TE OGH 2009/7/14 4Ob102/09t

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Veröffentlicht am 14.07.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Georg G*****, vertreten durch Dr. Hannes K. Müller, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Andreas H*****, vertreten durch Christandl Rechtsanwalt GmbH in Graz, wegen Entfernung (Streitwert 2.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 5. Februar 2009, GZ 7 R 3/09a-24, womit das Urteil des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 22. Oktober 2008, GZ 207 C 1067/07a-20, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 373,68 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 62,28 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Auf dem außerhalb des abgezäunten Liegenschaftsbereichs befindlichen Teil eines bestimmten Grundstücks stellte der Beklagte Anfang des Jahres 2005 Hohlblocksteine auf.

Der Kläger begehrte - gestützt auf eine ihm zustehende Wegdienstbarkeit - die Entfernung von auf einem anderen (benachbarten) Grundstück aufgestellten Hohlblocksteinen. Sollte sich ein Teil der Steine auf dem anderen Grundstück, welches auch einen Teil der Zufahrtsstraße bilde, befinden, bestehe auch hier eine Servitut zu seinen Gunsten.

Der Beklagte wendete ein, für das Entfernungsbegehren fehle ein Rechtsgrund. Die Hohlblocksteine befänden sich auf dem Grundstück des Beklagten. Die Feststellung des Bestehens einer Grunddienstbarkeit könne überdies nur gegen alle Miteigentümer verlangt werden; der Kläger oder dessen Rechtsvorgänger hätten das Grundstück überdies nicht redlich und mehr als 30 Jahre benutzt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Begehrt sei die Entfernung der Hohlblocksteine von einem bestimmten Grundstück, dort befänden sie sich aber nicht. Die Entfernung von Hohlblocksteinen von einem anderen Grundstück wäre ein aliud.

Das Berufungsgericht bestätigte die Klageabweisung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Befugnis des Gerichts fehle, einem Klagebegehren auch dann stattzugeben, wenn sich im Urteilsantrag die richtige Grundstücksnummer nicht finde, diese sich aber aus dem Sachverhaltsvorbringen ergebe.

Die Entfernung der Steine vom Grundstück, auf dem sie sich tatsächlich befinden, sei zwar vom Sachvorbringen gedeckt, nicht jedoch vom Klagebegehren. Die Verurteilung zur Entfernung der Steine vom anderen (im Klagebegehren nicht genannten) Grundstück bilde ein aliud.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht zulässig.

1.) Der Oberste Gerichtshof ist - sofern eine Verletzung zwingender Bewertungsvorschriften oder eine offensichtlich unrichtige Bewertung und damit ein willkürlicher Rechtsmittelausschluss oder eine rechtsmissbräuchliche Rechtsmittelerweiterung nicht vorliegt - an die Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht gebunden (RIS-Justiz RS0042410, RS0042437, RS0042450 und RS0042385). Hat das Berufungsgericht - wie hier - die wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreits und damit das Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Handlung oder Unterlassung von der Bewertung des Streitgegenstands in der Klage abgehend selbständig eingeschätzt und diese Einschätzung auch begründet, so entzieht sich seine im Ermessensbereich vorgenommene Bewertung einer Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof (vgl 4 Ob 2380/96w).

2.) Das Gericht ist berechtigt, dem Urteilsspruch eine klare und deutliche, vom Begehren abweichende Fassung zu geben, wenn sich letztere im Wesentlichen mit dem Begehren deckt (RIS-Justiz RS0039357). Die Anpassung des Urteilsspruchs an den sachlichen Inhalt des Klagebegehrens abweichend von dessen Wortlaut ist somit zulässig (RIS-Justiz RS0041254). Das Gericht darf hiebei aber nicht die von den Parteien umschriebenen Grenzen des Streitgegenstands überschreiten (7 Ob 139/75); grundsätzlich kann nur über das gestellte Klagebegehren abgesprochen werden (2 Ob 611/83 = SZ 57/9). Das Gericht darf weder ein plus noch ein aliud zusprechen (4 Ob 2038/96a). Reicht der Wortlaut des (um-)formulierten Begehrens weiter als das Klagebegehren, läge darin ein Verstoß gegen § 405 ZPO (1 Ob 11/06h).

Ob durch eine Neuformulierung des Spruchs nur eine Verdeutlichung vorgenommen oder das Begehren unter Berücksichtigung des dazu erstatteten Vorbringens in unzulässiger Weise überschritten wird, ist keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, sondern betrifft ausschließlich den Einzelfall (RIS-Justiz RS0041192). Da sich der Urteilsantrag des Klägers ausdrücklich auf die Entfernung von Hohlblocksteinen von einem bestimmten Grundstück bezog, ist die Weigerung des Berufungsgerichts, die Entfernung von Steinen von einem anderen Grundstück anzuordnen - ungeachtet des klägerischen Vorbringens, die Steine befänden sich (auch) auf dem anderen Grundstück, auf das sich die von ihm als Rechtsgrund genannte Dienstbarkeit auch beziehe - nicht als vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende (krasse) Fehlbeurteilung zu werten. Die Auffassung des Berufungsgerichts, mit der Umformulierung des Urteilsantrags dahin, dass die Entfernung von Hohlblocksteinen vom anderen Grundstück angeordnet werde, eine Überschreitung des Klagebegehrens und damit einen Verstoß gegen § 405 ZPO zu begehen, ist vertretbar. Die Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht nach § 182a ZPO betreffend das Vorbringen des Klägers zu mehreren Grundstücken, ohne auf eine allfällige Anpassung des Urteilsantrags hinzuweisen, machte der Kläger nicht geltend; die Rüge eines (allfälligen) Verfahrensmangels wäre im Hinblick auf den 2.000 EUR nicht übersteigenden Streitgegenstand nach § 501 Abs 1 ZPO auch ausgeschlossen gewesen.

Da der Kläger sohin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermochte, war seine Revision zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO; der Beklagte wies auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hin.

Anmerkung

E915134Ob102.09t

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0040OB00102.09T.0714.000

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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