TE OGH 2009/7/1 7Ob21/09b

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Veröffentlicht am 01.07.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. P. Sellemond, Dr. W. Platzgummer, Mag. R. Sellemond, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei I***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 4.531,60 EUR, über die ordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 12. September 2008, GZ 3 R 174/08x-22, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom 28. Februar 2008, GZ 6 C 65/07x-18, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 445,82 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 74,30 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

                             Begründung:

Den Gegenstand des Verfahrens bildet ein Rückersatzanspruch nach Art

XII Z 3 EGUStG, den die in Vorprozessen und anschließenden

Exekutionsverfahren kostenersatzpflichtig gewordene Klägerin (=

Werkbestellerin) gegenüber der Beklagten (= Werkunternehmerin)

erhebt. Die Beklagte sei für die an deren Rechtsvertreter von der Klägerin geleisteten Kostenbeträge vorsteuerabzugsberechtigt und deshalb verpflichtet, die in den Kostenbeträgen enthaltene Umsatzsteuer an die Klägerin rückzuerstatten. Den Vorverfahren lagen Rechnungen über von der Beklagten an die Klägerin erbrachte Werkleistungen zugrunde. Die Klägerin wurde infolge Unterliegens in den beiden Prozessen, weiters in den anschließenden Exekutionsverfahren kostenersatzpflichtig. Sie leistete die gerichtlich bestimmten Kostenersatzbeträge an den Rechtsvertreter der Beklagten bis spätestens 20. Juli 2006 (darunter 4.531,60 EUR an Umsatzsteuer). Die Beklagte machte für diese Prozesskosten nie einen Vorsteuerabzug geltend. Der Beklagtenvertreter stellte der Beklagten keine Rechnung über seine Vertretungsleistungen in den gegen die Klägerin geführten Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren aus; eine solche wurde von seiner Mandantin auch nie eingefordert. Das Erstgericht wies die Klage ab.

Das Berufungsgericht änderte auf eine Klagsstattgebung ab und ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass ungeachtet zitierter Judikatur und Lehrmeinungen zu den gegenständlichen Rechtsfragen keine aktuelle oberstgerichtliche Judikatur existiere. Aus dem Wortlaut des Art XII Z 3 EGUStG, den Gesetzesmaterialien und der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sei abzuleiten, dass die Bestimmung für jeden Ersatz einer Sache oder einer Leistung, sohin auch für den Prozesskostenersatz gelte. Da es für das Entstehen des Rückersatzanspruchs auf die abstrakte Möglichkeit des Vorsteuerabzugs ankomme, nicht jedoch auf die tatsächliche Ausnützung, sei ein Verzicht darauf allein Sache des Vorsteuerabzugsberechtigten, berühre den Rückersatzanspruch jedoch nicht. Der Rechtsanwalt der Beklagten wäre zwar nicht zur Ausstellung einer Rechnung an die Klägerin verpflichtet gewesen, wohl aber gegenüber der Beklagten. Der Kostenersatzanspruch berechtige nämlich nur die Prozesspartei, auch wenn deren Anwalt die Zahlung der Kosten zu seinen Handen begehre. Mit ihrer ordentlichen Revision macht die Klägerin als erhebliche Rechtsfragen im Wesentlichen geltend,

wegen der öffentlich-rechtlichen Natur des Kostenersatzanspruchs komme der nur auf zivilrechtliche Leistungen anzuwendende Art XII Z 3 EGUStG nicht zur Anwendung;

beim Prozesskostenersatz des Unterlegenen an den Vertreter des Obsiegenden erfolge kein Leistungsaustausch, sodass die Klägerin keinen Vorsteuerabzug daraus geltend machen könne, aber auch keine Rechnung an die Beklagte auszustellen sei;

für einen Bereicherungsanspruch sui generis nach Art XII Z 3 EGUStG fehle es an einer Bereicherung der Beklagten, die keinen Vorsteuerabzug geltend gemacht habe;

der Beklagten sei es wegen des Vertrauensverhältnisses nicht zumutbar, mit ihrem Vertreter eine Auseinandersetzung über die Ausstellung einer Rechnung zu führen, um der unterlegenen Partei einen Vorsteuerabzug zu ermöglichen.

