TE OGH 2011/8/30 8ObS12/11i

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Veröffentlicht am 30.08.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer und die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Richard Wagner und Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** U*****, vertreten durch Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte GmbH in Zell am See, gegen die beklagte Partei IEF-Service GmbH, Geschäftsstelle Salzburg, 5020 Salzburg, Bergstraße 12, wegen 81.928 EUR (Insolvenz-Entgelt), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. April 2011, GZ 12 Rs 37/11i-18, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats kann zwar regelmäßig allein aus der zeitlichen Komponente des „Stehenlassens“ von Entgeltansprüchen nicht darauf geschlossen werden, dass der Arbeitnehmer missbräuchlich das Finanzierungsrisiko auf den Insolvenz-Entgelt-Fonds überwälzen wolle (RIS-Justiz RS0119679; RS0116935). Allerdings kann im Einzelfall dann, wenn zum „Stehenlassen“ von Entgelt weitere Umstände hinzutreten, die konkret auf den Vorsatz des Arbeitnehmers schließen lassen, hier das Finanzierungsrisiko auf den Fonds zu überwälzen, die Geltendmachung eines Anspruchs auf Insolvenzausfallgeld missbräuchlich sein (8 ObS 4/08h mwH).

Solche Umstände liegen hier vor. Der Kläger hat bereits in einem früheren Arbeitsverhältnis zur selben Arbeitgeberin sein Gehalt trotz mehrfacher außergerichtlicher Mahnungen nur unregelmäßig bezahlt erhalten. Bei Beendigung des früheren Arbeitsverhältnisses bestand ein erheblicher Entgeltrückstand von mehr als 20.000 EUR, der noch nicht beglichen war, als der Kläger ein neuerliches Arbeitsverhältnis zur selben Arbeitgeberin einging. Seine Behauptung, er habe berechtigt davon ausgehen können, dass die Arbeitgeberin infolge eines zu erwartenden großen Bauauftrags seine Entgelte zahlen könne, ist aus den Feststellungen nicht nachvollziehbar: Danach hatte die Arbeitgeberin zwar zu Beginn des dritten Arbeitsverhältnisses des Klägers Hoffnung auf ein größeres Bauprojekt, es bestand allerdings kein Vertrag. Der in diesem Zusammenhang behauptete Verfahrensmangel durch Unterlassung der Einvernahme zweier Zeugen wurde bereits vom Berufungsgericht verneint, sodass er in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden kann. Der Kläger war über den Auftragsstand dieses - letztlich gescheiterten - Projekts informiert, ihm waren die finanziellen Schwierigkeiten der Arbeitgeberin hinlänglich bekannt. Richtig weist er in der Revision zwar darauf hin, dass er rund drei Monate nach Beginn des dritten Arbeitsverhältnisses in kurzer Abfolge drei Zahlungen erhielt. Diese wurden aber jeweils auf seine ältesten Forderungen angerechnet, wobei der Kläger schon in den ersten beiden Monaten des dritten Arbeitsverhältnisses kein Entgelt für seine Tätigkeit erhielt. Darüber hinaus erreichte die Summe aller drei Zahlungen nicht annähernd die Höhe des noch immer aus dem zweiten Arbeitsverhältnis aushaftenden Entgeltrückstands. Dem weiteren Argument des Klägers, er habe ernstlich versucht, sein Entgelt einbringlich zu machen, steht entgegen, dass das dritte Arbeitsverhältnis des Klägers am 30. 11. 2007 endete, er jedoch erst am 9. 7. 2008 ein Versäumungsurteil, und dies überdies nur über einen Teil seiner Ansprüche gegen die Arbeitgeberin, erwirkte. Vor allem aber hat das Erstgericht festgestellt, dass dem Kläger die Möglichkeit, dass die rückständigen Entgelte von der Beklagten gezahlt werden müssen, bewusst war, und dass er diese in Kauf genommen hat.

Vor diesem Hintergrund ist die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass dieses Arbeitsverhältnis als „atypisch“ im Sinn der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht vom Schutzbereich des IESG umfasst ist, nach den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls (8 ObS 3/08m) hier jedenfalls vertretbar (8 ObS 9/06s; RIS-Justiz RS0111281).

Schlagworte

Arbeitsrecht

Textnummer

E98299

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:008OBS00012.11I.0830.000

Im RIS seit

23.09.2011

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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