TE OGH 2009/7/21 14Os68/09w

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Veröffentlicht am 21.07.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Juli 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Annerl als Schriftführer im Verfahren wegen Unterbringung des Werner K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 6. April 2009, GZ 12 Hv 26/09a-51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Werner K***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Danach hat er in Klagenfurt unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grade beruht, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz

1. am 2. Oktober 2008 den Taxilenker Michael S***** durch Drohung mit dem Tod, nämlich die mit entsprechenden Handbewegungen in Richtung dessen Kopf unterstrichenen Äußerungen: „Ich werde dich umlegen, wenn du mich nicht zum Flughafen bringst; ich schiebe dir das Nasenbein ins Hirn; mir ist schon alles wurst, ich lege dich und anschließend mich um!", zur unentgeltlichen Beförderung zum Flughafen zu nötigen versucht, wodurch der Genannte bzw das betreffende Taxiunternehmen am Vermögen geschädigt werden sollte;

2. von 2. bis 8. Oktober 2008 Bernhard P***** in wiederholten Angriffen durch Einbruch eine nicht mehr bestimmbare Anzahl von Zigarettenpackungen in einem 3.000 Euro nicht übersteigendem Wert weggenommen, indem er mit einem Messer dessen Kasten aufbrach, und hiedurch die Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ (zu ergänzen: 15,) 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (1.) und des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 (richtig: Z 2) StGB

(2.) begangen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus den Gründen der Z 5, 5a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Mit der Behauptung eines inneren Widerspruchs (Z 5 dritter Fall) in Betreff der Anlasstat der schweren Erpressung, weil die Tatrichter - entgegen der Konstatierung, der Betroffene habe den Taxilenker zur unentgeltlichen Beförderung zum Flughafen veranlasst (US 7) - an mehreren Stellen des Urteils (auch in der rechtlichen Beurteilung) misslungenen Versuch annahmen, die Tat aber unter §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 erster Fall subsumierten, spricht der Beschwerdeführer keine entscheidende Tatsache, sondern eine dem Regelungsbereich des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO zuzuordnende - hier zudem nicht relevante - Strafzumessungstatsache an (RIS-Justiz RS0122137). Im Übrigen ist den Entscheidungsgründen in ihrer Gesamtheit zweifelsfrei zu entnehmen, dass das Erstgericht von versuchter Tatbegehung ausging, woran die ersichtlich versehentlich unterbliebene Anführung der Bestimmung des § 15 StGB im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 2) nichts zu ändern vermag (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 440).

Dem Einwand unvollständiger Begründung zuwider wurde die die Anlasstat der schweren Erpressung leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers mit logisch und empirisch einwandfreier Begründung als widerlegt erachtet (US 13 f), einzelne Details seiner Aussage waren daher nicht erörterungsbedürftig iSd Z 5 zweiter Fall. Die Kritik an der Begründung der subjektiven Tatseite zum Verbrechen des Einbruchsdiebstahls (der Sache nach Z 5 vierter Fall) ignoriert prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0119370) die insoweit zentralen Erwägungen der Tatrichter. Diese leiteten ihre Überzeugung von auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz des Beschwerdeführers (deutlich genug) aus dessen objektivem Verhalten ab (US 16), was aus dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452). Regelmäßiges Einkommen oder die Möglichkeit legaler Beschaffung von Zigaretten stehen der Annahme von Bereicherungsvorsatz nicht entgegen und bedurften demnach auch keiner Erörterung im Urteil.

