TE OGH 2009/9/8 4Ob146/09p

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Veröffentlicht am 08.09.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stefan R*****, vertreten durch Mag. Stefan Traxler, Rechtsanwalt in Mödling, gegen die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 6.922 EUR (Revisionsinteresse 6.336 EUR) sA, über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 16. März 2009, GZ 2 R 1/09w-30, mit welchem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 29. September 2008, GZ 14 Cg 22/07f-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 559,15 EUR (darin 93,19 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger wirkte im Jahr 2002 als Darsteller in einem Werbespot mit, den ein Filmunternehmen im Auftrag des Beklagten herstellte. Er räumte seiner Agentur, diese dem Filmunternehmen und jenes dem Beklagten die „Rechte" daran für ein Jahr ein. Nach Ablauf dieses Jahres verwendete der Beklagte den Film weitere drei Jahre in der Fernseh- und Kinowerbung. Das angemessene Entgelt des Klägers hätte dafür 6.336 EUR betragen; der Beklagte zahlte davon 5.750 EUR.

Der Kläger begehrt nach Klageeinschränkung 6.992 EUR. Dieser Betrag errechnet sich aus dem doppelten angemessenen Entgelt iSv § 87 Abs 3 UrhG abzüglich der geleisteten Zahlung. Die Veröffentlichung des Bildnisses habe seine schutzwürdigen Interessen verletzt (§ 78 UrhG). Er sei um das angemessene Entgelt für die weitere Sendung des Werbespots gebracht worden; zudem sei sein „Marktwert" beeinträchtig worden, weil ihn andere Unternehmen, die ähnliche Produkte bewürben, nicht mehr buchten. Daher bestehe ein Anspruch auf das doppelte angemessene Entgelt (zumindest) analog zu § 87 Abs 3 iVm § 86 Abs 3 UrhG.

Der Beklagte wendet ein, dass § 87 Abs 3 UrhG nur bei einem schuldhaften Eingriff in Verwertungsrechte, nicht aber bei einer Verletzung des Rechts am eigenen Bild anzuwenden sei. Zudem lägen gar keine solchen Rechtsverletzungen vor. § 78 UrhG schütze materielle Interessen des Abgebildeten nur als Reflex der Verletzung immaterieller Interessen. Im vorliegenden Fall seien immaterielle Interessen nicht verletzt, weil der Kläger ohnehin als Fotomodell arbeite, sodass ihm der (zutreffende) Eindruck, er habe für den Beklagten geworben, nicht schade. Der Anspruch des Klägers könne daher nur auf allgemeines Zivilrecht (§ 1041 ABGB) gegründet werden. Darauf habe sich der Kläger aber nicht gestützt. Zudem habe der Filmhersteller das unbeschränkte Recht erworben, den Film zu verwerten.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung der Differenz zwischen dem angemessenen Entgelt und der bereits geleisteten Zahlung (586 EUR) und wies das Mehrbegehren von 6.336 EUR ab. Die nicht autorisierte Verwendung des Werbespots habe berechtigte Interessen des Klägers verletzt. Dies verpflichte den Beklagten zum Ersatz des entgangenen Gewinns nach § 87 Abs 1 UrhG, nicht aber zu pauschaliertem Schadenersatz nach § 87 Abs 3 UrhG.

Das nur vom Kläger angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Nach herrschender Rechtsprechung bestehe kein Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Entgelts bei der Verletzung des Rechts am eigenen Bild. Die bloß wirtschaftlichen Interessen des Abgebildeten würden durch die Anwendung von § 1041 ABGB gewahrt; § 78 UrhG sei in diesem Fall nicht anwendbar. Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil sich der Oberste Gerichtshof noch nicht mit der in der Literatur vertretenen Auffassung auseinandergesetzt habe, dass in solchen Fällen eine Analogie zu § 86 Abs 3 UrhG (iVm § 87 Abs 3 UrhG) geboten sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist ungeachtet dieses nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts unzulässig.

1. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass § 78 UrhG zwar ideelle und materielle Interessen schützt; letztere aber nur dann, wenn durch die Verletzung ideeller Interessen auch materielle Interessen berührt sind (4 Ob 127/94 = SZ 67/224 - Fußballer-Abziehbilder; zuletzt etwa 4 Ob 153/07i = MR 2007, 375 - Kriminalfilm, und 6 Ob 57/06k = MR 2008, 145 [Thiele, Warzilek] = ecolex 2008, 550 [Schachter] - Ernst-Happel-Briefmarke mwN).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger ausschließlich die Verletzung materieller (wirtschaftlicher) Interessen behauptet (entgangenes Entgelt, verringerter „Marktwert"). Zwar hat der Oberste Gerichtshof mehrfach ausgesprochen, dass die Verwendung eines Lichtbilds für Werbezwecke berechtigte Interessen des Abgebildeten verletze, weil er sich dadurch dem Verdacht ausgesetzt sehe, das Bild für Werbezwecke entgeltlich zur Verfügung gestellt zu haben (RIS-Justiz RS0077982, vgl auch RS0078064). Das gilt aber nicht für Personen, die als Fotomodell tätig sind, sodass ihnen dieser - generell ohnehin zutreffende - Eindruck auch bei einer im Einzelfall nicht autorisierten Veröffentlichung im Regelfall nicht schadet (4 Ob 108/94 = MR 1995, 25 [Walter] - Kellner). Konkrete Umstände, weshalb dies hier anders gewesen sein sollte, zeigt der Kläger nicht auf.

