TE AsylGH Erkenntnis 2013/05/03 S15 432045-1/2013

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Veröffentlicht am 03.05.2013
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Spruch

S15 432.045-1/2013/3E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Alice Höller als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, StA. Nigeria gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.01.2013, Zl. 12 17.681 EAST-West, zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011 als unbegründet abgewiesen.

 

II. Gemäß § 41 Abs. 6 leg. cit. wird festgestellt, dass die Ausweisung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

 

The Asylum Court, through Judge Mag. Alice Höller sitting alone, regarding the complaint lodged by OSAMUDIAME Osagie Best, born on 18.04.1988, nationality Nigeria, against the notice of decision issued by the Federal Asylum Office on 04.01.2013, file number 12

17.681 EAST-West, has found:

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Verfahrensgang vor dem Bundesasylamt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt des Bundesasylamtes.

 

2. Der nunmehrige Beschwerdeführer stellte am 03.12.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 05.12.2012 hat vor Organen der Polizeiinspektion XXXX eine Erstbefragung stattgefunden.

 

Im Zuge dieser Einvernahme erklärte der Genannte, ursprünglich am 18.08.2008 mit einem Pkw von Nigeria in den benachbarten Niger gefahren zu sein. Einige Monate später wäre er auf dieselbe Weise nach Libyen gelangt und habe er sich auch in diesem Staat einige Monate lang aufgehalten, bevor er schließlich im Oktober 2008 mit einem Boot über XXXX nach Italien übergesetzt sei. Unmittelbar nach seiner Ankunft von lokalen Sicherheitskräften aufgegriffen, hätte der Asylwerber die folgenden drei bis vier Tage in Polizeigewahrsam verbracht, bevor man ihn in einer Betreuungseinrichtung untergebracht habe. Sechs Monate später wäre der Antragsteller aus nicht näher genannten Gründen wieder auf der Straße gelandet und hätte er sich ungefähr ein Jahr lang einfach so durchgeschlagen. Anschließend sei er dann mit dem Zug in die Schweiz gefahren, wo er in weiterer Folge um internationalen Schutz angesucht habe. Ein Jahr später wäre das Verfahren des Beschwerdeführers negativ finalisiert worden und dessen Flugabschiebung nach Italien erfolgt. In XXXX unmittelbar nach seinem Eintreffen in eine Polizeidienststelle überstellt "haben sie mir gesagt, dass ich gehen kann" (Seite 21 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Nach einem weiteren Jahr auf der Straße hätte der Rechtsmittelwerber in der italienischen Hauptstadt am 02.12.2012 abermals einen Zug bestiegen, diesmal mit der Zieldestination XXXX. Dort angekommen habe ein unbekannter Afrikaner ihm den Weg nach XXXX gezeigt. Zur Reise nach Österreich hätte sich der Genannte deshalb entschlossen, zumal "ich in Italien keinen Schlafplatz hatte und ich andauernd auf der Straße war" (Seite 21 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). In gegenständlichem Mitgliedsland verfüge er zwar über einen "Permesso di Sigorno" aufgrund eines positiven Verfahrensausganges, aber könnte es sein, dass dieser 2013 seine Gültigkeit verliere. Eine Rückkehr nach Italien erscheine dem Antragsteller aber wenig attraktiv, "weil ich dort keine Zukunft habe" (Seite 23 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).

 

In sein Heimatland wolle der Asylwerber aber ebensowenig zurückkehren, zumal er dort um sein Leben fürchten müsse. "Ich habe Nigeria verlassen, weil ich sehr viel Stress hatte" (Seite 23 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Konkret habe sein Vater nach der Scheidung von seiner Mutter die Familie verlassen. Als ältester Sohn wäre dem Beschwerdeführer nunmehr die Rolle des Oberhaupts und Versorgers zugekommen und hätte sein Vater zudem von ihm verlangt, seine Religion des XXXX zu übernehmen. Als gläubiger Christ habe der Rechtsmittelwerber aber seine Zustimmung verweigert. "Mein Vater ist quasi der Gott von dem Glauben. Deshalb habe ich mein Land verlassen" (Seite 23 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).

 

3. Basierend auf den vorliegenden Personaldaten kam eine entsprechende EURODAC - Abfrage zu dem Ergebnis, dass der Genannte insgesamt dreimal, am XXXX sowie zuletzt am XXXX, in der Schweiz um internationalen Schutz angesucht hat (vgl. Seite 7 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).

