TE OGH 2009/4/16 2Ob221/08a

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Veröffentlicht am 16.04.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****gmbH, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Fink, Dr. Peter Bernhart, Dr. Bernhard Fink, Rechtsanwälte in Klagenfurt, sowie der Nebenintervenienten auf Seite der klagenden Partei 1. I*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch BKQ Quendler, Klaus & Partner Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, 2. C***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Mag. Astrid Wutte-Lang, Rechtsanwältin in Klagenfurt, 3. B***** GmbH, *****, vertreten durch Muhri & Werschitz Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei „H*****" ***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Walter Brunner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Abgabe einer Willenserklärung (Streitwert 500.000 EUR), über die Rekurse beider Streitteile gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 6. Juni 2008, GZ 1 R 39/08t-78b, womit das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 20. November 2007, GZ 14 C 277/05t-71, aufgehoben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Der Rekurs der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Dem Rekurs der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts in der Hauptsache wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 72.906,42 EUR (darin 7.353,21 EUR USt und 21.440,54 EUR Barauslagen) bestimmten Prozesskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Erstnebenintervenientin die mit 33.791,64 EUR (darin 5.631,94 EUR USt) bestimmten Prozesskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Zweitnebenintervenientin die mit 33.460,56 EUR (darin 5.576,76 EUR USt) bestimmten Prozesskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Drittnebenintervenientin die mit 43.126,92 EUR (darin 7.187,82 EUR USt) bestimmten Prozesskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Pachtvertrag vom 9. 2. 2001 verpachtete die Beklagte ein zuvor von ihr betriebenes Pflegeheim mit 33 Betten sowie die dazugehörige Betriebsliegenschaft an die Klägerin auf unbestimmte Dauer um einen monatlichen Pachtzins von 12.000 EUR netto.

Die für den Rechtsstreit wesentlichen Bestimmungen dieses Pachtvertrags lauten:

„X.

Die Pächterin ist verpflichtet, das gegenständliche Unternehmen ohne Unterbrechung zu betreiben (Betriebspflicht der Pächterin). Eine Verletzung dieser Bestimmung berechtigt (aber nicht verpflichtet) die Verpächterin die sofortige Auflösung des Pachtverhältnisses zu erklären.

Unter gleicher Sanktion fällt auch die Verpflichtung der Pächterin sämtliche behördlichen Auflagen zu erfüllen und einzuhalten und alles zu tun, damit der Betrieb ständig im Sinne der behördlichen Auflagen aufrecht bleibt.

XI.

Bauliche Veränderungen dürfen nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung durch die Verpächterin durchgeführt werden.

XII.

Nebenvereinbarungen zu dieser Vereinbarung bedürfen der Schriftform, mündlich getätigte Nebenabreden sind nicht gültig. Auch eine Änderung dieser vertraglichen Bestimmung bedarf ausdrücklich der Schriftform."

Mit ergänzendem Pachtvertrag vom 6. 5. 2003 wurde vereinbart, die Klägerin solle zusätzlich zum bereits bestehenden Bau Um- und Neubauten mit weiteren 30 Pflegebetten vornehmen. Das Pachtverhältnis wurde nunmehr auf 30 Jahre befristet.

Die hier wesentlichen Bestimmungen des ergänzenden Pachtvertrags lauten:

„V.

Zustimmung der Verpächterin zum Bauen auf fremden Grund: Sohin erklärt die Verpächterin, ausdrücklich damit einverstanden zu sein, dass auf der ihr gehörigen Liegenschaft die eingangs erwähnten Um- und Neubauten errichtet werden, und zwar aufgrund von der Pächterin ausgearbeiteten und baubehördlich bewilligten Bauplänen.

Diese Baupläne, die im Einvernehmen zwischen Verpächterin und Pächterin herzustellen sind, sowie die behördlichen Baubewilligungen bilden sohin einen integrierenden Bestandteil dieser Vereinbarung.

