TE Vwgh ErkenntnisVS 2000/12/12 98/08/0191

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Veröffentlicht am 12.12.2000
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
10/10 Grundrechte;
21/03 GesmbH-Recht;
23/01 Konkursordnung;
24/01 Strafgesetzbuch;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §111;
ASVG §114 Abs2;
ASVG §33;
ASVG §34;
ASVG §35 Abs3;
ASVG §36 Abs2;
ASVG §67 Abs10;
BAO §80 Abs1;
BAO §80 Abs2;
BAO §81;
BAO §9;
GmbHG §25 Abs3 Z2;
GmbHG §25;
GmbHG §43;
KO §69;
StGB §158;
StGG Art5;
VStG §9;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwGG §13 Abs1 Z2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):98/08/0192 Serie (erledigt im gleichen Sinn):97/08/0093 E 12. Dezember 2000 97/08/0105 E 12. Dezember 2000 98/08/0026 E 12. Dezember 2000 99/08/0118 E 12. Dezember 2000 98/08/0386 E 20. Dezember 2000 2000/08/0117 E 20. Dezember 2000 2000/08/0104 E 20. Dezember 2000 97/08/0574 E 20. Dezember 2000 98/08/0273 E 20. Dezember 2000 2000/08/0098 E 20. Dezember 2000 2000/08/0013 E 20. Dezember 2000 98/08/0418 E 20. Dezember 2000 98/08/0022 E 20. Dezember 2000 98/08/0244 E 20. Dezember 2000 98/08/0272 E 20. Dezember 2000 97/08/0656 E 20. Dezember 2000 2000/08/0035 E 12. Dezember 2000 96/08/0287 E 20. Dezember 2000 96/08/0328 E 20. Dezember 2000 98/08/0148 E 12. Dezember 2000 97/08/0006 E 12. Dezember 2000 99/08/0164 E 12. Dezember 2000 97/08/0644 E 12. Dezember 2000 98/08/0254 E 12. Dezember 2000 2000/08/0143 E 12. Dezember 2000 99/08/0134 E 12. Dezember 2000 99/08/0130 E 12. Dezember 2000 99/08/0122 E 12. Dezember 2000 98/08/0091 E 20. Dezember 2000 99/08/0119 E 12. Dezember 2000 2000/08/0050 E 20. Dezember 2000 98/08/0265 E 12. Dezember 2000 2000/08/0148 E 20. Dezember 2000 98/08/0103 E 20. Dezember 2000 99/08/0187 E 20. Dezember 2000 96/08/0176 E 20. Dezember 2000 97/08/0563 E 12. Dezember 2000 2000/08/0043 E 12. Dezember 2000 98/08/0088 E 12. Dezember 2000 98/08/0288 E 12. Dezember 2000 98/08/0277 E 20. Dezember 2000 98/08/0168 E 12. Dezember 2000 98/08/0234 E 12. Dezember 2000 2000/08/0002 E 12. Dezember 2000 98/08/0048 E 20. Dezember 2000 2000/08/0101 E 12. Dezember 2000 96/08/0195 E 12. Dezember 2000 97/08/0118 E 12. Dezember 2000 97/08/0170 E 12. Dezember 2000 96/08/0321 E 20. Dezember 2000 98/08/0132 E 12. Dezember 2000 99/08/0145 E 12. Dezember 2000 98/08/0056 E 12. Dezember 2000 96/08/0404 E 12. Dezember 2000 96/08/0335 E 12. Dezember 2000 98/08/0294 E 12. Dezember 2000 99/08/0026 E 12. Dezember 2000 97/08/0396 E 12. Dezember 2000 99/08/0051 E 12. Dezember 2000 99/08/0156 E 12. Dezember 2000 99/08/0123 E 12. Dezember 2000 99/08/0155 E 12. Dezember 2000 98/08/0096 E 20. Dezember 2000 98/08/0408 E 20. Dezember 2000 99/08/0131 E 20. Dezember 2000 95/08/0317 E 12. Dezember 2000 2000/08/0017 E 20. Dezember 2000 98/08/0406 E 20. Dezember 2000 99/08/0014 E 20. Dezember 2000 97/08/0156 E 20. Dezember 2000 98/08/0047 E 12. Dezember 2000 2000/08/0088 E 20. Dezember 2000 95/08/0211 E 12. Dezember 2000 95/08/0157 E 12. Dezember 2000 95/08/0277 E 12. Dezember 2000 96/08/0204 E 20. Dezember 2000 95/08/0190 E 12. Dezember 2000 95/08/0238 E 12. Dezember 2000 95/08/0260 E 12. Dezember 2000 95/08/0239 E 12. Dezember 2000 97/08/0587 E 20. Dezember 2000 99/08/0049 E 20. Dezember 2000 97/08/0082 E 12. Dezember 2000 97/08/0516 E 20. Dezember 2000 99/08/0117 E 12. Dezember 2000 99/08/0037 E 24. Jänner 2001 2000/08/0075 E 24. Jänner 2001 2000/08/0093 E 24. Jänner 2001 99/08/0069 E 24. Jänner 2001 2000/08/0106 E 24. Jänner 2001 99/08/0018 E 24. Jänner 2001 99/08/0077 E 24. Jänner 2001 2000/08/0183 B 3. April 2001 99/08/0095 E 24. Jänner 2001 99/08/0180 E 24. Jänner 2001 99/08/0162 E 24. Jänner 2001 99/08/0133 E 24. Jänner 2001 99/08/0132 E 24. Jänner 2001 99/08/0113 E 24. Jänner 2001 2000/08/0006 E 24. Jänner 2001 2000/08/0022 E 24. Jänner 2001 2000/08/0070 E 24. Jänner 2001 2000/08/0118 E 24. Jänner 2001 2000/08/0121 E 24. Jänner 2001 2000/08/0193 E 21. Februar 2001 2000/08/0179 E 21. Februar 2001 2000/08/0209 E 14. März 2001 2000/08/0177 E 14. März 2001 2001/08/0001 E 16. Mai 2001 2000/08/0215 E 16. Mai 2001 2001/08/0005 E 16. Mai 2001 2001/08/0018 E 16. Mai 2001 2001/08/0012 E 30. Mai 2001 2000/08/0224 E 20. Juni 2001 2001/08/0006 E 20. Juni 2001 2001/08/0033 E 20. Juni 2001 2001/08/0037 E 20. Juni 2001 2000/08/0225 E 20. Juni 2001 2000/08/0223 E 20. Juni 2001 2000/08/0171 E 27. Juli 2001 98/08/0018 E 20. November 2002 98/08/0061 E 20. November 2002 2000/08/0226 E 20. Juni 2001 2001/08/0013 E 30. Mai 2001 Besprechung in:SozSi 2001, 345-350;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Sauberer, DDr. Jakusch, Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerden der Vorarlberger Gebietskrankenkasse in Dornbirn, vertreten durch Dr. Klaus Grubhofer, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Riedgasse 20,

1. gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 25. Mai 1998, IVb-69-17/1997 (mitbeteiligte Partei: J in F, vertreten durch Dr. Hans-Jörg Vogl, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Churerstraße 1-3) und 2. gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 25. Mai 1998, IVb-69-18/1997 (mitbeteiligte Partei: L in F, vertreten durch Dr. Hans-Jörg Vogl, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Churerstraße 1-3), betreffend Haftung für Beitragsschuldigkeiten gemäß § 67 Abs. 10 ASVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von S 25.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit den im Instanzenzug ergangenen Einspruchsbescheiden des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 25. Mai 1998 wurden die Mitbeteiligten als Geschäftsführer einer näher bezeichneten Gesellschaft mit beschränkter Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG zur Zahlung rückständiger und bei der Gesellschaft uneinbringlicher Sozialversicherungsbeiträge im Ausmaß von S 39.731,18 s.A. verpflichtet. Unbestritten blieb, dass das Ausgleichsverfahren der Gesellschaft am 20. Jänner 1997 eröffnet, der Ausgleich angenommen

und die Ausgleichsquote mit 40% (mit Zahlungsfälligkeiten beginnend nach der Erlassung der angefochtenen Bescheide) festgelegt wurde. In den Einspruchsverfahren hatte die belangte Behörde jeweils eine "gutachterliche Stellungnahme" der Abteilung Gebarungskontrolle im Amt der Vorarlberger Landesregierung eingeholt. Diese Stellungnahme gründete sich auf Unterlagen, welche die Mitbeteiligten in den Einspruchsverfahren vorgelegt hatten und in denen eine Gegenüberstellung sämtlicher Verbindlichkeiten der Gesellschaft mit der Summe liquider Mittel zum 30.11.1996 und zum 31.12.1996 sowie eine Darstellung der Einnahmen und Ausgaben vom 1.12.1996 bis 31.12.1996 enthalten waren. In mehreren, nach Tagen angeordneten Tabellen wurde seitens der gutachtenden Abteilung beginnend mit 30. November 1996 die Entwicklung der jeweils fälligen Verbindlichkeiten, der Bankbewegungen, ferner die von der Gesellschaft ab diesem Zeitpunkt durchgeführten "Zug-um-Zug-Geschäfte" und die Liquidität an den einzelnen Tagen zwischen dem 30. November 1996 und dem 20. Jänner 1997 (dem Tag der Ausgleichseröffnung) dargestellt. Zur Liquidität wurde angemerkt, dass im Dezember 1996 an mehreren Tagen eine ausreichende Liquidität zur Abdeckung der Kassenverbindlichkeiten betreffend die Sozialversicherungsbeiträge für den Monat November gegeben gewesen sei. Im Zeitraum 1. Jänner 1997 bis 20. Jänner 1997 seien unter der Annahme der Abdeckung der Novemberbeiträge für die Begleichung der Sozialversicherungsbeiträge für den Monat Dezember nur mehr geringfügige liquide Mittel zur Verfügung gestanden. Als Ergebnis der Berechnungen (Verhältnis der Forderungen anderer Gläubiger zu den auf diese Forderungen geleisteten Zahlungen einerseits und zur Höhe der Forderungen der Gebietskrankenkasse andererseits) wurde festgehalten, dass die Gesellschaft im maßgeblichen Zeitraum "Dezember 1996 bis 20. Jänner 1997" über ausreichende liquide Mittel verfügt habe, welche eine zumindest anteilige Befriedigung der Beitragsforderungen ohne Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes ermöglicht hätten, und eine Gleichbehandlung der Verbindlichkeiten gegenüber der Gebietskrankenkasse im Verhältnis zu den Gesamtverbindlichkeiten unter der Voraussetzung zu bejahen gewesen wäre, dass die Sozialversicherungsbeiträge für den Monat November 1996 mit einem Anteil von 23,64 % und die Sozialversicherungsbeiträge für den Monat Dezember 1996 mit einem Anteil von 8,69 % getilgt worden wären. Die gegenüber den Berechnungen der Mitbeteiligten höheren Prozentanteile würden aus den von der Kontrollabteilung vorgenommenen Korrekturen herrühren.

Nach Einholung von Stellungnahmen der Mitbeteiligten und der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse schloss sich die belangte Behörde der gutachtlichen Äußerung der Abteilung Gebarungskontrolle an und gab den Einsprüchen der Mitbeteiligten gegen die ursprünglich über S 252.058,49 erlassenen Haftungsbescheide der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse im Sinne des eingangs erwähnten (gleich lautenden) Spruches der angefochtenen Bescheide Folge.

1.2. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden (gleich lautenden), Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerden der Vorarlberger Gebietskrankenkasse.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligten Parteien - jeweils eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges wegen miteinander verbunden und darüber in einem gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG gebildeten Senat - nach Einholung von Stellungnahmen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 VwGG - erwogen:

2.1. Die vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheide (sie betreffen einen Haftungszeitraum von November 1996 bis Dezember 1996) beruhen auf der Rechtsauffassung "dem Gleichbehandlungsgebot wäre jedenfalls entsprochen worden, wenn die ausstehenden Sozialversicherungsbeiträge für den Monat November 1996 mit einem Anteil von 23,64% und die ausstehenden Sozialversicherungsbeiträge für den Monat Dezember 1996 mit einem Anteil von 8,69 % befriedigt worden wären", dh wenn die Mitbeteiligten als Geschäftsführer der GesmbH auf die Forderungen der Gebietskrankenkasse anteilsmäßig ebenso viel bezahlt hätten, wie auf andere Forderungen in einem Zeitraum beginnend vom Tage der Fälligkeit der Beiträge für den Monat November (als dem Beginn des Zeitraums des Bestehens von Beitragsschulden) tatsächlich bezahlt worden ist.

Diese Rechtsauffassung wird von der Gebietskrankenkasse in ihren Beschwerden - wie schon in den Einspruchsverfahren - mit dem Hinweis bekämpft, die Behörde habe unzulässigerweise dem Beitragszeitraum November 1996 die Verhältnisrechnung für Dezember 1996 und dem Beitragszeitraum Dezember 1996 die Verhältnisrechnung für den Monat Jänner 1997 gegenübergestellt. Die Beiträge der Beitragsschuldnerin (eines "Selbstabrechnerbetriebes") seien aber am 30. November bzw. 31. Dezember fällig geworden. Überdies seien in die Berechnung der Verbindlichkeiten auch Forderungen aufgenommen worden, die nicht fällig gewesen seien, wie zB. ein Kontokorrentkredit in der Höhe von rd. S 15,5 Mio., hinsichtlich dessen nicht feststehe, dass er fällig gestellt worden sei. Die Beschwerdeführerin scheint ferner zwar einerseits mit der belangten Behörde darin übereinzustimmen, nur tatsächlich erfolgte Zahlungen (und nicht das Ausmaß der an sich jeweils verfügbaren Mittel) in die anzustellende Vergleichsberechnung einzubeziehen, vertritt aber andererseits die Auffassung, "nur so" (nämlich nach der von ihr dargelegten Berechnungsmethode) könne festgestellt werden, "ob die vorhandenen Mittel der Beitragsschuldnerin gleichmäßig auf alle Gläubiger aufgeteilt wurden" (Hervorhebung nicht im Original).