 

4. Ein daraufhin in weiterer Folge am 06.12.2012 an die Schweiz übermitteltes Ersuchen um Wiederaufnahme des Asylwerbers gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 (Dublin II VO), welches noch am selben Tag elektronisch über DubliNET übermittelt wurde, wurde seitens des eben genannten Mitgliedslandes mit Schreiben vom 07.12.2012 abgelehnt (vgl. Seite 73 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Begründend wurde ausgeführt, dass der Genannte am XXXX bereits zum dritten Mal nach Italien rücküberstellt worden sei. Aus diesem Grunde könne daher dem Wunsch Österreichs in casu nicht entsprochen werden.

 

In weiterer Folge erklärten sich die italienischen Behörden auf Anfrage vom 11.12.2012 mit Schreiben vom 15.12.2012 ausdrücklich zur Übernahme des Rechtsmittelwerbers gemäß den Bestimmungen des Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 (Dublin II VO) bereit (vgl. Seite 77 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).

 

5. Bereits am 11.12.2012 hatte der Asylwerber mit seiner Unterschrift den Erhalt der Mitteilung des Bundesasylamtes gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG bestätigt, wonach beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da Konsultationen mit Italien geführt würden. Die Mitteilung über die Führung von Konsultationen wurde sohin dem Beschwerdeführer innerhalb der in § 28 Abs. 2 leg. cit. gesetzlich normierten 20-Tagesfrist ab dem Zeitpunkt der Antragseinbringung übermittelt (vgl. Seite 103 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).

 

6. Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 20.12.2012 bestätigte der Antragsteller zunächst seinen, abgesehen von nicht näher beschriebenen "Ohrenproblemen", uneingeschränkten Gesundheitszustand. Im Bundesgebiet verfüge er über keinerlei Verwandte oder eheähnliche familiäre Bindungen. Von Oktober 2008 bis Dezember 2012 hätte er sich bis auf drei Unterbrechungen stets in Italien aufgehalten. "Dreimal war ich in der Schweiz und wurde ich dreimal von den Schweizer Behörden wieder nach Italien abgeschoben" (Seite 125 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Generell sei es für ihn schwierig, in gegenständlichem Mitgliedsland zu leben. In Ermangelung eines Schlafplatzes wäre er dazu gezwungen gewesen, regelmäßig auf Bahnhöfen zu übernachten. Als dann das Wetter kälter geworden wäre, hätte er schließlich den Entschluss gefasst ins Bundesgebiet weiterzureisen. Zudem wäre der Antragsteller im italienischen XXXX im November 2012 das Opfer einer Vergewaltigung geworden. Auf die Inanspruchnahme der lokalen Sicherheitsbehörden habe er aber verzichtet, zumal dies aus seiner Sicht "keinen Sinn gemacht hätte". Auch ärztliche Hilfe sei seinerseits nicht gesucht worden. Nach Italien wolle er keinesfalls zurück, zumal dort die Winter sehr kalt wären. Auch mangle es in gegenständlichem Mitgliedsland generell an Geld und Arbeit. So hätte er in den gesamten vier Jahren seines Aufenthalts keine Unterstützung bekommen. Selbst als er hinsichtlich seiner Gleichgewichtsstörungen respektive Kopf- und Ohrenschmerzen um Hilfe ersucht habe, hätte man sich nicht um ihn gekümmert. "Ich musste auf der Straße schlafen und das wird jetzt wieder passieren, wenn Sie mich zurückschicken" (Seite 129 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).

 

7. Aus einem in weiterer Folge vorgelegten Ambulanzbefund der HNO - Abteilung des Krankenhauses XXXX vom 21.12.2012 geht hervor, dass der Asylwerber am rechten Ohr an einer Entzündung leide, weshalb die regelmäßige Einnahme von Antibiotika empfohlen werde (vgl. Seiten 163 und 165 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).

 

8. Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 04.01.2013, Zl. 12 17.681 EAST-West, den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates Italien zuständig sei. Gleichzeitig wurde der Antragsteller gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Italien zulässig sei.

 

Das Bundesasylamt traf Feststellungen zum italienischen Asylverfahren im Allgemeinen, zu den gesetzlichen Grundlagen, Rechten und Pflichten der Asylwerber, Berufungsmöglichkeiten, Dublin II-Antragstellern, zur Praxis des Non - Refoulement - Schutzes und zur Lage von Illegalen, Vulnerablen und subsidiär Schutzberechtigten, zur Versorgung im Allgemeinen und zu Gemeinschaftsunterkünften respektive medizinischen Behandlungsmöglichkeiten.