2. Somit ist § 78 UrhG im vorliegenden Fall zumindest nach der bisherigen Rechtsprechung gar nicht anwendbar. Allerdings wäre der noch offene Zahlungsanspruch des Klägers auch bei einer Verletzung von § 78 UrhG nicht begründet.

2.1. Bei einem Eingriff in das Recht am eigenen Bild iSv § 78 UrhG gewährt § 87 UrhG dem Abgebildeten zwar grundsätzlich Schadenersatzansprüche. Hingegen besteht kein urheberrechtlicher Anspruch auf das angemessene Entgelt, da § 86 UrhG nicht auf § 78 UrhG verweist (4 Ob 406/81 = SZ 55/12 = Fußballerwerbung I; RIS-Justiz RS0019890). Damit ist auch der Anspruch auf das doppelte angemessene Entgelt nach § 87 Abs 3 UrhG ausgeschlossen.

Dem hält zwar Mahr (Der Verwendungsanspruch beim „Recht am eigenen Bild", MR 1995, 127) entgegen, dass dem Abgebildeten bei Verletzung (auch) materieller Interessen ein angemessenes Entgelt analog § 86 Abs 3 UrhG (Nachrichtensammler) zustehe, was bei einem (hier vorliegenden) Verschulden des Nutzers zum Anspruch nach § 87 Abs 3 UrhG führen könnte.

Diese Ansicht kann aber nicht überzeugen: Sie setzt voraus, dass der Abgebildete in Bezug auf die Abbildung über ein Verwertungsrecht verfügt, das sich grundsätzlich nicht von anderen Verwertungsrechten des Urheberrechtsgesetzes - etwa jenem des Nachrichtensammlers iSv § 79 UrhG - unterscheidet. Denn nur dann könnte eine planwidrige Lücke des Gesetzes bestehen und damit die analoge Anwendung der - unmittelbar jedenfalls nicht anwendbaren - §§ 86, 87 Abs 3 UrhG begründet sein. Eine solche Gleichstellung scheitert aber daran, dass § 78 UrhG - anders als der von Mahr als Analogiegrundlage herangezogene § 79 UrhG - mangels einer schöpferischen oder zumindest Leistungsschutz rechtfertigenden Handlung des Abgebildeten gerade kein Immaterialgüterrecht im Sinn des Urheberrechts begründet. Vielmehr handelt es sich bei dieser Bestimmung um eine Sonderregelung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht iSd § 16 ABGB (4 Ob 127/94 - Fußballer-Abziehbilder; 6 Ob 57/06k - Ernst-Happel-Briefmarke), die letztlich systemwidrig in das Urheberrechtsgesetz aufgenommen wurde. Der letztgenannte Umstand kann daher nicht dazu führen, dass die Entgeltbestimmungen dieses Gesetzes ungeachtet des Fehlens einer den dort geregelten Verwertungsrechten vergleichbaren Situation und entgegen der eindeutigen Entscheidung des Gesetzgebers (Nichtaufnahme eines Verweises auf § 78 UrhG in § 86 UrhG) auf den Bildnisschutz angewendet werden.

2.2. Bei einem Eingriff in materielle Interessen steht dem Abgebildeten unter Umständen ohnehin ein Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB zu. Das gilt nach ständiger Rechtsprechung beim Ausnutzen eines geldwerten Bekanntheitsgrades (4 Ob 406/81 - Fußballerwerbung I; RIS-Justiz RS0019890, RS0019987) und wohl auch bei der - wie hier - nicht autorisierten Verwertung des geldwerten Aussehens eines Fotomodells (4 Ob 108/94 - Kellner). Dabei kann ein Anspruch in Höhe des angemessenen Entgelts begründet sein, wenn der Nutzer durch das Ersparen dieses Betrags bereichert ist (vgl 4 Ob 406/81 = Fußballerwerbung I). Ob das im vorliegenden Fall zutrifft, kann offen bleiben, weil der diesbezügliche Zuspruch des Erstgerichts ohnehin rechtskräftig geworden ist. Eine Grundlage für das hier begehrte doppelte angemessene Entgelt bietet § 1041 ABGB jedenfalls nicht.

3. Auf andere Umstände, die allenfalls Immaterialgüterrechtsschutz begründen könnten, hat sich der Kläger nicht berufen. Es ist daher nicht zu prüfen, ob das Klagebegehren allenfalls auf § 87 Abs 3 UrhG iVm § 86 Abs 1 Z 2 und 3 UrhG gestützt werden könnte (vgl dazu aber §§ 69 Abs 1 und 70 Abs 2 UrhG).

4. Aus diesen Gründen ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit hingewiesen; der Kläger hat ihm daher die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Schlagworte

Werbespot,

Textnummer

E91899

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0040OB00146.09P.0908.000

Im RIS seit

08.10.2009

Zuletzt aktualisiert am

16.03.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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