TE Vwgh Erkenntnis 1999/6/29 94/08/0105

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Veröffentlicht am 29.06.1999
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
21/03 GesmbH-Recht;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ABGB §1392;
ASVG §67 Abs10 idF 1989/642;
ASVG §67 Abs10;
BAO §80 impl;
BAO §80;
BAO §9 impl;
BAO §9;
GmbHG §18;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der E in G, vertreten durch Dr. Harald Ofner und Dr. Gabriela Kaiser, Rechtsanwälte in 1160 Wien, Schuhmeierplatz 14, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 21. März 1994, Zl. VII/2-4971/22-1994, betreffend Beitragshaftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, Dr. Karl Renner-Promenade 14-16, 3100 St. Pölten), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Antrag der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse auf Zuerkennung von Schriftsatzaufwand wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 29. Mai 1991 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der Everclean Gebäudereinigung GmbH in Mödling gemäß § 67 Abs. 10 ASVG zur Bezahlung rückständiger Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren im Betrag von S 1,510.589,47 zuzüglich Verzugszinsen. Nach der Begründung seien bei der Beitragsschuldnerin sämtliche Einbringungsmaßnahmen erfolglos geblieben. Der am 7. Jänner 1991 beim Handelsgericht Wien eingebrachte Konkursantrag sei mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden. Die Beschwerdeführerin sei als Geschäftsführerin Vertreterin der beitragsschuldenden Gesellschaft. Sie sei mit Schreiben vom 29. April 1991 ersucht worden, die aushaftenden Beiträge zu begleichen oder Tatsachen vorzubringen, die ihrer Ansicht nach gegen eine Haftung sprechen. Da sie diesem Ersuchen nicht nachgekommen sei, müsse davon ausgegangen werden, dass die Bezahlung der aushaftenden Beiträge schuldhaft unterblieben sei.

In ihrem dagegen erhobenen Einspruch brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, von ihrem damaligen Lebensgefährten Helmut W. unter Ausnutzung ihrer "Unerfahrenheit und gefühlsmäßigen Abhängigkeit" überredet worden zu sein, bei der Gebäudereinigung GmbH in Mödling als handelsrechtliche Geschäftsführerin zu fungieren. Tatsächlich habe sie aber lediglich Büroarbeiten durchgeführt. Die Geschäftsführeragenden habe ihr Lebensgefährte ausgeübt. Die diesbezüglichen Eintragungen im Handelsregister entsprächen daher nicht der Realität. Helmut W. habe im Sommer 1990 auch die Everclean St. Pölten Gebäudereinigung GmbH gegründet. Alle Angestellten dieser Gesellschaft seien jedoch in der Mödlinger Gesellschaft gemeldet gewesen. Bei Anwendung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise sei Helmut W. als faktischer Geschäftsführer zur Verantwortung zu ziehen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch insoweit Folge gegeben, als der Haftungsbetrag auf S 674.793,41 samt Nebengebühren und Verzugszinsen reduziert wurde. Nach der Begründung seien die Lohnkonten der in Rede stehenden Gesellschaft in Mödling vom Steuerberater nur bis November 1990 geführt worden. Die Beitragsnachweise für die Monate ab Dezember 1990 (bis April 1991) hätten von den Beitragsprüfern anhand der auf den Versicherungsmeldungen angegebenen Entgelte und Arbeitsstunden amtlich erstellt werden müssen. Nach den Feststellungen der belangten Behörde sei es nach der letzten Beitragszahlung am 5. November 1990 noch zu Lohnzahlungen zumindest an die Dienstnehmer Wagner und Obermeier gekommen. Die für die Gesellschaft in Mödling zur Versicherung gemeldeten Dienstnehmer seien nicht Dienstnehmer der Gesellschaft in St. Pölten gewesen. Aus einer Bestätigung der Metro GmbH vom 1. September 1991 ergebe sich auch, dass die Gesellschaft in Mödling zumindest bis April 1991 noch über Einnahmen verfügt habe. Den Lohnzahlungen hätten daher als Äquivalent Beitragszahlungen "gegenüberstehen müssen", was jedoch nicht der Fall sei. Auf Grund einer (im Einzelnen dargestellten) Neuberechnung sei es allerdings zu einer Reduzierung des Haftungsbetrages gekommen. Wenn die Beschwerdeführerin vorbringe, nur als "Strohfrau" für den faktischen Geschäftsführer Helmut W. vorgeschoben worden zu sein, so sei ihr zu erwidern, dass Eintragungen im Firmenbuch für Dritte verbindlich und interne Absprachen ohne Bedeutung seien. Ein in seiner Funktionsausübung behinderter Geschäftsführer habe entweder im Rechtsweg die ungehinderte Funktionsausübung zu erzwingen oder aber seine Funktion als Geschäftsführer niederzulegen. Wenn die Beschwerdeführerin eine Ressortverteilung behaupte, wonach sie als alleinige Geschäftsführerin nur untergeordnete Tätigkeiten als Sekretärin verrichtet und Helmut W. die Leitung der Gesellschaft in Mödling überlassen habe, so sei sie darauf zu verweisen, dass eine solche Ressortverteilung nur für ein eventuelles Strafverfahren nach § 114 ASVG von Bedeutung sei.