 

Beweiswürdigend wurde hervorgehoben, dass den vom Beschwerdeführer lapidar in den Raum gestellten Behauptungen hinsichtlich des völligen Fehlens jeglicher Unterstützung keinerlei Glaubwürdigkeit beigemessen werde, zumal dieses Vorbringen in völligem Widerspruch zu den konkret herangezogenen Länderinformationen stünde. Auch zeige der Umstand, dass sich der Asylwerber abgesehen von drei Unterbrechungen über vier Jahre lang permanent in Italien aufgehalten habe, dass die Versorgungssituation nicht so kritisch sein könne, wie von diesem angegeben, da selbiger ansonsten nicht solange in gegenständlichem Mitgliedsstaat verharrt hätte. Diese Auffassung decke sich zudem mit jener der schweizer Behörden, von welchen der Genannte in der Vergangenheit insgesamt bereits dreimal nach Italien überstellt worden sei. Abschließend werde auch noch auf die ausdrückliche Zustimmung der italienischen Behörden verwiesen, den Rechtsmittelwerber zu übernehmen, weshalb auch aus diesem Blickwinkel heraus keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit erkannt werden könne, dass der Antragsteller nach seiner Rückführung ohne jegliche staatliche Versorgung seinem Schicksal überlassen werden würde.

 

In Bezug auf die angeblich erlittene Vergewaltigung sei auszuführen, dass auch diese Angaben als nicht glaubwürdig qualifiziert würden, zumal es einerseits jeglicher allgemeinen Lebenserfahrung widerspreche, dass ein derartig dramatischer Zwischenfall vom Antragsteller anlässlich seiner Ersteinvernahme völlig unerwähnt geblieben wäre und andererseits nicht einmal in Ansätzen nachvollziehbar sei, weshalb der Genannte in einer derartigen Situation weder ärztliche noch behördliche Hilfe in Anspruch genommen haben sollte. Die vor Ort befindlichen Einrichtungen wären laut vorliegenden Länderinformationen sowohl willens als auch in der Lage adäquaten Schutz zu bieten, aber könne ein völliger Risikoausschluss generell in keinem Land der Erde garantiert werden.

 

9. Gegen diese Entscheidung brachte der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde ein und monierte darin im Wesentlichen die angeblich unterlassene Prüfungspflicht der Erstinstanz hinsichtlich der seitens des Antragstellers ins Treffen geführten Vorwürfe. So habe es die österreichische Asylbehörde verabsäumt, angesichts des dramatischen Vorbringens des Genannten von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen. Ein derartiger Schritt sei angesichts des Umstandes, demzufolge bereits eine Reihe deutscher Verwaltungsgerichte die Überstellung von Asylsuchenden nach Italien ausgesetzt hätten, jedenfalls geboten. Ebensowenig wäre in casu ermittelt worden, ob in gegenständlichem Mitgliedsland eine adäquate Versorgung tatsächlich gewährt werde. Schließlich würde auch aus einem Bericht des Fördervereins "PRO ASYL" vom März 2011 die prekäre Lage von Asylsuchenden in Italien hervorgehen und müssten auch anerkannte Flüchtlinge unter verheerenden Umständen leben. Im Ergebnis komme eben zitierter Bericht zu dem Schluss, dass Überstellungen von Flüchtlingen nach Italien prinzipiell höchst problematisch wären. Sogar der EGMR habe schon einmal am 19.10.2011 eine Überstellung nach Italien vorläufig gestoppt. Die seitens der belangten Behörde in Zweifel gezogene Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers angesichts der konkret zugrunde gelegten Länderberichte sei nicht ausgewogen, da es mittlerweile etliche Berichte über problematische Zustände in der Asylunterbringung gäbe, die auf systematische Mängel hindeuten würden.

 

10. Die Beschwerdevorlage langte mit 17.01.2013 beim Asylgerichtshof ein.

 

11. Aus einem Bericht der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 31.01.2013 geht hervor, dass der Antragsteller am selben Tage nach Italien überstellt worden ist.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch die zuständige Richterin über die gegenständliche Beschwerde wie folgt erwogen:

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

 

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

Gemäß §§ 73 und 75 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 (im Folgenden: "AsylG 2005") ist dieses anzuwenden.

