den Namen ARRACHE zu führen, sodass dies einen Hinweis darstellt, dass die schriftliche Stellungnahme vom 06.06.2013 nicht individuell zu Ihrer Person erstellt wurde, sondern -von wem auch immer- vermutlich einem anderen Asylverfahren entnommen und mehr oder weniger mangelhaft für Ihren Bedarf angepasst wurde, sodass auch dieser Aspekt nicht gerade für die Qualität und Individualität der schriftlichen Stellungnahme spricht.

 

Das Bundesasylamt verkennt nicht, dass im ungarischen Asylwesen Verbesserungsbedarf besteht und einige geplante bzw. bereits erfolgte Novellen zur ungarischen Rechtslage insb. hinsichtlich der Neuregelung der zulässigen Dauer einer Inhaftierung von Asylwerbern sowie der Einführung von Straftatbeständen für den Fall der Obdachlosigkeit bei Nutzung bestimmter öffentlicher Plätze national und international sehr umstritten sind bzw. kritisiert werden. Allerdings und als entscheidungsrelevant ist anzumerken, dass die im gegenständlichen Bescheid bereits angeführten Mindeststandards für Asylwerber in Ungarn erfüllt sind und daher eine Rückverbringung nach Ungarn keine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellt.

 

Der Vollständigkeit halber wird zudem auf folgendes hingewiesen:

 

Neben der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates sind für Ungarn folgende Richtlinien beachtlich:

 

-

Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG) im Hinblick auf die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen.

 

-

Verfahrensrichtlinie (Richtlinie 2005/85/EG des Rates) hinsichtlich der Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft.

 

-

Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2003/9/EG) zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern in den Mitgliedstaaten, einschließlich der Verpflichtung des Partnerstaates für ausreichende medizinische Versorgung und die Gewährung von ausreichenden materiellen Leistungen an Asylwerbern, welche die Gesundheit und den Lebensunterhalt der Asylsuchenden gewährleisten. Insbesondere gewährleisten die Mitgliedstaaten in jedem Fall Zugang zur medizinischen Notversorgung.

 

Gegen Ungarn hat die Europäische Kommission kein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 des EG-Vertrages wegen Missachtung der Status-, Verfahrens- oder Aufnahmerichtlinie eingeleitet.

 

Insofern ergibt sich aus diesem Umstand -ebenso wie aus dem sonstigen Amtswissen- kein Hinweis, dass Ungarn die vorstehend angeführten Richtlinien nicht in ausreichendem Maß umgesetzt hätte oder deren Anwendung nicht in ausreichendem Umfang gewährleisten würde. Unter diesen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ergibt sich in Ihrem Fall kein Hinweis auf eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verletzung Ihrer durch die vorstehend angeführten Richtlinien gewährleisteten Rechte in Ungarn im Falle Ihrer Überstellung in dieses Land.

 

Die bloße Möglichkeit, einer dem Art 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt zudem nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsver-letzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR 04.02.2005, Mamatkulov & Askarov v Türkei, 46827, 46951/99, 71-77).

 

Unter diesen Gesichtspunkten ist festzuhalten, dass sich im Verfahren keine Anhaltspunkte für eine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Ungarn ergeben haben. Weiters ist festzuhalten, dass Sie im Verfahren keine konkreten auf Sie persönlich bezogenen Umstände glaubhaft gemacht haben, die gerade in Ihrem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall Ihrer Abschiebung nach Ungarn als wahrscheinlich erscheinen lassen. Aus diesem Grund kann nicht davon ausgegangen werden, dass Sie tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Ungarn Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass Ihnen eine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.

 

Unter Beachtung des Aspektes, dass sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union untereinander im Sinne einer normativen Vergewisserung (VfGH 17.06.2005, B 336/05) als sichere Staaten für AsylwerberInnen ansehen, was jedenfalls insbesondere auch beinhaltet, dass Art. 3 EMRK gewährleistete Rechte eines Antragstellers in einem Mitgliedsstaat nicht verletzt werden und mangels sonstigem Hinweis darauf, dass dies speziell in Ihrem Fall in Ungarn nicht gegeben sein könnte, haben sich im Verfahren weder Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts, noch für die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen durch das Bundesasylamt zur allgemeinen und zu Ihrer besonderen Lage in Ungarn ergeben.