VII.

Mit Ablauf des Pachtvertrags gehen sämtliche Investitionen sowohl für Mobilien als auch für Immobilien, die von der Pächterin auf das Pachtobjekt getätigt wurden, ersatzlos und unentgeltlich an die Verpächterin über . [...]

XII.

[...] Die Pächterin verpflichtet sich, die Investitionen an Baumaßnahmen und Mobilien sach- und fachgerecht, insbesondere dem Standard der heutigen Technik entsprechend, jedoch nach den Prinzipien der Sorgfalt und Sparsamkeit, durchzuführen [...]

XVI.

Nochmals wird ausdrücklich zwischen den vertragschließenden Parteien festgehalten, dass die Regelungen im ursprünglichen Pachtvertrag vom 9. 2. 2001 ihre Gültigkeit behalten, sofern durch die gegenständliche ergänzende Pachtvereinbarung nicht anders lautende Regelungen getroffen wurden."

Sinn des ergänzenden Pachtvertrags, der im Auftrag von Dr. Wilhelm G*****, dem einzigen, selbstständig vertretungsbefugten Geschäftsführer der Beklagten, erstellt wurde, war die Errichtung eines Pflegeheims, das den baubehördlichen und sanitätsbehördlichen Auflagen des Landes Kärnten entspreche.

Am 10. 12. 2002 erteilte der Geschäftsführer der Beklagten der Klägerin eine schriftliche Vollmacht zur Vertretung gegenüber Behörden im Rahmen des Bewilligungsverfahrens für den geplanten Um- und Zubau. Die Vollmacht umfasste alle zur Durchführung des gegenständlichen Projekts notwendigen und gewöhnlichen Vertretungshandlungen.

Die Zweitnebenintervenientin war für die Verfassung und Erstellung der Pläne, die Erstnebenintervenientin für die Errichtung des Bauwerks zuständig, die Drittnebenintervenientin übte die Bauaufsicht aus.

Die ursprünglich von der Zweitnebenintervenientin verfassten Pläne für das Bauvorhaben waren vom Geschäftsführer des Beklagten unterfertigt und von den zuständigen Behörden bewilligt worden.

Bereits im ursprünglichen Plan gab es zwischen Alt- und Neubau einen Unterschied in der Höhenkonstruktion und waren Rampen zwischen Alt- und Neubau vorgesehen, lediglich das Erdgeschoss war auf gleichem Niveau.

Bei der Errichtung des Zubaus stellte sich beim Anschluss des Neubaus an den bestehenden Altbau heraus, dass auch nicht geplante Höhendifferenzen zwischen Alt- und Neubau vorlagen. Deshalb wurden die ursprünglichen Pläne adaptiert und von der Zweitnebenintervenientin zwei Änderungspläne hergestellt. Der Niveauunterschied der Grundrissebenen wurde im Änderungsplan (bei den einzelnen Geschoßen um 0,30 bis 0,34 m) vergrößert. Aufgrund der Höhendifferenz mussten die adaptierten Rampen entsprechend lange ausfallen, damit das Gefälle nicht zu groß wurde. Vor jeder Tür musste eine ebene Fläche errichtet werden.

Der Geschäftsführer der Beklagten nahm regelmäßig an Baubesprechungen während der Adaptierungsmaßnahmen am Bauwerk teil. Er war auch bei Baubesprechungen anwesend, bei denen es um die Höhendifferenz ging.

Am 25. 3. 2004 fand eine Baubegehung statt, an der der Geschäftsführer der Beklagten in Begleitung eines Architekten teilnahm. Dabei wurde über die bestehende Höhendifferenz gesprochen, die Umbauarbeiten müssten umfangreicher und die Rampen entsprechend verlängert werden, die unmittelbar an die Rampen anschließenden Zimmer müssten auch adaptiert werden. Der Geschäftsführer der Beklagten nahm dies zur Kenntnis und sprach sich nicht dagegen aus.