 

Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Asylgerichtshof sind die einschlägigen Bestimmungen des AsylG 2005 und das Bundesgesetz über den Asylgerichtshof, BGBl. I Nr. 4/2008 in der Fassung BGBL I Nr. 147/2008 (in Folge: "AsylGHG") sowie subsidiär das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 20/2009 (in Folge: "AVG") anzuwenden. Schließlich war das Bundesgesetz über die Zustellung behördlicher Dokumente, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung (im Folgenden: ZustG) maßgeblich.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 61 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet, durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegt eine Beschwerde gegen eine Entscheidung nach § 5 AsylG 2005 vor, sodass der erkennende Richter als Einzelrichter zur Entscheidung zuständig war.

 

2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden. Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Rechts der Europäischen Union, die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

2.1.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs. 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw. 14 und Art. 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

2.1.1.1. Im vorliegenden Fall gründet sich die Zuständigkeit Italiens auf Art. 10 Abs. 1 der Dublin II-VO. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben.

 

2.1.1.2. Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der unionsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl. auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.

 

Im Lichte des Art. 7 VO 1560/2003 ergibt sich auch keine Verpflichtung seitens der beteiligten Mitgliedstaaten oder seitens der Regelungen der Dublin II VO, dass die Überstellung in einer Weise durchgeführt wird, die potentiell belastenden Zwangscharakter aufweist.

 

2.1.2. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Unionsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall unionsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.

 

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs.

 

Des Weiteren hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:

 

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Unionsrechts entstehen.

 

Zur effektiven Umsetzung des Unionsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Unionsrechts verpflichtet.

 

Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen. Diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Unionsrechts und aus Beachtung der unionsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Sprung, Dublin II VO³, Kommentar zu Art. 19).

 

Die allfällige Rechtswidrigkeit von Unionsrecht kann nur von den zuständigen unionsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass der Rechtsschutz des Unionsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).

 

Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Unionsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs. 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt, Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls unionsrechtswidrig.

 

In Bezug auf Griechenland wurde seitens des erkennenden Gerichtshofes bereits seit längerem in zahlreichen Entscheidungen faktisch nicht mehr von einer generellen Annahme der Sicherheit ausgegangen und eine umso genauere Einzelfallprüfung durchgeführt. Der EGMR hat in diesem Kontext mit Urteil vom 21.01.2011 in der Rechtssache M.S.S. vs Belgien/Griechenland (30696/09) klargelegt, dass fehlende Unterkunft in Verbindung mit einem langwierigen Asylverfahren (welches selbst schwerwiegende Mängel aufweist) unter dem Aspekt des Art. 3 EMRK relevant sein kann (vgl insb. Rz 263 des zitierten Urteils). Ein entsprechend weiter Prüfungsumfang in Bezug auf relevante Bestimmungen der EMRK (Art. 3, 8 und 13) ist daher unter dem Hintergrund einer Berichtslage wie zu Griechenland angebracht (wodurch auch die "effet utile"-Argumentation einzelfallbezogen relativiert wird) - was der herrschenden Praxis des AsylGH entspricht (anders wie die in Rz 351 und 352 des zitierten Urteils beschriebene Situation im belgischen Verfahren). Eine solche Berichtslage liegt zu Italien nun jedenfalls nicht vor, ebenso wenig eine vergleichbare Empfehlung von UNHCR (wie jene zu Griechenland), von Überstellungen abzusehen. Nichtsdestotrotz hat der AsylGH - unter Berücksichtigung dieser Unterschiede - auch im gegenständlichen Fall nachfolgend untersucht, ob die Anwendung des Selbsteintrittsrechts aus Gründen der EMRK angezeigt ist. Im Lichte der eben getroffenen Ausführungen zur Auslegung des Art. 3 EMRK ist schließlich nicht erkennbar und wurde auch nicht behauptet, dass die Grundrechtscharta der EU für den konkreten Fall relevante subjektive Rechte verliehe, welche über jene durch die EMRK gewährleisteten, hinausgingen. Auch spezifische Verletzungen der unionsrechtlichen Asylrichtlinien, die in ihrer Gesamtheit Verletzungen der Grundrechtscharta gleichkämen, sind nicht behauptet worden. Weitergehende Erwägungen dazu konnten also mangels Entscheidungsrelevanz in concreto entfallen.

 

2.1.2.1. Italienisches Asylwesen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3

EMRK

 

Der Asylgerichtshof sieht zum jetzigen Zeitpunkt entgegen den Ausführungen in der Beschwerde keinen Grund, allgemein Überstellungen nach Italien nach der Dublin-II-VO für unzulässig zu erklären, indem generell die zwingende Anwendung des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO festzusetzen wäre.

