TE Vwgh Erkenntnis 1999/6/1 96/08/0365

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Veröffentlicht am 01.06.1999
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §114;
ASVG §60;
ASVG §67 Abs10 idF 1989/642;
ASVG §67 Abs10;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 96/08/0329 E 1. Juni 1999 96/08/0344 E 1. Juni 1999 96/08/0345 E 1. Juni 1999 96/08/0356 E 1. Juni 1999 96/08/0357 E 1. Juni 1999 96/08/0358 E 1. Juni 1999 96/08/0359 E 1. Juni 1999 96/08/0360 E 1. Juni 1999 96/08/0361 E 1. Juni 1999 96/08/0362 E 1. Juni 1999 96/08/0363 E 1. Juni 1999 96/08/0364 E 1. Juni 1999 96/08/0366 E 1. Juni 1999 96/08/0367 E 1. Juni 1999 96/08/0368 E 1. Juni 1999 96/08/0369 E 1. Juni 1999 96/08/0370 E 1. Juni 1999 96/08/0371 E 1. Juni 1999 96/08/0392 E 1. Juni 1999 96/08/0393 E 1. Juni 1999 96/08/0394 E 1. Juni 1999 96/08/0395 E 1. Juni 1999 97/08/0140 E 1. Juni 1999 97/08/0141 E 1. Juni 1999 97/08/0142 E 1. Juni 1999 98/08/0246 E 1. Juni 1999 98/08/0247 E 1. Juni 1999 98/08/0248 E 1. Juni 1999 98/08/0249 E 1. Juni 1999 98/08/0250 E 1. Juni 1999

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse in Wien, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. November 1996, Zl. MA 15-II-T 21/95, betreffend Haftung für Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: J in W, vertreten durch Dr. Peter Kunz, Dr. Georg Schima, Dr. Eberhard Wallentin und Dr. Thomas Wallentin, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Porzellangasse 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Kostenbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde in Stattgebung des Einspruches des Mitbeteiligten gegen den Bescheid der Beschwerdeführerin vom 7. August 1995 gemäß §§ 413, 414 i.V.m. § 355 ASVG fest, dass der Mitbeteiligte gemäß § 67 Abs. 10 ASVG nicht für rückständige Sozialversicherungsbeiträge der protokollierten Firma Konsens Immobilien Verwaltungs- und VermittlungsgesmbH für März 1995 hafte und daher nicht verpflichtet sei, die auf dem Beitragskonto rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren im Betrage von S 68.277,27 zuzüglich Verzugszinsen seit 5. August 1995, in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, berechnet von S 66.192,24 an die Beschwerdeführerin zu bezahlen. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe mit dem bekämpften Bescheid den Mitbeteiligten als Geschäftsführer der genannten Gesellschaft gemäß § 67 Abs. 10 ASVG für die auf dem Beitragskonto der Gesellschaft rückständigen Sozialversicherungsbeiträge für März 1995 in Anspruch genommen. Der Mitbeteiligte habe in seinem Einspruch im Wesentlichen vorgebracht, die Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung sei nicht gegeben, weil die Dienstnehmeranteile gemäß § 13a Abs. 3 IESG einbringlich seien, die Beschwerdeführerin vorerst die Einbringlichmachung gegenüber den Mitgliedern des Bankenkonsortiums zu versuchen gehabt hätte und auch die durch Eingreifen der Betriebsnachfolgehaftung gemäß § 67 Abs. 4 ASVG einbringlichen Beiträge zu berücksichtigen seien. Außerdem sei bei Mehrfachgeschäftsführung die Inanspruchnahme eines Geschäftsführers auf den gesamten Betrag rechtswidrig. Der Mitbeteiligte sei, weil die Konsum Österreich reg. Gen.m.b.H. kraft ihrer Konzernleitungsmacht das gesamte Finanzwesen und den Zahlungsverkehr an sich gezogen habe, niemals mit der Berechnung und Abfuhr von Sozialversicherungsbeiträgen befasst gewesen. Diese seien bis Jänner 1995 auch stets pünktlich und in voller Höhe beglichen worden. Der Mitbeteiligte sei erst am 9. März 1995 vom Kreditstop seitens des Bankenkonsortiums und der dadurch bewirkten Zahlungsunfähigkeit der Unternehmensgruppe in Kenntnis gesetzt worden. Die Vertreter den Bankenkonsortiums hätten in der Nacht vom 8. März 1995 auf den 9. März 1995 völlig überraschend beschlossen, keine weiteren Mittel aus dem vertraglich zugesicherten Konsortialkredit auszuzahlen. Ab dem 9. März 1995 sei der Konsum-Unternehmensgruppe seitens der Mitglieder des Bankenkonsortiums die freie Verfügungsmöglichkeit über die Unternehmenskonten genommen worden. Die Mitglieder des Gläubigerbanken-Konsortiums hätten sich trotz massivster Intervention seitens der Vertreter der Konsum Österreich reg. Gen.m.b.H nicht bereit erklärt, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu überweisen und die entsprechenden Überweisungsträger bankenmäßig zu bearbeiten. Für die Sozialversicherungsbeiträge März 1995 seien keine Zahlungsbelege mehr ausgefüllt worden, weil es den Anwälten der Konsum Österreich reg. Gen.m.b.H. trotz persönlicher Vorsprache im Anschluss an die Hauptversammlung einer namentlich genannten Bank am 31. März 1995 nicht gelungen sei, die Vertreter dieser Bank von ihrem Rechtsstandpunkt abzubringen. Aus der unterlassenen Niederlegung der Funktion als Geschäftsführer könne dem Mitbeteiligten kein haftungsrelevanter Vorwurf gemacht werden, weil sich die Behinderung bloß auf den Zeitraum vom 9. März 1995 bis 4. April 1995 - also nicht einmal einen Monat - erstreckt habe.

