TE AsylGH Erkenntnis 2013/05/03 S15 427762-1/2012

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Veröffentlicht am 03.05.2013
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Spruch

S15 427.762-1/2012/3E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Alice Höller als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, StA. Bangladesch gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.06.2012, Zl. 12 04.299 - EAST West, zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011 als unbegründet abgewiesen.

 

II. Gemäß § 41 Abs. 6 leg. cit. wird festgestellt, dass die Ausweisung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

 

2. Der nunmehrige Beschwerdeführer wurde im Rahmen einer AGM-Kontrolle am 10.04.2012 in einem Reisezug von Italien kommend ohne gültige Reisedokumente angetroffen und in weiterer Folge in die Polizeiinspektion XXXX überstellt. Im Zuge der routinemäßig vor Ort durchgeführten Befragung stellte der Genannte einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse und Ausreisemotivation brachte er vor, als ursprünglich dem Islam zugehöriger Moslem aus Liebe zu einem christlichen Mädchen zum Christentum konvertiert zu sein. Seither würde er verfolgt. Sein Bruder hätte ihn dennoch unterstützt und sei daraufhin von der "islamischen Gesellschaft" (Seite 12 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes) zuerst entführt und dann getötet worden. Im Falle seiner Rückkehr in seine Heimat befürchte nun der Antragsteller ein ähnliches Schicksal wie sein Bruder zu erleiden, zumal von eben genannter Organisation sogar ein Photo seiner Person in den Printmedien veröffentlicht worden wäre.

 

Mit einem Lieferwagen habe er am 02.03.2012 sein Herkunftsland Richtung Indien verlassen und sei dann in weiterer Folge über Pakistan und den Iran in die Türkei gelangt - teils mit Schlepperunterstützung und einem Lkw, teils auf eigene Faust und zu Fuß. Am 25.03.2012 wäre dann der Asylwerber abermals schleppergestützt mit einem türkischen Lieferwagen aus einer unbekannten Stadt auf direktem Wege nach XXXX gebracht worden. Dort angekommen habe er einen Einheimischen nach dem nächstgelegenen Bahnhof gefragt, eine Fahrkarte nach XXXX gelöst, aber einen Zug in die falsche Richtung bestiegen. Noch während der Fahrt "wurde ich dann festgenommen und auf eine Polizeistation gebracht" (Seite 11 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Nach anschließender Abschiebung nach Italien sei er illegal zu Fuß ins Bundesgebiet zurückgekehrt, dort aber kurze Zeit später wieder von Sicherheitskräften aufgegriffen und abermals sofort nach Italien rücküberstellt worden. In XXXX hätte der Beschwerdeführer daraufhin einen Zug bestiegen und sei neuerlich nach Österreich aufgebrochen.

 

3. Aus einer Anzeige der Polizeiinspektion XXXX gemäß § 120 Abs. 1 FPG vom 10.04.2012 geht eindeutig hervor, dass der Rechtsmittelwerber im EKIS/SIS des BMI mit einem Einreiserespektive Aufenthaltsverbot für Schengen-Staaten, ausschreibendes Land Italien, aufscheint. Des Weiteren kann dem Fremdeninformationssystem entnommen werden, dass der Genannte von der BH XXXX bereits am XXXX am Landweg nach Italien überstellt worden ist.

 

4. Im Zuge einer nochmaligen Einvernahme am 10.04.2012 vor der Bundespolizei XXXX wiederholte der Rechtsmittelwerber im Wesentlichen seine bisherigen Angaben unter gleichzeitiger Korrektur diverser Zeitangaben. Erstmalig im Bundesgebiet angekommen, sei er mit dem Zug versehentlich anstatt nach XXXX in die falsche Richtung gefahren. Bei einer Kontrolle durch die Polizei habe man ihm zunächst den Fahrschein sowie die Fingerabdrücke abgenommen und im Anschluss an seine Festnahme eine Geldstrafe in der Höhe von 100 Euro über ihn verhängt. "Ich wurde schlecht behandelt" (Seite 26 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Obwohl er auf Englisch den Beamten mehrmals mitgeteilt hätte, in Österreich um internationalen Schutz ansuchen zu wollen, habe man ihn zweimal nach Italien abgeschoben. Die italienischen Sicherheitskräfte hätten den Genannten aber ihrerseits aufgrund der erkennungsdienstlichen Eintragungen wieder zurück nach Österreich geschickt. Über Verwandte oder soziale Bindungen im Bundesgebiet oder innerhalb der EU verfüge er nicht und wäre es ihm auch nicht möglich identitätsbezogene Dokumente vorzulegen. Zurück in sein Heimatland wolle er auf keinen Fall, da schon sein Bruder ermordet worden und sein Vater bereits ein alter Mann sei.