Die Klägerin erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hält die Begründung des Berufungsgerichts für zutreffend, weshalb folgende Ausführungen genügen (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Schon in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 8 Ob 79/75 (= EvBl 1976/22, 44) wurde zu Art XII Z 3 EGUStG 1972 der Rechtssatz formuliert, dass das Gericht bei der Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz einer Sache oder Leistung die Umsatzsteuer, die aus dem Titel des Schadenersatzes, der Bereicherung, der Verwendung oder des Prozesskostenersatzes begehrt wird, nicht gesondert zu behandeln und auch nicht die abgabenrechtliche Vorfrage zu entscheiden hat, ob der Ersatzberechtigte die Umsatzsteuer im Weg des Vorsteuerabzugs vergütet erhalten könnte (RIS-Justiz RS0038172). Später (4 Ob 2385/96f und 7 Ob 247/06h) erfolgte die Ergänzung, dass der Gesetzgeber mit dieser Regelung der Problematik des Vorsteuerabzugs nicht nur im Schadenersatzrecht, sondern generell im „Ersatzrecht" Rechnung getragen hat. Es entspricht daher ständiger und aktueller Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass ein Rückersatzanspruch nach Art XII Z 3 EGUStG 1972 nicht nur beim Begehren auf Umsatzsteuer aus dem Titel einer Schadenersatzforderung bestehen kann, sondern auch im Zusammenhang mit Prozesskostenersatz, woran festzuhalten ist. Diese Rechtsansicht entspricht nicht nur der zweitinstanzlichen Rechtsprechung zu Rückersatzforderungen betreffend Prozesskosten (KG Steyr ZVR 1986/24; LG für ZRS Wien WR 277; LG Eisenstadt AnwBl 2003/7880), sondern auch der herrschenden Lehre (Obermaier, Kostenhandbuch [2005] Rz 554; M. Bydlinski in Fasching/Konecny² [2002] § 41 ZPO Rz 34, und Kostenersatz im Zivilprozess [1992], 24 f;

Kilches, ecolex 2001, 697, und ecolex 1999, 349; Beirer, AnwBl 1991, 873; Schwarz, AnwBl 1989, 175; G. Kodek, RdW 1988, 56;

Huber/Hofinger, ÖJZ 1975, 343; Doralt/Ruppe, Grundriss des österreichischen Steuerrechts9 [2007], Rz 1265; Achatz, Umsatzsteuer und Schadenersatz [1992], 130, 134 ff und 251; Wieland in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-Kommentar 1.04 § 1 Rz 251 [www.rdb.at]). Der Oberste Gerichtshof hat auch schon ausgesprochen, dass Art XII Z 3 EGUStG 1972 keine vom UStG 1994 abweichende Regelung zum Inhalt hat, weshalb diese Bestimmung auch nach Aufhebung des UStG 1972 seit dem Inkrafttreten des UStG 1994 weiter fortgilt (7 Ob 247/06h = RIS-Justiz RS0038172 [T6]). Es ist daher von der Anwendbarkeit des Art XII Z 3 EGUStG 1972 auf den hier zu beurteilenden Rückersatzanspruch auszugehen.