 

Rechtlich ist nun - unter den bisherigen Prämissen - zu erörtern, welcher Prüfungsmaßstab bei der Würdigung für den Asylgerichtshof in Verfahren wie dem vorliegenden anzulegen ist. Hierbei schließt sich der Asylgerichtshof den zentralen Erwägungen des schwedischen Obersten Gerichtshofes für Migrationssachen im Urteil in der Rechtssache UM 200397-08 an, wonach grundsätzlich die europäischen Organe, insbesondere zunächst die Europäische Kommission, dazu berufen sind, bei allgemeinen Mängeln im Asylwesen eines Mitgliedstaates tätig zu werden. Der Drittstaatsangehörige kann mögliche Rechtsverletzungen innerhalb des materiellen Asylverfahrens im Verfahren des Zielstaates geltend machen (vgl. auch den entsprechenden Ansatz des EGMR in seiner Entscheidung in der Rechtssache KRS vom 02.12.2008, Rs 32733/08). Dies entbindet klarerweise mitgliedstaatliche Organe nicht von der Notwendigkeit, bei Verletzungen des Art. 3 oder Art. 8 EMRK im Einzelfall tätig zu werden und entsprechende Überstellungen dann für ungültig zu erklären. Ein genereller Überstellungsstopp hat aber erst Platz zu greifen, wenn die Mängel in ihrer Gesamtheit derart schwer und systemisch sind, wie das in Bezug auf Griechenland der EGMR in seinem Urteil vom 21.01.2011 in der Rechtssache M.S.S. vs. Belgien/Griechenland (30696/09) erkannt hat.

 

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung auszuüben ist, hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union kürzlich in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S./Vereinigtes Königreich, befasst und, ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011, 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland, ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat (Rn. 82 bis 85), sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten (Rn. 86).

 

Folglich sind sämtliche Berichte und Beweismittel dahingehend zu würdigen, ob sie eine Verletzung des Art. 3 oder Art. 8 EMRK des überstellenden Mitgliedstaates nahelegen und ob sie systemische Mängel des Asylverfahrens/der Aufnahmebedingungen bedeuten.

 

Die Ausführungen in der Beschwerde zum italienischen Asylsystem sind letztlich nicht geeignet, die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zu entkräften. Der Asylgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die allgemeine Lage für nach Italien überstellte Asylwerber keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßenden Behandlung glaubhaft erscheinen lässt. Insbesondere sind die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich und genügen den Grundsätzen des Unionsrechts.

 

Relevant wären im vorliegenden Zusammenhang schon bei einer Grobprüfung erkennbare grundsätzliche schwerwiegende Defizite im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates (also etwa:

grundsätzliche Ablehnung aller Asylanträge oder solcher bestimmter Staatsangehöriger oder Angehöriger bestimmter Ethnien; kein Schutz vor Verfolgung "Dritter", kein Rechtsmittelverfahren). Solche Mängel (die bei einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorausgesetzt werden können, sondern zunächst einmal mit einer aktuellen individualisierten Darlegung des Antragstellers plausibel zu machen sind, dies im Sinne der Regelung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005) sind schon auf Basis der Feststellungen des Bundesasylamtes nicht erkennbar. Konkretes Vorbringen, das geeignet wäre, anzunehmen, dass Italien in Hinblick auf Asylwerber aus Nigeria unzumutbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde, ist nicht erstattet worden.

 

Aus den insofern unbestritten gebliebenen Feststellungen der Verwaltungsbehörde (gestützt auf eine Zusammenstellung der Staatendokumentation iSd § 60 AsylG) ergibt sich ferner, dass sowohl für Asylwerber, als auch für in Italien sonst - insbesondere nach (auch teilweise) positivem Abschluss eines Asylverfahrens - aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige, hinreichende soziale Versorgungsleistungen bestehen, sodass etwa eine Verletzung der aus der Aufnahmerichtlinie herrührenden Verpflichtung Italiens nicht zu befürchten ist.

 

Die allgemeinen Ausführungen in der Beschwerde zu Problemen bei der Versorgung von Asylwerbern in Italien können die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 nicht entkräften. Der Asylgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die allgemeine Lage für nach Italien überstellte Asylwerber keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßenden Behandlung glaubhaft erscheinen lässt. Insbesondere sind die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich und genügen den Grundsätzen des Unionsrechts.