 

5. Einem daraufhin in weiterer Folge am 11.04.2012 an Italien übermittelten Ersuchen um Wiederaufnahme des Asylwerbers gemäß Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 (Dublin II VO), welches noch am selben Tag elektronisch über DubliNET übermittelt worden ist, wurde seitens des eben genannten Mitgliedslandes nicht binnen der in Art. 20 Abs. 1 lit. b der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 (Dublin II VO) normierten zweiwöchigen Frist beantwortet (vgl. Seite 123 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes), weshalb gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. c der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 (Dublin II VO) die Zustimmung zur Rücknahme als erteilt zu qualifizieren war.

 

6. Bereits am 11.04.2012 hatte der Asylwerber mit seiner Unterschrift den Erhalt der Mitteilung des Bundesasylamtes gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG bestätigt, wonach beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da Konsultationen mit Italien geführt würden. Die Mitteilung über die Führung von Konsultationen wurde sohin dem Beschwerdeführer innerhalb der in § 28 Abs. 2 leg. cit. gesetzlich normierten 20-Tagesfrist ab dem Zeitpunkt der Antragseinbringung übermittelt (vgl. Seite 77 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).

 

7. Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme vom 23.05.2012 bestätigte der Antragsteller zunächst seinen uneingeschränkten Gesundheitszustand. Im Bundesgebiet verfüge er über keinerlei Verwandte oder eheähnliche familiäre Bindungen. Nach Italien wolle er jedenfalls nicht zurück, da er ursprünglich nicht in diesem Mitgliedsstaat gewesen sei, vielmehr habe ihn die Polizei nur am Bahnhof in XXXX aufgegriffen. Seinen Fahrschein hätte er den Sicherheitsbehörden aber nicht zum Beweis seiner behaupteten Reiseroute präsentieren können, da "ich die Tickets im Zug gelassen habe" (Seite 177 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Auch habe er keinerlei Quittung beim Kauf der Karte erhalten.

 

8. Am 31.05.2012 legte der Asylwerber einen mit dem Titel "Stellungnahme und Beweisantrag" versehenen Schriftsatz vor, in welchem er nochmalig sein bisheriges Vorbringen wiederholte und darauf basierend die Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung seiner Asylgründe darlegte. So gäbe es keinerlei Beweise für die Annahme, dass der Beschwerdeführer schon in Italien gewesen wäre, bevor er erstmals von Österreich dorthin überstellt worden sei. Auch würden die ihm seitens der Erstinstanz vorgehaltenen Länderberichte nicht die Realität in eben genanntem Mitgliedsland wiederspiegeln und liefe er im Falle seiner Abschiebung in diesen Staat Gefahr, unmenschlicher Behandlung sowie einer Kettenabschiebung nach Bangladesch ausgesetzt zu werden. Als Beweismittel werde zudem eine Anfrage bei der Polizeiinspektion XXXX hinsichtlich deren Wahrnehmungen und Amtshandlungen in Bezug auf seine Person beantragt.

 

9. Mit Mail vom 27.06.2012 übermittelte die zuständige Fremdenpolizeiabteilung XXXX eine Kopie der betreffenden Abschiebeberichte nach Italien. Diesem ist zu entnehmen, dass der Genannte am 03.04.2012 um 20.00 h respektive 04.04.2012 um 15.28 h jeweils in einem von Italien über die Binnengrenze kommenden Reisezug kontrolliert und ohne Papiere aufgegriffen worden wäre. Befragt über seine Reisemotive habe der Rechtsmittelwerber den beabsichtigten Besuch von Bekannten im Bundesgebiet ins Treffen geführt (vgl. Seiten 185 bis 199 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).

 

10. Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 27.06.2012, Zl. 12 04.299 - EAST West, den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 18 Abs. 7 iVm 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates Italien zuständig sei. Gleichzeitig wurde der Antragsteller gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Italien zulässig sei.