 

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass sich Ungarn mit Schreiben vom 16.05.2013 ausdrücklich bereit erklärt hat, Sie im Rahmen der Verpflichtungen aus der Dublin Verordnung zur Prüfung Ihres Asylantrages zu übernehmen und es kann daher nicht erkannt werden, dass Ihnen der Zugang zum Asylverfahren in Ungarn verweigert werde. Eine Schutzverweigerung in Ungarn kann daher auch nicht erwartet werden."

 

I.3. Gegen den angefochtenen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 25.06.2012 Beschwerde eingebracht, in welcher im Wesentlichen der bereits vorgebrachte Sachverhalt wiederholt wurde. Neu vorgebracht wurde, dass es im Lager in Ungarn ständig zu Auseinandersetzungen gekommen wäre.

 

Es wurden dieselben Berichte beigebracht wie in der Stellungnahme vom 06.06.2013. Zusammenfassend wurde dargelegt, dass Flüchtlinge nach der Anerkennung nur 6 Monate lang versorgt würden. Nachher wären sie obdachlos. Sie würden keine staatliche Unterstützung erhalten. Zudem wäre Obdachlosigkeit mit Strafe belegt, weshalb eine Abschiebung nach Ungarn Art. 3 EMRK verletze.

 

Es wurde der Antrag gestellt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

 

I.4. Am 08.07.2013 erfolgte durch den zuständigen Richter eine Sichtung des Aktes. Hierbei wurde festgestellt, dass der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen ist.

 

I.5. Hinsichtlich des weiteren Verfahrensherganges und Vorbringens der Verfahrensparteien im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524).

 

I.6. Das erkennende Gericht geht von folgendem erwiesenen Sachverhalt aus:

 

I.6.1 Die bP ist StA von Algerien. Festgestellt wird, dass die bP am 22.04.2013 unter der im Eurodac-System einliegenden Zahl HU133...., in Ungarn einen Asylantrag gestellt hat. Die bP führte aus, dass sie vorher mehr als ein Jahr in Griechenland aufhältig gewesen wäre, ohne dort jedoch einen Asylantrag zu stellen. Während der Prüfung ihres Antrages in Ungarn reiste die bP in Österreich ein und stellte hier einen Antrag auf internationalen Schutz. Der entsprechende Sachverhalt wurde der ungarischen Dublinbehörde im Konsultationsverfahren mitgeteilt und erklärte sich Ungarn mit Schreiben vom 16.05.2013 gemäß Art. 16 1 c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Führung des Asylverfahrens der bP für zuständig.

 

I.6.2. In Bezug auf Ungarn ist die Verordnung 2003/343/EG zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen gestellten Asylantrags in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ABl. L 50 vom 25.2.2003, S. 1 anwendbar.

 

I.6.3. Ebenso sind in Bezug auf Ungarn anwendbar:

 

-

die Richtlinie 2004/83/EG über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12 (Statusrichtlinie)

 

-

Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft, ABl. L 326, S 13 (Verfahrensrichtlinie)

 

-

Richtlinie 2003/9/EG zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern in den Mitgliedstaaten, ABl. 2003 L 31, S 18 (Aufnahmerichtlinie)

 

I.6.3.1. Das Ziel der Statusrichtlinie ist die Festlegung von Mindestnormen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz (gem. Art. 2 lit a leg. cit ist als "internationaler Schutz" die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus zu verstehen) benötigen, sowie des Inhalts des zu gewährenden Schutzes (Art. 1) und enthält hierfür die entsprechenden rechtlichen Garantien.