Der Geschäftsführer der Beklagten gratulierte mit Schreiben vom 5. 6. 2004 Rudolf Ö*****, einem der Geschäftsführer der Klägerin, zur Fertigstellung des Neubaus folgendermaßen:

„Sehr geehrter Herr Ö*****

In Anbetracht der Sachlage, dass das Pflegeheim W***** fertig gestellt wurde, kann ich mit Freude feststellen, dass dieser Neubau in vollem Umfang gelungen ist. Ich kann Ihnen daher nur gratulieren zu diesem Erfolg!"

Obwohl der Bau samt den Adaptierungsarbeiten etwa Ende 2004 fertig war, wurde er bereits im August 2004 bezogen und von der Sanitätsbehörde die entsprechende Bewilligung erteilt.

Anlässlich einer Bauverhandlung am 16. 2. 2005 zog der Geschäftsführer der Beklagten seine Vollmacht zurück und verweigerte als Grundeigentümer seine Zustimmung zu den Änderungsplänen.

In einem Gespräch nach dieser Bauverhandlung sicherte der Geschäftsführer der Beklagten der Klägerin zu, er werde die gegenständlichen Pläne unterfertigen, wenn von ihm gewünschte Änderungen (die Änderung eines Balkongitters, eine Änderung des Tores bzw die Errichtung eines Zaunes) durchgeführt werden. Mit Ausnahme der Errichtung des Zaunes wurden diese Änderungen durch die Klägerin ausgeführt.

In weiterer Folge erteilte jedoch der Geschäftsführer der Beklagten nicht die Zustimmung zu den beiden Auswechslungsplänen, da er dafür von der Klägerin einen Geldbetrag von einigen hunderttausend Euro haben wollte.

Das Pflegeheim weist eine hundertprozentige Auslastung vor, weshalb es zu keinerlei finanziellen Einbußen hinsichtlich der umsatzabhängigen Pacht kam. Die vorhandene Höhendifferenz wirkt sich in keiner Weise störend auf den Betrieb des Heims aus.

Aus sanitätsbehördlicher Sicht ist die Ausgestaltung der Rampen ausreichend. Auch aus Sicht der Aufsichtsbehörde, des Bau- und Amtssachverständigen sowie aus technischer Sicht gibt es keinen Grund, die Betreibung des Heims nicht zu genehmigen. Eine Baufertigstellungsmeldung ist jedoch erst dann möglich, wenn das Bauvorhaben fertig und bewilligt ist. Aus behördlicher Sicht fehlt für die Bewilligung des Bauvorhabens nur mehr die Unterschrift des Grundeigentümers, nämlich dessen Zustimmung zu den beiden klagsgegenständlichen Änderungsplänen.

Die ursprünglich geplante Bettenanzahl für den Neubau ist trotz der Adaptierungsmaßnahmen gleich geblieben. Es kam teilweise nur zu Nutzungsänderungen in einzelnen Räumen. Durch die gegenständlichen Adaptierungsarbeiten wurde auch der Bestand des Altbaus (Sanitäranlagen) verbessert.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass zwischen den Streitparteien beim gegenständlichen Bauvorhaben die Geltung irgendwelcher ÖNORMEN vereinbart wurden.

Eine Adaptierung des bestehenden Baus an den ursprünglichen baubewilligten Plan würde einen Kostenaufwand von ca 350.000 bis 400.000 EUR mit sich bringen.

Eine Wertminderung des Bauwerks aufgrund der Adaptierungsmaßnahmen konnte nicht festgestellt werden.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Beklagte aufgrund der Adaptierungsarbeiten einen Schaden erlitt oder im Jahr 2033 (Ende des Pachtverhältnisses) erleiden wird.