Die Beschwerdeführerin vertrete ferner die Auffassung, dass sich der zuständige Geschäftsführer im Falle der Wahrnehmung der beitragsrechtlichen Belange durch einen Steuerberater oder einen Prokuristen von der Haftung für Beitragsschulden befreien könne, indem er dartue, dass ihm der Steuerberater oder Prokurist in voller Kenntnis des gesamten maßgeblichen Sachverhaltes nachweislich eine unrichtige Rechtsauskunft betreffend Bestehen und Ausmaß der Beitragsschuldigkeiten erteilt habe. Im gegenständlichen Fall habe aber Helmut W. der Beschwerdeführerin nicht bloß eine unrichtige Rechtsauskunft hinsichtlich der tatsächlich eingegangen Verpflichtungen als Geschäftsführerin und über die konkrete Geschäftsgebarung erteilt, sondern sie auch durch Vorspiegelung falscher Tatsachen und mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, dazu gebracht, "pro forma" als Geschäftsführerin zu fungieren. Darauf sei der Beschwerdeführerin allerdings zu erwidern, dass sie - wie bereits dargetan - verpflichtet gewesen wäre, ihre Aufgaben als Geschäftsführerin gegebenenfalls mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen oder ihre Funktion zurückzulegen. Die von der Beschwerdeführerin im Vergleich zum Beitragsrückstand angegebenen geringen Forderungen anderer Gläubiger seien nicht geeignet, den Nachweis zu erbringen, dass keine Verletzung der Gleichbehandlungspflicht vorliege. Der Meinung der Beschwerdeführerin, dass seit der Gründung der Gesellschaft in St. Pölten die Gesellschaft in Mödling nicht mehr über ausreichende Mittel zur Beitragsentrichtung verfügt habe, könne nicht beigepflichtet werden. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gesellschaft in St. Pölten eigenwirtschaftlich tätig geworden sei. Zahlungen seien auch nach deren Gründung noch immer an die Gesellschaft in Mödling erfolgt. Auch die Dienstnehmer seien nach diesem Zeitraum von der Gesellschaft in Mödling entlohnt worden. Die geringen Forderungen anderer Gläubiger zeigten ebenfalls, dass die Gleichheit bei der Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge nicht gegeben gewesen sei. Ein für die Haftung entscheidendes Verschulden liege auch dann vor, wenn sich der Geschäftsführer schon bei Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erkläre bzw. eine solche Beschränkung in Kauf nehme, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen, insbesondere auch den Abgabenbehörden gegenüber, unmöglich mache. Dass der Geschäftsführer bezüglich der ihn nach § 67 Abs. 10 ASVG treffenden Verpflichtungen in einem Rechtsirrtum befangen gewesen sei, könne ihn im Hinblick darauf, dass er mit der Übernahme der Geschäftsführung auch verhalten sei, sich mit den ihm zustehenden Rechten und Pflichten entsprechend vertraut zu machen, unabhängig von seiner beruflichen Ausbildung und seinen bisherigen beruflichen Tätigkeiten, nicht entschuldigen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Auch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird - wie bereits im Verwaltungsverfahren - vorgebracht, die Beschwerdeführerin sei von Helmut W. überredet worden, für die Gebäudereinigungsgesellschaft in Mödling als handelsrechtliche Geschäftsführerin zu fungieren. Auf ihre Beteuerungen, von der Führung und Organisation eines Unternehmens nichts zu verstehen und sich einer derartigen Verantwortung überhaupt nicht gewachsen zu fühlen, sei ihr von W. versichert worden, dass es sich dabei bloß um einen Formalakt handle. Das Unternehmen werde selbstverständlich er führen, sie brauche bloß ihren Namen als handelsrechtliche Geschäftsführerin herzugeben. Sie sei somit von W. als "Strohfrau" missbraucht worden. Tatsächlicher Chef sei W. als Einzelprokurist gewesen, der sich um alle Belange der Geschäfte gekümmert habe. Selbstverständlich habe es auch zu seinen Aufgaben gehört, sich um die Bezahlung der Abgaben und der Sozialversicherungsbeiträge zu kümmern. Es habe somit ganz klar eine Ressortverteilung im Sinne des § 114 Abs. 2 ASVG gegeben. Ferner treffe sie an der Nichtbezahlung der Beitragsverbindlichkeiten vor allem deshalb kein Verschulden nach § 67 Abs. 10 ASVG, da sie hinsichtlich der eingegangenen Verpflichtungen als Geschäftsführerin Opfer einer strafbaren Handlung geworden sei. Helmut W. habe ihr nicht bloß eine unrichtige Auskunft hinsichtlich der tatsächlich eingegangenen Verpflichtungen als Geschäftsführerin und über die konkrete Geschäftsgebarung erteilt, sondern habe sie durch Vorspiegelung falscher Tatsachen mit dem Vorsatz, sich durch ihr Verhalten als Getäuschte unrechtmäßig zu bereichern, dazu gebracht, "pro forma" als Geschäftsführerin zu fungieren.

Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften unter anderem die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Zu den im § 67 Abs. 10 ASVG genannten "zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen" gehören auch die Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 19. September 1989, Zl. 88/08/0283).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Haftung des Geschäftsführers gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen zur rechtzeitigen Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung - für deren Beurteilung die von Lehre und Rechtsprechung zu § 9 und § 80 BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. April 1988, Zl. 88/08/0025) - kann z.B. daran liegen, dass der Geschäftsführer die Beitragsschulden insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0198, und vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0016). Bereits eine leichte Fahrlässigkeit reicht für die Vertreterhaftung nach § 67 Abs. 10 ASVG aus (vgl. das Erkenntnis vom 19. März 1991, Zl. 89/08/0331).

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist es auch im sozialversicherungsrechtlichen Haftungsverfahren Sache des haftungspflichtigen Geschäftsführers darzulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Beitragsschulden rechtzeitig (zur Gänze) entrichtet wurden, und dafür entsprechende Beweisanbote zu erstatten. Denn ungeachtet der grundsätzlich amtswegigen Ermittlungspflicht der Behörde trifft denjenigen, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt - über die ihn stets allgemein treffende Behauptungslast im Verwaltungsverfahren hinaus - die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm deren Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, dass er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 22. Dezember 1998, Zl. 94/08/0079).

Der vertretungsbefugte und im Rahmen dieser Vertretungsmacht haftungspflichtige Geschäftsführer ist von seiner Verantwortung zur Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge nicht deshalb befreit, weil die Geschäftsführung - sei es auf Grund eines eigenen Willensentschlusses des Geschäftsführers, sei es über Weisung von Gesellschaftern, sei es auf Grund einer sonstigen Einflussnahme wirtschaftlich die Gesellschaft beherrschender Personen - anderen Personen zusteht und der Geschäftsführer dadurch entweder der rechtlichen und/oder faktischen Möglichkeit einer ausreichenden und effektiven Kontrolle in der Richtung, ob die jeweils fällig werdenden Sozialversicherungsbeiträge zumindest anteilig entrichtet werden, beraubt ist, sich aber gegen die unzulässige Beschränkung seiner Geschäftsführung oder zumindest seiner Aufsichts- und Kontrollaufgaben in Bezug auf die Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge nicht durch entsprechende gerichtliche Schritte zur Wehr setzt oder von seiner Geschäftsführerfunktion zurücktritt, oder die nicht eingeschränkte Kontrollmöglichkeit nicht in ausreichender und effektiver Weise wahrnimmt (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 12. Mai 1992, Zlen. 92/08/0072, 0073, und vom 20. April 1993, Zl. 92/08/0173). Dass der Geschäftsführer hinsichtlich der ihm zustehenden Möglichkeiten einem Rechtsirrtum unterlegen ist, kann ihn im Hinblick darauf, dass er mit der Übernahme der Geschäftsführung auch verhalten war, sich mit den ihm zustehenden Rechten und Pflichten entsprechend vertraut zu machen, nicht entschuldigen (vgl. das bereits genannte Erkenntnis vom 12. Mai 1992). Auf den Grund der Übernahme der Geschäftsführerfunktion sowie auf allfällige Einflüsse Dritter auf die Geschäftsführung kommt es nicht an (vgl. das Erkenntnis vom 14. November 1995, Zl. 94/08/0081).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.

Dass die Beschwerdeführerin von Helmut W. durch strafbare Handlungen bewogen worden sei, als Geschäftsführerin zu fungieren, ändert nichts am Umfang der damit übernommenen Verpflichtungen.