 

I.6.3.2. Die Verfahrensrichtlinie stellt ua. sicher, dass die Asylbehörde ihre Entscheidung über einen Asylantrag nach angemessener Prüfung trifft. Zu diesem Zweck stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Anträge einzeln, objektiv und unparteiisch geprüft und entschieden werden (Art. 8 (2) a) und die Entscheidungen über Asylanträge schriftlich ergehen, dass bei der Ablehnung eines Antrags die sachlichen und rechtlichen Gründe dafür in der Entscheidung dargelegt werden und Asylwerber schriftlich darüber informiert werden, wie eine ablehnende Entscheidung angefochten werden kann (Art. 9 (1) u. (2)). Die Verfahrensrichtlinie stellt weiter sicher, dass Asylbewerber das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht oder Tribunal gegen eine Entscheidung über ihren Asylantrag ...haben (Art. 39 (1)).

 

I.6.3..3. Gem. den Artikeln 15 und 20 der Aufnahmerichtlinie ist der hier zuständige Partnerstaat verpflichtet, für eine ausreichende medizinische Versorgung von kranken Asylwerbern zu sorgen, sowie bei Opfern von Folter und Gewalt im Bedarfsfall eine Behandlung bereitzustellen, die für Schäden, die durch Folter, Vergewaltigung oder andere schwere Gewalttaten erlitten wurden, erforderlich ist.

 

Ebenso ist der hier zuständige Partnerstaat nach der Aufnahmerichtlinie verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass Asylsuchende ab Antragstellung materielle Leistungen erhalten, die einem Lebensstandard entsprechen, welcher Gesundheit und Lebensunterhalt der Asylsuchenden gewährleistet (Artikel 13).

 

Nach dieser Richtlinie soll die Unterbringung das Familienleben schützen, sowie Kommunikation mit oder Zugang zu Rechtsberatern, UNHCR und NGOs ermöglichen. Die Mitgliedstaaten sind kraft der Richtlinie verpflichtet, Gewalt in Sammelunterkünften zu verhüten. Das in Einrichtungen eingesetzte Personal muss angemessen geschult sein, und die Asylsuchenden können an der Verwaltung der Unterbringungszentren beteiligt werden. Minderjährige sollten zusammen mit ihren Eltern oder Familienangehörigen untergebracht werden.

 

Gem. Art. 16 (3) und (4) der Aufnahmerichtlinie können die Mitgliedstaaten Sanktionen für grobe Verstöße gegen die Vorschriften der Unterbringungszentren und grob gewalttätiges Verhalten festlegen. Die Mitgliedstaaten gewährleisten in jedem Fall Zugang zur medizinischen Notversorgung.

 

I.6.4. Gegen Ungarn hat die die Europäische Kommission kein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art.260 AEUV (vormals Art. 226 des EG-Vertrag) wegen Verletzung der Status-, Verfahrens-, oder Aufnahmerichtlinie eingeleitet.

 

I.6.5. Zusammengefasst ist festzustellen, dass in Ungarn von einer unbedenklichen asylrechtlichen Praxis, der Beachtung des Non-Refoulements-Schutzes, der Existenz einer Grund- und Gesundheitsversorgung, sowie einer unbedenklichen Sicherheitslage ausgegangen werden kann. Ebenso vertritt Ungarn in Bezug auf die Auslegung der GFK, der Status-, Verfahrens- und Aufnahmerichtlinie, sowie der Beurteilung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat des BF keine relevanten Sonderpositionen innerhalb der Europäischen Union.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II. 1. Beweiswürdigung

 

Der festgestellte Sachverhalt wird aufgrund der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt als erwiesen angenommen. Die bP trat den Feststellungen des Bundesasylamtes, welche zusammengefasst ebenfalls zu den unter 1.6.5. getroffenen Feststellungen nicht im Widerspruch stehen, sondern dort ihre Bestätigung finden, nicht ausreichend konkret und substantiiert entgegen, um die Überzeugung des erkennenden Gerichts von deren Richtigkeit zu erschüttern. Die bP trat diesen Feststellungen weder auf gleichem fachlichem Niveau entgegen, noch zeigte sie Unschlüssigkeiten oder Widersprüche in den Feststellungen des Bundesasylamtes auf.