2. Der weiteren, für den Fall der Geltung des Art XII Z 3 EGUStG 1972 vorgetragenen Argumentation, bei der Beklagten sei keine Bereicherung eingetreten, weil sie keinen Vorsteuerabzug geltend gemacht habe, steht die ständige, auf den eindeutigen Wortlaut der Bestimmung gegründete Judikatur entgegen, wonach es für das Entstehen des Rückersatzanspruchs nicht darauf ankommt, ob der Geschädigte von der Vorsteuerabzugsmöglichkeit tatsächlich Gebrauch macht, sondern nur darauf, ob er hiezu berechtigt wäre. Dabei müssen Umstände, die allein in seinem Willensbereich liegen, außer Betracht bleiben. Wenn der vorsteuerabzugsberechtigte Geschädigte darauf verzichtet, die Voraussetzungen für einen möglichen Vorsteuerabzug - etwa durch Beschaffung einer vorsteuerabzugstauglichen Reparaturkostenrechnung - zu schaffen, so ist das seine Sache; der Ersatzpflichtige kann dadurch jedenfalls nicht um den ihm sonst zustehenden Rückersatzanspruch gebracht werden (RIS-Justiz RS0037872, RS0037884, jeweils zuletzt 7 Ob 147/00v und 7 Ob 301/01t; vgl auch RS0037861, RS0037844 und RS0037853). Das Entstehen des Rückersatzanspruchs des Kostenschuldners kann der Unternehmer auch nicht etwa dadurch verhindern, dass er seinen Rechtsanwalt veranlasst, von der Ausstellung einer (die Umsatzsteuer ausweisenden) Honorarnote Abstand zu nehmen; maßgeblich für das Entstehen des Rückforderungsanspruchs ist die abstrakte Möglichkeit des Vorsteuerabzugs durch den Geschädigten (= Kostengläubiger), sodass auch ein bewusstes Zusammenwirken zwischen der ersatzberechtigten Partei und ihrem Rechtsanwalt das Entstehen des Rückersatzanspruchs nicht vereiteln kann (M. Bydlinski in Fasching/Konecny² § 41 ZPO Rz 34 mwN). Damit ist auch dem (schon wegen der nach § 19 Abs 1 RAO bestehenden umgehenden Verrechnungspflicht des Rechtsanwalts [vgl RIS-Justiz RS0112872] schwer nachvollziehbaren) Einwand, der Beklagten sei wegen des zu ihrem Rechtsvertreter bestehenden Vertrauensverhältnisses eine Auseinandersetzung über dessen Pflicht zur Ausstellung einer Rechnung nach § 11 UStG 1994 unzumutbar, der Boden entzogen. Ebenso geht der Einwand mangelnder Fälligkeit des Rückersatzanspruchs der Klägerin mit der Begründung, es liege keine Rechnung vor, ins Leere.

3. Der vom Berufungsgericht angenommenen Rechnungsausstellungspflicht ihres Vertreters tritt die Beklagte mit zwei Argumenten entgegen: Zum einen damit, sie habe keine Kosten an ihren Rechtsanwalt zu bezahlen gehabt, weil die Klägerin ihre Kostenschuld an den Beklagtenvertreter überwiesen habe, und zum anderen mit der gerichtlichen Verpflichtung der Klägerin zum Kostenersatz. In diesem Zusammenhang ist zwischen der Ermittlung des Kostengläubigers und des Kostenschuldners nach Prozessrecht und der Frage, wer nach Erteilung eines Mandats an einen Rechtsanwalt Honorarschuldner ist, zu unterscheiden (vgl 1 Ob 84/02p = RIS-Justiz RS0038942 [T14]).

3.1. Die (prozessuale) Kostenersatzpflicht traf in den hier zu beurteilenden Verfahren die Klägerin, der als Kostengläubigerin die Beklagte gegenüber stand, nicht jedoch der Rechtsvertreter der Beklagten (RIS-Justiz RS0072064 [T1]); das gilt ungeachtet der Bestimmung des § 19a RAO, weil weder das Pfandrecht nach dessen Abs 1 noch eine Erklärung nach dessen Abs 4 den Übergang der Kostenforderung an den Rechtsanwalt bewirken (RIS-Justiz RS0038757 [T3] = RS0072064 [T3], RS0072078; 3 Ob 30/04i, 3 Ob 24/07m). Solange der Anwalt nicht die Bezahlung der Kosten an sich gefordert hat, kann auch an die Partei wirksam bezahlt werden (RIS-Justiz RS0072064). Es besteht kein direktes Klagerecht des Rechtsanwalts an den zugesprochenen Kosten gegen den ersatzpflichtigen Prozessgegner (7 Ob 2/07f).