Der Forderung der Beschwerdeführerin nach einem Vergleich einander deckender Zeiträume halten belangte Behörde und mitbeteiligte Parteien entgegen, dass Verbindlichkeiten, die vor dem 30. November bzw. 31. Dezember (also vor Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge) beglichen worden seien, am allein maßgebenden (frühestmöglichen) Vergleichszeitpunkt 30. November bzw. 31. Dezember nicht mehr vorhanden gewesen seien und andererseits Sozialversicherungsbeiträge vor dem Tag ihrer Fälligkeit in den Vergleich nicht einbezogen werden könnten.

2.2. In den vorliegenden Beschwerdefällen ist somit die in der bisherigen Rechtsprechung des Senates nicht geklärte Frage zu beantworten, auf welche Weise die bisher in ständiger Rechtsprechung bejahte "Gleichbehandlungspflicht" des Geschäftsführers einer GesmbH gegenüber der Gebietskrankenkasse konkret zu erfüllen ist (bzw erfüllt hätte werden sollen), will der Geschäftsführer im Falle - gemessen an der Gesamtsumme aller Forderungen - unzureichender Mittel für den Fall der nachfolgenden Insolvenz der Gesellschaft seine Inanspruchnahme iS des § 67 Abs. 10 ASVG für uneinbringlich gewordene Beitragsschuldigkeiten der Gesellschaft vermeiden.

2.2.1. Die dazu in der bisherigen Rechtsprechung - freilich auf der Abstraktionsebene allgemeiner Rechtssätze und in Entgegnung von allgemeinen Beschwerdevorbringen, in der Regel aber nicht in Verwerfung oder Gutheißung konkreter Berechnungen - entwickelten Auffassungen divergieren schon im Ansatz in der Frage, ob sich die - jeweils ohne weiteres angenommene - Gleichbehandlungspflicht des Geschäftsführers darauf bezieht, die Forderungen des Krankenversicherungsträgers gemessen an den zur Verfügung stehenden Mitteln (in der Folge kurz: "Mitteltheorie" genannt) oder gemessen an den auf andere Forderungen tatsächlich geleisteten Zahlungen (in der Folge kurz: "Zahlungstheorie") gleichzubehandeln: im Sinne der "Mitteltheorie" im dargelegten Sinne sind (ua) die Entscheidungen vom 11. Februar 1997, Zl. 96/08/0264, vom 16. September 1997, Zl. 94/08/0250, vom 10. November 1998, Zl. 98/08/0025, vom 29. Juni 1999, Zl. 94/08/0105, sowie vom gleichen Tage, Zl. 99/08/0075, im Sinne der "Zahlungstheorie" jene vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0217, vom 14. November 1995, Zl. 94/08/0263, vom 21. Mai 1996, Zl. 93/08/0221, vom 1. Juni 1999, Zl. 96/08/0365, und vom 29. Juni 1999, Zl. 98/08/0117, zu verstehen.

2.2.2. Welche der beiden Theorien zutrifft, in gewissem Grade aber auch auf welche Weise die jeweiligen Verhältnisrechnungen zur Ermittlung der Haftungssummen (allgemeine Forderungen im Verhältnis zu Mitteln bzw. Zahlungen gegenübergestellt den offenen Sozialversicherungsbeiträgen und den darauf geleisteten Zahlungen) anzustellen und je nach Berechnungsart Vergröberungen im Interesse einer von den Behörden handhabbaren Regelung hinzunehmen sind (täglich, monatlich oder unter Zusammenfassung größerer Zeiträume), hängt zunächst zweifelsfrei davon ab, welche Handlungspflichten den Geschäftsführer im Einzelnen in diesem Zusammenhang gegenüber der Gebietskrankenkasse tatsächlich treffen, da nach dem klaren Wortlaut des § 67 Abs. 10 ASVG ja nur eine Verletzung seiner gegenüber der Gebietskrankenkasse bestehenden Pflichten eine Haftung des Geschäftsführers zu begründen vermöchte.

2.3. Welche Pflichten den Geschäftsführer gegenüber der Gebietskrankenkasse treffen, ist in § 67 Abs. 10 ASVG in der Fassung der 48. Novelle zum ASVG jedoch nicht (mehr) geregelt; dazu im Einzelnen:

2.3.1. Die Beitragshaftung gesetzlicher Vertreter juristischer Personen wurde erstmals mit der 41. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 111/1986 (vgl. deren Art. I Z. 21 lit b), in Gestalt des damaligen § 67 Abs. 10 ASVG eingeführt. Diese Bestimmung lautete:

"Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haften im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge aus Verschulden des Vertreters nicht bei Fälligkeit entrichtet werden."

In den Erläuterungen zur RV (774 BlgNR XVI. GP 27) heißt es dazu (abgesehen von einer Wiederholung des Normtextes aaO, 28) lediglich, der Novellierungsvorschlag verfolge u.a. das Ziel "die Haftungsregelungen des ASVG an die der Bundesabgabenordnung an(zu)passen".

2.3.1.1. Dem Wortlaut des § 67 Abs. 10 ASVG in der genannten Fassung konnte somit - ungeachtet, dass dies im Rahmen einer Sanktionsnorm geregelt wurde - eine Verpflichtung des Geschäftsführers gegenüber der Gebietskrankenkasse zur Beitragsentrichtung bei Fälligkeit entnommen werden, deren schuldhafte Verletzung bereits den Haftungstatbestand erfüllte. So heißt es im Erkenntnis vom 19. September 1989, Zl. 88/08/0283:

"(Geschäftsführer einer GesmbH haften nach § 67 Abs. 10 ASVG) in Verbindung mit den §§ 83 und 113 Abs. 5 ASVG im Rahmen ihrer (gegenüber Dritten unbeschränkbaren) Vertretungsmacht, auf Grund derer jedenfalls der alleinige Geschäftsführer einer GesmbH verhalten ist, die der Gesellschaft nach den §§ 35 Abs. 1, 58 Abs. 2 ASVG obliegenden Pflichten zur richtigen, vollständigen und rechtzeitigen Entrichtung der Beiträge zu erfüllen, für die von ihr zu entrichtenden Beiträge, Beitragszuschläge, Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze insoweit, als diese Beträge aus ihrem Verschulden nicht bei Fälligkeit entrichtet werden. .....Der Geschäftsführer haftet für nichtentrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten."

2.3.1.2. Auf dem Boden einer derartigen, den Geschäftsführer gegenüber der Gebietskrankenkasse treffenden gesetzlichen Verpflichtung zur Beitragsentrichtung bei Fälligkeit konnte somit auch die Auffassung vertreten werden, dass schon die Unterlassung zumindest anteiliger Beitragsentrichtung trotz vorhandener Mittel die Haftung des Geschäftsführers begründete ("Mitteltheorie":

vgl. die Erkenntnisse vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0008 sowie Zl. 90/08/0045, ferner Zl. 90/08/0100; zT widersprüchlich schon zu dieser Rechtslage ist etwa die Begründung des Erkenntnisses vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0016).