 

Weder aus den Stellungnahmen des UNHCR noch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ergeben sich irgendwelche Hinweise darauf, dass etwa die Italienische Republik bei der Vollziehung der Dublin-Verordnung ihre Verpflichtungen nach der GFK, der EMRK oder nach dem Unionsrecht missachten oder unvertretbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde. Nicht zuletzt ist es vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Vorgaben in Gestalt der Aufnahmerichtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 unwahrscheinlich, dass in Italien Asylwerber infolge der Verweigerung staatlicher Unterstützung in eine Notlage geraten könnten. In den Art. 13ff der Aufnahmerichtlinie ist die Pflicht der Mitgliedsstaaten statuiert, für ausreichende materielle Aufnahmebedingungen und eine medizinische Versorgung von kranken Asylwerbern zu sorgen. Es bestehen gegenwärtig keine Anzeichen dafür, dass etwa Italien seinen diesbezüglichen Verpflichtungen nicht nachkäme.

 

Wie im angefochtenen Bescheid ausführlich und unter Heranziehung zahlreicher aktueller Berichte dargelegt wurde, ist in Italien insbesondere auch die Versorgung der Asylwerber gewährleistet. Der in der Beschwerde ins Treffen geführte Bericht der Organisation "PROASYL" aus dem Jahre 2011 weist auf mehrere aufgetretene Probleme im italienischen Asylsystem hin. Nach den Länderinformationen diverser Quellen zu Italien kann jedoch letztlich nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein Asylwerber im Fall einer Überstellung nach Italien konkret Gefahr liefe, dort einer gegen das Folterverbot des Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden. Insgesamt gesehen herrschen somit im Mitgliedsstaat Italien nach dem gegenwärtigen Informationsstand keineswegs derartige systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen, die mit der Situation in Griechenland vergleichbar wären.

 

Auch verschiedene Entscheidungen deutscher Gerichte belegen solche systemischen, regelmäßig zu schweren Menschenrechtsverletzungen führenden, Mängel in Italien nicht, handelt es sich doch zumeist um solche zur Zuerkennung aufschiebender Wirkung gegen den dortigen Gesetzeswortlaut, die daher, obwohl nur im Provisionalverfahren ergangen, einer höheren Begründungsdichte bedürfen, ohne das Endergebnis vorwegnehmen zu können (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen 01.03.2012, 1 B 234/12.A; hinsichtlich Entscheidungen von Verwaltungsgerichten, die mit der hiergerichtlichen Rechtsprechung in Einklang stehen, siehe aber auch Verwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 01.02.2012 zu GZ. 19AE70/12, veröffentlicht in InfAuslR, 9.2012, 333 ff in Bezug auf nicht vulnerable Antragsteller unter Bezug auf dieselbe Berichtslage wie in der hier verfahrensgegenständlichen Beschwerde angesprochen, aktuell ferner VG Stade 01.10.2012, 6B 2303/12, VG Hamburg 23.08.2012, 10 AE 484/12, VG Osnabrück 17.07.2012, 5B 57/12, Bayerisches Verwaltungsgericht Regensburg 18.06.2012, RN 9E 12.30187, VG Gera 14.06.2012, 4E 20119/12; das Niedersächsische OVG hat am 02.05.2012, 13 MC 22/12 judiziert, dass sich Überstellungen in Einzelfällen als unzulässig erweisen können, aber kein generelles Überstellungsverbot auszusprechen ist; auch die unterschiedliche Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte belege keine systemischen Mängel; siehe insb. 8-9 des letzt genannten Urteils). Die Schweizer Rechtsprechung vertritt durchgängig eine dem Asylgerichtshof vergleichbare Linie; siehe etwa Schweizer Bundesverwaltungsgericht, 25.01.2012, E5356/2011, aus jüngerer Zeit beispielsweise Entscheidungen vom 13.08.2012, GZ. E-4104, vom 17.08.2012, GZ. D-3882, und vom 22.08.2012, GZ. E-4175), ebenso die britische (vgl englischer Court of Appeal [Civil Division] 17.10.2012, [2012] EWCA Civ 1336).

 

Letztlich liegen auch keine Informationen über Erkenntnisse von Gerichten anderer Mitgliedsstaaten vor, wonach Überstellungen nach Italien allgemein der EMRK widersprächen; einzelne Zuerkennungen der aufschiebenden Wirkung durch den EGMR (nicht verbunden mit einer allgemeinen Aufforderung, Überstellungen zu unterlassen) ändern daran nichts.