Die Klägerin begehrte, die Beklagte als Eigentümerin der Liegenschaft *****, bestehend aus dem Grundstück Nr. *****, für schuldig zu erkennen, gegenüber dem Bürgermeister der Landeshauptstadt Klagenfurt (Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt) als Baubehörde ihre Zustimmung zu den von der klagenden Partei im Bauverfahren zu Mag.Zl. ***** vorgelegten zwei Änderungsplänen (Auswechslungspläne), je datiert mit 2. 3. 2005, nämlich Plan Nr. ***** (Grundrisse) und Plan Nr. ***** (Ansichten-Schnitte-Lageplan), zu erteilen.

Die Klägerin brachte vor, die Beklagte verweigere vertrags- und rechtswidrig ihre Zustimmung zu den zwei klagsgegenständlichen Änderungsplänen. Aus dem ergänzenden Pachtvertrag vom 6. 5. 2003 seien konkrete Bedingungen für die bauliche Ausgestaltung des Baus nicht zu entnehmen. Durch die vom Geschäftsführer der Beklagten gesetzten Verhaltensweisen (kein Protest gegen die Rampen bei Besuchen auf der Baustelle, Gratulation zur Fertigstellung) sei zumindest von einer schlüssigen Zustimmung der Beklagten auszugehen. Der Neubau entspreche den verwaltungsrechtlichen Vorschriften.

Die Beklagte bestritt und brachte vor, nach Punkt V. des ergänzenden Pachtvertrags vom 6. 5. 2003 sei sie nicht verpflichtet, den gegenständlichen Auswechslungsplänen zuzustimmen. Die tatsächlichen Abweichungen seien so gravierend, dass sie der Beklagten wirtschaftlich nicht zumutbar seien, abgesehen davon entspreche die tatsächliche Ausführung des baulichen Vorhabens nicht dem Stand der Technik und nicht den einschlägigen öffentlichrechtlichen Vorschriften. Es sei nicht maßgeblich, ob das Bauwerk nach den verwaltungsrechtlichen Vorschriften genehmigungsfähig sei oder nicht, sondern ob es der Vereinbarung zwischen den Streitteilen entspreche oder nicht. Die Beklagte habe der tatsächlichen Bauausführung niemals schlüssig zugestimmt. Eine Behebung der Beeinträchtigung sei nur durch den Abbruch des Neubaus und seiner Wiederrichtung auf der Grundlage der bewilligten Einreichpläne möglich.

Die oben erwähnten Nebenintervenientinnen auf Klagsseite schlossen sich im Wesentlichen dem Klagsvorbringen an, die Drittnebenintervenientin brachte darüber hinaus vor, die nunmehrige Weigerung der Beklagten, die dringend notwendigen baulichen Abänderungen zu genehmigen, sei schikanös und widerspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben.

Das Erstgericht wies rechtskräftig den Antrag der Beklagten, die Beitrittserklärungen der Nebenintervenientinnen zurückzuweisen, ab und gab dem Klagebegehren statt.

Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, die erst während des Baus aufgetretenen Höhendifferenzen seien von den Parteien nicht vorhergesehen gewesen und hätten demnach auch keinen Niederschlag im ergänzenden Pachtvertrag gefunden. Wenn das Mittel der Wortauslegung unter Berücksichtigung des Parteiwillens versage und damit eine Lücke vorliege, habe die ergänzende Vertragsauslegung stattzufinden. Als deren Mittel kämen der hypothetische Parteiwille, der Grundsatz von Treu und Glauben sowie die Übung des redlichen Verkehrs in Betracht. Da bei Erkennen der Höhendifferenz das Bauwerk zum Großteil schon errichtet gewesen sei, hätten redliche und vernünftige Parteien für diesen Fall die gegenständlich durchgeführte Adaptierung vereinbart, da die Alternative, nämlich das Abreißen des bereits errichteten Bauwerks insbesondere aus ökonomischer Sicht unverantwortlich gewesen wäre. Die Klägerin und die drei Nebenintervenientinnen hätten aufgrund des Verhaltens des Geschäftsführers der Beklagten (Teilnahme an mehreren Baubesprechungen und Baubegehungen, bei denen die Höhendifferenz und die Adaptierungsmaßnahmen Thema waren; Gratulationsschreiben zum fertig gestellten Bau) davon ausgehen können, der Geschäftsführer der Beklagten habe nicht nur zumindest konkludent den Adaptierungsmaßnahmen zugestimmt, sondern werde auch die notwendige Genehmigung als Grundeigentümer erteilen.

Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Beschluss der Berufung der Beklagten Folge, hob das Urteil des Erstgerichts auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück. Es ging rechtlich im Wesentlichen von folgenden Erwägungen aus: Der Bestandgeber müsse bauliche Veränderungen dulden, die zur Erreichung des bedungenen Gebrauchs erforderlich seien. Eine Grenze für die Gestattung solcher baulichen Veränderungen bildeten nur schutzwürdige Interessen des Bestandgebers. Beweispflichtig für Art und Umfang der baulichen Veränderungen und für die Notwendigkeit der Bauführung zur vertragsgemäßen Objektsverwendung, somit für das Eingriffsrecht des Bestandnehmers, sei dieser, während die Beweislast für die Substanz- oder Interessenverletzung den Bestandgeber treffe. Die Einreichpläne seien Bestandteil der Pachtvereinbarung geworden. Für nicht mit diesen Einreichplänen übereinstimmende Adaptierungsarbeiten liege daher keine Genehmigung der Beklagten vor. Ob und inwieweit die Beklagte nachträglich der erfolgten planwidrigen Höhendifferenz und den weiteren Adaptierungsarbeiten nach § 1098 ABGB zustimmen müsse, könne noch nicht beurteilt werden. Die Klägerin, die sich bisher damit begnügt habe, unter Hinweis auf die vorgelegten Pläne zu behaupten, es handle sich um geringfügige Adaptierungsmaßnahmen, müsse konkret vorbringen, welche Änderungen - sei es nun aufgrund der planwidrigen Höhendifferenz, sei es aufgrund der dadurch notwendig gewordenen Verbesserungsarbeiten - den Auswechslungsplänen zugrunde lägen. Das Erstgericht werde die Klägerin zu diesem Vorbringen anleiten müssen. Im Rahmen der erforderlichen ergänzenden Vertragsauslegung hätten redliche und vernünftige Parteien für den von ihnen nicht bedachten vorliegenden Fall vereinbart, Adaptierungsmaßnahmen vorzunehmen (da zumindest nach den bisherigen Verfahrensstand eine Verbesserung möglich sei), und nicht, wie die Beklagte begehre, den Neubau abzureißen und wieder aufzubauen. Die Beklagte habe ihre Zustimmung unter der Voraussetzung, dass ihre Interessen als Bestandgeberin nicht verletzt würden, auch zu einem wie hier vorliegenden nicht von vornherein aussichtslosen Ansuchen zu erteilen. Dass der Geschäftsführer der Beklagten bei den einzelnen Baubesprechungen anwesend gewesen sei, die eingetretene planwidrige Höhendifferenz kommentarlos zur Kenntnis genommen und zur Errichtung des Neubaus gratuliert habe, könne eine schlüssige Zustimmung zu den den Auswechslungsplänen zugrunde liegenden Bauänderungen allein noch nicht begründen. Auf die von der Beklagten geltend gemachte Zug-um-Zug-Einrede (Bezahlung von 500.000 EUR von der Klägerin an die Beklagte) müsse im vorliegenden Verfahrensstadium nicht eingegangen werden.

Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil zur Frage, ob und inwieweit ein Bestandgeber einer durch einen Baufehler verursachten Änderung und allfälligen dadurch notwendig gewordenen Verbesserungsarbeiten zustimmen müsse, keine oberstgerichtliche Entscheidungen vorlägen.