 

Das Bundesasylamt traf Feststellungen zum italienischen Asylverfahren im Allgemeinen, zu den gesetzlichen Grundlagen, Rechten und Pflichten der Asylwerber, Berufungsmöglichkeiten, Dublin II-Antragstellern, zur Praxis des Non - Refoulement - Schutzes, zur allgemeinen und medizinischen Versorgung, zum Zugang zum Asylverfahren sowie zur Existenz diverser Hilfsorganisationen.

 

Beweiswürdigend wurde hervorgehoben, dass die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Reisebewegungen in Widerspruch zu den amtswegigen Ermittlungsergebnissen stünden. Auch habe der Antragsteller vor den Vertretern der österreichischen Exekutive im Zuge seiner zweimalig fehlgeschlagenen Versuche illegal über die italienische Grenze ins Bundesgebiet zu gelangen, stets privat geplante Besuche als Grund für seine Reisebewegungen behauptet. Die in der schriftlichen Stellungnahme behaupteten negativen Erfahrungen mit dem italienischen Asylwesen gingen schon allein deshalb ins Leere, zumal der Beschwerdeführer in diesem Land noch nie einen entsprechenden Antrag auf internationalen Schutz gestellt hätte und sei Letztgenannter in Ermangelung eines anderen Aufenthaltstitels somit illegal im italienischen Hoheitsgebiet aufhältig gewesen. Des Weiteren habe der Asylwerber nach eigenem Vorbringen nur wenige Tage in diesem Mitgliedsland verbracht, weshalb auch durch die Kürze seiner Anwesenheit die angeblichen persönlichen Wahrnehmungen stark relativiert werden müssten. Weiters lasse die allgemeine Lage für nach Italien überstellte Asylwerber keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßenden Behandlung erkennen.

 

11. Gegen diese Entscheidung brachte der Rechtsmittelwerber fristgerecht Beschwerde ein und führte darin erstmalig eine bislang unerwähnt gebliebene Bedrohung durch eine arabisch-stämmige Person mit italienischem Pass ins Treffen. Demnach habe sich der Antragsteller um eine irakische Familie in der Betreuungseinrichtung angenommen und sei ihm deshalb unter anderem mit dem Durchschneiden der Kehle und Zerstückeln gedroht worden. Aus diesem Grunde müsse sich der Asylwerber vor einer Rückkehr nach Italien fürchten, zumal die drohende Person angekündigt hätte, in dieses Land zu kommen und ihn zu töten. Das Gewaltschutzzentrum XXXX stufe das diesbezügliche Vorbringen des Genannten als sehr glaubwürdig ein und sollte daher das Asylverfahren in Österreich zugelassen werden.

 

12. Die Beschwerdevorlage langte mit 10.07.2012 beim Asylgerichtshof ein.

 

13. Ein Auszug aus dem Asylinformationssystem vom 14.08.2012 hatte zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer am XXXX nach Italien überstellt worden ist.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch die zuständige Richterin über die gegenständliche Beschwerde wie folgt erwogen:

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

 

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

Gemäß §§ 73 und 75 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 (im Folgenden: "AsylG 2005") ist dieses anzuwenden.

 

Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Asylgerichtshof sind die einschlägigen Bestimmungen des AsylG 2005 und das Bundesgesetz über den Asylgerichtshof, BGBl. I Nr. 4/2008 in der Fassung BGBL I Nr. 147/2008 (in Folge: "AsylGHG") sowie subsidiär das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 20/2009 (in Folge: "AVG") anzuwenden. Schließlich war das Bundesgesetz über die Zustellung behördlicher Dokumente, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung (im Folgenden: ZustG) maßgeblich.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 61 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet, durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegt eine Beschwerde gegen eine Entscheidung nach § 5 AsylG 2005 vor, sodass der erkennende Richter als Einzelrichter zur Entscheidung zuständig war.

 

2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden. Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Rechts der Europäischen Union, die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

2.1.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs. 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw. 14 und Art. 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

2.1.1.1. Im vorliegenden Fall gründet sich die Zuständigkeit Italiens auf Art. 10 Abs. 1 der Dublin II VO. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben.