2.3.1.3. Ganz allgemein griff die Rechtsprechung zu § 67 Abs. 10 ASVG in der Fassung der 41. Novelle den Hinweis in den Materialien auf die Absicht des Gesetzgebers zur Gleichstellung der Geschäftsführerhaftung des ASVG mit jener der BAO auf:

a) So wurde die Auffassung vertreten, dass die §§ 9 Abs. 1 und 80 Abs. 1 BAO mit § 67 Abs. 10 ASVG für die Beantwortung der Frage übereinstimmten, ob die angegebene Behinderung des Mitbeteiligten an der Erfüllung seiner Verpflichtung als Geschäftsführer der GesmbH für die rechtliche Beurteilung seiner Haftung maßgeblich sei (vgl. das Erkenntnis vom 14. April 1988, Zl. 88/08/0025).

b) Im Erkenntnis vom 25. April 1989, Zl. 89/08/0013, heißt es dazu:

"Da sich die Regelung eng an die §§ 9 und 80 BAO anlehnt, können für die Frage des Verschuldens des Vertreters an der Nichtentrichtung der Sozialversicherungsbeiträge sinngemäß die von Lehre und Rechtsprechung zu den genannten Bestimmungen der BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. April 1988, Zl. 88/08/0025; Mathiaschitz in SWK 22/1987, AV, S 11f). Danach ist es ... Sache des Geschäftsführers einer GmbH, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs. 1 BAO angenommen

werden darf. Als schuldhaft ... gilt jede Form des Verschuldens,

somit auch die leichte Fahrlässigkeit. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1986, 84/13/0189; Stoll, BAO S 28f)."

c) Paradigmatisch für zahlreiche weitere Erkenntnisse heißt es schließlich im Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0045:

"Die Haftung des Geschäftsführers gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen zur rechtzeitigen Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung - für deren Beurteilung die von der Rechtsprechung zu den §§ 9 und 80 BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden können (vgl. das Erkenntnis vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0198 und das Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 90/08/0100 mit weiteren Hinweisen) - kann z.B. darin liegen, dass der Geschäftsführer die Beitragsschulden insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt (vgl. die Erkenntnisse vom 10. Juni 1980, Slg. Nr. 5494/F, sowie vom 25. April 1989, Zl. 89/08/0013). Gegen die Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Beitragsverbindlichkeiten mit anderen Schulden verstößt der Geschäftsführer auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, er aber (zumindest fahrlässig) diese Mittel auch nicht anteilig für die Behandlung aller (im obigen Sinn gleich zu behandelnder) Verbindlichkeiten verwendet und dadurch die Beitragsschulden im Verhältnis zu anderen Verbindlichkeiten schlechter behandelt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0217). Seine im Zusammenhang mit der Beitragsentrichtung bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen verletzt - unabhängig vom Gleichbehandlungsgebot - der Geschäftsführer aber auch dann, wenn er entgegen der Bestimmungen der §§ 60 iVm 114 ASVG einbehaltene Beiträge (Dienstnehmeranteil) nicht der Sozialversicherung abführt, weil dieser Bestimmung ein Gebot der Abfuhr tatsächlich einbehaltener Dienstnehmeranteile zugrundeliegt (vgl. nochmals das Erkenntnis vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0217)."

2.3.1.4. Die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG wurde konsequenterweise auf Pflichtverletzungen spezifisch sozialversicherungsrechtlicher Art beschränkt, wie der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls in dem soeben zitierten Erkenntnis vom 19. Februar 1991 in folgender Weise ausgesprochen hat:

"Die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG beruht also auf der Verletzung von in den Sozialversicherungsgesetzen selbst enthaltenen, beitragsrechtlichen Verpflichtungen und sanktioniert somit die nicht ordnungsgemäße Befriedigung bereits entstandener Beitragsschulden. Davon zu unterscheiden ist eine allfällige sonstige, im Zivilrechtsweg geltend zu machende Haftung, die den Geschäftsführer einer GmbH zB deshalb treffen kann, weil er durch die Verzögerung der Antragstellung auf Konkurseröffnung im Sinne des § 69 KO (also durch die Verletzung eines Schutzgesetzes im Sinne des § 1311 ABGB - vgl. OGH SZ 60/179, EVBl. 1990/147, WBl. 1990, 345 mwH) die Gläubiger durch das Entstehen zusätzlicher Verbindlichkeiten geschädigt hat. Entgegen der Rechtsauffassung der belangten Behörde fällt daher die Pflicht, die Entstehung von Beitragsforderungen bei der Gesellschaft durch Betriebseinstellung bzw. durch rechtzeitige Beantragung der Konkurseröffnung im Sinne des § 69 KO zu vermeiden, nicht in den in § 67 Abs. 10 ASVG sanktionierten Pflichtenkreis; für die Geltendmachung einer derartigen Haftung hätte die mitbeteiligte Partei den Zivilrechtsweg zu beschreiten. Die Haftung der Beschwerdeführerin für die im Zeitraum ihrer Geschäftsführungstätigkeit entstandenen Beitragsrückstände kann daher im Zusammenhang mit § 67 Abs. 10 ASVG nicht - wie dies im angefochtenen Bescheid geschieht -

ausschließlich auf eine allfällige Verletzung des § 69 KO gestützt werden."

2.3.2. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis VfSlg. 12.008/1989 Teile des § 67 Abs. 10 ASVG in der Fassung der 41. Novelle zum ASVG als verfassungswidrig aufgehoben. § 67 Abs. 10 ASVG statuiere keine Ausfallshaftung im engeren Sinne, vielmehr genüge

"nach dieser Vorschrift für die Inanspruchnahme der zur Vertretung berufenen Personen schon, dass die vom Vertretenen zu entrichtenden Beiträge aus Verschulden der Vertreter nicht bei Fälligkeit entrichtet wurden. Die Frage der Einbringlichkeit beim Vertretenen ist für die Haftungsbegründung nach § 67 Abs. 10 ASVG völlig irrelevant. Dafür, die Haftung des Vertreters im vorliegenden Zusammenhang und in dem vorgesehenen umfassenden Umfang auch bei Einbringlichkeit der Forderung beim Vertretenen zu

statuieren, fehlt aber ... eine sachliche Rechtfertigung. Der

bloße Hinweis der Bundesregierung auf den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, der auch schon bei bloßer Säumnis und trotz der Einbringlichkeit der Forderung eine Haftungsregelung der in Prüfung stehenden Art einführen könne, vermag eine solche sachliche Rechtfertigung nicht darzutun. Da somit die angefochtene Haftungsregelung einer sachlichen Rechtfertigung entbehrt, ist sie in sich gleichheitswidrig und verletzt das auch den Gesetzgeber bindende, dem Gleichheitsgrundsatz innewohnende Sachlichkeitsgebot."

