TE OGH 2009/2/23 8Ob168/08a

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.02.2009
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Glawischnig und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans Z*****, vertreten durch Dr. Michael Mathes, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Georg F*****, vertreten durch Dr. Friedrich Bubla, Rechtsanwalt in Baden, wegen Räumung und Beseitigung (Interesse: 4.000 EUR) über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 23. September 2008, GZ 17 R 294/08v-19, mit dem infolge Berufung des Klägers das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 7. Mai 2008, GZ 9 C 762/07d-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Streitteile sind Eigentümer benachbarter Liegenschaften. Der Beklagte beabsichtigte die Errichtung einer gemauerten Einfriedung seiner Liegenschaft. Wegen eines an der gemeinsamen Grundstücksgrenze - jedoch überwiegend auf dem Grund des Beklagten - stehenden alten Baums war dafür die Inanspruchnahme der Liegenschaft des Klägers erforderlich.

Strittig ist hier die rechtliche Qualifikation einer zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarung, wonach der Kläger dem Beklagten das Recht einräumte, zum Schutz des Baums die Mauer um diesen herum zu führen und zu diesem Zweck die Liegenschaft des Klägers in Anspruch zu nehmen.

Das Erstgericht beurteilte (dem klägerischen Prozessstandpunkt folgend) die Vereinbarung als Prekarium, den Widerruf durch den Kläger bereits kurze Zeit nach Errichtung der Mauer aber als schikanös und wies das auf Räumung und Beseitigung gerichtete Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Abweichend vom Erstgericht gelangte es auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts, aus dem es trotz der (schriftlichen) Vereinbarung der jederzeitigen Widerruflichkeit des eingeräumten Rechts auf einen längerfristigen Bindungswillen des Klägers schloss, zur rechtlichen Beurteilung, dass die vorliegende Vereinbarung kein Prekarium sei, sodass das einzig darauf gestützte Klagebegehren deshalb abzuweisen sei. Es ließ jedoch die ordentliche Revision zu, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob trotz der vereinbarten Widerrufsmöglichkeit die Annahme einer Bittleihe ausscheide, wenn sich aus den Umständen ein gegenseitiger Bindungswille der Parteien für die Zukunft ergebe.

Rechtliche Beurteilung

Die wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Klägers ist trotz dieses den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts unzulässig (§ 508a Abs 1 ZPO). Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof hiebei auf die Zurückweisungsgründe beschränken.

Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge wesentlicher Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936; RS0044358; RS0044298 uva).

Die rechtliche Qualifikation einer Vereinbarung ist mit den Mitteln der Vertragsauslegung vorzunehmen. Dabei ist gemäß § 914 ABGB nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Bei der Auslegung von Verträgen ist das Gesamtverhalten der Parteien und der Zweck der von ihnen abgegebenen Erklärungen zu berücksichtigen. Auch das dem Vertragsabschluss folgende Verhalten kann zur Interpretation herangezogen werden, wenn sich darin die bei Vertragsabschluss bestandene Parteiabsicht manifestiert (RIS-Justiz RS0017815; 2 Ob 194/05a mwN; Binder in Schwimann, ABGB³ § 914 Rz 62; Rummel in Rummel, ABGB³ § 914 Rz 7; Bollenberger in KBB² § 914 Rz 6). Das Berufungsgericht hat diese Auslegungsgrundsätze seiner Entscheidung zugrunde gelegt und ist zu einer jedenfalls vertretbaren Beurteilung des vorliegenden Falls gelangt. Dies um so mehr, als ein Prekarium (§ 974 ABGB) nur dann vorliegt, wenn weder die Dauer noch - wie hier - die Absicht des Gebrauchs bestimmt wurden (5 Ob 275/07p).

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens - das Berufungsgericht habe den Kläger in unzulässiger Weise mit seiner Rechtsauffassung überrascht - liegt nicht vor. Die Unterlassung der Erörterung eines bisher unbeachtet gebliebenen rechtlichen Gesichtspunkts kann nur dann einen Verfahrensmangel darstellen, wenn dadurch einer Partei die Möglichkeit genommen wurde, zur bisher unbeachtet gebliebenen Rechtslage entsprechendes Tatsachenvorbringen zu erstatten. Werden hingegen - wie hier - nur dieselben Tatsachen, die schon der bisher erörterten Rechtslage zugrunde lagen, rechtlich anders gewertet, kann die Verletzung des § 182a ZPO keine Rechtsfolgen haben (7 Ob 278/05s mwN; 1 Ob 160/07x; 3 Ob 82/08t). In einer Verfahrensrüge wegen Verletzung der Pflichten des § 182a ZPO hat der Rechtsmittelwerber überdies darzulegen, welches zusätzliche oder andere Vorbringen er aufgrund der von ihm nicht beachteten neuen Rechtsansicht erstattet hätte (1 Ob 160/07x; 16 Ok 17/07; RIS-Justiz RS0120056 [T2] ua). Entsprechende Behauptungen ist der Kläger aber in seiner Revision schuldig geblieben, sodass er auch die Wesentlichkeit des von ihm geltend gemachten Verfahrensmangels nicht dargetan hat.

Die in der Revisionsbeantwortung vorgebrachten Überlegungen über eine Bindung der Parteien an die in Rede stehende Vereinbarung auf Lebensdauer des an der Grenze stehenden Baums sind durch keinerlei Vorbringen gedeckt und finden auch in den Ausführungen der zweiten Instanz keine Deckung. Auf diese Überlegungen braucht hier daher nicht näher eingegangen zu werden.

Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen und hat daher die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen (RIS-Justiz RS0035979).

Textnummer

E90176

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0080OB00168.08A.0223.000

Im RIS seit

25.03.2009

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten