TE OGH 2009/10/15 13Os86/09k

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Veröffentlicht am 15.10.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krajina als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard B***** wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 18. Februar 2009, GZ 9 Hv 19/07m-50, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruchpunkt III und demgemäß im Strafausspruch aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Eisenstadt verwiesen. Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen und die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen (wegen des Ausspruchs über die Strafe) werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerhard B***** im zweiten Rechtsgang einer unbestimmten Zahl von Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I und II) und von Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (III) schuldig erkannt.

Danach hat er in D*****

I. im Zeitraum 1996/1997 bis 30. Oktober 1998 an der am 31. Oktober 1984 geborenen, mithin unmündigen Daniela P***** durch Betasten der Brust und des Schambereichs geschlechtliche Handlungen vorgenommen;

II. im Zeitraum 1997/1998 bis 27. November 1999 an der am 27. November 1985 geborenen, mithin unmündigen Katharina P***** durch Betasten der Brust sowie des Schambereichs geschlechtliche Handlungen vorgenommen;

III. durch die zu I., jedoch im Zeitraum 1996/1997 bis August 1999, und zu II., jedoch im Zeitraum 1997/1998 bis 1999/2000, angeführten Tathandlungen unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber diesen seiner Erziehung und Aufsicht unterstehenden minderjährigen Personen diese zur Unzucht missbraucht.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und b StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist zum Schuldspruchpunkt III berechtigt:

Denn die Rüge (Z 5 vierter Fall) reklamiert zutreffend, dass die Feststellung, der Angeklagte habe die Mädchen „unter vorsätzlicher Ausnützung seiner Autoritätsstellung als faktischer Erziehungsberechtigter" sexuell missbraucht (US 6), mit der Ableitung aus dem äußeren Tatgeschehen (US 9) angesichts dessen konstatierter Annahme, die Kinder würden während der Taten jeweils schlafen (US 4 f), unzureichend begründet ist. Der Hinweis auf die „Rolle" des Angeklagten „im Familienverband" (US 9) beseitigt dieses Begründungsmanko nicht, weil er zwar ein Autoritätsverhältnis, nicht aber die Feststellung, dass der Angeklagte seine Autorität gegenüber den Mädchen einsetzte, damit diese die geschlechtlichen Handlungen an sich ergehen lassen, zu begründen vermag. Zum Schuldspruchpunkt III war der Nichtigkeitsbeschwerde demnach Folge zu geben (§§ 285e, 288 Abs 2 Z 1 StPO).

Im Übrigen ist die Nichtigkeitsbeschwerde nicht berechtigt. Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der beantragte „weitere Sachverständige aus dem Fach der Psychologie zum Beweis dafür, dass sowohl die Wahrnehmungs- als auch die Aussagefähigkeit und die Glaubwürdigkeit der beiden Zeugen Katharina und Daniela P***** nicht im ausreichenden Maße gegeben sind und eingeschränkt sind" (ON 49 S 246 iVm ON 28 S 245), mit der Begründung fehlender Hinweise für einen mangelhaften Befund oder ein derartiges Gutachten der zum angeführten Thema beigezogenen Sachverständigen (demnach fehlender gesetzlicher Voraussetzungen für die Bestellung eines weiteren Experten und nicht bloß „wegen Spruchreife") zu Recht nicht beigezogen. Im Rechtsmittel nachgetragene Erwägungen sind zufolge des im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren herrschenden Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) gründeten die Tatrichter die Urteilsfeststellungen mängelfrei auf die für glaubwürdig befundenen Aussagen der beiden Opfer (US 7). Welche zahlreichen (für den Angeklagten günstigen) Zeugenaussagen sie dabei übergangen haben sollen (Z 5 zweiter Fall), erklärt die Rüge nicht. Ebenso wenig legt sie nachvollziehbar dar, weshalb es den Tatrichtern nicht möglich gewesen sein soll, anhand der (vorgeführten; ON 49 S 241) Bild- und Tonaufnahmen der kontradiktorischen Einvernahmen der Katharina und der Daniela P***** von diesen den Eindruck von „Ehrlichkeit und Korrektheit" zu gewinnen (US 7).

Soweit die Rüge „überschießende", also nicht entscheidungsrelevante Feststellungen (zur - im Übrigen durch die Aussagen der Katharina und Daniela P***** gedeckten - fehlenden Präsenz der Mutter der Opfer anlässlich der Missbrauchstaten) als mangelhaft (Z 5 vierter Fall) begründet kritisiert, verfehlt sie den Bezugspunkt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398 ff, 444 ff). Die vermissten Ausführungen, wonach „die ersten Vorwürfe gegenüber dem Angeklagten erst anlässlich eines Streits im März 2007 erfolgt seien", sind im Urteil enthalten. Indem die Rüge daraus sowie unter Hinweis auf psychische Behandlungen der Katharina und der Daniela P***** und einer ärztlichen Behandlung der Katharina P***** wegen schwerer Migräne „erst nach März 2007" und mit der Behauptung einer Schwangerschaft der Katharina P***** zum Zeitpunkt ihrer kontradiktorischen Vernehmung den Schluss auf die Unglaubwürdigkeit der Angaben der Opfer zieht, bekämpft sie bloß unzulässig die Beweiswürdigung.

Dem weiteren Vorbringen (Z 5 vierter Fall) zuwider ist der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen rechtsstaatlich vertretbar und bei einem - wie hier leugnenden - Angeklagten in der Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0116882, RS0098671).

Die Kritik (Z 9 lit a) fehlender Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen und zur subjektiven Tatseite missachtet prozessordnungswidrig die entsprechenden Urteilsannahmen (RIS-Justiz RS0099810, RS0099671). Ebenso wenig gelangt die Rüge (Z 9 lit b) mit dem nicht methodisch aus dem Gesetz abgeleiteten, sondern sich in einer bloßen Rechtsfolgenbehauptung erschöpfenden Einwand (RIS-Justiz RS0118429) von Verjährung zu einer am Verfahrensrecht orientierten Ausrichtung. Schließlich zeigt auch der (im Übrigen nicht nachvollziehbare; vgl US 10 f) Vorwurf, „hinsichtlich der Verjährung" würden „sich nur sehr wenige Ausführungen" finden, „sodass der Eindruck erweckt wird, dass sich das Erstgericht mit diesem Einwand gar nicht auseinandergesetzt hat", Urteilsnichtigkeit nicht auf (vgl zur prozessordnungskonformen Reklamation eines Feststellungsdefizits in Betreff eines Ausnahmesatzes 13 Os 72/07y, EvBl 2007/146, 789). Demnach war die Nichtigkeitsbeschwerde in diesem Umfang - ebenso wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Schuld (§ 283 Abs 1 StPO) - zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Mit ihren Berufungen (wegen des Ausspruchs über die Strafe) waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen. Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Anmerkung

E9222113Os86.09k

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0130OS00086.09K.1015.000

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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