2.3.3. Der Gesetzgeber reagierte auf dieses Erkenntnis mit einer Neuformulierung des § 67 Abs. 10 ASVG in der 48. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 642/1989 (vgl. deren Art. I Z. 4); die Bestimmung lautet in dieser Fassung (einschließlich der Ergänzung des Klammerausdrucks durch das SRÄG 1990, BGBl. Nr. 741/1990, um die offene Erwerbsgesellschaft und die KEG):

"Die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Handelsgesellschaft, offene Erwerbsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Kommandit - Erwerbsgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haften im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend."

In den Erläuterungen zur RV (1098 Blg NR XVII. GP, 10f (11)) heißt es dazu nach Hinweisen auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes , es werde nunmehr vorgeschlagen

"die bereits bewährten Bestimmungen im Bereich des Abgabewesens als Vorbild für die Lösung zu übernehmen (§ 9 Abs. 1 BAO). Eine inhaltlich im Wesentlichen gleich lautende Regelung findet sich im Übrigen auch in der vor kurzem beschlossenen Novelle des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes, BGBl. Nr. 363/1989 (§ 25a Abs. 7 BUAG)."

In Entsprechung des § 81 Abs. 1 BAO sollten - so die Erläuterungen weiter - auch jene Personen angeführt werden, die zur Vertretung von Personenhandelsgesellschaften berufen seien. In "Anlehnung an § 80 Abs. 2 BAO" sollten ferner Vermögensverwalter "zu den haftenden Vertretern von Beitragsschuldnern gezählt werden".

     2.3.3.1. Nicht Bezug genommen wurde hingegen auf

§ 80 Abs. 1 BAO, welcher lautet:

     "2. Vertreter.

     § 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen

Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."

2.3.3.2. Mit der Neuregelung der Haftungsbestimmung des § 67 Abs. 10 ASVG in der 48. Novelle zum ASVG war nunmehr zwar der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes Rechnung getragen worden, wonach nur eine Ausfallshaftung des Geschäftsführers im Falle der Uneinbringlichkeit beim Beitragsschuldner (und unter der weiteren Voraussetzung eines Verschuldens des Geschäftsführers, von welchem Erfordernis alle am genannten verfassungsgerichtlichen Verfahren Beteiligten einschließlich des Verfassungsgerichtshofes selbst ausgegangen sind) sachlich begründet werden könne; an die Stelle der Erwähnung der Verpflichtung der Vertreter zur Beitragsentrichtung "bei Fälligkeit" war jedoch die Wendung von "schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten" getreten, ohne dass an dieser Stelle irgendwelche (für den Fall ihrer Verletzung mit der Sanktion der Haftung ausgestattete) Pflichten den genannten Vertretern "auferlegt" worden waren.

2.3.3.3. Eine dem § 80 Abs. 1 BAO entsprechende Regelung enthält das ASVG auch an anderer Stelle nicht; eine Bestimmung, in der eine gegenüber der Gebietskrankenkasse bestehende Verpflichtung einer juristischen Person als Beitragsschuldnerin deren gesetzlichem Vertreter auferlegt wird, kann unmittelbar nur § 114 Abs. 2 ASVG entnommen werden; § 114 ASVG lautet:

Verstöße gegen die Vorschriften über die Einbehaltung und Einzahlung der Beiträge eines Dienstnehmers durch den Dienstgeber

§ 114. (1) Ein Dienstgeber, der Beiträge eines Dienstnehmers zur Sozialversicherung einbehalten oder von ihm übernommen und dem berechtigten Versicherungsträger vorenthalten hat, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen; neben der Freiheitsstrafe kann eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen verhängt werden.

(2) Trifft die Pflicht zur Einzahlung der Beiträge eines Dienstnehmers zur Sozialversicherung eine juristische Person, eine Personengesellschaft des Handelsrechtes oder eine Erwerbsgesellschaft, so ist Abs. 1 auf alle natürlichen Personen anzuwenden, die dem zur Vertretung befugten Organ angehören. Dieses Organ ist berechtigt, die Verantwortung für die Einzahlung dieser Beiträge einzelnen oder mehreren Organmitgliedern aufzuerlegen; ist dies der Fall, findet Abs. 1 nur auf sie Anwendung."

2.3.3.4. Die erwähnte, für das Verständnis des Sinngehaltes des § 67 Abs. 10 ASVG bedeutsame Änderung seines Wortlautes durch die 48. Novelle zum ASVG hat die Rechtsprechung bisher jedoch unbeachtet gelassen und, unter Berufung auf zur Rechtslage nach der 41. Novelle ergangene Erkenntnisse (wie zB jene vom 14. April 1988, Zl. 88/08/0025, vom 25. April 1989, Zl. 89/08/0013, und vom 24. Oktober 1989, Zl. 89/08/0044), etwa im Erkenntnis vom 12. Dezember 1995, Zl. 95/08/0082 (ebenso auch noch in jüngerer Zeit im Erkenntnis vom 29. Juni 1999, Zl. 94/08/0105) weiterhin die Auffassung vertreten, die zu den §§ 9 und 80 BAO von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätze könnten auf den diesen Bestimmungen "nachgebildeten" § 67 Abs. 10 ASVG - entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - übertragen werden, um wörtlich fortzusetzen:

"Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt dargelegt hat, ist die Haftung der gemäß § 67 Abs. 10 ASVG Verantwortlichen ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die daran anknüpft, dass die gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehenden gesetzlichen Bestimmungen zur rechtzeitigen Abfuhr von Sozialversicherungsbeiträgen verletzt wurden. Eine solche Pflichtverletzung - für deren Beurteilung ebenfalls die von der Rechtsprechung zu den §§ 9 und 80 BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0100, mit weiteren Judikaturhinweisen) -  kann darin liegen, dass der Verantwortliche die Beitragsschulden insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt bzw. - im Falle des Fehlens ausreichender Mittel - nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung auch der Forderungen des Sozialversicherungsträgers Sorge trägt (vgl. das Erkenntnis vom 28. April 1992, Zl. 92/08/0055, mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung). Allerdings ist Grundlage der Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG - ausschließlich - die Verletzung von Vertreterpflichten, die dem potenziell Haftenden als gesetzlichem Vertreter der Beitragsschuldnerin durch die in diesem Zusammenhang bestehenden sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen auferlegt sind."

2.3.3.5. Diese an die Rechtslage vor der 48. Novelle anknüpfende, die Judikatur zu den §§ 9 und 80 BAO verwertende Rechtssprechung behielt der Verwaltungsgerichtshof auch in der Folge, zuletzt noch im Erkenntnis vom 29. März 2000, Zl. 95/08/0140 (unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Erkenntnis vom 14. April 1988, Zl. 88/08/0025), bei. Er hat die "dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung" des Geschäftsführers in der jüngeren Rechtsprechung näherhin als "Deliktshaftung" gedeutet (und daher den gesetzlichen Vertretern die Wirkungen eines Ausgleichs der Gesellschaft in Ansehung der Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG nicht zugebilligt: vgl. die Erkenntnisse vom 22. Dezember 1998, Zl. 94/08/0249, vom 4. Mai 1999, Zl. 96/08/0385, zuletzt das Erkenntnis vom 21. September 1999, Zl. 99/08/0127, mit weiteren Hinweisen) und - in ganz allgemeiner Weise - eine schuldhafte "Verletzung der den Geschäftsführer treffenden Verpflichtungen" als haftungsbegründend angesehen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. September 1999, Zl. 99/08/0065).