Gegen den Beschluss des Berufungsgerichts richten sich die Rekurse beider Streitteile.

Die Beklagte beantragt, der Oberste Gerichtshof möge die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung abändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Oberste Gerichtshof möge das Urteil des Erstgerichts wiederherstellen.

Beide Streitteile sowie die drei Nebenintervenientinnen haben Rekursbeantwortungen erstattet. Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs der Klägerin nicht Folge zu geben. Die Klägerin sowie die drei Nebenintervenientinnen auf Klagsseite beantragen jeweils, den Rekurs der Beklagten mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten ist unzulässig, der Rekurs der Klägerin hingegen ist zulässig und berechtigt.

Das Berufungsgericht hat mit seiner Begründung des Zulässigkeitsausspruchs keine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt: Ob und inwieweit ein Bestandgeber einer durch einen Baufehler verursachten Änderung und allfälligen dadurch notwendig gewordenen Verbesserungsarbeiten zustimmen muss, ist hier - wie die Vorinstanzen an sich zutreffend erkannt haben - letztlich eine Frage der Auslegung des „ergänzenden Pachtvertrags". Die Vertragsauslegung stellt aber nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936). Inwieweit ein solches vorliegt, wird bei der Behandlung des Rekurses der Klägerin ausgeführt.

1. Zum Rekurs der Beklagten:

Auch die Beklagte zeigt in ihrem Rekurs keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Beklagte meint, im vorliegenden Fall liege gar keine Vertragslücke vor; selbst wenn eine solche vorläge, wäre dispositives Recht und somit die gesetzliche Gewährleistungs- und Schadenersatzregelung anzuwenden. Diese sähe primär die Verbesserung des Bauwerks und nicht die „Duldung ohne Wenn und Aber" ohne Ersatz bzw Entgelt vor.

Die Ausführungen der Beklagten gehen insofern nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, als von „derart erheblichen Baufehlern" und von einem „verpfuschten" Bau die Rede ist. Weiters ergäbe sich weder nach Gewährleistungs- noch nach Schadenersatzrecht die von der Beklagten gewünschte Rechtsfolge, nämlich der Abriss des bestehenden Neubaus und die völlige Neuausführung desselben. Angesichts der dafür notwendigen festgestellten Kosten und der bereits erfolgten Adaptierungsarbeiten wäre die „Verbesserung" durch Abriss und Neubau „verglichen mit der anderen Abhilfe mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden" (§ 932 Abs 2 ABGB) bzw - schadenersatzrechtlich gesehen - „nicht tunlich" (§ 1323 ABGB).

Zu den weiteren Ausführungen der Beklagten über die Duldungspflicht des Bestandgebers betreffend Veränderungen des Bestandobjekts wird die Beklagte auf die vorstehenden Ausführungen zur Begründung des berufungsgerichtlichen Zulässigkeitsausspruchs verwiesen. Da das Erstgericht die Vereinbarung irgendwelcher ÖNORMEN nicht feststellen konnte, erübrigen sich darauf gestützte weitere Überlegungen (RIS-Justiz RS0038622). Mag es nach den Feststellungen auch zutreffen, dass ein Bauen entsprechend den einschlägigen ÖNORMEN dem Stand der Technik entspricht, so kann daraus doch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass jegliches Bauen, das gewissen ÖNORMEN nicht entspricht, schon dadurch allein dem Stand der Technik nicht genügt. Die Behauptung der Beklagten, das Pflegeheim entspreche nicht dem heutigen Stand der Technik, kann daher (allein) aus Widersprüchen des Bauwerks zu bestimmten ÖNORMEN nicht begründet werden und findet auch keine Grundlage in den erstgerichtlichen Feststellungen.