 

Soweit der Rechtsmittelwerber in diesem Zusammenhang versuchte, die Zuständigkeit Italiens durch die Verschleierung seines Reiseweges in Kombination mit einer Reihe von in den Raum gestellten Behauptungen abzuwehren, ist ihm entgegenzuhalten, dass sein gesamtes diesbezügliches Vorhaben durch die Ermittlungen der belangten Behörde eindeutig widerlegt wurde: So kann den speziell zur Überprüfung angeforderten und in Kopie dem vorliegenden Akt beigeschlossenen fremdenpolizeilichen Berichten - über die zweimal erfolglos gestarteten Versuche des Rechtsmittelwerbers, mit einem Zug aus Italien illegal ins Bundesgebiet zu gelangen - zweifelsfrei entnommen werden, dass dieser jeweils in einem Direktzug von gegenständlichem Nachbarland aus kommend beim Grenzübertritt ertappt wurde (vgl. diesbezügliche Berichte der zuständigen Fremdenpolizeiabteilung).

 

2.1.1.2. Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der unionsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl. auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.

 

Im Lichte des Art. 7 VO 1560/2003 ergibt sich auch keine Verpflichtung seitens der beteiligten Mitgliedstaaten oder seitens der Regelungen der Dublin II VO, dass die Überstellung in einer Weise durchgeführt wird, die potentiell belastenden Zwangscharakter aufweist.

 

2.1.2. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Unionsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall unionsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.

 

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs.

 

Des Weiteren hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:

 

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Unionsrechts entstehen.

 

Zur effektiven Umsetzung des Unionsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Unionsrechts verpflichtet.

 

Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen. Diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Unionsrechts und aus Beachtung der unionsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Sprung, Dublin II VO³, Kommentar zu Art. 19).

 

Die allfällige Rechtswidrigkeit von Unionsrecht kann nur von den zuständigen unionsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass der Rechtsschutz des Unionsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).

 

Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Unionsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs. 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt, Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls unionsrechtswidrig.

 

In Bezug auf Griechenland wurde seitens des erkennenden Gerichtshofes bereits seit längerem in zahlreichen Entscheidungen faktisch nicht mehr von einer generellen Annahme der Sicherheit ausgegangen und eine umso genauere Einzelfallprüfung durchgeführt. Der EGMR hat in diesem Kontext mit Urteil vom 21.01.2011 in der Rechtssache M.S.S. vs Belgien/Griechenland (30696/09) klargelegt, dass fehlende Unterkunft in Verbindung mit einem langwierigen Asylverfahren (welches selbst schwerwiegende Mängel aufweist) unter dem Aspekt des Art. 3 EMRK relevant sein kann (vgl insb. Rz 263 des zitierten Urteils). Ein entsprechend weiter Prüfungsumfang in Bezug auf relevante Bestimmungen der EMRK (Art. 3, 8 und 13) ist daher unter dem Hintergrund einer Berichtslage wie zu Griechenland angebracht (wodurch auch die "effet utile"-Argumentation einzelfallbezogen relativiert wird) - was der herrschenden Praxis des AsylGH entspricht (anders wie die in Rz 351 und 352 des zitierten Urteils beschriebene Situation im belgischen Verfahren). Eine solche Berichtslage liegt zu Italien nun jedenfalls nicht vor, ebenso wenig eine vergleichbare Empfehlung von UNHCR (wie jene zu Griechenland), von Überstellungen abzusehen. Nichtsdestotrotz hat der AsylGH - unter Berücksichtigung dieser Unterschiede - auch im gegenständlichen Fall nachfolgend untersucht, ob die Anwendung des Selbsteintrittsrechts aus Gründen der EMRK angezeigt ist. Im Lichte der eben getroffenen Ausführungen zur Auslegung des Art. 3 EMRK ist schließlich nicht erkennbar und wurde auch nicht behauptet, dass die Grundrechtscharta der EU für den konkreten Fall relevante subjektive Rechte verliehe, welche über jene durch die EMRK gewährleisteten, hinausgingen. Auch spezifische Verletzungen der unionsrechtlichen Asylrichtlinien, die in ihrer Gesamtheit Verletzungen der Grundrechtscharta gleichkämen, sind nicht behauptet worden. Weitergehende Erwägungen dazu konnten also mangels Entscheidungsrelevanz in concreto entfallen.

 

2.1.2.1. Italienisches Asylwesen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3

EMRK

 

Relevant wären im vorliegenden Zusammenhang schon bei einer Grobprüfung erkennbare grundsätzliche schwerwiegende Defizite im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates (also etwa:

grundsätzliche Ablehnung aller Asylanträge oder solcher bestimmter Staatsangehöriger oder Angehöriger bestimmter Ethnien; kein Schutz vor Verfolgung "Dritter", kein Rechtsmittelverfahren). Solche Mängel (die bei einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorausgesetzt werden können, sondern zunächst einmal mit einer aktuellen individualisierten Darlegung des Antragstellers plausibel zu machen sind, dies im Sinne der Regelung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005) sind schon auf Basis der erstinstanzlichen Feststellungen nicht erkennbar.

 

Auch wenn eine subjektive Unzufriedenheit des Beschwerdeführers mit dem italienischen Asylverfahren gegeben sein mag, so ergeben sich aus den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen keine hinreichenden Anhaltspunkte, die geeignet wären, die Rechtsstaatlichkeit des Asylverfahrens im Zielstaat in Zweifel zu ziehen. Der Rechtsmittelwerber ist diesen Feststellungen auch in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten.

 

Die im Zuge seiner Einvernahme respektive im Rahmen der schriftlichen Stellungnahme aufgestellte und durch keinerlei Beweismittel belegte Behauptung, dass der Antragsteller in Italien im Falle seiner Überstellung eine mangelhafte Versorgung sowie einen erschwerten Zugang zum Asylverfahren und eine Kettenabschiebung in sein Heimatland befürchten müsse, wird in inhaltlicher Übereinstimmung mit den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes aus nachstehenden Gründen als nicht entscheidungsrelevant qualifiziert: So geht aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers hervor, dass dieser in gegenständlichem Mitgliedsland zu keinem Zeitpunkt je als Asylwerber in Erscheinung getreten ist, sondern vielmehr illegal aufhältig war. Daraus resultierend kann in der Nichtversorgung des nicht zum Aufenthalt in diesem Land berechtigten Rechtsmittelwerbers keinerlei Pflichtverletzung oder potentielles Defizit hinsichtlich der Fürsorgesituation von Asylwerbern in Italien erkannt werden.

 

Soweit der Genannte in seinem Beschwerdeschriftsatz erstmalig die Behauptung aufstellt, aufgrund seines Engagements für eine irakische Familie von einem nicht näher individualisierten Mann arabischer Abstammung mit dem Tode bedroht zu werden und dieser angekündigt habe, seine Drohung in Italien in die Tat umzusetzen, so wird dieses Vorbringen als Schutzbehauptung gewertet. So sind dem gesamten diesbezüglichen Vorbringen weder die Namen sämtlicher Beteiligter noch sonstige in irgendeiner Weise brauchbare Hinweise auf das Motiv des unbekannten Verdächtigen oder die näheren Umstände für die extreme Drohung zu entnehmen. Lediglich der Vollständigkeit halber soll jedoch auch nicht unerwähnt bleiben, dass bei hypothetischer Zugrundelegung der nunmehr präsentierten Gefahrensituation der Asylwerber nach seiner Überstellung nach Italien die Möglichkeit hätte, sich mit seinem Problem an die lokalen Sicherheitsbehörden zu wenden. Hinweise darauf, dass diese nicht willens oder fähig wären, ihm geeigneten Schutz zu bieten, können aus den vorliegenden Länderinformationen nicht entnommen werden und kann die theoretische Möglichkeit strafrechtlich relevanter Übergriffe in keinem Staat der Erde mit völliger Sicherheit ausgeschlossen werden.

 

Die allgemeinen Ausführungen in der Beschwerde zu Problemen bei der Versorgung von Asylwerbern in Italien können die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 nicht entkräften. Der Asylgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die allgemeine Lage für nach Italien überstellte Asylwerber keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßenden Behandlung glaubhaft erscheinen lässt. Insbesondere sind die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich und genügen den Grundsätzen des Unionsrechts.

 

Weder aus den Stellungnahmen des UNHCR noch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ergeben sich irgendwelche Hinweise darauf, dass etwa die Italienische Republik bei der Vollziehung der Dublin-Verordnung ihre Verpflichtungen nach der GFK, der EMRK oder nach dem Unionsrecht missachten oder unvertretbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde. Nicht zuletzt ist es vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Vorgaben in Gestalt der Aufnahmerichtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 unwahrscheinlich, dass in Italien Asylwerber infolge der Verweigerung staatlicher Unterstützung in eine Notlage geraten könnten. In den Art. 13ff der Aufnahmerichtlinie ist die Pflicht der Mitgliedsstaaten statuiert, für ausreichende materielle Aufnahmebedingungen und eine medizinische Versorgung von kranken Asylwerbern zu sorgen. Es bestehen gegenwärtig keine Anzeichen dafür, dass etwa Italien seinen diesbezüglichen Verpflichtungen nicht nachkäme.