2.4. Ein Bescheid, mit dem eine Haftung für Beitragsschuldigkeiten iS des § 67 Abs. 10 ASVG ausgesprochen wird, ermöglicht einen Eingriff in das nach Art. 5 StGG garantierte und unter Gesetzesvorbehalt stehende Eigentumsrecht der von der Regelung betroffenen Rechtsunterworfenen. Der Verfassungsgerichtshof hat im einem in Ansehung des Eigentumseingriffes vergleichbaren Fall der Beitragspflicht für Pflichtversicherte iS des § 4 Abs. 3 ASVG ein Gesetz als verfassungswidrig erachtet, welches die wesentlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit eines solchen Eigentumseingriffes und seines Ausmaßes ungeregelt lässt, sofern eine dieser Fragen beantwortet werden muss, um Zulässigkeit und Ausmaß des Eigentumseingriffes anhand des Gesetzes bestimmen zu können (Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1999, G 36/99): Einer Lückenschließung durch Analogie erteilte der Verfassungsgerichtshof mit der Begründung eine Absage, dass es die Behörde in einem solchen Fall in der Hand hätte, je nach der gewählten Methode der Analogie zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich des Ausmaßes des Eigentumseingriffes zu gelangen. Wörtlich führte der Verfassungsgerichtshof sodann aus:

"Es kann vor dem Hintergrund des rechtsstaatlichen Prinzips nicht der Vollziehung überlassen sein, sich zum Zweck des Eingriffs in das Eigentumsrecht ihre eigene Rechtsgrundlage aus fremden Regelungskomplexen zu schaffen. ...Vielmehr hat - in Übereinstimmung mit den ...strengen Anforderungen an die Determinierung eingriffsnaher Gesetze im allgemeinen (vgl. zB VfSlg. 10.737/1985), aber auch mit den Anforderungen an die Klarheit und Verständlichkeit von Regelungen über die Sozialversicherungspflicht im besonderen (vgl. VfSlg. 14.802/1997) - der Gesetzgeber des jeweiligen Regelungskomplexes die Grundlage für den Eingriff in das Eigentumsrecht so auszugestalten, dass dem Bestimmtheitsgebot des Art. 18 B-VG und dem Eingriffsvorbehalt des Art. 5 StGG Genüge getan ist."

Der von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse in ihrer Stellungnahme vom 24. November 2000 erhobene Einwand, Geldleistungen an die öffentliche Hand unterlägen nicht dem Eigentumsschutz, verfängt schon deshalb nicht, weil sich das Gegenteil nicht nur aus dem erwähnten verfassungsgerichtlichen Erkenntnis vom 14. Oktober 1999, G 36/99 (bezogen auf Sozialversicherungsbeiträge), sondern auch aus der im Übrigen ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu dieser Frage (vgl nur VfSlg. 11.644/1988, 14.283/1995; zum Eigentumseingriff durch Verweigerung der Rückzahlung von Abgaben vgl. VfSlg. 14.508/1996, sowie das Erkenntnis vom 9. März 2000, B 723/98) und aus der Literatur (näheres bei Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht 9, 572 ff) ergibt.

2.4.1. Überträgt man die vom Verfassungsgerichtshof unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlich gebotenen Determinierung eines Eingriffes in das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums entwickelten Anforderungen an den Gesetzgeber auf die hier zu beurteilende Rechtsfrage, so kann die dargestellte bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht länger aufrechterhalten werden:

2.4.1.1. Sieht man von der sich aus § 114 Abs. 2 ASVG ergebenden Verpflichtung der Mitglieder des zur Vertretung befugten Organs einer juristischen Person oder einer der dort genannten Personengesellschaften zur Abfuhr der von den Dienstnehmern einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge ab, so lässt sich eine darüber hinausgehende Verpflichtung auch aus § 111 ASVG in der Fassung BGBl. Nr. 895/1995 entnehmen; diese Bestimmung lautet:

"Dienstgeber und sonstige nach § 36 meldepflichtige Personen (Stellen), im Falle einer Bevollmächtigung nach § 35 Abs. 3 oder § 36 Abs. 2 die Bevollmächtigten, die der ihnen auf Grund dieses Bundesgesetzes obliegenden Verpflichtung zur Erstattung von Meldungen und Anzeigen bzw. zur Übermittlung von Meldungsabschriften an den Dienstnehmer nicht oder nicht rechtzeitig nachkommen, die Erfüllung der Auskunftspflicht verweigern, den gehörig ausgewiesenen Bediensteten der Versicherungsträger während der Betriebszeit keine Einsicht in alle Geschäftsbücher und Belege sowie sonstigen Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis von Bedeutung sind, gewähren oder in den ihnen obliegenden Meldungen, Anzeigen und Auskünften unwahre Angaben machen, begehen, wenn die Handlung nicht nach anderer Bestimmung einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und werden von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von 10 000 S bis 30 000 S, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 30 000 S bis 50 000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen bestraft."

Nun sind zwar unter Bevollmächtigten im Sinne des § 35 Abs. 3 bzw. § 36 Abs. 2 ASVG gewillkürte Vollmachtsträger zu verstehen, auf die der Dienstgeber die ihm gemäß den §§ 33 und 34 ASVG obliegenden Meldepflichten (An- und Abmeldung der Pflichtversicherten, Meldung von Änderungen) übertragen hat und die dem Versicherungsträger bekannt gegeben worden sind (worauf die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse in ihrer Stellungnahme zu Recht hinweist); der in § 111 ASVG sanktionierte Straftatbestand richtet sich jedoch bei juristischen Personen, Personengesellschaften des Handelsrechtes oder eingetragenen Erwerbsgesellschaften im Falle, dass solche Bevollmächtigte nicht bestellt sind, gemäß § 9 VStG an zur Vertretung nach außen berufene Personen. Für diesen Fall kann also § 111 ASVG iVm § 9 VStG eine Handlungspflicht gesetzlicher Vertreter im Zusammenhang mit den in den §§ 33 und 34 ASVG normierten Melde- und Auskunftspflichten insoweit entnommen werden, als die Verletzung dieser Pflichten wie in § 111 ASVG umschrieben verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert ist. Ein Verstoß gegen diese Pflichten durch einen gesetzlichen Vertreter kann daher - sofern dieser Verstoß verschuldet (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 22. März 1994, Slg. Nr. 14.020/A, und die darin zitierte Vorjudikatur) und für die gänzliche oder teilweise Uneinbringlichkeit einer Beitragsforderung kausal ist - zu einer Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG führen.