 

Im gegenständlichen Fall wird noch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich Italien aufgrund der Dublin-II-Verordnung zur Übernahme des Beschwerdeführers bereiterklärte und somit unionsrechtlich zur Prüfung des Asylantrages verpflichtet ist. Ebenso hat Italien die Statusrichtlinie, die Verfahrensrichtlinie und die Aufnahmerichtlinie anzuwenden, ein den dort genannten Anforderungen entsprechendes Asylverfahren zu führen, beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen Schutz zu gewähren und für die Dauer des Verfahrens eine angemessene Grundversorgung zu bieten. Der Beschwerdeführer konnte Verletzungen dieser Verpflichtungen jedenfalls nicht in dem Ausmaß als wahrscheinlich dartun, wie es zur zwingenden Ausübung des Selbsteintrittsrechts erforderlich wäre.

 

In Bezug auf die zuletzt erstmalig ins Treffen geführte Vergewaltigung des Asylwerbers in XXXX während dessen mehrjährigen - aufgrund der explizit behaupteten Zuerkennung eines Permesso di Sigorno legalen - Aufenthalts in Italien fällt zunächst auf, dass dieses Vorbringen durch keinerlei wie auch immer geartete Beweismittel belegt worden ist. Ebensowenig lassen sich aus den Einvernahmeprotokollen beziehungsweise dem Beschwerdeschriftsatz irgendwelche Konkretisierungen oder Details entnehmen.

 

Darüber hinaus hat der Genannte anlässlich seiner zuletzt durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme ausgeführt, keinen Versuch unternommen zu haben, die lokalen Sicherheitsbehörden von dem seinerseits behaupteten sexuellen Übergriff zu informieren (vgl. Seiten 125 und 127 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Ebensowenig hätte er trotz angeblicher, nicht näher dargestellter, Verletzungen ärztliche Hilfe in Anspruch genommen. Die seitens des Asylwerbers in diesem Kontext präsentierten Rechtfertigungen vermögen jedoch nicht zu überzeugen. Weshalb es der Antragsteller unterlassen haben sollte, bis zu seiner zuletzt durchgeführten Einvernahme vor der Erstinstanz sein diesbezüglich zweifellos als einschneidend zu bezeichnendes Erlebnis auch nur mit einem Wort zu erwähnen, um stattdessen rein wirtschaftlich motivierte Themen ins Treffen zu führen, welche seinen Aufenthalt in Italien aus seiner Sicht beschreiben und gegen eine Rückführung in selbiges Mitgliedsland sprechen würden, lässt sich nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht rational nachvollziehen. So beschränken sich sämtliche in diesem Zusammenhang präsentierten Argumente lediglich auf "keine Arbeit, keine Wohnung, keine Zukunft" (vgl. Seiten 23 und 25 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).

 

Doch selbst wenn man die Angaben des Asylwerbers zu diesem Punkt rein hypothetisch als wahr zugrunde legen würde, wäre für diesen im Ergebnis nichts gewonnen: So kann ein allumfassender Schutz vor kriminellen Handlungen in keinem Staat der Erde garantiert werden. Eine generelle Schutzunwilligkeit beziehungsweise -unfähigkeit kann den italienischen Sicherheitsbehörden anhand der vorliegenden Länderberichte nicht unterstellt werden und wurde dies im Verfahren auch nicht behauptet.

 

Eine unzulässige Verletzung in seinen verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten im Falle seiner Rückführung nach Italien kann somit im Fall des Asylwerbers nach maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.

 

Zusammenfassend wird somit von der erkennenden Richterin des Asylgerichtshofes die Auffassung der belangten Behörde geteilt, dass das gesamte Vorbringen des Asylwerbers in diesem Kontext als nicht glaubwürdig zu qualifizieren ist und vor dem Hintergrund diverser aktueller Länderberichte diverser unabhängiger Quellen eine Verletzung seiner in der EMRK normierten Rechte im Falle seiner Rückführung nach Italien nicht mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit zu befürchten steht.

 

2.1.2.2. Medizinische Krankheitszustände

 

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Italien nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II-VO zwingend auszuüben wäre.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das jüngste diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

 

Der VfGH hat zusammenfassend ausgeführt, dass sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

 

Jüngste Rechtsprechung des EGMR (N vs UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung, wobei noch darauf hinzuweisen ist, dass EU-Staaten verpflichtet sind, die Aufnahmerichtlinie umzusetzen und sohin jedenfalls eine begründete Vermutung des Bestehens einer medizinischen Versorgung besteht.