 

Das erkennende Gericht sieht aufgrund der oa. Ausführungen die unter

1.6.5. getroffenen zusammengefassten Ausführungen als erwiesen an.

 

Soweit die bP in der Beschwerde nun erstmalig und neu vorbringt, dass es im Lager in Ungarn ständig zu Auseinandersetzungen gekommen ist, wird festgestellt, dass - ungeachtet der Prüfung der Glaubwürdigkeit - diese neue Tatsache dem Neuerungsverbot gemäß § 40 AsylG 2005 unterliegt. Aus dieser Behauptung und dem sonstigen Akteninhalt ist nicht zu entnehmen, dass sich der Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, "nach" der Entscheidung erster Instanz entscheidungsrelevant geändert hat (Z 1); das Verfahren erster Instanz wurde ordnungsgemäß durchgeführt und ist nicht zu beanstanden (Z 2); ungeachtet der Glaubwürdigkeit dieses nunmehrigen Vorbringens wäre diese Tatsache bis zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde der bP zugänglich gewesen (Z 3); es ergaben sich auch keine Hinweise das die bP nicht in der Lage war diese Tatsache schon im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen, zumal sie in wiederholt stattgefundenen Einvernahmen dazu Gelegenheit hatte (Z 4).

 

Ebenso fand die letzte Einvernahme vor dem BAA am 04.06.2013 statt und der Bescheid wurde erst am 19.06.2013 erlassen. Wäre es der bP tatsächlich ein ernsthaftes Bedürfnis gewesen, sich in der o.a. Art zu äußern, wäre ihr dies somit auch noch nach Beendigung der letzten Einvernahme bis zur Erlassung des Bescheides durch die belangte Behörde möglich gewesen. Von einem durchschnittlich sorgfältigen Asylwerber mit dem Wissen und Fähigkeiten der bP wäre daher ein solches Verhalten zu erwarten gewesen, etwa durch die ehest mögliche Einbringung eines Schriftsatzes beim BAA, allenfalls unter Beiziehung einer in Asylfragen versierter Person oder Organisation. Dass die bP zur Kontaktaufnahme zu einer solchen Person oder Organisation befähigt ist, beweist etwa die Konzeption der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid, welche unter Beiziehung einer solchen Person oder Organisation zustande kommen konnte. Zudem kontaktierte die bP auch bereits für ihre Stellungnahme vom 06.06.2013 die ARGE Rechtsberatung.

 

Da das im vorgenannten Absatz geschilderte, der bP mögliche und zumutbare, Verhalten unterblieb, geht der AsylGH davon aus, dass die bP durch diese Beschwerdeangaben lediglich ihren -durch das nicht rechtskräftig abgeschlossene Asylverfahren legalisierten- Aufenthalt missbräuchlich zu verlängern versucht (VwGH 27.9.2005, 2005/01/0313).

 

Auch die in der Beschwerde und in der Stellungnahme zitierte Studie von UNHCR aus dem Jahr 2009 von vornherein nicht geeignet, die wesentlich aktuelleren Feststellungen des BAA zu Ungarn in Zweifel zu ziehen (zur den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle vgl. etwa Erk. d. VwGH v. 4.4.2001, Gz. 2000/01/0348). Insbesondere wird durch diese Studie bzw. in der Beschwerde in keiner Weise substantiiert dargetan, inwieweit sich daraus eine menschenunwürdige Behandlung konkret für sie selbst ergeben soll.

 

II.2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

II.2.1. Zuständigkeit

 

Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idgF entscheidet der

Asylgerichtshof ... über... Beschwerden gegen Bescheide des

Bundesasylamtes, woraus sich im gegenständlichen Verfahren die Zuständigkeit des AsylGH ergibt.

 

II.2.2. Entscheidung durch den Einzelrichter

 

2. Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idgF entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. [.....]