Davon abgesehen hat der Betroffene selbst eingeräumt, bloß ein geringes Taschengeld zur Verfügung gehabt und jeweils dann Zigaretten gestohlen zu haben, wenn er selbst keine hatte (ON 50 S 5, 15). Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) den konstatierten Bedeutungsinhalt der Äußerungen des Beschwerdeführers gegenüber Michael S***** (als ernst gemeinte Todesdrohungen) sowie seine Absicht, den Genannten in Furcht und Unruhe vor einer Verwirklichung des angedrohten Übels zu versetzen, anhand eigener Beweiswerterwägungen in Abrede stellt, bekämpft sie in unzulässiger Weise bloß die - logisch und empirisch einwandfreie - diesbezügliche Beweiswürdigung der Tatrichter (US 13 f) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Der Hinweis auf die - in der Beschwerde zudem bloß unvollständig und aus dem Zusammenhang gerissen zitierten - Erklärungen des Zeugen S***** zu seiner subjektiven Einschätzung der verfahrensgegenständlichen Äußerungen (ON 50 S 30) betrifft keine entscheidende Tatsache, weil es für die Subsumtion unter §§ 144 f StGB nicht erforderlich ist, dass die Drohung beim Bedrohten tatsächlich Besorgnis hervorruft (Eder-Rieder in WK² § 144 Rz 15). Soweit die Tatsachenrüge auf die Rechtsfrage (vgl Jerabek in WK² § 74 Rz 34, Sailer SbgK § 107 Rz 16) der Eignung der Äußerungen, den Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen, Bezug nimmt (der Sache nach Z 9 lit a), entzieht sie sich mangels argumentativen Substrats einer inhaltlichen Erwiderung. Im Übrigen ist die Einschätzung der Tatrichter angesichts der mehrfach wiederholten, mit eindeutiger Gestik untermauerten ausdrücklichen Todesdrohungen, verbunden mit dem Hinweis, dem Betroffenen sei ohnehin „schon alles wurst", nicht zu beanstanden.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nimmt mit dem Einwand fehlender Feststellungen zur inneren Tatseite des Verbrechens der schweren Erpressung prozessordnungswidrig nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe, denen die vermissten Konstatierungen gar wohl zu entnehmen sind (US 7).

Die Subsumtionsrüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) leitet die bloße Behauptung, das als Verbrechen des Einbruchsdiebstahls qualifizierte Täterverhalten sei „wenn überhaupt" als - den Kriterien einer Anlasstat des § 21 Abs 1 StGB nicht entsprechendes - Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 Abs 1 StGB zu beurteilen, weil „das Verstecken von Gegenständen innerhalb eines Zimmers auf der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie keinen Gewahrsamsbruch darstellt", nichtmethodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (eingehend 13 Os 151/03, JBl 2004, 531 [Burgstaller] = RZ 2004, 139 = SSt 2003/98; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588) und entzieht sich daher einer sachbezogenen Erörterung.

Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass einerseits die Frage tatsächlichen Gewahrsamsbruchs bei - hier bejahtem Bereicherungsvorsatz - keine entscheidende Tatsache betrifft (RIS-Justiz RS0122137) und andererseits der Gewahrsam nach ständiger Rechtsprechung bereits dann gebrochen, mithin der Diebstahl vollendet ist, wenn die Sache wenigstens einer unverzüglichen Wahrnehmung seitens des Bestohlenen entzogen ist. Das ist schon dann der Fall, wenn die Sache am Körper, in der Kleidung oder zwecks späterer Wegschaffung oder - wie hier - anschließenden Verbrauchs am Tatort, nämlich am Ort ihrer Ergreifung, versteckt wird (für viele: RIS-Justiz RS0093232).

Die Sanktionsrüge (Z 11) leitet die Ansicht, eine Unterbringung nach § 21 Abs 1 StGB setze die zwingende Befürchtung (vgl dagegen Ratz in WK² Vorbem zu §§ 21-25 Rz 4; RIS-Justiz RS0089988) voraus, der Betroffene werde unter dem Einfluss seiner geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grad eine Prognosetat begehen, erneut nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab.

Hohe Wahrscheinlichkeit künftiger Begehung von mit Strafe bedrohten Handlungen mit schweren Folgen aber haben die Tatrichter - der Interpretation des Beschwerdeführers zuwider - ausdrücklich bejaht (US 11 f, 18) und auch die Prognosetaten durch die Urteilsannahmen hinlänglich determiniert, wonach konkret (unter anderem) weitere Drohungen mit dem Tod, demnach Taten, die eine Unterbringung nach § 21 Abs 1 StGB schon für sich rechtfertigen (RIS-Justiz RS0116500), zu befürchten seien. Indem die Beschwerde diese Konstatierungen ignoriert, nimmt sie nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394; für viele: 13 Os 148/08a). Dass das Erstgericht ausgehend von den getroffenen Feststellungen (US 5 f, 12) im Rahmen der Begründung der Gefährlichkeitsprognose - zusätzlich und illustrativ - auch auf früheres Verhalten des Beschwerdeführers verwies (US 18), obwohl es dieses Geschehen (mangels Erweislichkeit eines durch die Sachbeschädigung entstandenen 3.000 Euro übersteigenden Schadens) nicht als Anlasstat heranzog (US 12), ist schließlich - entgegen der Beschwerdeauffassung - nicht zu beanstanden (Ratz in WK² § 21 Rz 25).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§§ 285i, 429 Abs 1 StPO).

Anmerkung

E9148414Os68.09w

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0140OS00068.09W.0721.000

Zuletzt aktualisiert am

09.09.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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