3.2. Aus dem Vertrag der Beklagten mit dem Beklagtenvertreter über die Besorgung einer Prozessführung traf die Beklagte die - von der Kostenschuld der Klägerin unabhängige - Verpflichtung zur Leistung des Honorars, die durch die Leistung der Klägerin direkt an den Beklagtenvertreter (jedenfalls vorerst) unberührt blieb.

3.3. Diese bewirkte nämlich die Pflicht des Rechtsanwalts, die Barschaft unverzüglich auszufolgen (§ 17 RL-BA; RIS-Justiz RS0056451). Die Ausnahme von dieser Pflicht normiert § 19 Abs 1 RAO, wonach der Rechtsanwalt berechtigt ist, von den für seine Partei an ihn eingegangenen Barschaften die Summe seiner unstrittigen Honorarforderungen, insoweit sie durch erhaltene Vorschüsse nicht gedeckt sind, in Abzug zu bringen, jedoch schuldig ist, sich hierüber sogleich „mit seiner Partei zu verrechnen"; dabei handelt es sich um ein Aufrechnungsrecht (RIS-Justiz RS0110833), bei dem die unbestrittene Kostenforderung des Rechtsanwalts gegen den Anspruch des Mandanten auf Ausfolgung der aus Leistungen Dritter vereinnahmten Beträge zur Aufrechnung gelangt (4 Ob 9/07p mwN). Die Leistung der Kostenschuld an den Vertreter der obsiegenden Partei führte daher nicht unmittelbar zum Erlöschen der Honorarschuld der obsiegenden Partei. Vielmehr bedurfte es (wenn man entsprechend den Behauptungen der Beklagten unterstellt, sie habe nicht auf andere Weise erfüllt) einer Aufrechnungserklärung des Beklagtenvertreters gegenüber der Beklagten. Die dadurch bewirkte Aufrechnung wirkt als Zahlung (Koziol/Welser II13, 101), sodass es beim Leistungsaustausch zwischen der Beklagten und ihrem Rechtsvertreter blieb. Schon deshalb ist die Ansicht der Beklagten unzutreffend, mangels Zahlung durch sie habe kein Grund zur Ausstellung einer Rechnung bestanden. Abgesehen davon knüpft die Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung nach dem klaren Wortlaut des § 11 Abs 1 UStG 1994 nicht an die Zahlung des Leistungsempfängers an, sondern an die Ausführung von Umsätzen im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 UStG 1994 an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen.

3.4. Wegen der vorzunehmenden Trennung zwischen prozessualer Kostenschuld und vertraglicher Honorarschuld nimmt auch die gerichtliche Verpflichtung der Klägerin zum Kostenersatz keinerlei Einfluss auf die Verpflichtung des Beklagtenvertreters gegenüber seiner Mandantin (der Beklagten) zur Ausstellung einer Rechnung nach § 11 Abs 1 UStG 1994, weshalb sich die Argumentation der Revision als unzutreffend erweist.

4. Soweit die Beklagte schließlich meint, die Klägerin habe selbst eine Klage gegen den Beklagtenvertreter auf Ausstellung einer Rechnung zu führen, um selbst den Vorsteuerabzug geltend zu machen, genügt der Hinweis auf das widersprechende, aber zutreffende Vorbringen an anderer Stelle der Revision, mangels eines Auftrags- und Leistungsverhältnisses zwischen der unterlegenen Klägerin und dem Beklagtenvertreter könne die Klägerin die Ausstellung einer Rechnung von ihm nicht verlangen und auch keinen Vorsteuerabzug erreichen.

5. Die Beklagte hat der Klägerin die richtig verzeichneten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen (§§ 41, 50 ZPO).

Anmerkung

E913947Ob21.09b

Schlagworte

Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inZak 2009/555 S 338 - Zak 2009,338 = EvBl-LS 2009/180 = ecolex 2010/18S 54 - ecolex 2010,54XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0070OB00021.09B.0701.000

Zuletzt aktualisiert am

22.02.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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