Nach Wiedergabe des § 67 Abs. 10 ASVG und eines Hinweises auf die Judikatur dazu stellte die belangte Behörde folgenden Sachverhalt fest:

Mit Kreditvertrag vom 23. Jänner 1995 (abgeschlossen zwischen der Österreichischen Investitionskredit AG - im Folgenden:

Ö.I. AG -, als Vertreterin des die K-Unternehmensgruppe finanzierenden Gläubigerbanken-Konsortiums und der K. Österreich reg. Gen.m.b.H.) sei der in Liquiditätsschwierigkeiten befindlichen Unternehmensgruppe unter der Führung der K. Österreich reg. Gen.m.b.H. ein einmal ausnutzbarer Konsortialkredit in Höhe von 2 Mrd. S eingeräumt worden, der in verschiedenen Tranchen habe ausgenutzt werden können.

Auf der Grundlage dieses Kreditvertrages sei insgesamt ein Betrag von 900 Mio. S ausbezahlt worden. Im Februar 1995 sei eine weitere Tranche von 300 Mio. S angefordert worden, zu deren Auszahlung es jedoch nicht mehr gekommen sei. Die Vertreter des Gläubigerbanken-Konsortiums hätten in der Nacht vom 8. März 1995 auf den 9. März 1995 beschlossen, keine weiteren Mittel aus dem vertraglich zugesicherten Konsortialkredit auszubezahlen. Dies deshalb, weil neue Berechnungen den Kapitalbedarf der K-Unternehmensgruppe deutlich höher als 2 Mrd. S eingeschätzt hätten.

Damit seien die K. Österreich reg. Gen.m.b.H. und alle ihre Konzernunternehmungen mit hier nicht gegenständlichen Ausnahmen zahlungsunfähig geworden.

Die Ö.I. AG habe in weiterer Folge in einem an die K. Österreich reg. Gen.m.b.H. gerichteten Brief vom 9. März 1995 die Bedingungen für eine weitere Finanzierung durch das Bankenkonsortium festgelegt. Demnach hätte der K. alle organisatorischen Voraussetzungen dafür schaffen sollen, dass die Netto-Löhne und Gehälter der Dienstnehmer im Wege einer namentlich genannten Bank (im Folgenden: Bank) gegen Abtretung bzw. Verpfändung der Ansprüche der Dienstnehmer gegen den Insolvenz-Ausfallgeldfonds vorfinanziert werden könnten. Dies sollte die Konsequenz haben, dass der K. den notwendigen Zukauf von Waren, Betriebsmittel und Dienstleistungen weitgehend selbst finanzieren könne. Soweit dies nicht möglich sein sollte, sollte das Konsortium die erforderlichen Kreditmittel im Rahmen der bestehenden Linien zur Verfügung stellen. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass keine neuen Lieferantenverbindlichkeiten aufgebaut würden. Es sei ausdrücklich festgehalten worden, dass die zur Verfügung gestellten Finanzierungsmittel ausschließlich dem Zukauf neuer Waren oder Dienstleistungen gewidmet seien, weil die Bedienung bereits bestehender Verbindlichkeiten wegen der drohenden Verletzung der Gläubigerparität untersagt sei. Diese Finanzierungszusage sei unter der Voraussetzung gegeben worden, dass der K. für die ordnungsgemäße Eröffnung eines Ausgleichsverfahrens bis spätestens 3. April 1995 Sorge trage.