Im Übrigen normiert weder § 67 Abs. 10 ASVG noch eine andere Bestimmung dieses Gesetzes spezifische sozialversicherungsrechtliche, gegenüber der Gebietskrankenkasse bestehende Verpflichtungen des Vertreters einer juristischen Person, wie dies etwa in § 80 Abs. 1 BAO für das Abgabenrecht angeordnet ist.

Der von der beschwerdeführenden Partei hervorgehobene Umstand, es sei "selbstverständlich", dass juristische Personen nur durch zur Vertretung nach außen berufene Personen handeln (können), hat nicht ohne weiteres die Schadenshaftung dieser Vertreter auch jedem Dritten gegenüber zur Folge, sofern er nicht eine spezifisch diesem Dritten gegenüber bestehende (gesetzliche) Verpflichtung verletzt hat, sei es durch Unterlassung einer gesetzlich gebotenen, sei es durch Begehung einer deliktischen Handlung.

2.4.1.2. Abgesehen vom erwähnten verfassungsrechtlichen Hindernis für die analoge Anwendung etwa des § 80 Abs. 1 BAO fehlt es aber insoweit auch an der Grundvoraussetzung für eine Analogie, als weder eine "technische" noch eine teleologische Gesetzeslücke besteht: Schon wegen der vorgenannten Handlungspflichten, deren schuldhafte Verletzung eine Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG nach sich zieht, kann von einer technischen Gesetzeslücke in dem Sinne, dass § 67 Abs. 10 ASVG mangels eines Anwendungsbereiches nicht vollziehbar wäre, nicht die Rede sein. Es fehlt aber auch an einer teleologischen (im Gegensatz zu einer - allfälligen - bloß rechtspolitischen) Lücke, zumal eine Beschränkung der Haftung auf die Fälle der §§ 111 und  114 Abs. 2 ASVG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, die zu einer korrigierenden Interpretation Anlass geben könnten.

Eine Analogie etwa zu § 80 Abs. 1 BAO vermöchte sich ausschließlich auf eine im Wortlaut des Gesetzes nicht zum Ausdruck gekommene, mutmaßliche Absicht des Gesetzgebers zu stützen. Dem steht aber - wie dargelegt - nicht nur Art. 5 StGG entgegen, sondern auch der Umstand, dass der Gesetzgeber - folgte man ungeachtet des Gesetzestextes nur den Materialien - gerade diese Bestimmung (im Gegensatz zu den §§ 9, 81 und 80 Abs. 2 BAO, die letztgenannten freilich nur im Zusammenhang mit der Umschreibung des zur Haftung herangezogenen Personenkreises, nicht hingegen zur Umschreibung des haftungsbegründenden Tatbestandes) auch in den Materialien nicht erwähnt, weshalb nicht einmal mit Sicherheit gesagt werden könnte, dass er sie wirklich im Auge hatte. Dies verkennt die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse, wenn sie näher ausführt, dass "eine Haftungsbestimmung wie in § 67 Abs. 10 ASVG festgelegt..vom Gesetzgeber gewollt" sei. Dem widerspricht es auch nicht, wenn der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 12.008/1989 grundsätzlich eine Regelung wie § 67 Abs. 10 ASVG für verfassungskonform hält; auch der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen § 67 Abs. 10 ASVG in der derzeit geltenden Fassung keine verfassungsrechtlichen Bedenken, sondern nur dagegen, auch jene sozialversicherungsrechtlichen Pflichten des Geschäftsführers einer GesmbH als gegenüber der Krankenkasse bestehend anzunehmen, die nach den gesetzlichen Bestimmungen nur dem Beitragsschuldner auferlegt sind.

2.4.1.3. Die durch das - wenn auch in diesem Punkt widersprüchliche - Beschwerdevorbringen aufgeworfene, in der bisherigen Rechtsprechung aber nicht ausreichend differenziert behandelte und daher divergent beantwortete Frage, ob - ausgehend von einem nicht auf die Fälle der §§ 111 und 114 Abs. 2 ASVG beschränkten Anwendungsbereich der Haftungsnorm in ihrer derzeitigen Fassung - die Vertreter Verpflichtungen im Sinne der "Mitteltheorie" oder im Sinne der "Zahlungstheorie" treffen, könnte ohne nähere Kenntnis dieser Pflichten im Einzelnen nicht beantwortet werden. Es kann nämlich - im Sinne der vorzitierten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung - nicht Aufgabe der Vollziehung (bzw der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes) sein, "sich zum Zweck des Eingriffs in das Eigentumsrecht ihre eigene Rechtsgrundlage aus fremden Regelungskomplexen zu schaffen".

2.4.1.4. Dies umso weniger, als es vom jeweils angenommenen Pflichtenkreis - klammert man die Haftung wegen Verletzung der Verpflichtung zur Abfuhr einbehaltener Dienstnehmeranteile aus - abhinge, zu welchen völlig unterschiedlichen - und rechtspolitisch jeweils für sich nicht unproblematischen - Ergebnissen man gelangen würde: der "Mitteltheorie" liegt nämlich - abgesehen von der weiteren Frage, unter welchen Voraussetzungen von einem "Zurverfügungstehen" von Mitteln (insbes. Fremdmitteln) ausgegangen werden darf - notwendigerweise eine Verpflichtung des Vertreters zu Grunde, ungeachtet insuffizienter Mittel diese entweder jeweils zur Gänze anteilig auf alle Gläubiger zu verteilen (wofür das Gesellschaftsrecht keinen Anhaltspunkt gibt; die vom Geschäftsführer gemäß § 25 GmbH-Gesetz wahrzunehmenden Interessen der Gesellschaft, aber auch die an der Überwindung einer bloß vorübergehenden Zahlungsstockung bestehenden Interessen der Gläubiger können dem sogar entgegenstehen) oder (zumindest) eine Verpflichtung, den auf die Gebietskrankenkasse entfallenden "Anteil" stets zu liquidieren (was tendenziell auf eine Begünstigung der Gebietskrankenkasse gegenüber allen anderen Gläubigern hinausliefe). Die einem bloßen Verbot der Benachteiligung der Gebietskrankenkasse gegenüber den anderen Gläubigern entsprechende "Zahlungstheorie" hat wieder zur Konsequenz, dass bei Unterbleiben jeglicher Zahlungen nachteilige Veränderungen des Verhältnisses der Forderung der Gebietskrankenkasse zur Summe aller anderen Forderungen tendenziell zu Lasten der Gebietskrankenkasse gehen bzw. von dieser ein Ersatz ihres sich aus der Erhöhung der Summe aller anderen Forderungen ergebenden Quotenschadens nur aus dem Rechtsgrund der Konkursverschleppung im Klagewege vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden könnte (vgl. § 69 KO und das Erkenntnis vom 12. Dezember 1995, Zl. 95/08/0082; ebenso OGH 19. November 1998, 2 Ob 268/98, und 27.April 1999, 1 Ob 50/99f).

