TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/30 2002/20/0276

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Veröffentlicht am 30.06.2005
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/02 Staatsbürgerschaft Staatenlosigkeit;

Norm

AsylG 1997 §5 Abs1 idF 1999/I/004;
AsylG 1997 §5 idF 1999/I/004;
Dubliner Übk 1997 Art3 Abs4;
MRK Art8;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2002/20/0277 2002/20/0278

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerden 1. der N, geboren 1967, 2. der I, geboren 1988, und 3. des A, geboren 1991, alle in W, vertreten durch Mag. Thomas Lechner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 20, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. Februar 2002, Zl. 225.928/0- VIII/22/02, und vom 6. Februar 2002, Zlen. 225.930/0-VIII/22/02 und 225.929/0-VIII/22/02, betreffend § 5 AsylG (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat jeder der beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführenden Parteien, Staatsangehörige der Ukraine, reisten am 9. August 2001 zusammen mit dem Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater der zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien (vgl. zu diesem das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2002/20/0279) von Ungarn kommend in das Bundesgebiet ein. Sie verfügten - im Gegensatz zum Ehemann bzw. Vater, der mit einem österreichischen Visum einreiste - über ein Visum der Bundesrepublik Deutschland. Am 23. August 2001 beantragten die beschwerdeführenden Parteien in Österreich Asyl.

Mit Bescheid vom 9. Jänner 2002 wies das Bundesasylamt die Asylanträge der beschwerdeführenden Parteien gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück. Es stellte fest, für die Prüfung der Anträge sei gemäß Art. 5 Abs. 2 des Dubliner Übereinkommens (DÜ) Deutschland zuständig, und wies die beschwerdeführenden Parteien nach Deutschland aus.

Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Parteien gegen den Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ab.

Dagegen richten sich die vorliegenden Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

In den angefochtenen Bescheiden wird nicht darauf eingegangen, ob für die Behandlung des Asylantrages des zusammen mit den beschwerdeführenden Parteien eingereisten Ehemanns bzw. Vaters der beschwerdeführenden Parteien Deutschland oder Österreich zuständig ist. In dem mit dem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2002/20/0279, aufgehobenen Bescheid hat die belangte Behörde allerdings die Auffassung vertreten, auch für die Prüfung des Asylantrages des Ehemanns bzw. Vaters der beschwerdeführenden Parteien sei Deutschland zuständig. Diese Beurteilung beruhte, wie in dem erwähnten Erkenntnis näher dargelegt wird, auf einer Verkennung der Rechtslage. Unter dem Gesichtspunkt des deshalb nicht erkannten Erfordernisses, aus Gründen des Art. 8 EMRK allenfalls vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 4 DÜ Gebrauch zu machen, belastet das auch die hier angefochtenen Bescheide mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde hat sich in den angefochtenen Bescheiden darüber hinaus auf inzwischen überholte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes berufen, der zufolge eine asylwerbende Partei die Wahrnehmung der vertraglichen Unzuständigkeit Österreichs nach dem DÜ nicht mit dem Argument, Gründe des Art. 8 EMRK erforderten die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes, bekämpfen konnte (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. Jänner 2003, Zl. 2000/01/0498). Mit den - bei richtiger rechtlicher Beurteilung - in den vorliegenden Fällen zu prüfenden Gesichtspunkten des Art. 8 EMRK hat sich die belangte Behörde auch deshalb nicht auseinander gesetzt.

Die angefochtenen Bescheide waren aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 30. Juni 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002200276.X00

Im RIS seit

02.09.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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