Im Schreiben vom 13. März 1995 an die K. Österreich reg. Gen.m.b.H. habe das Konsortium der Gläubigerbanken dem K. mitgeteilt, dass die Forderungen von Lieferanten für Warenlieferungen in der Zeit vom 9. März 1995 bis zur ersten Ausgleichstagsatzung im beabsichtigten Ausgleichsverfahren längstens jedoch bis 30. Juni 1995 an die Unternehmensgruppe K. bezahlt würden. Das Bankenkonsortium habe auf diese Weise den Lieferanten die Bezahlung ihrer Forderungen für Warenlieferungen ab 9. März 1995 gewährleistet.

Mit Schreiben vom 15. März 1995 habe der K. an die Beschwerdeführerin den Antrag auf Stundung der Beitragszahlungen für den Monat Februar 1995 bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens gestellt.

Mit Schreiben vom 20. März 1995 an den K. habe die Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass einer Stundung der Beitragszahlungen für Februar 1995 nicht zugestimmt werde.

Am 16. März 1995 sei zwischen der Ö.I. AG und der K. Österreich reg. Gen.m.b.H. eine ergänzende Vereinbarung zum Kreditvertrag vom 23. Jänner 1995 abgeschlossen worden. Darin sei vereinbart worden, dass die Bank bis auf weiteres das Cash-Management für Zahlungen der K-Gruppe an Lieferanten und Dienstleister übernehme.

Am 29. März 1995 sei dem Rechtsvertreter der Unternehmensgruppe vom Rechtsvertreter der Bank mitgeteilt worden, dass die Überweisung der Dienstnehmeranteile sowie der Lohnsteuer für Februar 1995 durch die Bank nicht durchgeführt werden dürfe.

Mit Schreiben des K. an die Ö.I. AG vom 30. März 1995 sei um Zustimmung des Bankenkonsortiums zur Überweisung der Dienstnehmeranteile an die Krankenkassen und der einbehaltenen Lohnsteuer an die Finanzämter ersucht worden. In einem weiteren Schreiben an die Bank vom 31. März 1995 sei neuerlich dringend um die Überweisung der Dienstnehmeranteile an die Krankenkassen ersucht worden.

Darüber hinaus habe ein Rechtsanwalt im Auftrag des Vorstandes des K. Ende März 1995 die Bank von ihrem Standpunkt abzubringen versucht. Auch der den K-Konzern vertretende Rechtsanwalt habe sich zu dieser Zeit um die Bezahlung der Dienstnehmeranteile durch die Bank bemüht.

Mit Schreiben vom 4. April 1995 habe die Ö.I. AG dem Vorstand des K. mitgeteilt, dass die Bank mitgeteilt habe, dass sie aus rechtlichen Gründen die Durchführung der von K. in Auftrag gegebenen Überweisungen betreffend die Dienstnehmeranteile nicht für zulässig halte. Eine Überprüfung der Rechtsmeinung der Bank sei der Ö.I. AG nicht möglich.

Am 5. April 1995 sei der Ausgleich über das Vermögen der K. Österreich reg. Gen.m.b.H. und seiner Konzerngesellschaften mit einer (hier nicht bedeutenden) Ausnahme eröffnet worden.

Die belangte Behörde führte weiters aus, aus der Aktenlage ergebe sich, dass die K. Österreich reg. Gen.m.b.H. mit ihren Tochtergesellschaften einen Konzern gebildet habe. Die Vorgaben der K. Österreich reg. Gen.m.b.H. als beherrschendes Unternehmen hätten sich dabei nicht bloß auf die strategischen Leitlinien hinsichtlich der Unternehmenspolitik beschränkt. Kraft der Konzernleitungsmacht hätte die K. Österreich reg. Gen.m.b.H. vielmehr das gesamte Finanzwesen und den Zahlungsverkehr an sich gezogen. Zentral über die Konzernpersonalabteilung sei auch die Abrechnung der gesamten Konzernbelegschaft (mit Ausnahme von hier nicht bedeutenden Gesellschaften) erledigt und die Berechnung und Abfuhr der Lohn- und Gehaltsabgaben, insbesondere der Lohnsteuer sowie der Sozialversicherungsbeiträge, besorgt worden.

Den Unternehmen der K-Gruppe sei de facto ab dem 9. März die freie Verfügungsmöglichkeit über die Unternehmenskonten genommen worden. Ab diesem Zeitpunkt sei der gesamte Zahlungsverkehr über die Bank abgewickelt worden. Diese habe zwar Lieferungen und Leistungen der K-Gruppe bezahlt, habe jedoch die Begleichung der Sozialversicherungsbeiträge und öffentlichen Abgaben verweigert.