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.

 

Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG); dabei sind die von den Asylbehörden festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Transportfähigkeit" handelt.

 

Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK - Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

 

Akut existenzbedrohende Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Italien sind der Aktenlage nicht zu entnehmen. In Bezug auf die seitens des Beschwerdeführers geäußerten "Probleme mit meinen Ohren" (Seite 123 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes) ist auf die diesbezüglichen Untersuchungsergebnisse der HNO - Abteilung des Krankenhauses XXXX vom 21.12.2012 zu verweisen, welche lediglich eine Entzündung des rechten Ohres diagnostizierten (vgl. Seiten 163 und 165 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Zur Behandlung wurde lediglich die temporäre Einnahme von Antibiotika verordnet. Hinweise auf eine allenfalls lebensbedrohliche Erkrankung sind dem Befund nicht zu entnehmen.

 

2.1.2.3. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK

 

Der EGMR bzw. die EMRK verlangen zum Vorliegen des Art. 8 EMRK das Erfordernis eines "effektiven Familienlebens", das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushaltes, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. das Urteil Marckx [Ziffer 45] sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234; hierzu ausführlich: Kälin, "Die Bedeutung der EMRK für Asylsuchende und Flüchtlinge: Materialien und Hinweise", Mai 1997, Seite 46).

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311), und zwischen Onkel und Tante und Neffen bzw. Nichten (vgl. EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1989, 761; Rosenmayer ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (vgl. EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Wie bereits das Bundesasylamt zutreffend feststellte, verfügt der Asylwerber laut eigenen Angaben weder über Verwandte noch sonstige eheähnliche respektive familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, weshalb eine potentielle Verletzung der in Art. 8 EMRK normierten Rechte bereits aus diesem Grunde auszuschließen ist.

 

Zu beachten sind auch die öffentlichen Interessen an der Effektuierung der Unzuständigkeitsentscheidung Österreichs. Hier ist zunächst klarzustellen, dass der gegenständliche Antrag (auch) eine Umgehung aller anderen niederlassungs- und fremdenrechtlichen Rechtsnormen in Situationen wie der vorliegenden ist. Würde der Asylgerichtshof also im gegenständlichen Fall Österreich verpflichten, das Selbsteintrittsrecht in Bezug auf den Asylwerber zwingend auszuüben, wäre damit die Umgehung dieser fremdenrechtlichen Bestimmungen legitimiert. Das heißt nicht, dass Derartiges in Ausnahmekonstellationen in Hinblick auf Art. 8 EMRK aus menschenrechtlichen Gesichtspunkten nicht dennoch notwendig sein kann, im konkreten Fall liegt diese Ausnahmekonstellation jedoch nicht vor. Die öffentlichen Interessen an der Effektuierung der Unzulässigkeitsentscheidung werden aber durch diesen Aspekt wesentlich bestärkt.

 

2.2. Spruchpunkt I der Entscheidung der Erstinstanz war sohin in Bestätigung der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung des Bundesasylamtes mit obiger näherer Begründung als rechtsrichtig zu erkennen.

 

2.3. Hinsichtlich der vom Antragsteller ebenso bekämpften Ausweisung ist festzuhalten, dass die belangte Behörde eine korrekte Überprüfung im Sinne der Rechtsprechung vorgenommen hat. Den Ausführungen zu Spruchpunkt II des Bescheides des Bundesasylamtes ist seitens des Asylgerichtshofes für den konkreten Fall, zuzustimmen. Aus der Würdigung zu Spruchpunkt I folgt hier die Zulässigkeit der Ausweisung, deren sofortigem Vollzug die EMRK nicht widerstreitet. Gründe für einen Aufschub nach Art. 10 Abs. 3 AsylG waren nicht erkennbar.

 

2.4. Da der Rechtsmittelwerber zum Entscheidungszeitpunkt bereits überstellt worden ist, war gemäß § 41 Abs. 6 AsylG 2005 lediglich festzustellen, dass die Ausweisung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

 

2.5 Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Ausweisung rechtmäßig, deutsche Gerichte, gesundheitliche Beeinträchtigung, Mitgliedstaat, real risk, Versorgungslage
Zuletzt aktualisiert am
10.05.2013
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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