 

(2) [.....]

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a)...

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c)

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Aufgrund der oben zitierten Bestimmung ist über die gegenständliche Beschwerde gem. § 61 Abs. 3 Z 1 lit. b und Z2 durch den Einzelrichter zu entscheiden.

 

II.2.3. Anzuwendendes Verfahrensrecht

 

Gem. § 23 (1) des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 idgF, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51 idgF, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die erkennende Gericht, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gem. § 73 (1) Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF tritt dieses Gesetz mit der Maßgabe des § 75 (1) und (8) leg. cit in Kraft, wonach alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen sind.

 

Im gegenständlichen Fall war das Verfahren am 31.12.2005 nicht anhängig. Ebenso hat das Bundesasylamt mit im Spruch ersichtlichen Bescheid entschieden, weshalb das AsylG idF BGBl I Nr. 38/2011 anzuwenden ist.

 

II.2.4.1. § 5 AsylG lautet:

 

"(1) Ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet."

 

§ 10 AsylG idgF lautet:

 

" (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird;

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird;

 

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

 

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

(2) Ausweisungen nach Abs. 1 sind unzulässig, wenn

 

1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder

 

2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

a) die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

 

b) das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

 

c) die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

 

d) der Grad der Integration;

 

e) die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden;

 

f) die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

 

g) Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

 

h) die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

 

i) die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

 

(4) Eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

(5) Über die Zulässigkeit der Ausweisung ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

(6) Ausweisungen nach Abs. 1 bleiben binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht.

 

(7) Wird eine Ausweisung durchsetzbar, gilt sie als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, und hat der Fremde binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein Rückkehrverbot erlassen wurde und für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 oder § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 38 durchführbar wird; in diesen Fällen hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

(8) Mit Erlassung der Ausweisung ist der Fremde über seine Pflicht zur unverzüglichen oder fristgerechten Ausreise und gegebenenfalls über die Möglichkeit eines Antrages auf Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise bei der örtlich zuständigen Fremdenpolizeibehörde (§ 55a FPG) zu informieren, insbesondere auf Rückkehrhilfe, sowie auf mögliche fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung (§ 46 FPG) hinzuweisen."

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist somit ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.2.2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Aufgrund des aus dem Akteninhalt ersichtlichen Datums der Asylantragstellung bezieht sich in casu § 5 AsylG auf die Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.2.2003 (Dublin II), da gemäß Artikel 29 leg. cit. diese Verordnung auf Asylanträge anwendbar ist, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten - dies ist der 1.9.2003 - gestellt werden.

 

Weiters ist gemäß § 10 Abs 1 Z1 AsylG die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs 3 und Abs 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden.

 

II.2.4.1. § 28 AsylG lautet:

 

"(1) Ist der Antrag voraussichtlich nicht zurückzuweisen, ist das Verfahren zuzulassen, soweit das Verfahren nicht vor Zulassung inhaltlich entschieden wird. Die Zulassung erfolgt durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte (§ 51); eines Bescheides bedarf es dann nicht. Die Zulassung steht einer späteren zurückweisenden Entscheidung nicht entgegen.

 

(2) Entscheidet das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach Einbringen des Antrags auf internationalen Schutz, dass der Antrag zurückzuweisen ist, ist der Antrag zuzulassen, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Dublin - Verordnung oder eines Vertrages über die Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz geführt. Das Führen solcher Konsultationen ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen. Diesfalls gilt die 20-Tages-Frist nicht. Diese gilt überdies nicht, wenn der Asylwerber am Verfahren nicht mitwirkt, dieses gegenstandslos wird oder er sich diesem entzieht. Ist der Asylwerber aus in seiner Person gelegenen Gründen nicht in der Lage, am Verfahren mitzuwirken, ist der Lauf der Frist nach Satz 1 gehemmt.