Nach der Judikatur habe ein zur Vertretung berufenes Organ, das an der Wahrnehmung seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge gehindert sei, entweder sofort die Behinderung abzustellen oder seine Funktion niederzulegen. Ob ein Rücktritt als rechtzeitig anzusehen sei, hänge von der Erkennbarkeit der Behinderung und der Ergebnislosigkeit der Bemühungen, diese zu beseitigen, ab.

Im vorliegenden Fall sei aktenkundig, dass Ende März 1995, insbesondere im Wege der Intervention durch die Anwälte der Unternehmensgruppe des K. bzw. des Vorstandes versucht worden sei, zumindest die Bezahlung der bereits fälligen Sozialversicherungsbeiträge für Februar 1995 und zwar der Dienstnehmeranteile durch die Bank zu veranlassen, weil strafrechtliche Folgen für den Vorstand und die Geschäftsführer der K-Gruppe befürchtet worden seien. Diese Versuche seien nach Angaben des mit den Verhandlungen mit der Bank beauftragten Rechtsanwaltes endgültig anlässlich einer Besprechung mit Vertretern der Bank im Anschluss an die Hauptversammlung der Bank am 31. März 1995 gescheitert. Zu diesem Zeitpunkt sei zweifelsfrei festgestanden, dass die Bank nicht nur die Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge für Februar 1995 ablehne, sondern die Sozialversicherungsbeiträge generell nicht bezahlen würde.

Der daran anschließende letzte Absatz in der Begründung des angefochtenen Bescheides lautet wie folgt:

"Im Hinblick darauf, dass die dem Einspruchswerber nunmehr vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge März 1995 erst zu diesem Zeitpunkt, nämlich am 31. März 1995, fällig geworden sind, das Ausgleichsverfahren über das Vermögen der Beitragsschuldnerin jedoch bereits am 5. April 1995 eröffnet wurde, konnte die angerufene Behörde kein schuldhaftes Verhalten des Einspruchswerbers an der Nichtentrichtung der Sozialversicherungsbeiträge für März 1995 erblicken, weshalb eine Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG zu verneinen war."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Auch der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften u.a. die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Zu den in § 67 Abs. 10 ASVG genannten "zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen" gehören auch die Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

Die Haftung eines Geschäftsführers einer Ges.m.b.H. nach dieser Bestimmung ist nur dann gegeben, wenn

1.

die Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden bei der Gesellschaft feststeht,

2.

schuldhafte und rechtswidrige Verletzungen der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten durch den Geschäftsführer vorliegen und

3.

die Uneinbringlichkeit der Beiträge auf diese schuldhaften Pflichtverletzungen des Geschäftsführers zurückzuführen sind, d.h. ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen diesen beiden Momenten gegeben ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates, der sich bei Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen der Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG auch auf die Rechtsprechung der Abgabensenate zu den §§ 9 und 80 BAO und den verwandten Bestimmungen der Landesabgabenordnungen stützt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. April 1994, Zlen. 93/08/0259 bis 0261, m. w.N.) ist die Haftung des Geschäftsführers einer Ges.m.b.H. nach § 67 Abs. 10 ASVG ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer nur dann und deshalb trifft, wenn und weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehende gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen aus dem von ihm verwalteten Gesellschaftsvermögen (aus Gesellschaftsmitteln) schuldhaft (zumindest mit leichter Fahrlässigkeit) verletzt hat und die Beiträge infolge einer solchen schuldhaften Pflichtverletzung nicht eingebracht werden können.

Eine solche Pflichtverletzung kann darin liegen, dass der Geschäftsführer die Beitragsschulden (ohne rechtliche Grundlage) insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt. Gegen die Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Beitragsverbindlichkeiten mit anderen Schulden verstößt der Geschäftsführer auch dann, wenn die Mittel, die ihm bei oder nach Fälligkeit der in Haftung gezogenen Sozialversicherungsbeiträge für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, er aber (zumindest fahrlässig) diese Mittel auch nicht anteilig für die Behandlung aller (im obigen Sinn gleich zu behandelnder) Verbindlichkeiten verwendet und dadurch die Beitragsschulden im Verhältnis zu anderen Verbindlichkeiten schlechter behandelt hat. Seine im Zusammenhang mit der Beitragsentrichtung bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen verletzt - unabhängig vom Gleichbehandlungsgebot - der Geschäftsführer auch dann, wenn er entgegen den Bestimmungen der §§ 60 i.V.m. § 114 ASVG einbehaltene Beiträge (Dienstnehmeranteile) nicht der Sozialversicherung abführt, weil dieser Bestimmung ein Gebot der Abfuhr tatsächlich einbehaltener Dienstnehmeranteile zugrunde liegt.