Als erhebliche Rechtsfrage releviert die Beklagte schließlich, es fehle oberstgerichtliche Rechtsprechung dazu, ob die Abweisung des Eventualbegehrens der Beklagten, notfalls nur Zug um Zug gegen eine Gegenleistung der Klägerin verurteilt zu werden, im Spruch oder nur in der Begründung des Urteils zu erfolgen habe.

Die Beklagte hat in der Verhandlung vom 28. 6. 2007 vorgebracht, für den Fall, dass die fehlende Zustimmung der Beklagten durch Urteil ersetzt werden sollte, begehre die Beklagte, sie nur Zug-um-Zug gegen Bezahlung von 500.000 EUR zu verurteilen. Der Betrag werde als Ersatz für Nachteile begehrt, den die Beklagte dann in Kauf nehmen bzw für die notwendige Anpassung des Objekts an den genehmigten Zustand ausgeben müsse.

Nach ständiger und gesicherter oberstgerichtlicher Rechtsprechung ist die Verurteilung Zug-um-Zug kein aliud sondern ein minus (RIS-Justiz RS0041067; RS0041069). Kommt ein Gericht zum Ergebnis, das Klagebegehren sei vollinhaltlich berechtigt, so hat es im Spruch lediglich den Beklagten zu verurteilen, nicht aber auch noch einen Eventualantrag des Beklagten, dem Kläger nur weniger als das, was er begehrt, zu geben, abzuweisen. Da diese Rechtslage klar und eindeutig ist, liegt auch insoweit keine erhebliche Rechtsfrage vor (vgl RIS-Justiz RS0042656).

Mangels aufgezeigter erheblicher Rechtsfragen war der Rekurs der Beklagten zurückzuweisen.

2. Zum Rekurs der Klägerin:

Die Klägerin begründet die Zulässigkeit ihres Rekurses im Wesentlichen damit, das Berufungsgericht sei von der ständigen Rechtsprechung zum Vorliegen einer konkludenten Zustimmung abgewichen und habe trotz Vorliegens der Voraussetzungen eine solche nicht für gegeben erachtet. Aufgrund der festgestellten Verhaltensweisen des Geschäftsführers der Beklagten ab dem Zeitpunkt, wo die (zusätzlichen) Höhendifferenzen zwischen Altbau und Neubau bekannt waren, habe die Beklagte schlüssig den Adaptierungen im Bereich des Neubaus bzw der Schnittstelle vom Neubau zum Altbau zugestimmt.

Gemäß § 863 Abs 1 ABGB kann man seinen Willen nicht nur ausdrücklich durch Worte und allgemein angenommene Zeichen, sondern auch stillschweigend durch solche Handlungen erklären, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen. Im vorliegenden Fall ist schon darauf zu verweisen, dass nach den Feststellungen bereits in den ursprünglichen Plänen außer im Erdgeschoß Niveauunterschiede und Rampen zwischen Alt- und Neubau vorgesehen waren. Eine allfällige Vermehrung von Stellen, wo Rampen notwendig sind, bzw eine allfällige Verlängerung von Rampen wegen größerer Niveauunterschiede gegenüber dem ursprünglichen Bauplan macht also grundsätzlich keinen qualitativen, sondern nur einen quantitativen Unterschied. Der Geschäftsführer der Beklagten war bei den Baubesprechungen und bei der Baubegehung, bei denen gerade auch die Höhendifferenzen besprochen wurden, anwesend, nahm dies zur Kenntnis und sprach sich nicht dagegen aus. Danach gratulierte er einem Geschäftsführer der Klägerin schriftlich mit den Worten, „dass dieser Neubau in vollem Umfang gelungen ist".

Mit dem Erstgericht ist auch der Oberste Gerichtshof der Ansicht, dass in den dargestellten Verhaltensweisen eine schlüssige Zustimmung der Beklagten, vertreten durch ihren Geschäftsführer, zu den gegenständlichen Änderungen vorliegt, ist doch bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund, daran zu zweifeln (§ 863 Abs 1 ABGB), ersichtlich. Das Berufungsgericht hat seine Beurteilung, eine schlüssige Zustimmung liege nicht vor, nicht begründet und keine nachvollziehbaren Zweifel am Erklärungsverhalten des Geschäftsführers der Beklagten formuliert.