 

Wie im angefochtenen Bescheid ausführlich und unter Heranziehung zahlreicher aktueller Berichte dargelegt wurde, ist in Italien insbesondere auch die Versorgung der Asylwerber gewährleistet. Nach den Länderinformationen zu Italien kann letztlich nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein Asylwerber im Fall einer Überstellung nach Italien konkret Gefahr liefe, dort einer gegen das Folterverbot des Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden. Insgesamt gesehen herrschen somit im Mitgliedsstaat Italien nach dem gegenwärtigen Informationsstand keineswegs derartige systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen, die mit der Situation in Griechenland vergleichbar wären.

 

Auch verschiedene Entscheidungen deutscher Gerichte belegen solche systemischen, regelmäßig zu schweren Menschenrechtsverletzungen führenden, Mängel in Italien nicht, handelt es sich doch zumeist um solche zur Zuerkennung aufschiebender Wirkung gegen den dortigen Gesetzeswortlaut, die daher, obwohl nur im Provisionalverfahren ergangen, einer höheren Begründungsdichte bedürfen, ohne das Endergebnis vorwegnehmen zu können (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen 01.03.2012, 1 B 234/12.A; hinsichtlich Entscheidungen von Verwaltungsgerichten, die mit der hiergerichtlichen Rechtsprechung in Einklang stehen, siehe aber auch Verwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 01.02.2012 zu GZ. 19AE70/12, veröffentlicht in InfAuslR, 9.2012, 333 ff in Bezug auf nicht vulnerable Antragsteller unter Bezug auf dieselbe Berichtslage wie in der hier verfahrensgegenständlichen Beschwerde angesprochen, aktuell ferner VG Stade 01.10.2012, 6B 2303/12, VG Hamburg 23.08.2012, 10 AE 484/12, VG Osnabrück 17.07.2012, 5B 57/12, Bayerisches Verwaltungsgericht Regensburg 18.06.2012, RN 9E 12.30187, VG Gera 14.06.2012, 4E 20119/12; das Niedersächsische OVG hat am 02.05.2012, 13 MC 22/12 judiziert, dass sich Überstellungen in Einzelfällen als unzulässig erweisen können, aber kein generelles Überstellungsverbot auszusprechen ist; auch die unterschiedliche Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte belege keine systemischen Mängel; siehe insb. 8-9 des letzt genannten Urteils). Die Schweizer Rechtsprechung vertritt durchgängig eine dem Asylgerichtshof vergleichbare Linie; siehe etwa Schweizer Bundesverwaltungsgericht, 25.01.2012, E5356/2011, aus jüngerer Zeit beispielsweise Entscheidungen vom 13.08.2012, GZ. E-4104, vom 17.08.2012, GZ. D-3882, und vom 22.08.2012, GZ. E-4175), ebenso die britische (vgl. englischer Court of Appeal [Civil Division] 17.10.2012, [2012] EWCA Civ 1336).

 

Ein Vorbringen, welches geeignet wäre, die Annahme nahezulegen, dass Italien in Hinblick auf Asylwerber aus Bangladesch unzumutbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde, ist nicht erstattet worden.

 

Entsprechend den Länderfeststellungen des Bundesasylamtes haben Personen nach einer Rücküberstellung nach der Dublin II-VO in Italien einen Anspruch auf Unterkunft und Versorgung sowie sechs Monate nach Asylansuchen Zugang zum Arbeitsmarkt. Aufgrund dieser Gegebenheiten besteht keine reale Gefahr, dass Asylwerber, die aufgrund der Dublin-II-VO nach Italien überstellt werden, im Hinblick auf die Versorgungssituation in Italien allgemein eine Verletzung des Art. 3 EMRK zu gewärtigen hätten.

 

Weiters geht aus den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen hervor, dass Asylwerber, die im Rahmen der Dublin-II-VO nach Italien überstellt werden, Zugang zum normalen Asylverfahren haben sowie die italienischen Gesetze Schutz gegen Refoulement bzw. "temporären Schutz" vorsehen.

 

Der Beschwerdeführer konnte letztlich keine besonderen Gründe, die für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK in Italien sprechen, glaubhaft machen bzw. dartun.

 

Zusammenfassend steht in casu somit eine Verletzung seiner in der EMRK normierten Rechte im Falle seiner Rückführung nach Italien nicht mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit zu befürchten.

 

2.1.2.2. Medizinische Krankheitszustände

 

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Italien nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO zwingend auszuüben wäre.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das jüngste diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

 

Der VfGH hat zusammenfassend ausgeführt, dass sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

 

Jüngste Rechtsprechung des EGMR (N vs UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung, wobei noch darauf hinzuweisen ist, dass EU-Staaten verpflichtet sind, die Aufnahmerichtlinie umzusetzen und sohin jedenfalls eine begründete Vermutung des Bestehens einer medizinischen Versorgung besteht.

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.

 

Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG); dabei sind die von den Asylbehörden festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Transportfähigkeit" handelt.

 

Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK - Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

 

Akut existenzbedrohende Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Italien sind der Aktenlage nicht zu entnehmen und wurden solche auch nicht vorgebracht.

 

2.1.2.3. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK

 

Der EGMR bzw. die EMRK verlangen zum Vorliegen des Art. 8 EMRK das Erfordernis eines "effektiven Familienlebens", das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushaltes, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. das Urteil Marckx [Ziffer 45] sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234; hierzu ausführlich: Kälin, "Die Bedeutung der EMRK für Asylsuchende und Flüchtlinge: Materialien und Hinweise", Mai 1997, Seite 46).

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311), und zwischen Onkel und Tante und Neffen bzw. Nichten (vgl. EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1989, 761; Rosenmayer ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (vgl. EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Wie bereits das Bundesasylamt zutreffend feststellte, verfügt der Asylwerber laut eigenen Angaben weder über nennenswerte Verwandte noch sonstige eheähnliche respektive familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, weshalb eine potentielle Verletzung der in Art. 8 EMRK normierten Rechte bereits aus diesem Grunde auszuschließen ist.

 

Zu beachten sind auch die öffentlichen Interessen an der Effektuierung der Unzuständigkeitsentscheidung Österreichs. Hier ist zunächst klarzustellen, dass der gegenständliche Antrag (auch) eine Umgehung aller anderen niederlassungs- und fremdenrechtlichen Rechtsnormen in Situationen wie der vorliegenden ist. Würde der Asylgerichtshof also im gegenständlichen Fall Österreich verpflichten, das Selbsteintrittsrecht in Bezug auf den Asylwerber zwingend auszuüben, wäre damit die Umgehung dieser fremdenrechtlichen Bestimmungen legitimiert. Das heißt nicht, dass Derartiges in Ausnahmekonstellationen in Hinblick auf Art. 8 EMRK aus menschenrechtlichen Gesichtspunkten nicht dennoch notwendig sein kann, im konkreten Fall liegt diese Ausnahmekonstellation jedoch nicht vor. Die öffentlichen Interessen an der Effektuierung der Unzulässigkeitsentscheidung werden aber durch diesen Aspekt wesentlich bestärkt.

 

2.2. Spruchpunkt I der Entscheidung der Erstinstanz war sohin in Bestätigung der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung des Bundesasylamtes mit obiger näherer Begründung als rechtsrichtig zu erkennen.

 

2.3. Hinsichtlich der vom Antragsteller ebenso bekämpften Ausweisung ist festzuhalten, dass die belangte Behörde eine korrekte Überprüfung im Sinne der Rechtsprechung vorgenommen hat. Den Ausführungen zu Spruchpunkt II des Bescheides des Bundesasylamtes ist seitens des Asylgerichtshofes für den konkreten Fall, zuzustimmen. Aus der Würdigung zu Spruchpunkt I folgt hier die Zulässigkeit der Ausweisung, deren sofortigem Vollzug die EMRK nicht widerstreitet. Gründe für einen Aufschub nach Art. 10 Abs. 3 AsylG waren nicht erkennbar.

 

2.4. Da der Rechtsmittelwerber zum Entscheidungszeitpunkt bereits überstellt worden ist, war gemäß § 41 Abs. 6 AsylG 2005 lediglich festzustellen, dass die Ausweisung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

 

2.5 Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Ausweisung rechtmäßig, deutsche Gerichte, Mitgliedstaat, real risk, Rechtsschutzstandard, Versorgungslage
Zuletzt aktualisiert am
10.05.2013
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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