Wird ein infolge einer solchen schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers nicht entrichteter Beitrag in der Folge uneinbringlich, so spricht die Vermutung für die Verursachung ihrer Uneinbringlichkeit durch die Pflichtverletzung und damit den erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhang (vgl. auch hiezu das zitierte Erkenntnis vom 12. April 1994).

Im vorliegenden Fall stützt die belangte Behörde ihre Verneinung einer Haftung des Mitbeteiligten für die strittigen Beiträge auf den Umstand, dass diese Beiträge erst an demselben Tag fällig geworden seien, an dem sich - nach der nicht näher begründeten Ansicht der belangten Behörde - "zweifelsfrei" herausgestellt habe, dass die Bank, über die der gesamte Zahlungsverkehr abgewickelt worden sei, "Sozialversicherungsbeiträge generell nicht bezahlen" würde, und auf den weiteren Umstand, dass fünf Tage später das Ausgleichsverfahren über das Vermögen der Beitragsschuldnerin eröffnet worden sei.

Aus diesen beiden Umständen lässt sich nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht ableiten, dass eine Haftung des Mitbeteiligten für die strittigen Beiträge zu verneinen sei. Ob dies der Fall ist oder nicht, hängt unter anderem auch davon ab, ob und wie lange solche Forderungen anderer Gläubiger, mit denen die Beitragsforderungen gleich zu behandeln gewesen wären, noch befriedigt wurden, durch welche - vor oder nach dem Fälligwerden der strittigen Beiträge getroffenen - Vereinbarungen und Entscheidungen der für die Entrichtung der Beiträge Verantwortlichen eine allfällige Ungleichbehandlung ermöglicht wurde und ob sowie allenfalls aus welchen Gründen es unterlassen wurde, vorhersehbaren Behinderungen bei der zumindest anteiligen Entrichtung der Ende März fällig werdenden Beiträge rechtzeitig vorzubeugen. In diesem Zusammenhang hätte sich die belangte Behörde u. a. mit den Umständen des Zustandekommens und mit dem näheren Inhalt der von ihr festgestellten Vereinbarung über "das Cash-Management für Zahlungen der Konsum-Gruppe an Lieferanten und Dienstgeber" auseinander setzen und prüfen müssen, welche Handlungsspielräume beim Abschluss dieser Vereinbarung in Bezug auf die bis zur geplanten Ausgleichseröffnung noch fällig werdenden Beiträge bestanden und gegebenenfalls - zum Nachteil des Beitragsgläubigers - nicht ausgenützt wurden, wie es zu dem Aktenvermerk vom 16. März 1995 kam, wonach u.a. keinerlei Überweisungen von Beiträgen mehr durchgeführt würden, und ob überhaupt erkennbar ist, dass der Sicherung der zumindest anteiligen Entrichtung der Beiträge für März 1995 bei der Vorbereitung des Ausgleichs in irgend einer Weise Beachtung geschenkt wurde. Hätten sich in dieser Hinsicht Versäumnisse ergeben, so hätte die belangte Behörde unter den von ihr angenommenen, hinsichtlich der vertraglichen Grundlagen aber nicht mit hinreichender Vollständigkeit festgestellten Bedingungen im Konzern im vorliegenden Fall eines nicht an der Konzernspitze, sondern in einer der Tochtergesellschaften tätigen und in die zuletzt erwähnten Vorgänge offenbar nicht eingebundenen Geschäftsführers zu prüfen gehabt, inwieweit ihn ein Überwachungsverschulden treffen konnte.

Die belangte Behörde hat gemeint, sich mit diesen Fragen auf Grund der zuvor erwähnten, für eine Verneinung der verfahrensgegenständlichen Haftung aber nicht ausreichenden Umstände nicht auseinander setzen zu müssen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das den Schriftsatzaufwand betreffende Begehren war gemäß § 49 Abs. 1 VwGG i. d.F. BGBl. I Nr. 88/1997 abzuweisen, weil die Beschwerdeführerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war (der Beschwerdeschriftsatz weist die Unterschrift eines Rechtsanwaltes ohne Berufung auf eine erteilte Vollmacht und unter ausdrücklichem Hinweis auf das Erfordernis des § 24 Abs. 2 VwGG auf).

Wien, am 1. Juni 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996080365.X00

Im RIS seit

17.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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