Wenn die Beklagte in diesem Zusammenhang in ihrer Rekursbeantwortung im Hinblick auf das im ursprünglichen Pachtvertrag festgelegte Schriftformerfordernis für Nebenvereinbarungen bzw Nebenabreden auf § 884 ABGB verweist, so ist dem zu entgegnen: Nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung können die Parteien vom Formvorbehalt einverständlich abgehen, auch ohne Einhaltung der Schriftform und nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent (RIS-Justiz RS0038673; RS0014378). Das gilt selbst für den - hier vorliegenden - Fall, dass die Parteien die Schriftform auch für das Abgehen vom Erfordernis der Schriftlichkeit vereinbart haben (5 Ob 37/06m = RIS-Justiz RS0038673 [T7] = RS0014378 [T12]).

Da somit die Beklagte den gegenständlichen Änderungen zugestimmt hat, ist sie auch verpflichtet, die für die entsprechenden behördlichen Genehmigungen des Baus erforderlichen Unterschriften auf den Auswechslungsplänen zu leisten.

Für die Verurteilung der Beklagten Zug-um-Zug gegen Bezahlung von 500.000 EUR durch die Klägerin an die Beklagte für allfällige Nachteile aufgrund der Änderungen besteht schon deshalb kein Raum, weil nach den Feststellungen weder eine Wertminderung des Bauwerks aufgrund der Adaptierungsmaßnahmen noch ein dadurch der Beklagten verursachter Schaden feststellbar war.

Aufgrund dieser rechtlichen Beurteilung erweist sich die Sache als spruchreif im Sinne des erstgerichtlichen Urteils, weshalb dieses in der Hauptsache wiederherzustellen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO, für das Rechtsmittelverfahren auf die §§ 41 und 50 ZPO. Dabei hat nach der neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats der (teilweise) Erfolg der Berufung im Kostenpunkt auf die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren keinen Einfluss (RIS-Justiz RS0119892 [T3, T4]; RS0087844 [T3, T4, T5]).

Für die Kostenentscheidung der Kosten erster Instanz waren die in der Berufung der Beklagten vorhandene Kostenrüge hinsichtlich der Kosten der Klägerin sowie der Zweit- und Drittnebenintervenientin und die diesbezüglichen Repliken in den Berufungsbeantwortungen der Zweit- und Drittnebenintervenientin zu berücksichtigen. Die Klägerin ist der berechtigten Kostenrüge der Beklagten nicht entgegengetreten. Die beiden Schriftsätze der Zweitnebenintervenientin vom 1. 2. 2006 und vom 16. 2. 2007 waren keine nach § 257 Abs 3 ZPO zulässigen und auch keine vom Gericht aufgetragenen Schriftsätze (TP 3 A I. 1. lit d), sondern sind als Urkundenvorlagen nach TP 1 (I. lit a) zu honorieren. Die Drittnebenintervenientin hat schon in ihrer Kostennote in erster Instanz darauf hingewiesen, dass ihr Rechtsvertreter ihr ständiger Vertreter ist, zu dem ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht und der sie auch in Parallelverfahren vertritt. Der doppelte Einheitssatz für die Betrauung eines auswärtigen Rechtsanwalts steht daher zu. Aus der Aktenlage ist auch nicht widerlegt, dass der Vertreter der Drittnebenintervenientin vom Entfall der Verhandlungen am 27. 3. 2006 und am 10. 1. 2007 nicht rechtzeitig verständigt wurde.

Textnummer

E90822

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0020OB00221.08A.0416.000

Im RIS seit

16.05.2009

Zuletzt aktualisiert am

20.09.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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