 

(3) Eine Stattgebung oder Abweisung des Antrags im Zulassungsverfahren ersetzt die Zulassungsentscheidung (Abs. 1). Wird der Antrag im Zulassungsverfahren abgewiesen, gilt dieser Antrag als zugelassen, wenn oder sobald der Beschwerde gegen diese Entscheidung aufschiebende Wirkung zukommt.

 

(4) Dem Asylwerber in der Erstaufnahmestelle ist eine ärztliche Untersuchung zu ermöglichen."

 

§ 29 AsylG lautet:

 

"(1) Zulassungsverfahren sind mit Einbringen von Anträgen auf internationalen Schutz zu beginnen und in einer Erstaufnahmestelle des Bundesasylamtes zu führen, soweit sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt. § 17 Abs. 3 und 6 gilt. Unverzüglich nach Einbringung des Antrages ist dem Asylwerber eine Orientierungsinformation und eine Erstinformation über das Asylverfahren in einer ihm verständlichen Sprache zu geben.

 

(2) Nach Einbringung des Antrags auf internationalen Schutz hat binnen 48 - längstens jedoch nach 72 - Stunden eine Befragung des Asylwerbers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (§ 19 Abs. 1) zu erfolgen, soweit eine solche Befragung im ausreichenden Umfang nicht bereits im Rahmen der Vorführung erfolgt ist. Samstage, Sonntage und gesetzliche Feiertage hemmen die Frist gemäß Satz 1.

 

(3) Nach Durchführung der notwendigen Ermittlungen hat die Behörde je nach Stand des Ermittlungsverfahrens

 

1. dem Asylwerber eine Aufenthaltsberechtigungskarte (§ 51) auszufolgen;

 

2. seinem Antrag auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten stattzugeben (§ 3);

 

3. dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 63 Abs. 2 AVG) mitzuteilen, dass beabsichtigt ist, seinem Antrag auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) stattzugeben und bezüglich des Status des Asylberechtigten abzuweisen;

 

4. dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 63 Abs. 2 AVG) mitzuteilen, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen (§§ 4, 5 und § 68 Abs. 1 AVG) oder

 

5. dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 63 Abs. 2 AVG) mitzuteilen, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen.

 

(4) Bei Mitteilungen nach Abs. 3 Z 3 bis 5 hat die Behörde den Asylwerber zu einem Rechtsberater zu verweisen. Dem Asylwerber ist eine Aktenabschrift auszuhändigen und eine 24 Stunden nicht zu unterschreitende Frist zur Vorbereitung einzuräumen. Der Asylwerber und der Rechtsberater sind unter einem zu einer Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs nach Verstreichen dieser Frist zu laden. In dieser Frist hat eine Rechtsberatung (§§ 64, 65) zu erfolgen; dem Rechtsberater ist unverzüglich eine Aktenabschrift, soweit diese nicht von der Akteneinsicht ausgenommen ist (§ 17 Abs. 3 AVG), zugänglich zu machen (§ 57 Abs. 1 Z 3). Die Rechtsberatung hat, wenn der Asylwerber in der Erstaufnahmestelle versorgt wird, in dieser stattzufinden. Wird der Asylwerber angehalten, kann die Rechtsberatung auch in den Hafträumen erfolgen.

 

(5) Bei der Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs hat der Rechtsberater anwesend zu sein. Zu Beginn dieser Einvernahme ist dem Asylwerber das bisherige Beweisergebnis vorzuhalten. Der Asylwerber hat die Möglichkeit, weitere Tatsachen und Beweismittel anzuführen oder vorzulegen."

 

Im gegenständlichen Fall ergeben sich keine Hinweise, dass durch das Bundesasylamt nicht gem. den Bestimmungen der §§ 28 und 29 AsylG vorgegangen wäre.

 

II.2.4.3. Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Unionsrechts (vgl Art. 78 AEUV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebensowenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

Es ist daher zunächst zu überprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw 14 und Art. 15 Dublin II VO zuständig ist oder die Zuständigkeit bei ihm selbst nach dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO (erste Asylantragstellung) liegt und sich so eine Verpflichtung zur Aufnahme bzw. Wiederaufnahme der bP gem. Art. 16 ff Dublin II VO eines Partnerstaates ergibt.