2.4.2. Schließlich lässt sich das Fehlen einer Norm, welche den Geschäftsführern einer GesmbH - abgesehen von den Fällen der §§ 111 und 114 Abs. 2 ASVG - spezifisch sozialversicherungsrechtliche Verpflichtungen der beitragsschuldnerischen Gesellschaft auferlegt, auch nicht unter Heranziehung des Gesellschaftsrechts ausgleichen: Den Geschäftsführer einer GesmbH trifft zwar gemäß § 25 GesmbH-Gesetz auch die Verpflichtung zur Einhaltung öffentlichrechtlicher Vorschriften, deren Adressat die Gesellschaft ist, dies aber nur im Verhältnis zur Gesellschaft mit der Konsequenz, dass ein Verschulden des Geschäftsführers der (daher haftenden) Gesellschaft zuzurechnen ist (vgl. etwa SZ 27/118). § 25 GesmbH-Gesetz ist - abgesehen von § 25 Abs. 3 Z. 2 leg. cit (vgl. SZ 51/88) - kein Schutzgesetz zu Gunsten Dritter (vgl. zur vergleichbaren Bestimmung des § 43 GesmbH-Gesetz Schneider in Scholz/Emmerich/Schmidt u.a. "Kommentar zum GmbH-Gesetz6", § 43 RZ 218 mwN; ebenso Koppensteiner in:

Rohwedder/Fuhrmann/Koppensteiner ua, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, § 43 RZ 39; zu den Voraussetzungen einer Haftung des Geschäftsführers gegenüber Dritten nach österreichischem Recht vgl. Reich-Rohrwig, GmbH-Recht I2, 354ff; zur vergleichbaren deutschen Rechtslage Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 815ff). Soweit aber eine Verletzung von anderen Rechtsvorschriften in Betracht käme, die dem Schutz der Gläubiger (und daher - allenfalls unter Berücksichtigung von Besonderheiten des Sozialversicherungsverhältnisses - auch der Gebietskrankenkasse) dienen, wäre die Haftung der Geschäftsführer von den betroffenen Gläubigern im ordentlichen Rechtswege geltend zu machen (vgl. den Fall einer Geschäftsführerhaftung für Sozialversicherungsbeiträge gegenüber der Gebietskrankenkasse wegen Konkursverschleppung: OGH 19. November 1998, 2 Ob 268/98). Dies gilt auch für den Fall eines Schadens der Gebietskrankenkasse aus einer (auch strafrechtlich relevanten: vgl. §158 StGB) Gläubigerbegünstigung, weil damit ein gesetzlicher Vertreter keine spezifisch sozialversicherungsrechtliche Pflicht verletzt, sondern dem Gläubigerschutz ganz allgemein zuwiderhandelt. Ebenso wenig wie das Erfordernis einer Haftung wegen Begünstigung eines Gläubigers im Wege des § 67 Abs. 10 ASVG besteht in Wahrheit auch nicht die von der beschwerdeführenden Partei befürchtete "Wahlmöglichkeit" zwischen der Inanspruchnahme des Geschäftsführers auf zivilgerichtlichem oder auf verwaltungsbehördlichem Wege aus ein und demselben Rechtsgrund, sofern nur zwischen spezifisch sozialversicherungsrechtlichen und anderen (ganz allgemein dem Gläubigerschutz dienenden) Verpflichtungen entsprechend unterschieden und daraus die Konsequenz für den jeweiligen Rechtsweg gezogen wird.

2.5. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher auf Grund der derzeit geltenden Gesetzesbestimmungen nicht in der Lage, die vom Gesetzgeber - abgesehen von den Fällen der §§ 111 und  114 Abs. 2 ASVG - (wenn auch möglicherweise versehentlich) unterlassene Bestimmung der die Vertreter juristischer Personen gegenüber der Gebietskrankenkasse treffenden sozialversicherungsrechtlichen Pflichten im Wege der Auslegung des Gesetzes zu substituieren und damit die für die (aus den dargestellten Gründen nicht mögliche) Bejahung einer von § 111 ASVG unabhängigen, auch Dienstgeberbeiträge und nicht einbehaltene Dienstnehmerbeiträge umfassenden Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG im vorliegenden Fall maßgebende Rechtsfrage in der einen oder in der anderen Richtung zu beantworten, noch vermöchte der Gerichtshof in weiterer Folge dem Gesetz auch nur andeutungsweise Hinweise darüber zu entnehmen, auf welche Weise nach der jeweiligen Theorie die "Gleichbehandlung" zu ermitteln wäre. Die vorliegenden Beschwerdefälle zeigen nämlich deutlich, dass selbst bei der aufwändigsten, nämlich tageweise offene und offen bleibende Forderungen jeweils fortschreibenden und den ebenfalls tageweise ermittelten verfügbaren Mitteln (oder erfolgten Zahlungen) gegenüberstellenden Berechnungsweise Zweifelsfragen offen bleiben, die einerseits ihre Ursache in der gesetzlich nur in Randbereichen (und insbesondere nicht explizit zu Gunsten von Forderungen von Krankenversicherungsträgern) eingeschränkten Gestionsfreiheit des Geschäftsführers im Spannungsfeld von Gläubigerschutz und Gesellschaftsinteresse haben und andererseits wohl auch mathematisch-bilanztechnische Bezüge aufweisen, die nur mit einem erheblichen Verfahrensaufwand der Behörde bzw. allenfalls nur von Sachverständigen auf dem Gebiet des Bilanzwesens zu erhellen sein dürften.

3. Dies hat im Hinblick auf die eine weitere Haftung der Mitbeteiligten, als sie in den angefochtenen Bescheiden angenommen wurde, anstrebenden Beschwerden dennoch zur Folge, dass die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben sind: dies aus der Überlegung, dass im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes von Amts wegen das - auf einer unzutreffenden Rechtsauffassung der belangten Behörde beruhende - Fehlen jeglicher Erörterung der Frage, in welchem Umfang die Mitbeteiligten aus Gesellschaftsmitteln Löhne und Gehälter ausbezahlt und damit Dienstnehmeranteile einbehalten haben bzw ob die Uneinbringlichkeit von Beitragsschuldigkeiten allenfalls auf von den Mitbeteiligten verschuldete Meldepflichtverletzungen zurückzuführen gewesen sind, aufzugreifen war.

Für nicht abgeführte, aber einbehaltene Dienstnehmeranteile bzw für Beitragsausfälle, die auf schuldhafte Meldepflichtverletzungen zurückzuführen sind, hätten die Mitbeteiligten der vorliegenden Beschwerdeverfahren ohne Bedachtnahme auf die Frage der Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern und ohne Bedachtnahme auf die bei Fälligkeit oder bei tatsächlich erfolgter Lohnzahlung noch vorhandenen Mittel im Ausmaß der Uneinbringlichkeit dieser Beiträge grundsätzlich zur Gänze zu haften (zur Haftung für nicht abgeführte Dienstnehmerbeiträge vgl. bereits das Erkenntnis vom 1. Juni 1999, Zl. 96/08/0365).

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 12. Dezember 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998080191.X00

Im RIS seit

21.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

12.12.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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