Was die von der Beschwerdeführerin behauptete Ressortverteilung zwischen ihr und dem Prokuristen Helmut W. anlangt, so ist darauf zu verweisen, dass dann, wenn von einem zur Vertretung nach außen Berufenen eine diesen treffende Verpflichtung an dritte Personen übertragen wird, sich der primär Verpflichtete durch geeignete Kontrollmaßnahmen von der Einhaltung der ihn treffenden Verbindlichkeiten durch den Dritten auch dann laufend zu überzeugen hat, wenn er meint auf ein pflichtgemäßes Verhalten dieses Dritten vertrauen zu können (vgl. das Erkenntnis vom 20. Februar 1996, Zl. 95/08/0180). Dass die Beschwerdeführerin jedoch eine ausreichende und effektive Kontrolle ausgeübt hätte, wird von ihr nicht einmal ansatzweise behauptet. Der Prokurist zählt auch nicht zu den nach § 67 Abs. 10 ASVG Haftenden, weil er gewillkürter Vertreter ist; andernfalls hafteten ja auch gewillkürte Vertreter natürlicher Personen sowie Prokuristen von Einzelkaufleuten; beides ist dem Gesetz nicht zu entnehmen (vgl. das Erkenntnis vom 5. März 1991, Zl. 89/08/0223).

Schließlich bringt die Beschwerdeführerin vor, der zuständige Geschäftsführer hafte für Beitragsschulden prinzipiell nicht unbeschränkt, sondern nur quotenmäßig, wenn er den Sozialversicherungsträger gleich wie alle anderen Gesellschaftsgläubiger behandle, also im Ergebnis quotenmäßig befriedige. Zahlreiche gegen die primäre Beitragsschuldnerin anhängige Exekutionsverfahren zeigten, dass andere Gläubiger keineswegs gegenüber dem Sozialversicherungsträger bevorzugt behandelt worden seien. Schließlich hafte der Geschäftsführer nicht für Beitragsschuldigkeiten, die zu einem Zeitpunkt entstanden seien, zu dem die Gesellschaft über keine Mittel zur Beitragsentrichtung mehr verfügt hätte. Spätestens seit der Gründung der Gebäudereinigungsgesellschaft in St. Pölten durch Helmut W. hätte die Gebäudereinigungsgesellschaft in Mödling nicht mehr über ausreichende Mittel zur Beitragsentrichtung verfügt.

Dem ist Folgendes zu erwidern:

Gegen die Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Beitragsschulden mit anderen Schulden verstößt der Geschäftsführer auch dann, wenn die Mittel, die ihm bei oder nach Fälligkeit der in Haftung gezogenen Sozialversicherungsbeiträge für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, er aber diese Mittel (gemessen an der Liquidität und der Höhe der sonstigen Verbindlichkeiten) auch nicht entsprechend anteilig für die Behandlung aller (gleich zu behandelnder) Verbindlichkeiten verwendet und dadurch die Beitragsschulden im Verhältnis zu anderen Verbindlichkeiten schlechter behandelt hat (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0217). In jenen Fällen, in denen fällige Sozialversicherungsbeiträge nicht einmal teilweise bezahlt wurden, sondern zur Gänze unberichtigt geblieben sind, kann schließlich nur der Einwand des Mangels jeglicher Mittel, die zur (auch nur teilweisen) Befriedigung offener Forderungen zur Verfügung gestanden wären, die Annahme einer haftungsbegründenden schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers ausschließen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0008).

Einen entsprechenden Beweis hat die Beschwerdeführerin allerdings nicht erbracht. Nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde erfolgte die letzte Beitragszahlung am 5. November 1990. Die Beitragsnachweise für die Monate ab Dezember 1990 mussten von den Beitragsprüfern anhand der auf den Versicherungsmeldungen angegebenen Entgelte und Arbeitsstunden amtlich erstellt werden. Die Behauptung der vollständigen Mittellosigkeit der Gesellschaft wird durch die der belangten Behörde vorliegenden Beweismittel widerlegt, da aus ihnen jedenfalls hervorgeht, dass bis April 1991 etwa durch die Metro GmbH Zahlungen für Gebäudereinigung erfolgt sind (vgl. das in den Verwaltungsakten erliegende Schreiben dieser Gesellschaft vom 1. September 1991). Ferner sind ab Dezember 1990 an verschiedene Dienstnehmer zumindest teilweise Lohnzahlungen erfolgt (vgl. die diesbezüglichen Unterlagen der Dienstnehmer Elfriede Pirabe, Heike Wagner und Walter Obermeier).

Auf Grund dieser Erwägungen war die vorliegende Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen mitbeteiligten Gebietskrankenkasse steht kein Ersatz des Schriftsatzaufwandes zu (vgl. das Erkenntnis vom 19. Jänner 1999, Zl. 96/08/0269).

Wien, am 29. Juni 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1994080105.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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