 

Im vorliegenden Fall ist dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass eine Zuständigkeit Ungarns gemäß Art. 16/1/c der Dublin II VO vorliegt. Eine solche Zuständigkeit wurde von Ungarn auch ausdrücklich anerkannt.

 

Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der unionsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei. Das Bundesasylamt hat auch in der Begründung dieses Ersuchens nichts Wesentliches verschwiegen. Das Bundesasylamt hat auch dargelegt, warum es von der Zuständigkeit des hier zu prüfenden Partnerstaates ausgeht.

 

Im Lichte des Art. 7 VO 1560/2003 ergibt sich auch keine Verpflichtung seitens der beteiligten Mitgliedstaaten oder seitens der Regelungen der Dublin II VO, dass die Überstellung in einer Weise durchgeführt wird, die potentiell belastenden Zwangscharakter aufweist.

 

Hinweise auf weitere, die Zuständigkeit Ungarns ausschließende Rechtsgrundlagen und Sachverhalte konnten bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht erkannt werden, wobei hier vom entscheidenden Mitglied bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des erstinstanzlichen Bescheides auch Art. 15 Dublin II VO mitberücksichtigt wurde.

 

Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher - entsprechend den Ausführungen in der Beschwerde - noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre. Dazu vertrat der Verfassungsgerichtshof die Auffassung, dass Österreich, um Verletzungen der Art. 3 und 8 MRK zu vermeiden, von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müsse (VfSlg. 16.122/2001; vgl. weiters VfSlg. 16.160/2001 sowie VfGH 11.6.2001, B 308/00;

11.6.2001, B 1247/00; 11.6.2001, B 1351/00; 11.6.2001, B 1749/00;

26.11.2001, B 901/01). Dieser Rechtsansicht schloss sich der Verwaltungsgerichtshof an (VwGH 23.1.2003, 2000/01/0498 - verst. Sen. und die folgende stRsp., zuletzt VwGH 31.3.2005, 2002/20/0582;

30.6.2005, 2002/20/0276; 24.11.2005, 2002/20/0377). Nach Ansicht beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts gilt nichts anderes für das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-V (VfGH 15.10.2004, G 237/03 ua.; 17.6.2005, B 336/05; VwGH 31.5.2005, 2005/20/0095), sodass sich die Rechtsprechung zur alten auf die neue Rechtslage übertragen lässt (VwGH 31.5.2005, 2005/20/0095).

 

II.2.4.4. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK

 

Familiäre Bezüge in Österreich sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig - schon aufgrund der relativ kurzen Aufenthaltsdauer - schützenswerte Aspekte des Privatlebens wie beispielsweise eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer (vgl. VfGH 26.02.2007, ZI 1802, 1803/06-11; VfGH 10.03.2011, B1565/10). Derartige Umstände sind auch von der bP zu keinem Zeitpunkt behauptet worden.

 

II.2.4.5. Prüfung der Sicherheit von Ungarn, mögliche Verletzung von Art. 3 EMRK

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Unionsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall unionsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO zwingend geboten sei (vgl. hierzu auch Erk. d. VwGH vom 23.1.2007, 2006/01/0949).

 

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl. auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Maßgeblich ist, ob aufgrund eines solchen Vorbringens eine individuelle Gefahrenprognose zu treffen ist, wonach der Asylwerber in dem nach der Dublin II VO zuständigen Mitgliedstaat im Fall der Berechtigung seines Schutzbegehrens, also der Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Bedrohungsbildes der realen Gefahr einer unzulässigen Kettenabschiebung in den Herkunftsstaat ausgesetzt wäre.

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025).

 

Weiterhin hatte das erkennende Gericht folgende Umstände zu berücksichtigen:

 

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die unionsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Unionsrechts entstehen.

 

Zur effektiven Umsetzung des Unionsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Unionsrechts verpflichtet.

 

Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine rea

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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